Tales of Xillia - Test, Rollenspiel, PlayStation3

Tales of Xillia
09.08.2013, Jens Bischoff

Test: Tales of Xillia

Während in Japan schon vor knapp einem Jahr Tales of Xillia (ab 26,01€ bei kaufen) 2 vom Stapel lief, serviert Namco Bandai heimischen Fans jetzt erst den bereits zwei Jahre alten Vorgänger. Ob man dem Anime-Rollenspiel die Verspätung trotzdem gern verzeiht, verrät der Test.

Als Medizinstudent Jyde Mathis eines Abends der mysteriösen Einbrecherin Milla Maxwell in die Quere kommt, ahnt er noch nicht, dass diese Begegnung kurz darauf sein ganzes Leben auf den Kopf stellen wird. Von Neugier getrieben folgt er der Unbekannten in die Tiefen einer Forschungsanlage, wo er Zeuge abscheulicher Gräueltaten wird und von einer Bedrohung erfährt, die auch er mit allen Mitteln verhindern will.

Abenteuer aus zwei Perspektiven

Nach einem missglückten Sabotageakt müssen die beiden jedoch erst einmal untertauchen und sich steckbrieflich gesucht ganz anderen Problemen widmen. Versteckspiel und Recherche offenbaren immer wieder neue Erkenntnisse, lassen sie aber nie lange an einem Ort verweilen. Trotz aller Gefahren und Widrigkeiten gestaltet sich der Spielverlauf dennoch lange Zeit eher zäh und unspektakulär. In der zweiten Spielhälfte legen Dramaturgie und Charakterzeichnung aber deutlich zu. Auch die Inszenierung wird dann immer öfter von stimmungsvollen Anime-Einspielungen beflügelt.

Grafisch hat sich gegenüber der hochskalierten Wii-Optik in Tales of Graces nicht viel verändert.
Zudem kann man das Abenteuer wahlweise aus Jydes oder Millas Sicht erleben, was, auch wenn die beiden meist gemeinsam unterwegs sind, exklusive Einblicke und Erlebnisse gewährt, die sich erst bei einem zweiten Durchgang zu einem lückenlosen Gesamtbild zusammenfügen.

Grafisch hat sich im Vergleich zu Tales of Graces leider kaum etwas getan, obwohl dieses Mal keine Wii-Fassung voraus ging. Trotzdem hat man abermals das Gefühl eher ein hochskaliertes PS2-Spiel als einen echten PS3-Titel vor sich zu haben. Dank Anime-Optik fällt das zwar nicht so ins Gewicht, aber manche Objekte wirken schon sehr klobig, die Umgebungen oft erschreckend detailarm. Auch die Animationen hätten natürlicher, die Effekte aufwändiger, die Kulissen lebendiger ausfallen können. Das verzögerte Einblenden von Figuren und Gegnern in die Szenerie drückt ebenfalls auf die Atmosphäre.

Wenig imposante Fassade

Die vorgefertigten Anime-Sequenzen können sich hingegen sehen lassen.
Genrefans werden zudem die Option auf japanischen Originalton vermissen. Dabei wäre auf der Blu-ray sicher mehr als genüg Platz für eine zweite, bereits existierende Tonspur gewesen. So muss man eben mit der deutsch untertitelten US-Synchro vorlieb nehmen, die jetzt wenigstens auch die vielen optionalen Gruppenplaudereien abdeckt. Für Tales of Symphonia Chronicles hat man aber bereits Besserung gelobt und sowohl englische als auch japanische Sprachausgabe versprochen.

Vielleicht kommt man dann auch endlich mal ohne verpflichtende Dateninstallation auf Festplatte aus. Schließlich sollte doch jeder selbst entscheiden dürfen, ob er mehrere Gigabyte Speicherplatz für kürzere Ladezeiten opfern will oder nicht.

Die sowohl allein als auch mit bis zu drei Freunden bestreitbaren Echtzeitkämpfe setzen auf Teamwork.
Freie Wahl hat man hingegen beim Schwierigkeitsgrad - und das nicht nur vor Spielbeginn, sondern wann immer man sich über- oder unterfordert fühlt. Vier Stufen bieten da jedenfalls genügend Spielraum. Auch ein Speichern des Spielstand ist inzwischen jederzeit möglich - kostenlose Heilungen gibt's aber nach wie vor nur an klassischen Speicherkristallen. Zudem kann man entweder mit bis zu drei Freunden oder allein in die Schlacht ziehen, wobei die Mitspieler wie üblich nur bei Kampfhandlungen mitmischen dürfen.

Geschätzte Freiheiten

Doch obwohl man sich mit Partnern aus Fleisch und Blut besser absprechen kann, machen auch die KI-Gefährten meist einen guten Job. Dank sehr individuell anpassbaren Verhaltensvorgaben tun sie meist das, was sie sollen. Und wenn doch mal jemand aus der Reihe tanzt, kann man jederzeit auch konkrete Aktionsbefehle erteilen oder die Spielfigur wechseln, um selbst für die gewünschten Ergebnisse zu sorgen.

Feinde können bei genügend Platz auch hinterrücks attackiert oder umgangen werden.
Wer will kann sogar die komplette Truppe samt Anführer in KI-Hände geben und nur noch im Notfall manuell eingreifen. Selbst der Einsatz von Items lässt sich ähnlich dem Gambit-System aus Final Fantasy 12 individuell automatisieren. Gekocht wird im Kampf dieses Mal aber nicht, heilende oder aufputschende Gerichte aller Art sind nur noch zwischen Feindkontakten erlaubt.

Potentielle Gegner laufen frei herum und können auf leisen Sohlen von hinten angegriffen, zusammengerottet, weggelockt oder auch gemieden werden. Die Kämpfe laufen wie gewohnt auf separaten Schlachtfeldern in Echtzeit ab, werden bei Menüaufrufen aber pausiert. So kann man sich in aller Ruhe einen Überblick verschaffen, Gegner auf elementare Schwächen durchleuchten, Ausrüstung wechseln, Anweisungen geben oder mögliche Teamoptionen studieren.

Flexible Teamarbeit

Durch das neue Verbindungssystem kann man sich nämlich direkt mit einem Partner verbünden, um nicht nur gemeinsame Attacken zu starten, sondern auch um dessen Talente und Fertigkeiten zu teilen. Partnerwechsel sind jederzeit via Steuerkreuz möglich und erlauben es, sich schnell und flexibel unterschiedlichsten Situationen anzupassen.

Eine Verbindung mit Söldner Alvin erlaubt z. B. feindliche Blocks zu durchbrechen, während man in der Obhut von Butler Rowen vor Zaubern geschützt ist oder zusammen mit Schulfreundin Leia den Gegnern Wertsachen stibitzt. Darüber hinaus kann man aber auch bestimmte Angriffe verbinden, verstärken oder gar verwandeln sowie bevorzugte Aktionen und Kommandos auf Shortcuts legen. Auch Blocks, Ausweichmanöver und Konter stehen in den flotten Auseinandersetzungen zur Verfügung.

Beim Erkunden der Spielwelt genießt man nun volle Kontrolle über die Kamera.
Die Spielwelt besteht wie in Tales of Graces aus direkt miteinander verbunden Arealen, eine separat erkundbare Oberwelt wie in früheren Teilen gibt es nicht. Für schnelle Ortswechsel kann man eine Weltkarte aufrufen, auf der alle bereits besuchten Örtlichkeiten festgehalten werden. Neu ist, dass man unterwegs keine festen Perspektiven mehr aufgezwungen bekommt, sondern endlich die volle Freiheit über die Kamera hat.

Auf Entdeckungsreise

Das Leveldesign ist in der Regel dennoch sehr kompakt und interaktionsarm, bietet aber genügend Ecken und Winkel für Schatzjäger und Sammler. Die auch mit Höhenunterschieden gut zurechtkommende Kartenfunktion vermerkt dabei jede noch so kleine Entdeckung und auch die Nachschlagewerke füllen sich mit allerlei interessanten Infos zu Gegnern, Ereignissen oder Spielmechanik.

Abseits der gewohnt umfangreichen Haupthandlung gibt es in Tales of Xillia jedoch weniger zu tun als sonst.

In den optionalen Gruppenplaudereien erfährt man mehr über die Ansichten seiner Weggefährten.
Zwar stehen überall farblich markierte Auftragsgeber herum, aber die damit verbundenen Quests kommen nur selten über generische Such- und Sammelaufgaben hinaus. Auch spezielle Hindernisbewältigungen oder gar Rätseleinlagen sucht man nahezu vergebens. Klar gibt's wieder ein Kolosseum sowie besondere Gegner und Ausrüstungsgegenstände, auf die man Jagd machen kann, aber interessante Nebenbeschäftigungen machen sich eher rar.

Charakterentwicklung und -gestaltung präsentieren sich hingegen angenehm vielseitig. Zwar folgt der auf Wunsch auch automatisierbare Zuwachs an aktiven und passiven Fertigkeiten sowie Attributsverbesserungen ähnlich dem Kristarium eines Final Fantasy 13 sehr geregelten Bahnen, aber die anschließend begrenzte Zuteilung erlaubt unterschiedlichste Kombinationen und Ausrichtungen.

Helden nach Maß

Das Erscheinungsbild der Heldenriege lässt sich vielfältig verändern.
Auch optisch kann man eigene Akzente setzen. Zwar werden Ausrüstungswechsel nach wie vor nur bei den Waffen grafisch berücksichtigt. Spezielle Ausrüstungsplätze erlauben aber auch wieder das Anlegen von rein modischen Gimmicks wie Brillen, Hüten, Hasenohren, Hundeschwänzen oder speziellen Outfits und Frisuren - Nachschub via DLC garantiert mit eingeplant.

Interessanter ist aber wohl das individuelle Upgraden der spielinternen Waffen-, Rüstungs- Objekt-, Zubehör- und Lebensmittelgeschäfte. Deren Warensortiment nimmt nämlich nicht automatisch zu, sondern nur wenn man den Besitzern mit Geld und Rohstoffen unter die Arme greift. Ob man seine Mittel ausschließlich in immer bessere Waffen investiert oder doch lieber gleichmäßig verteilt, bleibt einem freigestellt - allerdings sollte man sich die neu eingetroffenen Waren anschließend auch leisten können.

Fazit

Tales of Xillia kommt erzählerisch erst sehr spät in Fahrt und bleibt bei seinen optionalen Betätigungsfeldern vergleichsweise überschaubar. Dafür kann man das später um so packendere Abenteuer von Anfang an aus zwei verschiedenen Blickwinkeln erleben, die erst vereint ein lückenloses Gesamtbild ergeben. Ansonsten wird serientypische, noch immer sehr gute Rollenspielunterhaltung im Anime-Stil geboten, die sich vor allem durch ihre facettenreichen Echtzeitkämpfe und Individualisierungsmöglichkeiten auszeichnet. Besonders der Teamaspekt wird mit weit reichenden, dynamischen Charakterverbindungen dieses Mal groß geschrieben - egal, ob man allein oder mit bis zu drei Freunden unterwegs ist. Auch Story, Spielwelt und Charakterdesign werden mit zunehmender Spielzeit immer interessanter. In technischer Hinsicht hat man sich die PS3 aber auch dieses Mal kaum zunutze gemacht, obwohl man im Gegensatz zu Tales of Graces nicht auf einer Wii-Vorlage aufbauen musste. Der Anime-Stil lässt dies jedoch weitestgehend verschmerzen.

Pro

  • Abenteuer aus zwei Perspektiven spielbar
  • facettenreiche Teamkämpfe & KI-Anpassungen
  • individuelle Charakterentwicklung & -gestaltung
  • interessante Spielwelt
  • gelungenes Anime-Flair
  • praktische Hilfen & Enzyklopädien
  • Kämpfe auch kooperativ bestreitbar
  • jederzeit anpassbarer Schwierigkeitsgrad

Kontra

  • zäher Auftakt
  • angestaubte Technik
  • verpflichtende Dateninstallation
  • lediglich englische Sprachausgabe

Wertung

PlayStation3

Gewohnt facettenreiches, wenn auch etwas spät in die Gänge kommendes Anime-Epos aus zwei Blickwinkeln.