Far Cry 3: Blood Dragon - Test, Shooter, 360, PlayStation3, PC

Far Cry 3: Blood Dragon
30.04.2013, Benjamin Schmädig

Test: Far Cry 3: Blood Dragon

"Dahinter lauert der Tod, Rex." "Welche Art von Tod." "Die böse Art, Rex!" Bruha! Waren wir wirklich jemals so jung, dass Sprüche dieses Kalibers unsere Coolness-Hitliste anführten? Oh ja, waren wir! Schlaghosen waren gerade out, in waren Neue Deutsche Welle, Walkman und Arnold Schwarzenegger. Und wenn Far Cry 3: Blood Dragon (ab 13,49€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) nicht heute erst erschienen wäre, es wäre das perfekte Kind seiner Zeit gewesen.

Ich bin ja ein Kind des Ostens – da, wo "Konsum" das Anstehen nach Südfrüchten in der Schlange einer "Kaufhalle" bedeutete. Medien hingegen konsumierten wir entweder über illegale Kanäle oder in staatlich gefilterten Kinoimporten. Ende der 80er dann die Wende: Von fast Null auf gefühlte Tausend explodierte eine Masse an Filmen, Serien, Videospielen. Wie von einer Flut wurden wir mit allem überschwemmt, was "cool" war – für einen jungen Teenager, also mich im besten Zielgruppenalter, ein unbeschreiblicher Eindruck! Wie ein hungriger Vorwerk-Reiniger habe ich diese Medienwelt aufgesaugt.

Naguggemada!

Aber man wird ja erwachsen, lernt zu differenzieren, kultiviert Geschmack oder bildet sich das zumindest ein. Und das Kino wächst mit. Heute vermisst man neben haushohen Transformers wenigstens ein Fünkchen Erzählsinn, man spricht über Videospiele mit einem Blick fürs Künstlerische, Kreative...

... und dann kommt Far Cry 3 und latscht mit dickem Absatz auf die ganze künstlerische Entwicklung der letzten paarundzwanzig Jahre! Ein "shitty little game" nennt der Creative Director sein Spiel. Von einem "furchtbaren Drehbuch" spricht er. 8-Bit-ähnliche Bilder

Omega Force. Sloanes Leute. Die Bösen.
illustrieren die Handlung, flotte Synthesizer geben den Takt vor, hohle One-Liner untermauern die abgeklärte Coolness des Helden. So katapultiert mich Blood Dragon zurück in eine Zeit, in der überlebensgroße Maschinen und Monster die Menschheit bedrohen.

Kunstvoll, clever, kreativ?

Da ist der Atomkrieg nicht nur dunkle Bedrohung, sondern hat längst stattgefunden. Natürlich: Nur ein Veteran des Zweiten Vietnamkriegs kann im fiktiven 2007 die Menschheit davor bewahren, von der martialischen Laune eines vom Krieg zerwühlten Colonels zermalmt zu werden. Der nicht von ungefähr Prototyp und stärkster der Cyborg-Soldaten ist, zu denen auch... Trommelwirbel... Sergeant Rex Power Colt gehört. Modellreihe Mark IV, "halb Mensch, halb Maschine, zusammen ganz Cyborg". Gesprochen von Michael Biehn: halb Kyle Reese (Terminator), halb Dwayne Hicks (Aliens), ganz Kultfigur des Actionkinos, dem Blood Dragon diese Hommage widmet.

Eine kurze Hommage, denn die Geschichte ist nur wenige Missionen lang. Der Preis rechtfertigt natürlich die Dauer. Mir war es trotzdem zu schnell vorbei. Zumal sich die Abwechslung in Grenzen hält: Weil Blood Dragon spielerisch eine Kopie des namensgebenden Far Cry 3 ist, habe ich mich über den herrlich brachialen, angenehm

Synthesizerdisko

Retro Quickie

Die Musik von Power Glove trägt viel dazu bei, dass sich der Trip in die Vergangenheit authentisch anfühlt. Mehr in unserer Soundtrack-Kritik.taktischen Ego-Shooter gefreut – der sein Von-A-Nach-B-Ballern allerdings kaum auflockert.

Ich habe zwischen den Kapiteln der Kampagne zwar bewachte feindliche Stützpunkte eingenommen, Geiseln befreit und Tiere getötet, der spielerische Mehrwert war aber überschaubar. Das Einnehmen der Stützpunkte war ungemein eintönig – unterboten wurde es nur von öden Sammelaufgaben, für die ich aberdutzende auf der Karte verzeichnete Markierungen abklappern musste. Hätte ich wenigstens gefährliche Höhlen erkunden müssen...

Immerhin wird die Insel von jenen Blutdrachen bewohnt, die mehr Treffer einstecken als ein Sternenzerstörer und die mit Lasern aus den Augen feuern. Und immerhin konnte ich

Es ist ein explosiver, aber kurzer Trip in die neonfarbene Vergangenheit.
diese Monstren anlocken, indem ich ihnen Herzen zum Fraß vorwarf, die Rex den Leichen seiner Gegner entrissen hatte. Falls ich also den Schutzschildgenerator eines Stützpunktes ausschaltete und ein Herz dorthin schmiss, wo Wachen patrouillierten, dann... taten sie das bald nicht mehr.

Far Cry bleibt Far Cry

Selbst harte Feuergefechte waren zwar auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad einen Tick zu leicht, doch die vielen taktischen Möglichkeiten (Rex beherrscht den brutalen Nahkampf ebenso wie das Feuergefecht über mittlere und lange Distanzen) gehören nach wie vor zu den wichtigsten Stärken des Far-Cry-Shooters.

Und zumindest waren nicht nur Rex' neue Fähigkeiten die Mühe der drögen Nebenmissionen wert, weil er dann z.B. mehr Gesundheit erhielt oder die Möglichkeit, mit der Pistole eines Nahkampf-Opfers praktisch im gleichen Zug dessen Kameraden zu erschießen. Vor allem waren es die Waffen, für dich ich die langweiligen Wege in Kauf genommen habe. Es ist ja nicht so, dass ein Fazertron von Beginn an Laser verschießen würde; diese Funktion musste ich mir erst verdienen. Der Schrotflinte (Galleria 1991 (!)) verpasste ich erst nach getaner Sammelarbeit einen vierfachen Lauf und auch dieses Scharfschützengewehr, das so frappierend an die Raketenwerfer aus Robocop erinnert, verschoss erst dann Sprengstoffmunition, nachdem ich sechs beliebige Tierarten getötet habe – extrem sinnlos, aber herrlich befriedigend!

"Weil man weiß, dass es Quatsch ist."

Dabei möchte ich derartigen Sammelmist für gewöhnlich auf den Mond schießen. Warum ich mich hier noch darüber freue? Weil Blood Dragon das naive Actionkino der 80er und 90er Jahre wiederaufleben lässt, ohne es auch nur ein Pixel weit für voll zu nehmen. Die pubertäre Lust am Dauerfeuer aus einem Hubschrauber zu Long Tall Sally, wie es auch in Predator gespielt wurde – wenn der testosterongesteuerte Humbug, bei dem meine Freundin aus dem Zimmer flieht, Methode hat, dann funktioniert Sinnlosaction ganz hervorragend.

Das originale Far Cry 3 nahm seinen mäßig spannenden Inseltrip viel zu ernst, als dass ich seine zum Selbstzweck verkommene Ballerbude ernst nehmen konnte. Blood Dragon

Blutdrachen - die Titelantihelden und stärksten Gegner des Mark-IV-Cyborgs.
verzichtet auf jeden Ernst, während ein grantiger Rex Power Colt den hohlen Sammelkram und die hanebüchene Action mal genervt, mal überzogen euphorisch kommentiert. Man schmunzelt, weil man weiß, dass es Quatsch ist.

Überhaupt sind Referenzen und Kommentare die größte Stärke des Spiels. Schon das Tutorial spricht jedem Spieler aus der Seele, dem sperrige Einführungen zum Hals heraushängen. Es gibt eine wissenschaftliche Ausführung über die Gewalt in Videospielen, einen D20-Würfel sowie einen Soundtrack, der nicht nur an die elektronische Schule eines Vangelis‘ erinnert, sondern munter Blade Runner oder auch Terminator zitiert.

Generation Schwarzenegger

Dabei macht sich Blood Dragon nicht nur über die Filme und Spiele „seiner“ Zeit lustig; es lebt die Generation Schwarzenegger, als würde sie gerade erst stattfinden. Die in ständiges Dunkel getauchte postnukleare Insel etwa, auf der neonstrahlende Lichtquellen wie aus dem Nichts blaue und rote Akzente setzen, könnte ein Ableger zu Disneys erstem Tron sein. Cyber-Panther, Robo-Hunde, VHS-Kasetten, Atomkrieg: Die Geschichte trieft in jeder Sekunde so phänomenal vor Klischees, dass man diesem Far Cry eigentlich Museumsstatus zusprechen müsste.

Fazit

Und dann habe ich nicht schlecht gestaunt... nicht im Spiel, wohl gemerkt, sondern vorm Fernseher, als ich mit nostalgischer Recherchebrille Commando, Terminator und Predator sah. Denn während ich im Spiel noch geschmunzelt hatte, klatschte vor dem Fernseher meine flache Hand auf die Stirn: Blood Dragon überzeichnet viel weniger, als mir bewusst war! Die blöden Sprüche, das absurde Waffenarsenal, die verquere Geschichte – das war fast im Wortlaut genauso. Natürlich wurden hier mehr Klischees reingequetscht als ein corellianischer Frachter transportieren könnte, aber das Spiel trifft den Nagel auf den Kopf. Das heißt natürlich auch: Die Action ist ebenso modern und explosiv wie sie schnell ermüdend und eintönig wird. Die Geschichte ist verdammt knapp und jedes Laufband ereignisreicher als die zahllosen Sammelaufgaben. Ja, es ist nur das treffsichere Augenzwinkern, mit dem diese liebevolle Hommage eine Momentaufnahme festhält, in der absurde Action plötzlich cool war. Danke für die gelungene Zeitreise!

Pro

  • zahllose Anspielungen auf Filme und Spiele der 80er Jahre
  • ständiges Neonleuchten, „altbackene“ Comicszenen
  • famoser Synthesizer-Soundtrack, alberne One-Liner
  • taktische Action: leises oder explosives Ausschalten
  • motivierendes Aufrüsten (Lasergeschosse, explosive Scharfschützenmunition)
  • witzige Enzyklopädie

Kontra

  • ausgesprochen kurze Geschichte
  • Stützpunkte und Nebenmissionen gleichen sich sehr
  • vorgegebene Charakter
  • und Waffenentwicklung
  • selbst auf höchstem Schwierigkeitsgrad relativ leicht
  • öde Sammelsprints zu Videokassetten, Notizen und Fernsehern

Wertung

360

Ein durchschnittlicher Shooter und eine ebenso liebevolle wie treffsichere Hommage an die Filme und Spiele der 80er und 90er Jahre.

PlayStation3

Ein durchschnittlicher Shooter und eine ebenso liebevolle wie treffsichere Hommage an die Filme und Spiele der 80er und 90er Jahre.

PC

Ein durchschnittlicher Shooter und eine ebenso liebevolle wie treffsichere Hommage an die Filme und Spiele der 80er und 90er Jahre.