Knights of Pen & Paper - Test, Rollenspiel, Android, PC, iPhone, Mac, iPad

Knights of Pen & Paper
03.04.2013, Jörg Luibl

Test: Knights of Pen & Paper

An einem Tisch sitzen drei Abenteurer, mitten auf einem Pfad, der in ein Dorf mit dahin gleitenden 8-Bit-Wolken führt. Haben die sich verirrt? Man erkennt lediglich ihre Rücken sowie Spitzhut, Hörnerhelm und Kapuzenumhang. Darunter stecken Nerd der Magier, Jock der Krieger sowie Mr. John der Dieb. Vor ihnen sitzt der Meister, der im Regelbuch schmökert. Tippt man es an, beginnt ein charmantes Rollenspieltheater.

Im Dorf hat man als Held die Qual der Wahl: Kampf? Reise? Einkauf? Ausrüstung? Übernachtung? Oder doch eine Quest? Ich kaufe noch schnell einen Heiltrank für den Magier, dazu ein Amulett für den Krieger und rüste alles aus. Meine unerfahrene Party braucht Aufgaben, also tippe ich auf das Questsymbol. Dann entscheide ich mich als Meister für einen Typ wie Gefecht, Befreiung, Sammeln oder Eskorte. Ich wähle die Befreiung eines Händlers der neunten Stufe. Ob das zu knifflig für die erst 20 Tage alte Party ist? Mal ausprobieren!

Pen&Paper in beiden Rollen

Nicht nur, dass man Helden und Meister quasi gleichzeitig spielt: Witzig ist auch, dass die Gruppe daraufhin selbstständig mit dem Vorleser kommuniziert, denn sie weiß noch nichts vom Verschwinden. Mein Magier fragt z.B. nach Ausrüstung,

Ein Rollenspieltisch mitten in der Landschaft: Da sitzt die Party vor dem Meister und sucht sich ein Abenteuer aus.
woraufhin der Meister wissend entgegnet, dass der Händler nicht in seinem Laden sei – man solle mal den Schmied fragen. Der taucht plötzlich auf der Bühne im Hintergrund auf und erklärt, dass der Händler irgendwo Material sammeln wollte, aber seit zwei Tagen nicht gesehen wurde. Hier entsteht ein sympathisches Theaterflair. Auch wenn die Story der Kampagne eher zu vernachlässigen ist, lebt sie von diesen amüsanten Zwischentönen und sie hat einige wirklich gelungene Momente.

Vor allem in automatischen Dialogphasen versprüht das Abenteuer sehr viel Charme, denn es gibt zig Anspielungen auf und liebevoll Klischees aus der Welt des Pen&Paper. Schon zu Beginn muss man schmunzeln, wenn jemand nach dem Einstieg des Meisters einfach „Rock on!“ sagt und von der Seite zurechtgewiesen wird: „Come on! Is your character from the future?“ Und der Meister erklärt dann noch väterlich, dass es extra Erfahrungspunkte für gutes Rollenspiel gibt – alles in Sprechblasen, denn Sprachausgabe gibt es nicht. Das Spiel ist komplett Englisch, lässt sich alternativ nur auf Portugiesisch oder Spanisch einstellen.

Nostalgie und Ironie

Erst nach diesem Dialog präsentiert der Meister der Gruppe die Quest zur Befreiung des Händlers, die sie noch ablehnen kann. Aber Nerd, Jock und Mr. John wollen natürlich in ihren jungfräulichen Level-4-Rollen aufsteigen, also reisen sie zum „Den of Devil“. Eine vergilbte Karte erscheint, das Dorf im Zentrum und einige Orte im Umkreis sind zu sehen, darunter auch die Höhle. Tippe ich sie an und akzeptiere Reisekosten von zwei Dollar, galoppiert ein Pixelpferd symbolisch vorwärts. Aber auf halber Strecke werde ich überfallen und der Bildschirm füllt sich mit Monstern.

Die Oma als Dieb? Na klar, mit hinterhältigen Attacken und Doppelklinge!
Zwei Fledermäuse flattern plötzlich hinter dem Meister und der rundenbasierte Kampf beginnt. Man muss sich vorher nicht bewegen, sondern geht direkt ins Gefecht. Die Initiative der Monster liegt bei drei und fünf, also werde ich mit meinem Dieb und dem Krieger zuerst aktiv: Soll ich einfach zuschlagen, einen Zauber oder Spezialangriff wählen, mich heilen, verteidigen oder gar fliehen?

Rundenbasierte Gefechte

Mein Dieb wählt „Vanish“ und verschwindet im Schatten – graue Pixelwolken wabern um seinen Kopf. Mein Krieger wählt den Spezialschlag „Cleave“, der Mana kostet und trifft beide Fledermäuse für vier Punkte – hurra! Jetzt wird er allerdings gebissen und seine rote Lebensleiste sinkt. Doch jetzt kommt der Auftritt des Magiers, der schon auf Level vier mit einem Meteorhagel verheerenden Schaden anrichtet – satte neun Punkte bei jedem Gegner!

Die Inszenierung ist schlicht, die Animationen simpel, aber aufgrund des kunterbunten Pixelstils wirkt alles sehr stimmungsvoll. Mein Dieb und der Krieger erledigen den Rest, ein goldenes „Victory“ strahlt mich an und neben 172 XP gibt es noch drei Dollar. Aber das war nur die erste Welle, jetzt kommt eine Riesenfledermaus, die mir alles abverlangt, aber 336 XP und vier Dollar einbringt. Siehe da: Level-up für meinen Dieb! Und was sagt der Meister? „Update your character sheet!“ Beim Aufstieg darf ich eine von vier Fähigkeiten verbessern. In diesem Fall Erschütterung, Doppelschlag, Vergiftung oder Schattengang.

Auf der Weltkarte tippt man die nächsten Ziele an.
Leider war das noch nicht die letzte Welle, denn drei hässliche Schleim-Monster versperren den Weg zum Händler - knapp 50 Kreaturen gibt es im Bestiarium, darunter alle Klassiker der Fantasy. Ich nehme die Schleimer auf die leichte Schulter, indem ich einfach bei allen drei Helden auf Attacke und dann jeweils den Feind antippe - die Taktik beschränkt sich weitgehend darauf, ob man seine Hiebe verteilt oder konzentriert. Und bei diesen Einzelschlägen merke ich, dass die Quest gefährlich wird: Ups, die haben viele Lebenspunkte! Ups, die teilen aber schweren Schaden aus! Dieses kleine Spiel mag harmlos aussehen, kann aber pieksen, wenn man sein Pulver zu schnell verschießt. Die Folge: Drei Lebenspunkteleisten befinden sich im Sinkflug und das Mana ist auch bald futsch. Und spätestens jetzt bereue ich, dass ich die Meteore schon gezündet habe. Mein Magier verspeist einen Apfel und rettet sich nur über eine Runde, dann beißt er wie Krieger und Dieb zuvor ins Gras. Mist, alle tot!

Auferstehung im Dollarzeichen

Die Wiederauferstehung kostet mich 24 virtuelle Dollar für alle Charaktere – gut, dass ich noch 35 habe und quasi bei jeder Quest welche hinzu gewinne. Allerdings befinden sich meine ins Leben zurück gerufenen Recken in schlechtem Zustand, was die Gesundheit angeht. Ich könnte jetzt ins Dorf zurück oder in der Wildnis campieren, wobei ein simulierter W20-Wurf entscheidet, ob dabei etwas passiert. Ich habe Glück, werfe eine 16. Jetzt darf ich entscheiden, ob ich die Quest mit dem Händler nochmal angehen will. Aufgrund der fehlenden Ausrüstung lehne ich ab. Aber ich komme wieder, wenn ich mich satt und souverän gekauft habe! Ein paar Möhren könnte ich mir leisten.

Man kann für die virtuelle Währung Objekte zum direkten Verzehr kaufen, Ausrüstung sowie zig Gegenstände zur Gestaltung des Rollenspielraums.
Was kann man im Shop bekommen? Viel Kleinkram, aber auch teure Sachen: Snacks wie eine Pizza kosten satte 60 Dollar, aber der Verzehr erhöht für fünfzehn Minuten die Chance für kritische Treffer. Man kann sich auch einen Drink genehmigen: Wer sich eine Flasche Wasser für 90 Dollar auf den Tisch stellt, erhöht den Effekt aller Tränke um 35 Prozent. Aber noch interessanter als die Lebensmittel ist all das Interieur, das den virtuellen Rollenspielraum nicht nur hübscher, sondern das Abenteuer für die Helden einfacher macht. Es gibt zig Objekte, Bücher, Möbel, Uhren, Teppiche und Tische aus Glas, Gold oder Granit – und sie alle verleihen kleine Boni. Wer z.B. die Karte aufhängt, zahlt weniger für Reisen; mit der Uhr sinkt die  Zeit für Crafting.

Shoppen für den Rollenspielraum

Mit der Zeit entsteht ein Aufrüstungs- und Managementsog, den man von Spielen wie Game Dev Story kennt. Wer die Anzahl der Monster pro Kampf erhöhen will, muss die Krone kaufen. Sogar den Dungeon Master kann man wechseln: Wer mit dem brünetten „Comic’s Store Guy“ nicht zufrieden ist, der vier Prozent zusätzlich Erfahrung bringt, kann von einer Karate-Ratte bis hin zum Yoda-Verschnitt andere Vorleser engagieren – Letzterer bringt permanent zehn Prozent mehr Gesundheit, kostet aber auch stolze 300 Dollar. Zwar kann man diese virtuelle Währung theoretisch auch mit echtem Geld kaufen (300 kosten 0,99 Dollar; 1500 kosten 2,99 Dollar), aber wer sich praktisch Mühe gibt, ist darauf nicht angewiesen, um Spaß zu haben.

Ganz wichtig zu Beginn ist der Gral: Erst wenn man ihn auf dem Tisch platziert, dürfen drei Abenteurer dort Platz nehmen; der Heilige Gral erlaubt später die maximalen fünf Helden in der Party. Es gibt drei Speicherplätze und man startet ein neues Spiel immer mit zwei Charakteren, wobei man die Wahl zwischen vierzehn Spielertypen wie Mr. John, Grandma, Flowers, Hipster & Co hat, die meist zwei zusätzliche passive Fähigkeiten mitbringen. Diesen kann man wiederum sechs Klassen (weitere sechs sind freispielbar) zuweisen, was sich dann auf die Werte für Attacke, Gesundheit, Magie, Initiative & Co auswirkt: Paladin, Warrior, Rogue, Mage, Druid und Cleric.

Fazit

Was für eine sympathische Hommage an Pen&Paper-Rollenspiele! Ich war dem Witz und dem Charme dieses Pixelabenteuers schnell erlegen. Es ist nicht nur eine klasse Idee, das aktive Abenteuer wie eine Theaterbühne zu gestalten, auf der die Party mitten im Dungeon an einem Tisch vor dem Meister sitzt und Getränke, Snacks sowie das Interieur einsetzen kann. Auch das Rollenspiel selbst erinnert trotz vieler Arcade-Kompromisse an gute alte Zeiten, in denen man sich rundenbasiert um Monster, Schätze und Artefakte kümmerte. Wer den gnadenlosen Level-up-Sog und das knuffige Artdesign von Spielen wie Dungeon Village oder Game Dev Story zu schätzen weiß, der wird sich hier pudelwohl fühlen und grinsend vorwärts kämpfen - bald auch auf PC und Mac. Viel Spaß dabei!

Pro

  • sympathisches Pen&Paper-Flair
  • Rollenspiel trifft auf Party-Wirklichkeit
  • witzige Dialoge und Anspielungen
  • kunterbunter Retro-Grafikstil
  • zig Zauber, Spezialangriffe, Monster
  • motivierende Aufrüst- & Dekorationsspirale
  • viel freizuspielen und zu individualisieren

Kontra

  • keine eigenen Charaktere auswürfeln
  • wenig taktische Möglichkeiten im Kampf
  • etwas eintönige Hintergrundmusik
  • Texte nur Englisch, Spanisch, Portugiesisch

Wertung

Android

Was für eine sympathische Hommage an Pen&Paper-Rollenspiele!

iPhone

Was für eine sympathische Hommage an Pen&Paper-Rollenspiele!

iPad

Was für eine sympathische Hommage an Pen&Paper-Rollenspiele!