Wargame: AirLand Battle - Test, Taktik & Strategie, PC
Zunächst zur wichtigsten Frage: wie fügt sich die neue Luftwaffe ein? Diese kann, sobald ein Luftkorridor, ähnlich wie für den Landnachschub, gesichert wurde über ein separates Panel auf das Schlachtfeld gerufen werden. Einmal im Kampfgebiet, darf ich den Jets auch manuell neue Bewegungs- und Zielefehle geben oder Notevakuierungen anordnen. Die Flugzeuge sind sehr flexibel einsetzbar und bei richtiger Aufklärung eine schlagkräftige Waffe. Abfangjäger, Jagdbomber, Bomber sowie Anti-Radar-Aufklärer bringen eine neue taktische Komponente ins Spiel, die in vielen Situationen zum Umdenken zwingt.
Über den Wolken
Nun gilt es, vor allem befestigte Stellungen und Kommandofahrzeuge mit mobiler Luftabwehr zu beschützen und Nachschubrouten nicht aus dem Blick zu verlieren. Eine A-10 Warthog verwandelt die wichtigen Logistikfahrzeuge nämlich schnell in rauchende Trümmer. Auch Helikopter, so mächtig sie gegen Kampfpanzer sind, werden von ein, zwei Sidewinder-Raketen schnell vom Himmel gepustet und Artillerie im Wald zu verstecken reicht gegen die Bomben einer F-117A Nighthawk nicht mehr aus. Trotzdem sind die Flugzeuge verletzlich genug, um die Balance nicht zu zerstören. Oft reicht ein gut platziertes radargelenktes Raketensystem oder zwei, drei mobile Luftabwehrgeschütze um die Luftüberlegenheit des Gegners zu beenden. Warum ich allerdings z.B. mit einem Tornado Gebiete nicht aufklären kann ist unverständlich; gerade Jets im Tiefflug sollten eigentlich dafür prädestiniert sein, Panzergruppen aufzuspüren.
Fokusgruppe Multiplayer
Der 10-gegen-10-Modus, in dem 20 Spieler auf einer der großen Karten gegeneinander antreten, ist dadurch sehr spannend. Hier wird nämlich deutlich, wer seine Armeezusammenstellung (Deck) perfektioniert hat. Richtig gewitzte Spielergruppen haben natürlich für jede der acht Waffengattungen einen Spezialisten im Team und koordinieren ihre Taktik im großen Stil.
Die Decks können von den Spielern nach Belieben zusammengestellt und mit einer Auswahl aus den weit über 300 verschiedenen Vehikeln, Flugzeugen und Infanteristen bestückt werden, sofern sie denn über Punkte und Levelaufstiege freigeschaltet wurden. Dies eröffnet eine große Anzahl von taktischen Möglichkeiten und Strategien, erfordert aber auch Mut zur Lücke, da man nie so genau weiß mit was für Truppen der Gegner in die Schlacht zieht. Die Onlinematches sind spannend, taktisch und können bei hohen Siegpunktelimits durchaus die Stundenmarke knacken.
Nichts dazugelernt?
Es gibt auch nach wie vor keine konsistente Kollisionsabfrage zwischen Kriegsgerät und Umgebung, was gerade in der größten Zoomstufe unangenehm auffällt. Fast jeder Kritikpunkt am Vorgänger gilt genauso für Airland Battle – bis hin zu dem simplen Stein-Schere-Papier Prinzip, das hinter dem unglaublich umfangreichen Einheitensammelsurium von NATO und Sowjets steckt. Auch die teils inkonsequenten und unhandlich einzusehenden Sichtlinien der eigenen Streitkräftewurden unverändert übernommen.
Was mir gut gefällt: Die großen Karten, auf denen sich Siedlungen und ländliche Umgebungen abwechseln, die weiten Kampfentfernungen sowie die taktisch anspruchsvollen Gefechte. Auch das Handling des Nachschubs sorgt immer noch für Schweiß auf meiner Stirn, da Panzer ohne Sprit und Munition schnell zu Übungszielen für feindliche Helikopterpiloten werden. Zudem wurde etwas an der Grafikschraube gedreht: Zwar hat die Kulisse im Detail ihre Schwächen, aber Fahr- und Fluggerät sowie Explosionen und Effekte können sich durchaus sehen lassen. Die Weiterentwicklung ist in vielen Bereichen der Spielmechanik allerdings eher auf Erweiterungs-, als auf Nachfolger-Niveau.
Die Kampagne war im Gegensatz zum Multiplayer schon das Sorgenkind des Vorgängers. Wo Wargame: European Escalation aber wenigstens noch eine halbherzige Inszenierung vorschob, gibt es in Wargame: Airland Battle: Nichts! Weder wird die Situation der Streitkräfte erklärt noch wird mir in Videos, Briefings oder Gesprächen ansatzweise
Kampagneninszenierung: So nicht!
Hier bekomme ich Befehle wie etwa Städte einzunehmen oder Angriffe an bestimmten Stellen abzuwehren, kann meine Kampfgruppen verschieben, Nachschub platzieren und globale Befehle wie Schiffsbombardements, Luftangriffe oder Aufklärungsflüge anfordern. Zudem gibt es globale politische Ereignisse, die z.B. den Einsatz von Atomwaffen erlauben oder dem Gegner mehr oder weniger Verstärkungen zur Verfügung stellen. Das verschafft mir einen größeren Überblick über den globalen Verlauf des Krieges (was beim Vorgänger noch fehlte).
Langeweile im Dritten Weltkrieg
Die Gefechte selbst finden beim Aufeinandertreffen von verfeindeten Kampfgruppen nach wie vor in Echtzeit statt. Hier besteht das Ziel allerdings meist darin, unter Zeitdruck eine bestimmte Punktanzahl durch Zerstörung gegnerischer Einheiten zu erlangen. Das mag im Multiplayer gut funktionieren, in der Kampagne hätte ich mir abwechslungsreichere Ziele gewünscht. Realistisch ist das natürlich auch nicht, man stelle sich mal folgende Situation im Feld vor: „General, wir haben jetzt 20 Panzer verloren – das heißt der Gegner hat 2000 Punkte!“ - „ Alles klar, Major M. Geben sie das Signal zum Rückzug, wir haben wohl verloren“. Eher Slapstick als Dritter Weltkrieg.
Fazit
Im Grunde kann man sagen: Was zu erwarten war! Nach wie vor bleibt nach dem Blick hinter die realistisch anmutende Fassade der Echtzeitstrategie aus dem Hause Eugen Systems wenig militärische Glaubwürdigkeit übrig. Es gibt immer noch keine Formationen und Marschgeschwindigkeiten; Brücken lassen sich nicht zerstören. Die Infanterie verhält sich nach wie vor merkwürdig roboterhaft, hat keine Deckungsanimationen und nur eine Bewegungsart. Auch optisch hat sich gerade im Bereich der Kollisionsabfragen zu wenig getan. Einzig die Kampagne wurde überarbeitet und ist jetzt nicht mehr graues Mittelmaß, sondern völlig zum Vergessen. Zwar hat man die Übersicht des globalen Konfliktes besser dargestellt, allerdings hat man jetzt die Inszenierung vergeigt. Die ist nicht nur belanglos, sondern langweilt Solisten nach wenigen Minuten, auch wenn die KI in den Echtzeit-Gefechten auf höheren Schwierigkeitsgraden durchaus zu fordern weiß. Vor allem die neuen Flugzeuge bringen taktische Überraschungen mit und erhöhen die Geschwindigkeit, was mir gut gefällt. Der Mehrspielermodus kann im Gegensatz zur Kampagne überzeugen, insbesondere im 10-gegen-10, wo die vielen Möglichkeiten der Deckzusammenstellung sowie das umfangreiche Levelsystem zum Weiterspielen motivieren.
Pro
- gut integrierte neue Luftwaffe
- guter Mehrspielermodus (10v10)
- große Karten & große Kampfentfernungen
- sehr viele, realistische Einheiten
- taktischer und langsamer Spielablauf
Kontra
- furchtbar inszenierte Kampagne
- roboterhafte Infanterie
- Clippingprobleme zwischen Einheiten und Umgebung
- fummelige Kompaniebildung, keine Formationen
- Brücken unzerstörbar, merkwürdige Sichtlinien
- Kulisse mit Detailschwächen