Rise of the Triad - Test, Shooter, PC

Rise of the Triad
05.08.2013, Benjamin Schmädig

Test: Rise of the Triad

Retro hier, Nostalgie da – und jetzt hat es auch die Ego-Shooter erwischt. Endlich! Denn eines vermisse ich schmerzlich an der modernen Kinoaction zum Selberdaddeln: Das Irren durch verschlungene Labyrinthe, in denen hinter jeder Ecke selbst beim dritten Vorbeikommen ein neuer Gegner lauern kann. In diese Vergangenheit reist Rise of the Triad (ab 210,20€ bei kaufen). Und geht dabei sogar sehr viel weiter...

"Eine Einsatzbesprechung? Ernsthaft? Du brauchst eine Einsatzbesprechung? Na, dann: Schieß auf alles, das sich bewegt." So plärrt mich das Spiel an, als ich auf "Mission Briefing" klicke. Und es hat ja Recht: Handlung? Figuren? Filmische Inszenierung? LOL! Natürlich könnte ich vom H.U.N.T.-Team sprechen, das auf irgendeiner Insel irgendeine kultische Bande ausspionieren soll. In Wirklichkeit interessiert das allerdings nicht die Bohne, weil ich einfach von Episode 1 Level 1 zu Episode 1 Level 2 usw. renne, um – genau – auf (fast) alles zu schießen, das sich bewegt. Inszeniert wird dabei jedenfalls gar nichts.

Im Fahrwasser von Doom

Kommt euch bekannt vor? Dann habt ihr vermutlich Rise of the Triad gespielt, das Mitte der Neunziger im Fahrwasser von Doom etwas Aufmerksamkeit erregte. Das Original sollte übrigens die Fortsetzung zu Wolfenstein sein, bis id Software das Projekt abschob.

Und was zeichnete einen Shooter anno '95 aus? Schnelle, unkomplizierte Action, die mit glaubwürdigen Schusswechseln so viel zu tun hat wie Michael Bay mit Erzählkino. Es geht

Nein, mit sensiblem Erzählkino hat dieses Spiel nicht viele Gemeinsamkeiten.
nicht um das Mittendrin-Erleben eines packenden Thrillers, sondern um das Meistern von Zielgenauigkeit und rasanter Bewegungs-Akrobatik. Wer sich nie mit einem Rocket Jump in ein Geheimversteck geschossen hat, kann diese Art des Spielens vielleicht nicht wertschätzen.

Frenetik

Ich find's prima! Im Zweifelsfall verzichte ich nämlich gerne auf realistische Bewegungen und Animationsphasen, wenn meine Figur dafür ohne Verzögerung auf Eingaben reagiert. Und genau das tut sie hier: In einem stürmischen Klick-und-tot ballere ich mich im Formel-1-Tempo durch abstrakte Keller, Höfe, Klöster, Gefängnisse, die alle der Blaupause "Bauen mit Vierecken" geschuldet scheinen. Deckung suche ich mir ohne Knopfdruck-Hilfe selbst und um Wunden zu heilen muss ich Essen finden, anstatt in einer dunklen Ecke auf den Verletzungs-Cooldown zu warten.

Kleine Höhepunkte sind große Hallen, in denen ich von mehreren Ebenen aus unter Beschuss genommen werde. Ich rede mir damit zwar den Mund fusselig, aber die Vertikale wird im modernen Shooter oft gnadenlos vernachlässigt. Motivierend sind viele Geheimnisse, die sich hinter abstrakten Schalterrätseln oder auf scheinbar unerreichbaren Plattformen verbergen sowie Fallen, denen ich geschickt ausweichen muss. Viel Spaß habe ich nicht zuletzt mit Anspielungen wie der herablassenden Bemerkung zur Einsatzbesprechung oder den einen Meter langen Schlüsseln, die unübersehbar auf Podesten rotieren.

So weit, so retro

Auf das Rülpsen nach dem Verschlingen eines heilenden Happens könnte ich dagegen ebenso verzichten wie auf die ständig gleichen Sprüche beim Aufheben einer großen Waffe. Witzig zumindest, dass ich mit einer Explosion die Teller anzünde; gebraten stellt das

Nostalgie ist eine feine Sache - doch Rise of the Triads geht drei, vier Schritte zu weit zurück.
Essendeutlich mehr Gesundheit her. Auch Extras wie die Verwandlung zum Killerschäferhund sind unterhaltsam. Geschmackssache sind hingegen groteske Szenen, wenn getötete Feinde an mehreren Stellen auseinander brechen oder ihre Augen nach einer Explosion auf dem "Bildschirm" kleben. Für ein pubertäres Gackern reicht es allemal.

Als kurzer, dreckiger Abstecher in die Zeit vor Half-Life macht das Laune – als ich vollends in der Vergangenheit angekommen war und tief durchgeatmet hatte, schaute ich jedoch genauer hin. Und wer das macht, dem wird schnell klar: Rise of the Triad geht auf seiner Zeitreise drei bis vier Schritte zu weit. Und zwar in allen erdenklichen Richtungen.

Uber-Retro

Die vielen aus dem Quadrat gestampften Grundrisse? OK, geschenkt. Allerdings wurden die Schauplätze in ihrer Gesamtheit recht einfallslos zusammengesteckt. Auch die Musikstücke kicken als Neuauflage der Oldies nur ein paar Minuten lang, bevor sie sich wie ein ungewollter Schlager vor dem Trommelfell einnisten. Ich ärgere mich außerdem darüber, dass fast alle schweren Waffen nur Abwandlungen eines Raketenwerfers sind.

Und dann kommen die Gegner: In einer geraden Linie auf mich zu laufende Pfosten, von denen erschreckend viele kein anderes Verhalten beherrschen als die "Luftlinientaktik".

Herausforderungen an die Geschicklichkeit sorgen für ein wenig Abwechslung im Action-Allerlei...
Die bleiben einfach stehen, wenn ein Hindernis im Weg steht! Auf weite Entfernungen lassen sie sich sogar wie Pappkameraden abknallen – falls sie nicht in einer Wand stecken oder wie aus dem Nichts ins Spiel gebeamt werden. Das hat mit Retro nichts zu tun; die KI wäre schon damals unterstes Niveau gewesen. Heute ist sie eine Katastrophe!

Schießscheiben an Fäden

Richtig frustrierend wird das Erleben dieses spielerisch höchst dünnen Spießrutenlaufs in Verbindung mit den automatischen Speicherpunkten. Dass ich nicht eigenhändig sichern darf, sorgt spätestens auf den eigentlich interessanten hohen Schwierigkeitsgraden für minutenlange Wiederholungen. Zumal Rise of the Triad trotz neu hinzukommender Gegner kaum abwechslungsreicher wird oder spannender, sondern lediglich schwerer.

Der Vergleich hinkt, aber wo BioShock Infinite mit ebenso altmodischen Mechanismen ähnlich frenetische Action inszeniert, bietet es gleichzeitig eine große taktische und Bewegungsfreiheit. Rise of the Triad versucht hingegen nicht einmal, die an Fäden aufgehängten Zielscheiben zu kaschieren – ein, zwei Bosskämpfe sind die Ausnahme. Das ist selbst für eine Zeitreise zu wenig.

Wo sich das Original zudem durch einfallsreiche Mehrspielergefechte auszeichnete –

... insgesamt ist die dröge Daueraction allerdings ermüdend.
immerhin war es der erste Ego-Shooter mit einem Capture the Flag – toben sich Onlinekämpfer heute auf fünf Karten aus. Deathmatch und CtF sind natürlich dabei, andere Spielarten leider nicht. Das ist nicht gerade üppig...

Schmerzhafter Verlust

... in der Theorie aber zumindest mehr als ich gesehen habe. Mir verweigert das Spiel nämlich auf zwei völlig verschiedenen Rechnern den Zugang zur Onlinewelt. Tatsächlich habe ich bis heute keine einzige Partie erlebt. Ein Patch soll die gröbsten Schnitzer ausmerzen, doch erstens warten Besitzer der GOG-Version noch immer auf das per Steam schon erhältliche Update und zweitens kann ich diesem Spiel, mit dem ich eine kurze Zeitlang einfach nur die Gegenwart ausblenden wollte, inzwischen kaum noch etwas abgewinnen – Patch hin oder her. Und das schmerzt viel mehr als der Verlust der Zeit, an die es erinnern will.

Fazit

Ein paar Minuten lang hatte ich richtig Spaß mit dieser Neuauflage! Ich bin durch rechteckige Labyrinthe gesprintet, habe mich über Schalterrätsel, schnelle Action und eine rasante Feuerprobe für meine Fingerfertigkeit gefreut. Doch so sehr ich die frenetische Action der alten Schule mag – hier steckt abseits der Schießbude viel zu wenig drin. Die krasse Gewaltdarstellung nutzt sich rapide ab, unheilvolle Spannung kommt nie auf, das Spiel kennt kaum Abwechslung und das einfallslose Verhalten der Gegner ist eine Katastrophe. So verkam  die alte Schule immer mehr zum modernden Altbau. Ich kann dem neuen Rise of the Triad einiges nachgesehen, weil es manche Macken gleichzeitig imitiert und augenzwinkernd kommentiert – damit sammelt es Sympathien. Unterm Strich ist diese Hommage mit ihren groben Fehlern, allen voran der oft nicht funktionierende Mehrspieler-Teil, allerdings ernüchternd.

Pro

  • schnelle Action, direkte Steuerung
  • viele Rätsel und Geheimgänge
  • explosive Waffen und witzige Extras sowie Anspielungen
  • zahlreiche Grafikoptionen

Kontra

  • sehr weit entfernte Checkpunkte, kein eigenhändiges Speichern
  • strunzdummes Gegnerverhalten
  • Figuren stecken in Wand/Decke fest und viele weitere Fehler
  • auf vielen Rechnern keine Mehrspieler-Partien möglich
  • einfallslose (sehr ähnliche) Waffen

Wertung

PC

Gut gemeinte, spielerisch aber schwache und fehlerhafte Zeitreise.