Soul Sacrifice - Test, Action-Adventure, PS_Vita

Soul Sacrifice
06.05.2013, Mathias Oertel

Test: Soul Sacrifice

Ein sprechendes Buch, das der Bruder des Necronomicon Ex Mortis sein könnte, haufenweise Entscheidungen, Konsequenzen sowie eine düstere Atmosphäre: Dies sind die wesentlichen Zutaten von Soul Sacrifice (ab 26,00€ bei kaufen), dem neuen Titel von Lost Planet-Erfinder Keiji Inafune. Doch wie viel Freiheit steckt tatsächlich in der exklusiv für Vita erhältlichen Action?

Warum zur Hölle stecke ich in dieser Zelle? Und warum redet dieses merkwürdige Buch mit mir? Das Ende der Welt ist angebrochen? Nur ich kann dem Treiben des machtgierigen Zauberers Magusar entgegen wirken? Wieso? Was ist das Besondere an mir? Mit diesen und anderen Fragen wird man zu Beginn von Soul Sacrifice überhäuft. Zusammen mit der düsteren Atmosphäre sowie dem gelungenen, hauptsächlich auf gedämpfte Farben setzenden Artdesign bekomme ich schnell den Eindruck, als ob hier ein kleines Dark Souls im Mobilformat wartet. Doch sobald ich im Rahmen des Tutorials neben dem Antagonisten kämpfe, zerstreut sich diese Illusion.

Erste Eindrücke

Die Kämpfe sind deutlich schneller, erinnern hinsichtlich der Dynamik eher an klassische Action-Adventure wie Devil May Cry, Onimusha oder andere Arena-Brawler. Zudem macht mir die automatische Kameraführung das Leben unnötig schwer. Ich kann zwar immer manuell nachjustieren und im Zweifelsfall einen Gegner markieren und dann auf ihn "aufschalten", dennoch bleibt die Problematik erhalten - immer wieder sorgt die störrische Perspektivenfindung dafür, dass ich ankommende Angriffe zu spät sehe und nur noch den Bruchteil einer Sekunde Zeit habe, um auszuweichen. Und schon türmten sich weitere Fragen auf: Das ist doch nicht das Spiel, das mich in den Videos so neugierig machte?Die Ernüchterung ging sogar so weit, dass ich nach den ersten 15 bis 20 Minuten den Punkt erreicht hatte, aufgeben zu wollen und das Projekt einem anderen zu geben, der besser damit klar kommt.

Das Artdesign ist gelungen, die technische Umsetzung zeigt Luft nach oben.
Rückblickend wäre dies vermutlich einer der größten Fehler meiner Spielervita gewesen. Denn nachdem ich meine Erwartungshaltung ad acta gelegt und einen Neuanfang gewagt hatte, ließ die Wirkung nicht lange auf sich warten: Im Kern ist es ein reinrassiges Hack&Slay, wenngleich japanischer Prägung sowie einem schwermütigen Monster Hunter ähnelnd. Und damit liegt Soul Sacrifice eigentlich genau auf meiner Linie. Und so hat mich das Jagen von abscheulichen, großartig designten Höllenkraturen, die allerdings mitunter durchaus eleganter animiert sein könnten, sowie das Einsammeln von Belohnungen der anfänglichen Skepsis zum Trotz schnell in seinen Bann gezogen.

Zweite Eindrücke

Keiji Inafune, immerhin über 20 Jahre lang federführend bei Capcom aktiv und in Titel wie Mega Man, Street Fighter, Lost Planet oder Dead Rising involviert, zieht im Rahmen der Möglichkeiten alle Register - so könnte man z.B. nach dem Tutorial direkt in die finale Auseinandersetzung springen. Das dies so früh ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen wäre und man seine Figur erst einmal aufpäppeln und verbessern sollte, steht auf einem anderen Blatt. Trotz dieses und einiger anderer Kniffe kann er aber nicht verhindern, dass die Kämpfe gegen die reichlich vorhandenen Standardgegner bereits mittelfristig mit Abnutzungserscheinungen zu kämpfen haben. Doch glücklicherweise werden die Kampfmechanismen durch einige interessante Aspekte  im Umfeld aufgewertet.

Es weht stets ein "Monster Hunter"-Wind durch die Abschnitte.
So wären die Kämpfe z.B. nur halb so interessant, wenn der erzählerische Hintergrund enttäuschen würde. Das sprechende Buch "Librom", das vom Äußeren an das "Necronomicon Ex Mortis" aus Sam Raimis Evil Dead erinnert und dem man zwischen den oft kurzen Aufträgen nicht nur Wissenswertes über die Gegner, sondern auch die eine oder andere optionale Information entlocken kann, ist dabei ein zentrales Element. Denn um Magusar ein Schnippchen zu schlagen, muss man sich das Wissen der Zauberer aneignen, die vor einem kamen und deren Geschichte jeweils  von Librom festgehalten wurde. Sprich: Man wählt eines der zur Verfügung stehenden Kapitel, durch deren Seiten man durch ein Wischen auf dem Touchscreen durchblättern kann, während eine angenehme Erzählstimme die geschriebenen Worte zu bildhaftem Leben erweckt. Danach kann man seine Figur ausrüsten und auf den Kampf vorbereiten. Schließlich wird man durch das Buch in die Areale teleportiert, in denen die Gefechte stattfinden.

Lesen schafft Wissen

Ein weiteres zentrales Element ist der Zwang, Entscheidungen treffen zu müssen - und zwar permanent: Ausnahmslos jeder erledigte Gegner wartet im Prinzip in einer Art Seelenpfütze, bis man ihm sich nähert. Dann hat man die Option, das Wesen zu erlösen oder zu opfern. Entscheidet man sich für die Erlösung, bekommt man Erfahrungspunkte, die der Verteidigung gut geschrieben werden und erhält eine nicht zu unterschätzende Spritze für seine aktuellen Lebenspunkte. Opfert man sie, wird die Erfahrung zur Offensivkraft addiert - bis hin zum Levelaufstieg.

Das sprechende Buch "Librom" ist der zentrale Ankerpunkt in Soul Sacrifice.
Dabei sollte man jedoch beachten, dass je nach besiegtem Gegner das konträre Element auch Einbußen hinnehmen kann, man also z.B. drei Punkte für die Verteidigung bekommt, aber gleichzeitig einen oder zwei Punkte in der Offensive verliert - und diese Entscheidung kann in späteren Stufen, in denen man Dutzende Gegner benötigt, um eine weitere Stufe aufzusteigen, durchaus schmerzhaft sein. So hatte ich mich z.B. auf einen offensivstarken Magier festgelegt. Das bedeutete im Gegenzug jedoch nicht nur, dass ich dafür meine Defensive vernachlässigen musste. Ich wurde auch immer wieder genötigt, gegen meinen eigentlichen Plan vorzugehen und die Monster zu erlösen, damit ich etwas Lebensenergie zurückbekomme. Dies kann schnell zu einem verfluchten Teufelskreis werden, zumal die Figur insgesamt nur 100 Level aufsteigen kann - und ein 50/50-Charakter ist mir zu langweilig.

Doch das ist nur der Anfang der Entscheidungs-Spirale. Denn natürlich kann man auch die gut designten und meist mehrstufig inszenierten "!Erzfeinde" (die Bossmonster) erlösen oder opfern, was mit einem enormen Boost der jeweiligen Seite einhergeht. Allerdings kann man durch Erlösung auch das Arsenal der Figuren aufstocken, die einen bei zukünftigen Abenteuern begleiten können und zumeist ordentlich an der Seite kämpfen, ohne einen ins tatenlose  Abseits zu drängen - abgesehen davon, dass je nach Entscheidung neue Missionen geöffnet werden, die andernfalls nicht zur Verfügung stehen. Je nachdem, wie die Gesinnung des Begleiters ist, mit dem man allerdings nur unwesentliche Partyinteraktion betreibt und dem man im Kampf auch keine Befehle geben darf, kann dies aber dazu führen, dass er die Entscheidung nicht teilt - was im schlimmsten Fall bedeuten kann, dass er (oder sie) einen verlässt und nicht mehr zur Verfügung steht. Überhaupt ist das Eigenleben der Figuren bemerkenswert. Nicht, weil es besonders glaubwürdig wirkt, dazu erfährt man letztlich zu wenig über sie. Sondern, weil sie mich immer wieder überraschen. So wurde mein Charakter in einer Mission überwältigt und ich hatte die Wahl, meine Begleitung um Hilfe zu bitten (Wiederbelebung), mich sterben zu lassen (Ende der Mission) oder mich zu opfern. Ich entschied mich für die Opferung und war entsprechend überrascht, dass mich der Kumpan wiederbelebt. Andere wiederum sind weniger zimperlich und gehorchen besser, so dass ich ihnen im Gegenzug als Geist helfen und z.B. temporär ihre Angriffskraft stärken kann.

Bittere Entscheidungen

Bei jedem besiegten Gegner steht man vor der Wahl: Erlösen oder Opfern?
Noch krasser ist allerdings das Aufrufen des so genannten "Schwarzen Rituals". Fünf dieser Sonderfähigkeiten gibt es, jede ist an bestimmte Körperteile gebunden. Und jede hat verheerende Schäden für die Gegner zur Folge - und für einen selbst. Nutzt man beispielsweise "Infernus", einen mächtigen mit der Haut verbundenen Feuerzauber, erleidet der eigene Verteidigungswert fortan einen Verlust von 50 Prozent. Das gilt jedoch nicht nur für den Rest der Mission, sondern auch für folgende Aufgaben. Aufheben kann man diesen Status nur, indem man die vom Buch abgesonderte Augenflüssigkeit Lacrima ("Das sind keine Tränen, du minderwertiger Troll") einsetzt, mit der man quasi bereits geschriebene Absätze im Buch wieder rückgängig machen kann. Das Problem ist nur, dass diese Flüssigkeit vergleichsweise selten ist und auch benötigt wird, um z.B. zerstörte Waffen wieder ins Buch zurückzuholen, die ansonsten irreparabel sind. Wohl dem, der über das so genannte "Innere Auge" (eine Art magische Sicht) die zufällig in der Gegend verstreuten Punkte entdeckt, an denen man entweder temporär eine neue Waffe, einen Schild bzw. eine Rüstung bekommt oder eine Quelle findet, an der man seine Kräfte wieder aufladen kann.

Das Schöne dabei: Die Entscheidungen wurden als unauffälliger Unterbau eingebaut, stellen dem Spieler sehr unaufdringlich immer wieder die Gewissensfrage und lenken so nicht vom eigentlichen actionlastigen Kampfgeschehen ab.

Wer will, kann direkt nach dem Tutorial zum Bosskampf gehen - und scheitern!
Denn das Jagen und vor allem das stark motivierende Sammeln von Belohnungen haben bei mir letztlich immer wieder den Ausschlag gegeben, noch eine weitere Herausforderung innerhalb der Geschichte in Angriff zu nehmen, mich an den unzähligen freien Missionen zu versuchen oder Aufgaben für die Gefährten zu übernehmen. Und alles trägt dazu bei, dass meine Figur sich kontinuierlich entwickelt und vor allem, dass ihr Opfergaben-Inventar steigt. Sechs dieser Opfergaben, die man prinzipiell mit Waffen bzw. Angriffs- oder Verteidigungsformen gleichsetzen kann, darf man mit sich führen. Dabei kann man jedoch aus einem stets größere werdenden, schier unerschöpflichen Vorrat frei auswählen, diese Gaben sogar noch aufrüsten und sich auf diesem Wege langsam aber sicher, einen unbezwingbar scheinenden Megazauberer basteln - nur um festzustellen, dass man sich am nächsten Boss die virtuellen Zähne ausbeißt.

Jagen und Sammeln

Die Personalisierung hinsichtlich der Angriffskünste ist enorm, wenngleich die Optionen bei der visuellen Charaktergestaltung üppiger hätten ausfallen können. Immerhin kann man seine passiven Fähigkeiten bzw. Gesundheitswerte über Siegel verbessern, die am rechten Arm der Figur angebracht werden. Und selbstverständlich gibt es darunter auch "Stempel", die nur aktiviert werden, wenn man sich einer bestimmten Seite zugewandt hat und der Arm die Gesinnung widerspiegelt.

Die Kämpfe können mitunter hektisch werden und leiden unter einer problematischen Kameraführung.
Dass ich bislang so wenig über die visuelle Seite von Soul Sacrifice gesagt habe, liegt daran, dass die Kulisse abseits des gelungenen düsteren Artdesigns für mich hinsichtlich Motivation zweitrangig ist - in manchen Momenten sogar zweitklassig. Abgesehen von ein paar aufwändigeren Gegnern, der einen oder anderen schicken Textur sowie den sehr gelungenen Effekten hätte der Titel auch in der Spätphase der PSP erscheinen können. Die Areale sind sauber gestaltet, allerdings nur selten zum Forschen einladend und noch seltener wirklich groß.

Kulisse? Zweitrangig!

Ebenfalls erwähnt werden soll der Mehrspielermodus - auch wenn ich ihn nur selten nutze: Bis zu vier Spieler können sich an den Missionen versuchen, wobei der aufkommenden Dynamik und dem Effektfeuerwerk durch Lags keine Schwierigkeiten gemacht werden; alles läuft wunderbar. Dennoch hält sich der Mehrwert für mich in Grenzen, da ich ein nahezu identisches Spielerlebnis auch mit NPCs an meiner Seite haben kann.

Fazit

Auf den ersten Blick ein misslungenes Dark Souls für unterwegs, auf den zweiten ein wahnwitzig motivierendes Hack&Slay im Stile eines sehr düsteren Monster Hunter: Dies war die Wandlung, die Soul Sacrifice für mich durchmachte. Zwar bin ich immer noch enttäuscht, dass der neueste Titel von Keiji Inafune sich stärker an Marken seines ehemaligen Arbeitgebers Capcom (wie z.B. Monster Hunter, Devil May Cry) orientiert als an der anspruchsvollen Rollenspiel-Serie von From Software und somit viel seines Potenzials ungenutzt lässt. Doch sobald ich mich auf die unkomplizierten Kämpfe, die stete Ausschüttung von relevanten Belohnungen sowie die ständigen Entscheidungen eingelassen hatte, die mitunter subtil auf mich einprasselten, umso schwieriger war ich von der Vita wegzukriegen. Sicher: Die Kulisse ist abseits der Effekte und der Hauptfiguren nicht immer zeitgemäß. Und die Kamera kann einen durchaus an den Rand der Weißglut treiben. Doch was man im Gegenzug an Inhalten, Personalisierungsoptionen, interessanter Erzählstruktur sowie dank der umfangreichen Waffenauswahl letztlich doch taktisch geprägten Kämpfen bekommt, kann sich sehen lassen. Ist Soul Sacrifice einer der seltenen und doch so dringend benötigten Vita-Systemseller? Nein! Aber es ist ein spaßiger Zeitvertreib, wie er mir seit Systemstart selten begegnet ist. Zudem einer, der überraschend viel Tiefgang unter der actionreichen Haube verbirgt.

Pro

  • düstere Atmosphäre
  • schnelle, dynamische Gefechte
  • haufenweise Missionen
  • Dutzende Angriffs- und Verteidigungsoptionen
  • clevere unaufdringliche Touchscreen-Einbindung
  • Entscheidungszwang
  • lagfreier Online-Modus für bis zu vier Spieler
  • ansehnliche Effekte
  • finaler Boss von Anfang an zugänglich
  • unheimlich viel freispielbares Material
  • fantasievolle Präsentation der Geschichte

Kontra

  • Kampf bereits mittelfristig redundant
  • Kulisse nicht immer zeitgemäß
  • Kameraprobleme
  • mitunter schwache Gegneranimationen
  • taktisches Potenzial der Kämpfe wird nicht ausgenutzt
  • visuelle Personalisierung könnte umfangreicher sein

Wertung

PS_Vita

Soul Sacrifice punktet mit riesigem Umfang, haufenweise relevanten Belohnungen und einem eingängigen Kampfsystem, das jedoch auf Dauer Ermüdungserscheinungen zeigt.