Soul Sacrifice - Test, Action-Adventure, PS_Vita
Warum zur Hölle stecke ich in dieser Zelle? Und warum redet dieses merkwürdige Buch mit mir? Das Ende der Welt ist angebrochen? Nur ich kann dem Treiben des machtgierigen Zauberers Magusar entgegen wirken? Wieso? Was ist das Besondere an mir? Mit diesen und anderen Fragen wird man zu Beginn von Soul Sacrifice überhäuft. Zusammen mit der düsteren Atmosphäre sowie dem gelungenen, hauptsächlich auf gedämpfte Farben setzenden Artdesign bekomme ich schnell den Eindruck, als ob hier ein kleines Dark Souls im Mobilformat wartet. Doch sobald ich im Rahmen des Tutorials neben dem Antagonisten kämpfe, zerstreut sich diese Illusion.
Erste Eindrücke
Die Kämpfe sind deutlich schneller, erinnern hinsichtlich der Dynamik eher an klassische Action-Adventure wie Devil May Cry, Onimusha oder andere Arena-Brawler. Zudem macht mir die automatische Kameraführung das Leben unnötig schwer. Ich kann zwar immer manuell nachjustieren und im Zweifelsfall einen Gegner markieren und dann auf ihn "aufschalten", dennoch bleibt die Problematik erhalten - immer wieder sorgt die störrische Perspektivenfindung dafür, dass ich ankommende Angriffe zu spät sehe und nur noch den Bruchteil einer Sekunde Zeit habe, um auszuweichen. Und schon türmten sich weitere Fragen auf: Das ist doch nicht das Spiel, das mich in den Videos so neugierig machte?Die Ernüchterung ging sogar so weit, dass ich nach den ersten 15 bis 20 Minuten den Punkt erreicht hatte, aufgeben zu wollen und das Projekt einem anderen zu geben, der besser damit klar kommt.
Zweite Eindrücke
Keiji Inafune, immerhin über 20 Jahre lang federführend bei Capcom aktiv und in Titel wie Mega Man, Street Fighter, Lost Planet oder Dead Rising involviert, zieht im Rahmen der Möglichkeiten alle Register - so könnte man z.B. nach dem Tutorial direkt in die finale Auseinandersetzung springen. Das dies so früh ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen wäre und man seine Figur erst einmal aufpäppeln und verbessern sollte, steht auf einem anderen Blatt. Trotz dieses und einiger anderer Kniffe kann er aber nicht verhindern, dass die Kämpfe gegen die reichlich vorhandenen Standardgegner bereits mittelfristig mit Abnutzungserscheinungen zu kämpfen haben. Doch glücklicherweise werden die Kampfmechanismen durch einige interessante Aspekte im Umfeld aufgewertet.
Lesen schafft Wissen
Ein weiteres zentrales Element ist der Zwang, Entscheidungen treffen zu müssen - und zwar permanent: Ausnahmslos jeder erledigte Gegner wartet im Prinzip in einer Art Seelenpfütze, bis man ihm sich nähert. Dann hat man die Option, das Wesen zu erlösen oder zu opfern. Entscheidet man sich für die Erlösung, bekommt man Erfahrungspunkte, die der Verteidigung gut geschrieben werden und erhält eine nicht zu unterschätzende Spritze für seine aktuellen Lebenspunkte. Opfert man sie, wird die Erfahrung zur Offensivkraft addiert - bis hin zum Levelaufstieg.
Doch das ist nur der Anfang der Entscheidungs-Spirale. Denn natürlich kann man auch die gut designten und meist mehrstufig inszenierten "!Erzfeinde" (die Bossmonster) erlösen oder opfern, was mit einem enormen Boost der jeweiligen Seite einhergeht. Allerdings kann man durch Erlösung auch das Arsenal der Figuren aufstocken, die einen bei zukünftigen Abenteuern begleiten können und zumeist ordentlich an der Seite kämpfen, ohne einen ins tatenlose Abseits zu drängen - abgesehen davon, dass je nach Entscheidung neue Missionen geöffnet werden, die andernfalls nicht zur Verfügung stehen. Je nachdem, wie die Gesinnung des Begleiters ist, mit dem man allerdings nur unwesentliche Partyinteraktion betreibt und dem man im Kampf auch keine Befehle geben darf, kann dies aber dazu führen, dass er die Entscheidung nicht teilt - was im schlimmsten Fall bedeuten kann, dass er (oder sie) einen verlässt und nicht mehr zur Verfügung steht. Überhaupt ist das Eigenleben der Figuren bemerkenswert. Nicht, weil es besonders glaubwürdig wirkt, dazu erfährt man letztlich zu wenig über sie. Sondern, weil sie mich immer wieder überraschen. So wurde mein Charakter in einer Mission überwältigt und ich hatte die Wahl, meine Begleitung um Hilfe zu bitten (Wiederbelebung), mich sterben zu lassen (Ende der Mission) oder mich zu opfern. Ich entschied mich für die Opferung und war entsprechend überrascht, dass mich der Kumpan wiederbelebt. Andere wiederum sind weniger zimperlich und gehorchen besser, so dass ich ihnen im Gegenzug als Geist helfen und z.B. temporär ihre Angriffskraft stärken kann.
Bittere Entscheidungen
Das Schöne dabei: Die Entscheidungen wurden als unauffälliger Unterbau eingebaut, stellen dem Spieler sehr unaufdringlich immer wieder die Gewissensfrage und lenken so nicht vom eigentlichen actionlastigen Kampfgeschehen ab.
Jagen und Sammeln
Die Personalisierung hinsichtlich der Angriffskünste ist enorm, wenngleich die Optionen bei der visuellen Charaktergestaltung üppiger hätten ausfallen können. Immerhin kann man seine passiven Fähigkeiten bzw. Gesundheitswerte über Siegel verbessern, die am rechten Arm der Figur angebracht werden. Und selbstverständlich gibt es darunter auch "Stempel", die nur aktiviert werden, wenn man sich einer bestimmten Seite zugewandt hat und der Arm die Gesinnung widerspiegelt.
Kulisse? Zweitrangig!
Ebenfalls erwähnt werden soll der Mehrspielermodus - auch wenn ich ihn nur selten nutze: Bis zu vier Spieler können sich an den Missionen versuchen, wobei der aufkommenden Dynamik und dem Effektfeuerwerk durch Lags keine Schwierigkeiten gemacht werden; alles läuft wunderbar. Dennoch hält sich der Mehrwert für mich in Grenzen, da ich ein nahezu identisches Spielerlebnis auch mit NPCs an meiner Seite haben kann.
Fazit
Auf den ersten Blick ein misslungenes Dark Souls für unterwegs, auf den zweiten ein wahnwitzig motivierendes Hack&Slay im Stile eines sehr düsteren Monster Hunter: Dies war die Wandlung, die Soul Sacrifice für mich durchmachte. Zwar bin ich immer noch enttäuscht, dass der neueste Titel von Keiji Inafune sich stärker an Marken seines ehemaligen Arbeitgebers Capcom (wie z.B. Monster Hunter, Devil May Cry) orientiert als an der anspruchsvollen Rollenspiel-Serie von From Software und somit viel seines Potenzials ungenutzt lässt. Doch sobald ich mich auf die unkomplizierten Kämpfe, die stete Ausschüttung von relevanten Belohnungen sowie die ständigen Entscheidungen eingelassen hatte, die mitunter subtil auf mich einprasselten, umso schwieriger war ich von der Vita wegzukriegen. Sicher: Die Kulisse ist abseits der Effekte und der Hauptfiguren nicht immer zeitgemäß. Und die Kamera kann einen durchaus an den Rand der Weißglut treiben. Doch was man im Gegenzug an Inhalten, Personalisierungsoptionen, interessanter Erzählstruktur sowie dank der umfangreichen Waffenauswahl letztlich doch taktisch geprägten Kämpfen bekommt, kann sich sehen lassen. Ist Soul Sacrifice einer der seltenen und doch so dringend benötigten Vita-Systemseller? Nein! Aber es ist ein spaßiger Zeitvertreib, wie er mir seit Systemstart selten begegnet ist. Zudem einer, der überraschend viel Tiefgang unter der actionreichen Haube verbirgt.
Pro
- düstere Atmosphäre
- schnelle, dynamische Gefechte
- haufenweise Missionen
- Dutzende Angriffs- und Verteidigungsoptionen
- clevere unaufdringliche Touchscreen-Einbindung
- Entscheidungszwang
- lagfreier Online-Modus für bis zu vier Spieler
- ansehnliche Effekte
- finaler Boss von Anfang an zugänglich
- unheimlich viel freispielbares Material
- fantasievolle Präsentation der Geschichte
Kontra
- Kampf bereits mittelfristig redundant
- Kulisse nicht immer zeitgemäß
- Kameraprobleme
- mitunter schwache Gegneranimationen
- taktisches Potenzial der Kämpfe wird nicht ausgenutzt
- visuelle Personalisierung könnte umfangreicher sein