Gran Turismo 6 - Test, Rennspiel, PlayStation4, PlayStation3

Gran Turismo 6
11.12.2013, Michael Krosta

Test: Gran Turismo 6

Wahrscheinlich zum letzten Mal starten Sony und Kazunori Yamauchi auf der PlayStation 3 die Motoren, bevor es auf der PS4 mit Vollgas weiter geht: Gran Turismo 6 (ab 29,99€ bei kaufen) will mit verbesserter Fahrphysik, neuem Reifenmodell und überarbeiteter Technik die Messlatte für Rennsimulationen ein Stück höher legen. Wird der „Real Driving Simulator“ seinem Namen gerecht oder geht der Serie langsam das Benzin aus?

Nach dem sehenswerten Intro bekommt man im Tutorial bereits die zentrale Verbesserung zu spüren, die Gran Turismo 6 auszeichnet und einen deutlichen Fortschritt gegenüber dem Vorgänger markiert: Die überarbeitete Fahrphysik. Sie ist zusammen mit dem Reifenmodell ein Genuss und lässt mich nicht nur langsam die Grenzen der Boliden ausloten, sondern vermittelt auch einen hervorragenden Eindruck davon, wie die Kräfte auf Karosserie und Fahrwerk wirken. Das Chassis wankt beim Einlenken in Kurven, während man beim Beschleunigen sieht, wie sich die Motorhaube leicht anhebt und bei Bremsmanövern entsprechend senkt. Man bekommt insgesamt ein sehr gutes Gefühl dafür, wie Federn und Dämpfer arbeiten. Gleiches gilt für die Bodenhaftung der Pneus, wobei das allgegenwärtige (und manchmal etwas nervige, weil zu laute) Reifenquietschen neben dem Rumble-Effekt bzw. dem hervorragenden Force Feedback einen gelungenen Anhaltspunkt über das Grip-Niveau liefert. Und das fällt je nach gewähltem Reifentyp unterschiedlich aus, denn wie in den Vorgängern stehen auch hier Standard-, Sport- und Renngummis zur Verfügung, inklusive verschiedener Mischungen von hart über mittel bis weich. Neben Matschreifen für Abflüge in Rallye-Gefilde wirkt man auf verschneiten Kursen mit Spikes den spiegelglatten Straßen entgegen.

Großartiges Fahrgefühl

Rallye-Boliden wie der Audi Quattro finden sich ebenfalls im Fuhrpark und bekommen mit Sand- sowie Schotterpisten auch das passende Umfeld. Doch auch auf Strecken wie Silverstone fühlen sie sich wohl.
Da es auf ausgewählten Strecken neben einem Tag-/Nachtwechsel auch wechselhafte Witterungsbedingungen gibt, findet man unter den Rennreifen zusätzlich auch Intermediates sowie Regenreifen, so dass man selbst dann noch auf einen Rest an Bodenhaftung hoffen kann, wenn es wie aus Eimern schüttet. Schade nur, dass man es immer noch nicht geschafft hat, verschiedene Tageszeiten und Wetterwechsel für alle der 37 Schauplätze mit ihren insgesamt 100 Strecken-Layouts anzubieten. Immerhin lässt sich in Einzelrennen auf diesen „Premium-Kursen“ ein Zeitraffer aktivieren und die Wahrscheinlichkeit für die Witterungs-Veränderung bestimmen.

An optionalen Fahrhilfen herrscht kein Mangel: Zwar verzichtet man auf die Unterscheidung zwischen normaler und simultativer Steuerung, doch haben Anfänger die Chance, sich mit interaktiver Ideallinie, einer Aktiv-Lenkung, ABS, Traktions- und Stabilitätskontrolle langsam an die Faszination Rennenfahren heran zu tasten. Der „Rutsch-Stopp“ garantiert außerdem eine nochmals verbesserte Bodenhaftung. Als Profi pfeift man natürlich auf solche Funktionen, möchte es so realistisch und anspruchsvoll haben. Doch hier wartet bereits die erste Enttäuschung: Was ist denn plötzlich mit dem Reifenverschleiß und Benzinverbrauch passiert, den man im Vorgänger selbst bei Einzelrennen noch optional aktivieren konnte? Einfach weg. Und auch in den meisten Veranstaltungen innerhalb der typischen Karriere mit all ihren Pokalen und Meisterschaften spielt beides kaum eine Rolle. Erst in späteren Langstrecken-Events zeigt die Tankanzeige plötzlich eine Reaktion und man spürt, wie das Grip-Niveau der Pneus mit jeder weiteren Runde zunehmend nachlässt. Hier bereichern dann auch wieder die nötigen Boxenstopps das Renngeschehen. Warum nicht auf in Einzelrennen? Oder beim Zeitfahren? Ich verstehe nicht, warum man die Option entfernt hat. Reifenverschleiß hin, Benzinverbrauch her: Die Entwickler von Polyphony Digital haben hinsichtlich der Fahrphysik großartige Arbeit geleistet und den Vorgänger übertroffen, auch wenn sich das geniale Fahrgefühl erst mit einem guten Force-Feedback-Lenkrad entfalten kann. Die Zusammenarbeit mit Technikpartnern wie Yokohama und KW Automotive hat sich ausgezahlt!

Für Anfänger und Profis – mit Abstrichen

Wie bei Forza Motorsport zählt die Strecke in Bathurst auch hier zu den Neuzugängen.
Beim Umfang ist Gran Turismo 6 der unangefochtene Spitzenreiter – kein anderes Rennspiel bietet eine solch gigantische Auswahl an Fahrzeugen und Strecken. Neben alten Bekannten wie Monza, Suzuka, Spa Francorchamps oder Laguna Seca finden sich unter den 37 Schauplätzen auch einige Neuzugänge wie Mount Panorama (Bathurst), der Wüsten-Kurs Willow Springs International Raceway nördlich von Los Angeles, die britische Kult-Piste Brands Hatch oder das aktuelle Silverstone. Ausflüge ans Matterhorn oder in die staubige Toskana stehen ebenso auf dem Programm wie rasante Besuche in Metropolen wie London, Madrid und Rom. Selbst auf dem Mond darf man mittlerweile seine Runden drehen und schweben. Neben lizenzierten Weltstrecken finden sich außerdem wieder zahlreiche Original-Kreationen wie Trial Mountain, Deep Forest und der Autumn Ring in der Auswahl. Für mich gehören die Fantasie-Strecken von Gran Turismo immer noch zu den besten, die jemals für ein Rennspiel gebaut wurden. In der jüngsten Fortsetzung feiert eine von ihnen ihr Comeback, denn zum ersten Mal erlebt man hier Apricot Hill in HD. Mein persönliches Highlight ist aber – wie könnte es anders sein – der Nürburgring. In kaum einem anderen Rennspiel wird der Ritt durch die grüne Hölle mit ihrer beängstigenden Enge, den typischen Graffitis auf dem Asphalt und Bodenwellen so genial eingefangen wie hier, auch wenn die Umgebung abseits der Strecke weniger akkurat abgebildet wird. Hinzu kommen die verschiedenen Layouts: Angefangen beim Grand-Prix-Kurs über die Nordschleife bis hin zu einer Kombination aus beiden Strecken für das echte 24h-Feeling findet man (fast) alles, was das Eifelherz begehrt. Fehlt eigentlich nur noch die Rekonstruktion der stillgelegten Südschleife, um das „Erlebnis Nürburgring“ zu komplettieren…

Auf der Pole Position

Leider wurde nicht alle Boliden mit so viel Liebe zum Detail modelliert.
Von der schieren Masse an Fahrzeugen wird man regelrecht erschlagen: Mittlerweile ist der Fuhrpark auf satte 1200 Boliden angewachsen, wobei Sony die Unterscheidung zwischen Premium- und Standardwagen abgeschafft und versprochen hat, die visuelle Qualität für alle Fahrzeuge auf PS3-Niveau zu heben. Im Rahmen unserer letzten Probefahrt war sogar davon die Rede, dass jedes von ihnen mit einem modellierten Cockpit ausgestattet sein wird. Dem ist leider nicht so. Nichts davon. Schaue ich mir z.B. der VW Lupo im Showroom an und vergleiche ihn mit einem Hochglanz-Ferrari, wird sehr schnell deutlich, dass es immer noch starke grafische Unterschiede zwischen den Modellen gibt. Der kleine Volkswagen kann seine PS2-Wurzeln genauso wenig verschleiern wie viele anderen Karossen, bei denen man offensichtlich auf die Premium-Behandlung verzichtet hat. So zeichnet sich wieder nur bei einem kleinen Teil des Fuhrparks diese großartige Liebe zum Detail ab, mit der die ausgewählten Boliden modelliert wurden.

Quantität über Qualität

Beim Thema Cockpit ist es ähnlich: Bei einem Großteil der Wagen wird statt eines voll modellierten Innenraums nur eine schwarze Standard-Schablone als Umrandung geboten, bei der man nicht einmal ein Lenkrad sieht, geschweig denn ein Armaturenbrett oder Instrumente. So will doch niemand fahren! Da bevorzuge ich lieber die Stoßstangenansicht, wenn mir schon kein Cockpit geboten wird. Selbst die beiden Außenperspektiven machen mehr her als diese lieblose Notlösung. Zusammenfassung: Anstatt den Unterschied zwischen grafisch minderwertigen Standard- und erstklassigen Premium-Modellen wie versprochen abzuschaffen, verzichtet Polyphony hier einfach nur auf die Kennzeichnung, wie es bei GT5 noch der Fall war, obwohl die qualitativen Unterschiede weiter bestehen bleiben. Ein Trauerspiel.

Hinzu kommt, dass die Anzahl an Fahrzeugen auf den ersten Blick zwar gigantisch wirkt, sich bei genauem Hinsehen aber recht schnell relativiert. Vor allem bei japanischen Autobauern wie Nissan oder Toyota finden sich zahlreiche ähnliche, zum Teil sogar doppelte Modelle, bei denen der Unterschied lediglich darin besteht, ob sie in den USA, Japan oder Europa auf den Markt kamen. Warum in diesem Zusammenhang ausgerechnet manche Euro-Boliden wie der Scirocco R ausschließlich in der japanischen Rechtslenker-Ausführung angeboten werden, ist mir ein Rätsel. Hier reicht schon die Veränderung eines Front-Grills, um als eigenständiges Modell in die Liste aufgenommen zu werden. So kommen schnell 1200 Boliden zusammen – vor allem dank der japanischen Vielfalt, bei der gefühlt jedes Fahrzeug den Weg ins Spiel geschafft hat, das jemals über die Straßen im Land der aufgehenden Sonne gerollt ist. Schaut man sich dagegen im GT-Katalog von europäischen und amerikanischen Autobauern um, fallen recht schnell einige Lücken im Sortiment auf – Porsche glänzt wie schon bei Forza Motorsport 5 auch hier mit Abwesenheit. Wir vermuten auch hier einen Zusammenhang aufgrund eines Exklusiv-Deals zwischen dem Hersteller aus Zuffenhausen und Electronic Arts. So schön es auch ist, Exoten wie den VW Schwimmwagen zu finden: Ein kleinerer Fuhrpark von durchgehend ausgezeichneter Qualität ist mir lieber als dieses XXL-Angebot an Fahrzeugen, bei dem man viele Modelle entweder als überflüssig oder grafisch minderwertig empfindet. Einen kleinen Lichtblick bilden die Konzeptwagen, die Autohersteller rund um den Globus exklusiv für das Spiel entwerfen. Das bereits enthaltene Modell von Mercedes macht jedenfalls Lust auf mehr, wobei weitere Fahrzeuge erst im Laufe der nächsten Monate nachgereicht werden. Damit man bei der gebotenen Masse nicht den Überblick verliert, findet sich außerdem eine Zusammenstellung von empfohlenen Wagen für die Karriere.Vom Serienwagen zur Rennmaschine

Viel ist relativ

Gerade in Kurven sieht man deutlich, wie die Kräfte auf Karosserie und Fahrwerk einwirken.
Keinen Grund zur Klage gibt es bei der üppigen Auswahl an Tuning-Upgrades, obwohl man nicht ganz bei den Möglichkeiten eines Forza Motorsport mithalten kann. Trotzdem gibt es mehr als genug Möglichkeiten, seine hart verdienten Preisgelder in Verbesserungen zu investieren: Da wäre z.B. die Aufhängung, bei der man sich zwischen einem weichen, harten, auf Rallye getrimmten oder voll anpassbaren Fahrwerk entscheiden darf. Neben einem neuen Bremssatz macht man auch den Antrieb seines Serienwagens mit diversen Getriebetypen, Kupplungen, Schwungrädern, Antriebswellen und Differenzial fit für die Rennstrecke. Wer vornehmlich die Leistung aufbohren will, findet in den drei Motorstufen, einer Chip-Steuerung, der Auswahl an Endschalldämpfern, Turbo-Sätzen, Kompressoren und sogar einer Lachgas-Einspritzung die Erfüllung seiner Tuner-Träume. Dabei sollte man auch Gewichtsreduzierung sowie Leichtbauteile wie eine Kohlefaser-Motorhaube nicht unterschätzen, um schneller vorwärts zu kommen. Anschaffungen wie Heckflügel oder eine neuen Bodenplatte kommen der Aerodynamik zugute, schicke Alu-Felgen und Bodykits vornehmlich der Optik.

Die Anschaffung der Luxus-Upgrades ist die eine Sache, die Auseinandersetzung mit ihnen eine völlig andere: Hat man seine Serien-Schüssel erst in ein PS-starkes Geschoss verwandelt, wird das volle Potenzial erst mit dem richtigen Setup entfacht, das nicht nur dem eigenen Fahrstil sondern auch den Streckencharakteristiken entgegen kommen sollte. So schraubt man u.a. an der Aufhängung herum und verändert die Bodenfreiheit, den Sturz, Bremsbalance und die Abstimmung des Fahrwerks. Die richtige Getriebeübersetzung auszutüfteln, kann ebenfalls entscheidend sein. Wer will beim Ansaugen im Windschatten schon plötzlich vom Drehzahlbegrenzer ausgebremst werden? Auch die Wirkung des Differenzials kann mit festgelegtem Anfangsdrehmoment, Beschleunigungs- und Bremsempfindlichkeit nach eigenen Wünschen festgelegt werden. Eine schöne Ergänzung sind die Ballastgewichte, mit denen man sein Auto schwerer machen kann als es eigentlich ist. Ideal, um doch noch Anforderungen für die Zulassung zu manchen Wettbewerben zu erfüllen.

Pack den Schraubenschlüssel aus

Der Besuch des Service-Bereichs ist ebenfalls wieder möglich: Hier verpasst man seinem Boliden u.a. einen Ölwechsel, unterzieht den Motor einer Generalüberholung oder verleiht der Karosserie nach einer Autowäsche neuen Glanz. Das mag nur eine kleine Spielerei sein, aber ich mag Gran Turismo genau für diese kleinen aber feinen Details.

Abflug? Kein Problem, denn das volle Schadensmodell gibt es nur in Online-Rennen.
Wofür ich die Reihe bestimmt nicht mag, ist das Schadensmodell. Das wurde bereits im Vorgänger nur halbherzig und erst mit dem 2.0-Update implementiert und wird hier wieder auf ein Minimum zurückgefahren. Heftige Einschläge haben nur noch minimale Beulen und etwas Schmutz auf der Karosserie zur Folge. Mechanische Auswirkungen von Schäden gibt es in der Karriere oder Einzelrennen überhaupt nicht mehr – ein klarer Rückschritt im Vergleich zum Vorgänger! Ähnlich enttäuschend ist das Strafsystem: Zwar wird man in Minispielen und Lizenztests für das Verlassen der Strecke und / oder Rempeleien bestraft, doch in den viel wichtigeren Meisterschaften kann man seine Konkurrenten als Bremsen oder Banden missbrauchen und nach Herzenslust abkürzen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

In den letzten Tagen und Wochen sorgte eine Meldung für Aufsehen: In Gran Turismo 6 wird es möglich sein, sich über Mikrotransaktionen zusätzliches Guthaben für die Spielwährung mit echtem Geld zu kaufen, welches u.a. die Anschaffung neuer Wagen ermöglicht. Rechnet man die Beträge um, muss man für eines der teuersten Autos im Spiel, den 20 Millionen teuren Jaguar XJ 13, satte 150 Euro auf den Tisch legen. Ja, es ist eine traurige Premiere, dass diese Pest jetzt auch schon in Gran Turismo angekommen ist, wobei man immerhin festhalten muss, dass die Investition in Mikrotransaktionen nicht zwingend notwendig ist, um im Spiel voran zu kommen. Noch nicht. Genauer gesagt verschafft man sich durch den frühen Kauf leistungsstärkerer Boliden keinen Vorteil. Im Gegenteil: Die Veranstaltungen, in denen vornehmlich solche Geschosse zum Einsatz kommen und mit üppigen Preisgeldern den Kontostand in die Höhe schießen lassen, sind alle gesperrt und lassen sich auch nicht vorzeitig durch echtes Geld freischalten. Stattdessen muss man auch als stolzer Jaguar-Besitzer brav die nötigen Sterne in den Anfänger-Events sammeln und die üblichen Lizenzprüfungen absolvieren, um Zugang zu höheren Klassen zu bekommen. Zudem wird man auch nicht ständig dazu gegängelt, doch bitte Geld in Mikrotransaktionen zu investieren. Selbst wenn die Kohle zur Anschaffung des Luxus-Sportwagens wird man nur freundlich darauf hingewiesen, dass das vorhandene Guthaben nicht ausreicht, ohne gleich zum Store weitergeleitet oder auf dessen Angebote hingewiesen zu werden. Trotzdem: Angesichts solcher Summen fragt man sich zurecht, ob Sony bei der Preisgestaltung nicht jedes Maß verloren hat. Alleine die Möglichkeit, für umgerechnet 150 Euro ein Fahrzeug in einem Vollpreis-Spiel vorzeitig freischalten zu können, ist schon ein Unding. Deshalb kann ich wieder nur an jeden appelieren: Bringt diesen Testballon ganz schnell zum Platzen, indem ihr diesen Mist nicht mitmacht und boykottiert!

Maßlose Abzocke?

Exotische Modelle finden sich ebenfalls.
Ja, man verschafft sich durch die Mikrotranskationen hier „nur“ einen zeitlichen Vorteil, der keinen Einfluss auf die Spielbalance hat. Trotzdem fällt auf, dass das Spieldesign leicht umgekrempelt wurde, um das Füllen der Garage zu erschweren. Zwar bekommt man beim Abschluss von Veranstaltungen immer noch die gleichen Siegprämien ausgezahlt wie im Vorgänger und auch die Autopreise bei den Händlern wurden nicht erhöht, doch bei Geschenken ist man hier deutlich knauseriger: Landete in GT5 nach nahezu jedem abgeschlossenen Pokal oder einer gewonnenen Meisterschaft ein neuer Bolide im Geschenkkorb, wird man mittlerweile nur noch sporadisch und selten mit einem Preis auf vier Rädern belohnt. Immerhin kann man Autos im Gegensatz zu Forza 5 auch wieder verkaufen, um sein Guthaben aufzubessern. Beim Gebrauchtwagenhändler landet das Fahrzeug dann allerdings nicht: Er wurde kurzerhand aus dem Spiel gestrichen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, war er doch eine gute Gelegenheit, günstig an Flitzer heran zu kommen. In GT6 ist dagegen nur den Kauf von Neuwagen möglich, für deren Anschaffung man länger „grinden“ muss. Die optionalen Marken-Rennen setzen zudem immer ein bestimmtes Modell zur Teilnahme voraus – und das will natürlich erst gekauft werden und wird nicht gestellt. Überhaupt kann man seine hart verdienten Credits schnell wieder loswerden, indem man z.B. auch noch in seine Ausrüstung investiert und sich dabei sogar Original-Outfits von berühmten Rennfahrern wie F1-Ikone Ayrton Senna für läppische 500.000 Credits anschafft.

In meinen Augen erfüllt die Beschränkung auf Neuwagen und das Angebot teurer Extras vor allem einen Zweck: Der Kontostand soll möglichst niedrig gehalten werden, damit man als Spieler vielleicht doch in die Versuchung gerät, mit Mikrotranskationen das Guthaben aufzustocken, wenn einen der nächste Ferrari oder Lamborghini wieder so anlächelt. In diesem Zusammenhang ist es außerdem schade, dass Preisgelder nicht wie in Forza in Relation zum gewählten Anspruch höher oder niedriger ausfallen. Hier spielt es also keine Rolle, ob man mit oder ohne Fahrhilfen um den Sieg kämpft, denn die Prämie ist immer gleich hoch (oder niedig). Mit dem B-Spec-Modus fällt außerdem eine weitere Einnahme-Quelle flach: Er soll zusammen mit dem Streckeneditor und dem innovativen GPS-Tracker erst mit einem späteren Update nachgereicht werden. Wie schon sein Vorgänger wird also auch Gran Turismo 6 in einer unvollständigen Version auf den Markt gebracht – und das, obwohl man sich zum Start bereits einen knapp 1,5 Gigabyte großen Patch laden darf. Da passt es ins Bild, dass auch der eine oder andere Bug noch vorhanden ist: So ist es mit bei einem Rennen rund ums Matterhorn mehrfach passiert, dass ich plötzlich auf den letzten Platz zurückversetzt wurde, obwohl ich eigentlich zweiter war oder sogar in Führung lag. Warum? Weil das Spiel – aus welchem Grund auch immer – beschlossen hat, mich eine Runde nach hinten zu setzen. Auch bei den Ladezeiten besteht noch Optimierungsbedarf: Zwar muss man keine stundenlange XL-Installation mehr auf sich nehmen, aber dafür recht lange warten, bis Strecken und Fahrzeuge den Weg von der Blu-ray in den Speicher der PS3 finden.

Einfluss auf das Spieldesign?

Erst in echten Rennwagen kann sich der Fahrspaß voll entfalten - am besten mit einem guten Force-Feedback-Lenkrad.
Die KI war noch nie eine der großen Stärken von Gran Turismo. Doch hier erreicht man eindeutig einen neuen Tiefpunkt. Warum? Weil diese Form der künstlichen Intelligenz in einer Simulation nichts verloren hat und dazu führt, dass ich kein Rennen mehr ernst nehmen kann. Was ist da los? Ganz einfach: Die CPU-Piloten bescheißen. Sie biegen sich den Rennverlauf so zurecht, wie es ihnen passt – völlig unabhängig vom gewählten Fahrzeug oder ihren Skills. Hier wird beim Großteil der Rennen einfach nur ein furchtbares Skript abgespult, das ich zunächst nur im Ansatz erkannt, aber dann recht schnell durchschaut hatte. Meist laufen die Rennen nach folgendem Muster ab: Schnell setzen sich die beiden Führenden vom restlichen Fahrerfeld ab und vergrößern teilweise sogar ihren Vorsprung – und das selbst dann, wenn ich als Verfolger keine groben Fahrfehler mache. Dann kommt die letzte Runde…und wie durch ein Wunder schmilzt der vormals große Vorsprung der Konkurrenten an der Spitze bei jeder weiteren Zwischenzeit dahin als ob sie plötzlich mit angezogener Handbremse weiter fahren. Bei einem Einzelrennen auf dem Nürburgring über mehrere Runden kommt dieses Phänomen besonders gut zur Geltung: In der letzten Runde machte ich einen Rückstand von mehr als 30 Sekunden wieder wett und wurde am Ende Erster. Was dort im Großen passiert, erkennt man schon bei den vielen Kurzrennen der Karriere im Kleinen. Rückstände von zehn Sekunden lösen sich in der letzten Runde plötzlich in Luft auf und selbst die Verfolger verlieren merklich an Biss. Klebten sie mir in der Runde davor dank Windschatten noch im Heck und schossen mich sogar ab, fahren sie gegen Ende nur noch brav auf Abstand hinterher und begraben ihren Kampfgeist. Zugegeben: Ich bin auch nicht der größte Fan der Drivatar-Technologie von Forza Motorsport 5, aber das ist immer noch tausendmal besser als diese Farce, die mit packendem Motorsport nichts mehr zu tun hat. Diese KI ist eine Katastrophe, bei dem die Glaubwürdigkeit einen Totalschaden erleidet!

KI zum Davonfahren

War das Menü-Konzept im Vorgänger noch recht chaotisch und unübersichtlich, bekommt man hier eine deutlich strukturierte Übersicht und dank einer ähnlichen Aufmachung wie die Cross-Media-Bar einen schnellen Zugriff auf die Bereiche Zuhause, Online, Arcade, Karriere, Fahrzeuge, Tuning und Wartung sowie Spezialveranstaltungen und Werkzeuge wie den exzellenten Fotomodus. Letzterer erlaubt nicht nur tolle Schnappschüsse in laufenden Rennen oder den speicherbaren Wiederholungen, sondern stellt im Rahmen der Fotoreise auch wieder sehenswerte Schauplätze als Hintergrund zur Verfügung, in der man seine Aufnahmen nach allen Regeln der (Foto-)Kunst komponieren kann. Schön auch, dass man mit einem Druck auf die Start-Taste sofort Zugriff auf seine Fahrzeugwahl, abgespeicherte Setups und die Optionen bekommt. Die Menügestaltung wirkt insgesamt sehr viel durchdachter und komfortabler als im Vorgänger.

Besserer Durchblick

Japanische Automodelle machen den Großteil des Fuhrparks aus.
Bei der Karriere fühlt man sich fast an Mario Kart erinnert: Gehört der Pilz-Cup zum Standard-Repertoire der rasenden Nintendo-Truppe, sind es hier Veranstaltungen wie der Sunday Cup oder Schwarzwald Pokal, die in keinem Gran Turismo fehlen dürfen. Ausflüge auf die Kartbahn werden genauso geboten wie Rallye- und Nascar-Events. Wie gehabt sind einige Wettbewerbe auf bestimmte Klassen, Baujahre oder ein Höchstgewicht beschränkt. Andere bieten lediglich Nachtrennen oder geben Witterungsbedingungen vor. Später ist bei den Ausdauerrennen wieder Durchhaltevermögen gefragt, wenn man 90 Minuten oder länger seine Kreise dreht. Man kennt es ja. Genau wie die Lizenzprüfungen, mit denen man sich den Zugang zu höheren Veranstaltungen verschafft. Was man nicht kennt, sind die neuen Minispiele im Bereich Kaffeepause: Hier fährt man z.B. so viele Pylonen wie möglich über den Haufen oder lotet in einer Öko-Herausforderung aus, wie weit man mit einem Liter Sprit kommen kann, während die Uhr gnadenlos runter tickt. Die neuen Missionsrennen sind weniger innovativ, handelt es sich dabei doch lediglich um eine Fortsetzung der kleinen Aufgaben im Stil der Lizenzprüfungen.

Alles beim Alten?

Ärgerlich ist, dass man selbst als GT5-Profi wieder zum Führerscheintest antreten muss. Warum hat man nicht einfach nach einem Spielstand des Vorgängers gesucht und die Lizenzen gleich freigeschaltet, wenn man sie bereits dort gemeistert hat? Vor allem Online-Fahrer werden fluchen, darf man doch erst mit einer nationalen A-Lizenz an Rennen über das Internet teilnehmen. Bis dahin ist der Zugang zum Onlinemodus gesperrt und man wird quasi dazu gezwungen, sich zunächst mit der Offline-Karriere zu beschäftigen. Muss das wirklich sein?

Keine Sonderbehandlung für Veteranen

Schade auch, dass es zumindest im Offline-Betrieb keine klassischen Rennwochenenden mit Training und Qualifikation gibt. Die findet man lediglich im Onlinemodus, zusammen mit einem vollwertigen(!) Schadensmodell, skalierbarem Reifen- und Benzinverbrauch sowie einem halbwegs konsequenten Strafsystem. Die Frage, die ich mir dabei stelle: Warum nur hier? Was spricht dagegen, zumindest bei Einzelrennen diese Optionen zu erlauben? Ich verstehe es einfach nicht!

Vorteil Online-Modus

Mikrotransaktionen sind zwar weder nötig noch werden sie in den Vordergrund gerückt. Der Trend stimmt trotzdem bedenklich.
Beim Erstellen seiner privaten Online-Lobby genießt man zahlreiche Freiheiten: Wie stark soll der Windschatten wirken? Soll eine Boost-Funktion das Feld zusammenhalten? Will man wie in der Formel Eins einen Reifentypwechsel forcieren? Welche Fahrhilfen sind gestattet, welche verboten? Legt man ein öffentliches Spiel an oder sind nur Freunde erlaubt? Hier kann man die Online-Rennen ganz nach eigenen Vorlieben aufsetzen – großartig! Selbst an einen automatischen Host-Wechsel hat man gedacht und auch die Qualität der Performance konnte sich bei all unseren Ausflügen auf die Internet-Pisten sehen lassen: Lags? Verbindungsabbrüche? Nein. Nur eine Sache vermisse ich: Leider darf ich in Mehrspieler-Rennen das restliche Fahrerfeld von maximal 16 Piloten nicht mit KI-Rasern auffüllen. Doch da sie hier vermutlich die gleiche Lachnummer abziehen würden wie auf den Offline-Pisten, ist das vielleicht auch besser so.

Als problematisch erwies sich allerdings die Teilnahme an öffentlichen Spielen: Bis ich endlich auf dem Server seiner Wahl gelandet war, war der Startschuss meist schon gefallen ich musste mich bis zum Start des nächsten Events gedulden, doch konnte ich die Duelle wenigstens live in einer Übertragung verfolgen. Eine Matchmaking-Funktion für schnelle Rennen gibt es hier leider genauso wenig wie die Unterstützung von LAN-Verbindungen via System Link. Lokal darf man nur am geteilten Bildschirm mit zwei Fahrern Gas geben. 

Nicht nur die Fahrphysik, auch die Technik wurde für Gran Turismo 6 erneuert. Was eigentlich nur einen Fortschritt bedeuten kann, erweist sich in diesem Fall leider als Rückschritt: Zwar sieht die Kulisse mit wunderschönen Panoramen, dynamischer Beleuchtung und einem grandiosen Asphalt stellenweise fantastisch aus, doch scheint die neue Engine die PS3-Hardware auf manchen Strecken zu überfordern. Die Folge: Neben einem krassen Tearing und Flacker-Schatten geht auch die Bildrate oft in die Knie – die angepeilten und im Vorfeld versprochenen 60 Bilder pro Sekunde werden nur selten erreicht. Vor allem beim Fahren in der Cockpitansicht machen sich die teils heftigen Schwankungen besonders stark bemerkbar. Noch schlimmer wird es, wenn man die Bildqualität in den Grafikoptionen steigert: Der Menüpunkt „Flimmerreduzierung“ aktiviert zwar offensichtlich V-Sync, minimiert die deutlich sichtbare Kantenbildung aber kaum und zieht die Bildrate noch weiter in den Keller bis hin zur Unspielbarkeit. Es ist eine Qual! Besonders deutlich wird der Rückschritt, wenn man den Vorgänger als Vergleich heran zieht, bei dem die gleichen Strecken deutlich flüssiger über den Bildschirm flutschen. Kein Wunder, dass man hier auf die optionale 3D-Unterstützung verzichtet – mehr als 15 FPS hätte die Engine in diesem Fall wohl nicht hinbekommen. Insgesamt wirkt die Technik ein bisschen so, als hätte man einen Trabbi-Motor in einen Ferrari eingebaut.

Technischer Rückschritt

Dazu gesellen sich die bekannten Schwächen im Audiobereich, der seit GT5 keinen Fortschritt gemacht hat: Noch immer vermutet man unter den Motorhauben der meisten Boliden einen Staubsauger, noch immer klingt das Einheits-Sample bei Kollisionen wie ein schlechter Witz und noch immer ist das Reifenquietschen in Relation zum Brummen der Motoren viel zu laut abgemischt. Ein Patch soll es laut Serien-Vater Kazunori Yamauchi in Zukunft richten, doch bis dahin bleibt Gran Turismo eine Beleidigung für die Ohren – vor allem, wenn man Forza Motorsport oder selbst das betagte Race als Vergleich heran zieht.

Fazit

Warum wollte Sony Gran Turismo 6 eigentlich unbedingt auf der PlayStation 3 veröffentlichen? Klar, aufgrund der größeren Hardwarebasis. Aber wäre es nicht sinnvoller gewesen, gleich auf der leistungsstärkeren PlayStation 4 den nächsten Schritt zu gehen? Denn wie sich zeigt, ist die betagte Hardware mit der neuen Engine überfordert: Mit dem teils heftigen Tearing und Kantenflimmern könnte ich noch leben, mit den mitunter gravierenden Einbrüchen der Bildrate dagegen nicht! Was hat man sich nur dabei gedacht? Warum man Faktoren wie Reifenverschleiß, Benzinverbrauch und das volle Schadensmodell auf Online-Rennen beschränkt, will mir ebenfalls nicht in den Kopf. Am meisten hat mich die KI enttäuscht: Dieser unsinnig geskriptete Mist fernab des realen Motorsports hat in einer Rennsimulation nichts verloren und ist für mich der Hauptgrund, warum ich GT6 beim besten Willen nicht mehr im guten Bereich einordnen kann. Was nützen die hervorragende Fahrphysik, der gigantische Umfang, die zahlreichen Tuning-Optionen, Tag-/Nachtwechsel, dynamisches Wetter und meine geliebte Nordschleife, wenn ich die Rennen als solche bei dieser katastrophalen KI nicht mehr ernstnehmen kann? Am meisten Spaß habe ich mit GT6, wenn ich alleine über die Strecken brettere und das fantastische Fahrgefühl genieße. Oder in den sauberen Online-Duellen mit aktiviertem Strafsystem. Trotzdem geht es mir ein bisschen so wie mit Forza Motorsport 5: Müsste ich mich entscheiden, würde ich auch hier lieber zum Vorgänger greifen, dessen Entwicklung im Gegensatz zu GT 6 mittlerweile auch abgeschlossen ist. Und der ganz nebenbei noch frei von Mikrotransaktionen ist, obwohl man sich hier trotz einiger unverschämter Preise und Designanpassungen zum Glück noch zurückhält. Hoffentlich wird das in Zukunft wieder komplett abgeschafft.         

Pro

  • gigantischer Fuhrpark...
  • zahlreiche Strecken und Variationen (inkl. Nordschleife)
  • hervorragende Fahrphysik
  • optionale Fahrhilfen
  • umfangreiche Karriere
  • optionale Bildverbesserer...
  • viele Tuning-Optionen
  • bis zu drei eigene Setups möglich
  • wechselhafte Witterungsbedingungen...
  • atmosphärische Tag-/Nachtwechsel...
  • Cockpit-Ansicht bei ausgewählten Modellen
  • optionales Schadensmodell (bei Online-Rennen)
  • optionales Strafsystem (bei Online-Rennen)
  • verbesserte Menüstruktur
  • neuer Gefahrenbereich-Anzeiger verbessert Übersicht
  • GT Vision Konzeptwagen
  • erstklassiger Fotomodus
  • tolles Force-Feedback
  • zahlreiche Lobby-Optionen (online)
  • coole Replays (speicherbar)
  • Rennen am geteilten Bildschirm
  • überwiegend lagfreie Online-Rennen

Kontra

  • ...mit vielen doppelten und überflüssigen Modellen
  • fürchterliche Skript-KI
  • mitunter stark schwankende Bildrate & Slowdowns
  • überwiegend miese Soundkulisse (Motoren, Kollisionen)
  • optionale Mikrotransaktionen mit z.T. absurden Preisen
  • ...die sich negativ auf die Bildrate auswirken
  • Gebrauchtwagenhändler gestrichen
  • kaum noch Wagen als Belohnung
  • ...aber nur auf bestimmten Strecken
  • ... aber nur auf ausgewählten Pisten
  • Standard-Wagen ohne Cockpitansicht werden nicht markiert
  • Reifen
  • und Benzinverbrauch nur in Online
  • und Ausdauerrennen
  • B-Spec-Modus (noch) nicht enthalten
  • Design-Veränderungen begünstigen Mikrotransaktionen
  • lange Ladezeiten
  • Strecken-Editor und GPS-Feature noch nicht enthalten
  • Lizenzprüfungen werden nicht aus Vorgänger übernommen
  • kein vollwertiges Schadensmodell in Offline-Rennen
  • keine Feineinstellungen bei (Lenkrad-)Steuerung möglich
  • KI-Fahreranzahl an Schwierigkeitsgrad gekoppelt
  • viel Wiederverwertung aus Vorgängern
  • starkes Kantenflimmern
  • kein Porsche
  • KI hat Abschussmentalitäten
  • kein klassisches Rennwochenende
  • keine Siegerehrungen
  • z.T. heftiges Tearing
  • keine System Link-/ LAN-Unterstützung
  • kein schnelles Match-Making (online)
  • vereinzelte Bugs ("Überrundung")
  • keine zuschaltbaren KI-Fahrzeuge (online)
  • keine optionale 3D-Unterstützung mehr

Wertung

PlayStation3

Hinsichtlich Umfang und Fahrphysik das bisher beste Gran Turismo! Doch technische Schwächen, viel Recycling und die furchtbare KI enttäuschen.