Need for Speed: Most Wanted - Test, Rennspiel, 360, Wii_U, PC, iPhone, Android, PlayStation3, iPad, PS_Vita
Gut vier Monate mussten Wii U-Besitzer auf "ihr" Need for Speed Most Wanted warten. Zwar fiel der ursprüngliche Release des insgeheim als inoffzieller Nachfolger von Burnout Paradise gehandelten Open World-Rasers in etwa in den Zeitraum, in dem die neue Nintendo-Hardware in die Läden kam. Dennoch benötigte das Team von Criterion offensichtlich mehr Zeit, um die halsbrecherische Geschwindigkeit in Einklang mit der frischen Konsole zu bringen. Im Gegenzug bietet man einige Unterschiede und Ergänzungen, mit denen man die zusätzliche Wartezeit kompensieren möchte.
Das späte Glück?
Inhaltlich fällt dabei in erster Linie die Integration des auf anderen Plattformen als DLC angebotenen "Ultimate Speed Pack" auf, das den regulär mit über 40 Fahrzeugen ausgestatteten Fuhrpark um fünf aufstockt. Das bedeutet gleichzeitig fünf neue Herausforderungen pro Fahrzeug und etwa 70 frische Meilensteine, die man bei seinen Fahrten durch die fiktive Stadt Fairhaven erreichen kann - wodurch das Spielerlebnis zwar verlängert, aber nicht nennenswert verbessert wird.
Nicht lumpen lässt sich Most Wanted hinsichtlich der Steuerungs-Optionen: Neben dem Wii U-Gamepad, das sich optional auch wie Microsofts Wireless Speed Wheel (mit beinahe identischer Genauigkeit) als Bewegungssteuerung nutzen lässt, kann man eigentlich alles außer einer Bratpfanne anschließen. Das Wii U ProPad wird ebenso unterstützt wie der Classic Controller Pro oder die Remote, die natürlich auch in Kombo mit dem Nunchuk eingesetzt werden kann. Wer angesichts der Unterstützung eines zweiten Spielers hofft, dass ähnlich wie bei Sonic All-Stars Racing Transformed ein Spieler auf dem großen Fernseher und einer auf dem kleinen Schirm des Touchpads fährt, wird enttäuscht.
Wie es euch gefällt
Sinnvoller ist da schon der große Kartenausschnitt auf dem Touchscreen (es gilt jedoch wie im richtigen Leben, dass man die Karte nur konsultieren sollte, wenn man nicht mit 200 Sachen durch die Gassen jagt) und vor allem die Option, seinen Wagen per Knopfdruck wechseln zu können. Allerdings hat sich hier ein Manko eingeschlichen: Online sucht man sich seine Marke und kann dort aus allen zur Verfügung stehenden Modellen auswählen, bevor man auf Knopfdruck im Fahrersitz Platz nimmt. Offline jedoch klickt man auf die Marke und findet sich ohne weitere Auswahl im erstbesten Modell wieder. Klickt man nochmals, kommt das nächste Modell usw. Nimmt man jetzt einen Hersteller, der entsprechend viele Boliden im Programm hat wie z.B. Ford oder auch Porsche wird die Fahrzeugwahl im Zweifelsfall zu einer unnötigen Geduldsfrage. Sinnvoll wäre es auch gewesen, über Berührungssteuerung die freigeschalteten Modifikationen für jeden Flitzer administrieren zu können. Das passiert jedoch wie bei den Geschwistern auf 360 oder PS3 über das Digipad.
Angesichts der ansehnlichen Kulisse sowie der enormen Geschwindigkeit, die Criterion auf PC, PS3 und 360 in Fairhaven vom Stapel lässt, war ich gespannt, wie sich die Wii U technisch schlagen würde. Hinsichtlich des so genannten "asynchronen" Wettbewerbs gibt man sich keine Blöße: Wie in den anderen Versionen gleicht Most Wanted die eigenen Leistungen mit denen seiner Freunde ab und zeigt auf, wo man besser (Yay!) und wo man schlechter (Nay!) war. Wer hat welches Rennen schneller beendet?
Abstriche - mal mehr, mal weniger
Denn, und das ist das wichtigste an der Wii U-Umsetzung: Sie kann sich wahrlich sehen lassen. Im Parallel-Betrieb lassen sich bei den Texturen und Effekten kaum Unterschiede ausmachen, die Farbgebung wirkt allerdings auf der Nintendo-Konsole intensiver als z.B. auf der 360. Allerdings flimmern die Kanten in der Entfernung auf der Wii U stärker, die Sichtweite ist mitunter nicht ganz so hoch. Allerdings ist dies Jammern auf hohem Niveau. Denn der Bereich, auf den es hauptsächlich ankommt, das Gebiet bis etwa 200/250 Meter vor dem Auto, wird ebenso akkurat und ohne sichtbare Auffälligkeiten auf den Bildschirm gebracht wie bei den anderen HD-Systemen. Allerdings ist die Frequenz, in denen es zu kurzen (und nicht spielbeeinflussenden) Problemen mit der Bildrate kommt, etwas höher als auf PS3 oder 360. Und damit bitte ich auf den nachfolgenden Seiten zu einer Zeitreise in den leicht angepassten Test aus dem letzten November, in dem die gleichbleibenden inhaltlichen Vorzüge und Nachteile beschrieben werden.
Ist der PS-starke Ausflug in die Stadt Fairhaven also genau die Highspeed-Fortsetzung zu Burnout Paradise, auf die ich seit 2009 gewartet habe? Die Antwort auf die Frage lautet, um es mit Fettes Brot zu sagen: "Jein!" Wenn man nur auf die pure Geschwindigkeit und die Möglichkeit schaut, sich in einer offenen Stadt PS-Duelle zu liefern, in der auch die Strecken bei Rennen nicht wie z.B. bei Forza Horizon abgegrenzt sind und man auch mal lauthals fluchend die falsche Ausfahrt nimmt, dann ist Most Wanted in der Tat ein würdiger Nachfolger zu Paradise.
Burnout Fairhaven?
Das Need for Speed-Gen ist fest in der DNS dieses Rennspiels verankert: Wie beim ursprünglichen Most Wanted müssen sich Solisten in Fairhaven nach und nach den meistgesuchten Rasern stellen, diese schlagen und schließlich ihre Karre übernehmen. Damals waren es 15, dieses Mal sind nur noch zehn Hauptgegner ins Visier zu nehmen.
Und man sitzt (dies ist die größte Änderung zu Paradise) in lizenzierten Boliden. 41 Karossen gibt es, das Spektrum reicht von Alfa Romeo über Bentley und Bugatti, Pagani oder Lamborghini bis hin zu einem Koenigsegg Agera R. Einige dieser Prachtwagen muss man erst freischalten, die meisten kann man an über 120 mitunter gut versteckten Wechselstationen (drei für jedes Auto) finden. Nun parkt man entweder daneben und wechselt oder hat den Wagen für einen späteren Schnellzugriff zur Verfügung. Criterion hat die PS-Monster mit bekannt hoher Detailfreude nachgebildet, allerdings musste den Lizenzen die Wucht bei Crashes sowie ein ausgefeiltes Schadensmodell geopfert werden. Das ist insofern schade, da Criterion mit den wuchtigen Crashsequenzen der Burnout-Serie (häufig in Zeitlupe zelebriert) das Fundament für seinen Ruf als Meister des Arcade-Racings gelegt hat.
Überhaupt hetzt mich Most Wanted als bekennender Paradise-Fan durch ein emotionales Wechselbad. Ich jubele (wenngleich manchmal nur im Stillen), wenn mich die wahnwitzig schnell an mir vorbeizischende Kulisse den Kopf einziehen lässt, ich einen Tunnelblick bekomme, durch die Kurven gleite oder zu einem gezielten Drift ansetze - und das alles, ohne auch nur ein bisschen Kontrolle zu verlieren. Die Steuerung ist punktgenau, die Sportwagen lassen sich super auf der Straße halten und auch nach einer Kollision kann man sie schnell wieder ausrichten. Ich freue mich, wenn ich mich auf die Suche nach über 150 Plakatwänden mache, die man durchbrechen kann, um Sprungrekorde aufzustellen oder die Hochgeschwindigkeitsjagd bei über 60 Radarfallen aufnehme. Als Sammler und Vervollständiger kann man sich auch abseits der etwa sechs bis acht Stunden beschäftigen, die es für die meisten dauern dürfte, bis man Platz 1 der Most Wanted-Liste einnimmt.
Wechselbad der Gefühle
Wenn man mit Vollgas über den Asphalt hetzt, verfliegt der aufkeimende Ärger jedoch bald. Zwar verrennt sich die KI (vor allem bei den 1:1-Duellen gegen die zehn Meistgesuchten) zu sehr im Gummiband-Verhalten, doch Spannung, Hochgeschwindigkeit und Action lassen mich immer wieder verzeihen, dass Criterion sich auf dieses plumpe Mittel zurückfallen lässt.
Was zählt, liegt auf der Straße
Natürlich kann man argumentieren, dass man dank Autolog 2.0 auch asynchrone Duelle mit seinen Freunden ausfechten kann: Für jede Radarfalle und jede durchsprungene Werbetafel speichert das Spiel die Leistung und gleicht sie mit der der Freunde ab. Besser noch: Hat der Kumpel eine bessere Leistung als ich abgeliefert, prangt sein Mii auf den Werbetafeln in "meinem" Fairhaven. Und natürlich führt dies zwangsläufig zu einem "Na warte, deine Punktzahl schlage ich noch, bevor ich aufhöre", das meist bis in die Nachtstunden dauert. Doch das bieten andere Spiele auch, wie zuletzt Forza Horizon, das nicht nur in dieser Hinsicht die Nase vorn hat.
Chaotisches Mehrspieler-Vergnügen
Der Mehrspieler-Modus ist das Eintrittsgeld beinahe alleine wert. Bis zu sechs Spieler können sich auf den Straßen der Stadt herumtreiben, Schabernack anstellen, auf Rekordjagd gehen oder sich gegenseitig jagen. Interessant wird es jedoch in dem Moment, wenn die so genannten "Speedlists" abgerufen werden. Dahinter verbergen sich Wettbewerbe, die von Usern zusammengestellt werden können. Zwar kann man keine eigenen Strecken abstecken, doch mit unterschiedlichen Herausforderungen, Rennen und Teamwettbewerben bekommt man hier genau die Abwechslung, die man in der weitgehend trockenen Kampagne vermisst.
Fazit
Endlich hat Wii U ein ordentliches Rennspiel im Programm. Criterion hat ganze Arbeit bei der Umsetzung des Highspeed-Rasers geleistet, die Kulisse ist bis auf wenige Ausnahmen im Bereich der Sichtweite den Geschwistern auf PS3 oder 360 mindestens ebenbürtig und zaubert eine halsbrecherische Geschwindigkeit auf den großen oder kleinen Bildschirm. So kann Most Wanted auch auf dem "neuen" System seine Stärken ausspielen: Die offene PS-Welt ist prall gefüllt mit Wettbewerben, die dank asynchroner Vergleiche mit den Freunden auch mittelfristig motivieren. Die Benutzerführung ist optimal gelöst und bietet mit den erweiterten Gamepad-Optionen zusätzlichen Komfort. Allerdings zeigen sich auf Wii U auch die bekannten Schwächen wie eine gewisse Redundanz der Offline-Wettbewerbe oder die Gummiband-KI. Warum die Fahrzeugauswahl über das Pad online besser gelöst wurde als offline, bleibt Criterions Geheimnis. Außerdem ist es schade, dass es offensichtlich Probleme mit einem lokalen Mehrspielermodus gab, bei dem einer auf dem großen, einer auf dem kleinen Schirm spielt. Denn das hätte das große Unterscheidungsmerkmal zu den bereits veröffentlichen Fassungen auf anderen Systemen sein können. So bleibt unter dem Strich eine vorbildliche Portierung eines richtig guten Rennspiels, das sich nach wie vor mit einigen Mankos ein Bein stellt.
Pro
- rasend schnelle Rennaction
- über 45 lizenzierte Boliden
- jedes Fahrzeug hat seine eigene Rennserie...
- fantastischer Soundtrack
- sehr unterhaltender, chaotischer Mehrspieler-Modus...
- die Rennen werden mit coolen, fantasievollen Videos eingeleitet
- offene Welt, in der man einiges entdecken kann
- asynchrone Wettbewerbe mit Freunden (Radarfallen, Werbetafeln)
- knackige Motorensounds, brachiale Crash-Vertonung
- Easydrive bietet komfortable Benutzerführung
- saubere Kulisse mit überzeugenden Effekten
- zahlreiche Steuerungsoptionen
- Ultimate Speed Pack-DLC inklusive
- gute (optionale) Nutzungsmöglichkeiten des Gamepad-Touchscreens
- vorbildliche Umschalt-Möglichkeit des Spiels von TV auf Touchscreen
Kontra
- für Solisten wenig Abwechslung bei den Wettbewerben
- Polizei-Sprechfunk nervt mangels Variation
- ... viele Rennen werden recycelt
- keine unterschiedlichen Radiosender
- ... bei dem man allerdings keine eigenen Kurse abstecken kann
- von acht auf sechs Spieler reduziertes Online-Gegnerfeld
- Gummiband-KI (vor allem in den Most Wanted-Rennen)
- unspektakuläre Crash-Sequenzen, kaum vorhandener visueller Schaden
- unzuverlässiges GPS ohne Richtungs-Ansagen
- Adhoc-Tuning nicht über Gamepad möglich
- Offline-Fahrzeugauswahl über Gamepad umständlich