Capsized - Test, Arcade-Action, 360, PC, PlayStation3

Capsized
10.07.2013, Mathias Oertel

Test: Capsized

Dass mehr als zwei Jahre zwischen der Veröffentlichung eines Titels auf PC und Konsole vergehen, ist mehr als ungewöhnlich. Doch genau dies ist beim jetzt auf Xbox 360 erschienenen Capsized der Fall. Hat der von Koolhaus Games entwickelte Plattformer, der im April 2011 auf dem PC Premiere feierte, in der Zwischenzeit von seinem Reiz eingebüßt?

Auf dem PC ist der Indie-Plattformer Capsized vollkommen an mir vorüber gegangen. Dementsprechend überrascht war ich angesichts des erzählerischen Hintergrunds. Übersetzt man den englischen Begriff "Capsized", kommt man schnell zum nautischen "Kentern". Doch das bringe ich nur eingeschränkt mit dem in schicken, aber spartanischen Comic-Bildern erzählten Absturz eines Raumschiffes auf einem unwirtlichen Planeten in Verbindung. Ich denke bei "Kentern" eher an Robinson Crusoe & Co. Und damit liegt man wiederum gar nicht so weit von dem Jump&Shoot weg, das man hier vor sich hat - zumindest beim Artdesign. Man bewegt sich durch handgezeichnete 2D-Dschungelwelten und wird von allerlei fantasievoll designter Flora, Fauna sowie humanoiden Feinden angegriffen.

Ungewöhnlicher Name

Dabei wurden die Animationsphasen bewusst klein gehalten. Der Grafikstil wirkt, als ob die Designer die Werke von Max Ernst, Caspar David Friedrich und Claude Monet in einen Mixer steckten und gut verrührten. So entsteht ein grober, aber sehr harmonischer Gesamteindruck - in den sich auch die Musik einreiht. Mit mal trancigen, mal sphärischen, dann auch mal an Blade Runner erinnernden Klängen wird zusätzlich  Atmosphäre aufgebaut. Man hat Spaß, sich durch die organischen, nichtlinearen Levels zu bewegen, kann sich nie sicher sein, ob diese oder jene Bewegung auf dem Bildschirm feindlichen Ursprungs ist und findet immer wieder neue Elemente oder Gegner.

Die Kulisse sorgt mit der Musik für eine eigentümliche Atmosphäre.
Dabei hat man im Normalfall wenig Zeit, sich umzuschauen und die meist großräumige Umgebung auf sich wirken zu lassen. Hinter jedem in alle Richtungen scrollenden Meter kann ein neuer Gegner lauern, der einem nach dem Leben trachtet. Pflanzen greifen an, fliegende Wesen schwärmen mit tödlicher Präzision aus und die sich meist hinter Masken versteckenden Eingeborenen attackieren einen vornehmlich auf Entfernung mit ihren Pfeilen, Blasrohren oder Giftbomben. Um sich zur Wehr zu setzen, stehen einem mehrere Projektilwaffen zur Verfügung - insofern man sie (bzw. entsprechende Munition) in den Levels findet. Zusätzlich gibt es Power-Ups wie z.B. einen temporären Schild und wenn alle Stricke reißen kann man versuchen, mit seiner "Ramme" den Gegner von einem Weg zu stoßen oder mit seinem Greifhaken einen Stein oder Baumstamm als Schild zu sich zu ziehen.

Fordernde Hüpf-Ballerei

Denn Gravitation und Physik spielen ebenfalls eine Rolle auf dem ungastlichen Planeten. Zum einen beeinflussen sie das Springen, das mit seinen luftigen Hüpfern ein anderes Spielgefühl hervorruft als die vergleichsweise "geerdet" wirkenden Marios oder 2D-Vertreter wie Castlevania. Wobei mit seinem Fokus auf mitunter etwas hektische Action hier eher der Eindruck eines "offenen" Metal Slug entsteht.

Zum anderen bieten diese Elemente Nährboden für rudimentäre Rätselkost: Schalter können über den Greifhaken manipuliert werden, versteckte Höhlen lassen sich nur betreten, wenn man vorher Hindernisse aus dem Weg geräumt oder das Jetpack mit seinem eingeschränkten Treibstoffvorrat nutzt.

Von Zeit zu Zeit darf man auch Umgebungs- oder Physik-Rätsel lösen.
Dann wiederum warten andere Gravitationsverhältnisse oder Dunkelheit auf einen, die nur mit dem Kegel der Taschenlampe aufgehellt werden kann. In dem guten Dutzend Abschnitte des PC-Originals sowie drei neuen Konsolen-exklusiven Levels wird man durchweg ansprechend und größtenteils abwechslungsreich gefordert. Alternativ zur Kampagne, die man auch kooperativ zu zweit bestreiten darf, kann man noch ein paar Arcade-Modi freischalten, die jedoch nicht mehr als ein interessanter Zeitvertreib für zwischendurch sind.

Es gibt allerdings einige Kleinigkeiten, die Capsized zu schaffen machen. Das Schalten durch die zur Verfügung stehenden Waffen z.B. ist über eine Taste bzw. das Digipad lange nicht so komfortabel wie am PC. Vor allem, wenn man auf einer Knarre landet, für die man keine Munition mehr hat, kann das Zurückschalten zu einer zeitaufwändigen Qual werden - auch wenn man einstellen darf, dass bei Munitionsende auf eine neue Waffe geschaltet wird. Und wenn man eines in den hektischen Gefechten nicht hat, dann ist es Zeit. Zumal das Zielen über den rechten Stick sehr empfindlich reagiert und keinerlei Toleranz für Fehler bietet. Während die Controller-Belegung prinzipiell in Ordnung geht, hat man bei der Umsetzung der Maus-Kontrollen auf das Pad übersehen, dass die Maus beim Zielen feinfühliger zu steuern ist.

Die fordernde Action kann mitunter hektisch werden.
Beim sehr peniblen Anvisieren über den Stick hingegen verreißt man auch gerne schnell, was bei häufig knapper Munition zu ärgerlichen Streuverlusten führt.

Kleinere Probleme

Ebenfalls für Frustmomente sorgen die Angriffe außerhalb des sichtbaren Bereichs: Fliegende oder verschanzte Feinde beschießen einen, während man noch mit den im Sichtfeld liegenden Gegnern beschäftigt ist. Da man keinen genauen Anhaltspunkt hat, wo sich die "unsichtbaren" Kontrahenten befinden, verballert man wieder unnötig Geschosse oder verliert enorm viel Lebensenergie. Eventuell hätte man mit Markierungen oder einem "Vorschauscrollen" arbeiten können, um die Fairness wieder herzustellen. Zudem hätte ich mir eine dynamische Übersichtskarte gewünscht, um meinen Fortschritt in den großräumigen Abschnitten verfolgen zu können, in denen man sich auch mal verlaufen kann.

Fazit

Abschnitte erforschen, hüpfen, kämpfen: Auch wenn sich dies nach Castlevania oder Metroid anhört und Capsized die eine oder andere Inspiration von diesen Klassikern zieht, schafft es der Oldschool-Plattformer, sich seine Eigenständigkeit zu erkämpfen. Großen Anteil daran hat das sympathische Artdesign mit seinem künstlerischen Ansatz. Obwohl der Planet, auf dem man bruchgelandet ist, nur so von Gefahren und knallharten Auseinandersetzungen strotzt. Bis auf die zu sensible Schussausrichtung reagiert die Steuerung gut, die Kollisionsabfrage hinterlässt ebenfalls einen sauberen Eindruck. Die Action, die eher an ein Metal Slug mit offenen Levelstrukturen als an die klassische Vampirjagd Konamis erinnert, ist zwar mitunter hektisch und gelegentlich unfair. Sie weiß aber immer wieder durch Tempowechsel zu überzeugen und wird von einem unheimlich chilligen Soundtrack unterlegt, der in krassem Gegensatz zu der gelegentlichen Hektik auf dem Schirm steht.  Capsized ist nicht so poliert wie z.B. Rayman Origins und schon gar nicht so durchgeknallt wie ein Hell Yeah. Doch der Charme, den das Team von Koolhaus Games hier entfacht, kann viele Mankos ausgleichen.

Pro

  • eingängiger Action-Plattformer alter Schule
  • charmantes "handgezeichnetes" Artdesign
  • akkurate Kollisionsabfrage
  • nichtlineare Levelstrukturen
  • Physik-Puzzles
  • diverse Arcade-Modi abseits der Kampagne freischaltbar
  • ein paar neue Abschnitte im Vergleich zur PC-Version
  • chillige Musikuntermalung

Kontra

  • mitunter hektische Schuss-Kontrolle
  • gelegentlich unübersichtlich
  • keine Kartenfunktion
  • Physik hin und wieder unrealistisch

Wertung

360

Charmanter Action-Plattformer alter Schule mit interessantem Artdesign und kleinen Detailschwächen.