Neverwinter - Test, Rollenspiel, PC, XboxOne, PlayStation4

Neverwinter
03.05.2013, Jens Bischoff

Test: Neverwinter

Diese Woche ist Perfect World Entertainments Online-Rollenspiel Neverwinter in die offene Betaphase übergegangen und hat damit seine Free-to-play-Tore für jedermann geöffnet. Wir haben Cryptic Studios Ausflug in die Vergessenen Reiche von Dungeons & Dragons schon länger begleitet und schildern im Test, was euch erwartet.

Neverwinter, das Juwel des Nordens, hat wahrlich schon bessere Zeiten erlebt. Nach dem Ausbruch des Vulkans Mount Hotenow wurde die Stadt an der Schwertküste Faerûns fast völlig zerstört, während die Machtergreifung Lord Neverembers vor gut zehn Jahren vor allem gesellschaftliche Narben hinterlassen hat, die jetzt wieder aufzureißen drohen. Die akuteste Bedrohung stellt aber Lichkönigin Valindra dar, die gerade mit ihrer Untotenarmee die Stadt belagert. Das CGI-Intro lässt einen eindrucksvoll an der tobenden Schlacht teilhaben, bevor man mit einem maßgeschneiderten Abenteurer seiner Wahl selbst in den Kampf zieht.

Geplagtes Kleinod

Man kann entweder als anpassungsfähiger Mensch, naturverbundener Elf, Halb-Elf, Halb-Ork, stämmiger Zwerg, flinker Halbling, diabolischer Tiefling oder dunkel-elfischer Drow zu den Waffen greifen. Letztere stehen momentan zwar nur Besitzern des kostenpflichtigen Gründerpakets „Held des Nordens“ zur Verfügung, sollen später in leicht abgewandelter Form aber sämtlichen Spielern zugänglich gemacht werden. Bei der Wahl des Geschlechts, der Herkunft, des Schutzgottes sowie der Profession gibt es hingegen keinerlei temporäre Exklusivrechte. Auch beim Aussehen kann von der Länge der Fingernägel über die Form der Füße bis hin zur Größe der Nasenlöcher alles frei bestimmt werden.

Die dunkel-elfischen Drow stehen anfangs noch nicht allen Spielern zur Auswahl.
Bei den Jobklassen muss man sich zwischen beschützendem Kämpfer (Video), taktischem Magier (Video), Glaubenskleriker (Video), Trickserschurke (Video) und Zweihandwaffenkämpfer (Video) entscheiden. Während ersterer als Tank ausgelegt ist, sorgt letzterer für den physischen Schaden. Der Magier wartet wiederum mit arkanen Angriffs- und Schwächungszaubern auf, während der Kleriker vor allem fürs Heilen zuständig ist und der diebische Schurke in erster Linie aus dem Verborgenen attackiert.

Zeit für Helden

Die fünf bisherigen Klassen - weitere sind bereits geplant - bieten trotz sehr klassischer Rollenvorbilder genügend Vielfalt. Zudem lassen sich die Charaktere durch die regelmäßige Vergabe von Fähigkeits- und Talentpunkten bei Stufenaufstiegen individuell formen. Selbst beim rassen- und klassenabhängigen Auswürfeln der Grundattribute wie Stärke, Intelligenz oder Charisma hat man ein gewisses Mitspracherecht. Beim Belegen der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Aktions- und Item-Felder sowieso.

Neben Plätzen für Heiltränke und Co gibt es Slots für aktive und passive Fertigkeiten sowie für aufladbare Spezialmanöver. Die Nutzung ausgewählter Skills und Gegenstände ist in der Regel mit individuellen Reaktivierungszeiten verbunden - bestimmte Manöver wie Schildblocks, Ausweichrollen oder Sprints kosten hingegen Ausdauer. Mana oder ähnliche Ressourcen gibt es nicht.

Alles im Griff

Das Kampfsystem fußt auf klassischen Hack'n'Slay-Tugenden.
Die Kämpfe orientieren sich an klassischen Hack'n'Slay-Mechanismen und sind daher flott, direkt und unkompliziert. Die wichtigsten Manöver haben keine Reaktivierungszeiten und können endlos aneinandergereiht werden. Andere Aktionsmöglichkeiten erfordern zwar mitunter durchaus etwas Planung und Geschick, bleiben aber trotzdem handlich und überschaubar.

Etwas gewöhnungsbedürftig mag lediglich der Umstand sein, dass man jedes Ziel per Fadenkreuz anvisieren muss. Die Zielerkennung ist dabei zwar sehr großzügig, ins Leere gehende Aktionen dank Ziellossperre quasi unmöglich, aber gerade als Heiler hat man es oft ziemlich schwer, die richtigen Gefährten ins Visier zu nehmen - vor allem den Tank, der aufgrund der Rassenboni oft ein kleiner Zwerg ist...

Die meisten Spielinhalte kann man sowohl allein als auch mit bis zu vier Mitstreitern angehen. Auch trainierbare Reittiere und KI-Gefährten sind mit von der Partie. Gefechte (PvE) und Domination-Wettkämpfe (PvP) sind aber nur gruppenweise möglich, wobei man sich selbst zusammenfinden oder sich in Warteschlangen automatisch einreihen kann. Das gilt auch für instanzierte Dungeon-Raubzüge, die man aufgrund der Stufenbegrenzungen ebenfalls nur mit Gefährten unternehmen sollte. Je nachdem wofür man sich entscheidet, winken seltene Beute, schnelles Geld und Erfahrung oder Ruhm.

Allein oder im Team

Für jeden Einsatz kann man sich mit bis zu vier Gefährten verbünden.
Wer den spielinternen Kalender im Auge behält oder entsprechende Erinnerungen setzt, kann zu bestimmten Zeiten sogar noch zusätzliche Boni kassieren, was den positiven Nebeneffekt hat, dass sich jeweils besonders viele Interessenten gleichzeitig einfinden und die Gruppenbildung entsprechend erleichtern. Auch für Quest- und Crafting-Bemühungen gibt es solche Bonuszeiten.

Sein handwerkliches Geschick kann man im Schneider- oder Lederhandwerk, beim Ketten- oder Plattenschmieden sowie in der Führung von Abenteurern unter Beweis stellen. Doch auch wenn man die Erzeugnisse teils direkt tragen oder verwenden kann, wird man selbst nicht aktiv. Vielmehr weist man rekrutierte Handwerker und Soldaten an, im Hintergrund bestimmte Aufgaben zu erfüllen wie das Sammeln und Verwerten von Rohstoffen. Je erfahrener die Arbeiter, desto schneller der Abschluss. Zudem werden die Produktionsstätten mit der Zeit immer zahlreicher, die möglichen Erzeugnisse immer hochwertiger.

Lukratives Handwerk

Wer will, kann seine Erzeugnisse auch über das implementierte Auktionshaus feilbieten oder via Bank Mitgliedern seiner Gilde zur Verfügung stellen. Auch persönliche Schenkungen über den virtuellen Postboten sind möglich. So kann man auch Gegenstände zwischen eigenen Charakteren tauschen, obwohl ein charakterübergreifender Stauraum mit Sicherheit komfortabler gewesen wäre. Doch dies ist im Gegensatz zur Erweiterung des Inventars selbst mit barer Münze nicht möglich.

Als Zahlungsmittel für Mikrotransaktionen dient Perfect Worlds spielübergreifende ZEN-Währung . Damit lassen sich bei Platzproblemen nicht nur zusätzliche Taschen und Bankfächer erwerben, sondern auch verschiedene Accessoires und Gebrauchsgegenstände - von besonderen Färbemitteln und Crafting-Materialien über modische Outfits und Schönheits-OPs bis hin zu speziellen Reittieren und KI-Gefährten. Die Auswahl ist breit gefächert, aber nichts davon wirklich nötig oder unlauter (Pay-to-Win).

Kaufen oder Tauschen

Zudem lassen sich ZEN nicht nur mit Bargeld, sondern auch mit Tauschgeschäften erwerben. Neben Gold, ZEN und anderen Zahlungsmitteln wie Verbindungssiegeln, Spezialmünzen oder Ruhm gibt es auch noch so genannte Astraldiamanten, die nicht nur zum Kauf verschiedener Objekte dienen, sondern auch direkt gegen ZEN getauscht werden können, wobei der Wechselkurs nach anfänglicher Fixphase letztlich ähnlich Guild Wars 2 durch

Die Spielwelt wartet mit durchaus eindrucksvollen Kulissen auf.
die aktuelle Nachfrage bestimmt werden soll.

Die sehr ansehnliche und atmosphärisch gestaltete Spielwelt ist in einzelne Bereiche wie Stadtteile, natürliche Landstriche und andere Örtlichkeiten unterteilt, die man über eine Landkarte erreichen kann. Dazu zählen neben der Stadt Neverwinter mit ihren einzelnen Bezirken (Video) auch der Vulkan Mount Hotenow (Video), die Klosterfestung Helm's Hold (Video) oder das Bauerndorf Rothé Valley (Video). Zugang zu Gebäuden oder Dungeons erhält man direkt vor Ort.

Stimmungsvolle Kulisse

Zur Orientierung gibt es praktische Karten- und Journalfunktionen. Auch Zielmarker und -pfade können aktiviert werden. Interaktionsmöglichkeiten mit der Spielumgebung halten sich zwar in Grenzen, aber neben fest installierten Lagerfeuern, die u. a. als Heilquell und Rücksetzpunkte dienen, gibt es eine ganze Reihe versteckter Schätze und interessanter Schriftstücke zu entdecken sowie Schalter- und Objekträtsel zu lösen.

Jede Charakterklasse verfügt über ein angeborenes Talent, um spezielle Rohstoffe zu gewinnen und mit der Spielwelt zu interagieren.
Darüber hinaus gibt es auch skillbasierte Interaktionsmöglichkeiten wie nur mit Diebestalent zu entschärfende Fallen, nur mit Gewölbekunde frei zu legende Geheimgänge oder nur mit Priestergabe zu nutzende Altare. Manche Rohstoffe lassen sich ebenfalls nur mit passender Begabung bergen. Doch auch wenn jede Charakterklasse nur eines dieser Talente besitzt, kann man sich mit entsprechenden Hilfsmitteln zumindest vorübergehend auch fremde Talente aneignen.

Talentierte Entdecker

Insgesamt decken sowohl Level- als auch Questdesign ein breites Spektrum ab, wenngleich die meisten Aufträge nach wie vor auf vertraute Sammel- und Tötungsmuster setzen. KI und Kollisionsabfrage lassen hier und da ebenfalls noch zu wünschen übrig, während die Inszenierung selbst bei storyrelevanten Quests eher bescheiden, die deutsche Lokalisierung inklusive Vertonung nach wie vor unfertig wirkt.

Löblich ist allerdings, dass das erfolgreiche Absolvieren von Aufträgen im Gegensatz zum stumpfen Monstermetzeln deutlich mehr Erfahrung einbringt. Zudem ist das Questangebot dank integrierten Baukastens und engagierter Community bereits jetzt sehr umfangreich. Das Repertoire reicht von kampflosen Dialogspielereien bis hin zu episodischen Abenteuerreihen, die sich individuell filtern, bewerten und mit kleinen

Mit Quest-Baukasten "The Foundry" kann man auch eigene Schauplätze und Abenteuer erschaffen.
Trinkgeldern belohnen lassen.

Abenteuer nach Maß

Der auf dem Star Trek Online-Pendant basierende Editor (The Foundry ) ist klar und einfach strukturiert, erlaubt aber trotzdem dezidierte Eingriffsmöglichkeiten. Interessierte Neulinge sind zwar derzeit ziemlich auf sich selbst gestellt, Trainingslektionen und andere Hilfen sind aber bereits geplant. Im Spiel selbst ist die Kommunikation sowohl per Text- als auch Voice-Chat möglich.

Eine weitere Schnittstelle stellt das so genannte Gateway dar, über das man via Browser, auch wenn man gerade keine Zeit zum Spielen hat, auf Funktionen wie das Stöbern im Auktionshaus oder das Erteilen von Crafting-Aufträgen zugreifen kann - nicht nur für unterwegs ein willkommenes und benutzerfreundliches Feature.

Fazit

Eingefleischte D&D-Fans werden Neverwinter vermutlich trotz vertrauter Namen, bekannten Schauplätzen oder Ereignissen nicht allzu viel abgewinnen können. Freunde leicht zugänglicher Action-Rollenspielkost bekommen allerdings einen stimmungsvollen Abenteuerspielplatz, auf dem sie sich lange und völlig kostenlos vergnügen können. Man kann wirklich alles machen und erreichen ohne auch nur einen Cent zu berappen, während spendablere Naturen ihre Ziele und Wünsche eben schneller erreichen. Die Inszenierung kocht abgesehen vom fulminanten CGI-Intro zwar eher auf Sparflamme, das technische Grundgerüst hat nach wie vor die eine oder andere Macke und auch Lokalisierung und Vertonung wirken noch alles andere als perfekt, aber Handhabung sowie Spielfluss wissen dennoch zu gefallen. Zudem kann man Begleiter und Reittiere trainieren, an Gruppengefechten, Dungeon-Raubzügen und PvP-Wettkämpfen teilnehmen, sich in Gilden organisieren oder im spielinternen Auktionshaus stöbern. Dass es immer etwas Neues zu entdecken gibt, liegt aber vor allem am integrierten Quest-Baukasten The Foundry, über den man ganze Auftragsreihen kreieren, teilen und weiterempfehlen kann. Insgesamt können wir der aktuellen Beta-Fassung jedenfalls ein gutes Fundament attestieren, auf dem sich weiter aufbauen lässt.

(Anm. d. Red.: Neverwinter befindet sich nach wie vor in Entwicklung, unser Test beurteilt lediglich den Zustand zum Start der öffentlichen Betaphase.)

Pro

  • stimmungsvolle Spielwelt
  • handliche Bedienung
  • integrierter Quest-Baukasten
  • alles kostenlos spiel- & erreichbar
  • trainierbare KI-Gefährten & Reittiere
  • PvP-, Crafting- & Gildenfunktionen
  • spielinternes Auktionshaus
  • praktische Web-Schnittstelle

Kontra

  • mäßige Inszenierung
  • unspektakuläres Aufgabendesign
  • hakelige Zielmechanik (vor allem Heiler)
  • durchwachsene KI & Kollisionsabfrage
  • halbgare Lokalisierung & Vertonung

Wertung

PC

Kostenlos spielbarer Dungeons & Dragons-Ableger für bastelfreudige Hack&Slay-Fans.