2K Drive - Test, Rennspiel, iPad, iPhone

2K Drive
20.09.2013, Michael Krosta

Test: 2K Drive

Während Strategiespiele und viele Brettspielumsetzungen hervorragend an iPad & Co funktionieren, sieht es für Rennfahrer bisher düster aus. Packende Überholmanöver oder ein fesselndes Fahrerlebnis sucht man auf Telefonen und Tablets immer noch vergeblich. Ehemalige Leute von Bizarre Creations haben sich deshalb als Lucid Games neu formiert, um genau das zu ändern: Können sie mit 2K Drive das Genre endlich auf den mobilen Plattformen etablieren?

Es beginnt alles recht viel versprechend, denn neben den knapp 30 lizenzierten und ansprechend modellierten Fahrzeugen inklusive Cockpitansicht feiern auch einige Modi abseits der Standardrennen ihr Comeback, die MSR respektive PGR so populär gemacht haben. Da sind sie wieder, die Leitkegel-Parkours, die präzise Lenkmanöver erfordern. Oder die Jagd nach Bestzeiten auf einer „heißen Runde“. Und manchmal gilt es einfach nur, möglichst viele gestapelte Kisten umzufahren sowie eine geforderte Durchschnittsgeschwindigkeit aufrecht zu erhalten. Ja, da werden schnell wohlige Erinnerungen an die tollen Racing-Produktionen von Bizarre Creations wach. Zusammen mit den Rivalen-Rennen, in denen man Vorgaben anderer Spieler schlagen muss, sowie täglich und wöchentlich wechselnden Herausforderungen wird hier viel Abwechslung geboten. Nicht zu vergessen die 1/4-Meile-Rennen, bei denen man sich nur auf einen guten Start und rechtzeitige Schaltvorgänge konzentrieren muss, während die Fahrt automatisch abläuft. Weniger gelungen finde ich die Minispiele, bei denen man z.B. versuchen muss, eine Ladung von Fässern so so schnell wie möglich durch wildes Lenken und Sprünge von der Ladefläche zu befördern. Eine schöne Idee ist dagegen das GameFace, mit dem man basierend auf einem Foto sein Gesicht auf das Fahrermodell übertragen kann. Die Technologie ist durchaus beeindruckend und führt zu überraschend guten Ergebnissen.

Ein Hauch von PGR

Vor allem die Ausflüge durch die Straßen Londons sehen imposant aus.
Das beliebte Kudos-System findet man zwar nicht in seiner klassischen Form, trotzdem wird man auch hier durch sauberes Fahren und die Teilnahme an Events mit Sternen belohnt, die eine von zwei Währungen in 2K Drive darstellen. Sie werden vor allem in Reparaturen investiert. Wer will schon bis zu 30 Minuten warten, bis sich die Karre selbst wieder richtet? Auch die meisten optischen Gimmicks wie ein 2K Lufterfrischer oder neue Lackierungen werden mit Sternen gezahlt.  Kollisionen führen nicht nur zu Beschädigungen, sondern auch Abzügen von Supersternen, die man für ein unfallfreies Fahren und gelungene Überholmanöver bekommt. Leider werden sie auch oft gestrichen, wenn die recht dämliche KI die Unfälle verschuldet.

Sterne und Münzen

Und dann wären da noch die Münzen als zweite Währung, die man vor allem bei Rennsiegen und Rangaufstiegen gutgeschrieben bekommt. Während man sich Sterne relativ einfach verdienen kann, sind die Entwickler bei der Ausschüttung von Münzen wesentlich knauseriger. Kein Wunder, benötigt man sie doch zum Kauf von neuen Fahrzeugen und das Leistungstuning – also dort, wo es richtig wichtig wird. Mal davon abgesehen, dass die beiden Währungssysteme für Verwirrung sorgen und inkonsequent eingesetzt werden (manche Gimmicks werden mit Sternen, andere mit Münzen gezahlt), riecht das auch übel nach dem Versuch, Käufer zum Besuch des Ingame-Shops zu bewegen, wo sich – welch Überraschung – Sternepakete mit Münzen und Münzpakete – welch noch größere Überraschung – mit echtem Geld kaufen lassen. Wer z.B. zehn Münzen braucht, ist mit 0,89 Euro dabei, 65 Münzen kosten 4,49 Euro und wer es richtig krachen lassen will, investiert knapp 90 Euro in 2000 Münzen. Um die Beträge in Relation zu setzen: Für die lahme Elektrokiste Chevrolet Volt möchten die Entwickler schon 21 Münzen haben, für den Ford Mustang Boss 302 sind es schon 47 Münzen wer sich einen McLaren MP4-12C gönnen möchte, ist mit 72 Münzen dabei. Fällt euch was auf? Die meisten Preise sind natürlich so angelegt, dass man quasi gezwungen wird, mehrere Pakete zu kaufen und Münzen übrig zu behalten. Der bisher teuerste Bolide, der McLaren MP4-12C VIP, schlägt übrigens mit 90 Münzen zu Buche, was in Sparpaketen ca. 6,30 Euro ausmacht. Etwas günstiger sieht es zunächst bei den Upgrades: Die ersten

PS-starke Boliden haben ihren Preis.
Pakete sorgen mit zehn Münzen für einen Leistungsschub, doch für spätere Tuningmaßnahmen werden ebenfalls bis zu 44 Münzen fällig – das ist Wucher, wenn man bedenkt, dass es sich hier nicht um einen Free-to-play-Titel handelt, sondern die App alleine schon knapp sechs Euro kostet. Wer weitere neun Euro investiert, kann sich das Leben etwas leichter machen, bekommt man mit dem Gründer-Status doch Zugriff auf 25 Autos, erhält 100 Münzen und 5000 Sterne zusammen mit über 100 Lackierungen. Aber will man nach dem Kauf des „Grundspiels“ gleich schon wieder zur Kasse gebeten werden? Ich denke nicht.

Klar kann man sich Münzen auch durch das Absolvieren zahlreicher Rennen und Rivalen-Herausforderungen verdienen, aber viel Spielraum hat man trotzdem nicht: Nach ein paar Stunden hatte ich gerade mal zwei Boliden mit minimalem Tuning in meiner Garage und lediglich 60 Münzen auf dem Konto - und die werde ich früher oder später dringend brauchen, sobald ich für eine Veranstaltung einen leistungsstärkeren Boliden benötige. Trotz der Versprechungen, beim Thema Mikrotransaktionen alles fairer und besser zu machen als die Konkurrenz, bekomme ich hier wieder das Gefühl, von 2K und Lucid Games abgezockt zu werden.

Offroad-Rennen werden ebenfalls geboten.
Tuning-Maßnahmen sind die eine Sache, doch hier kann man sich auch mit Boosts einen kurzzeitigen Leistungsschub verschaffen, der für ein Rennen zur Verfügung steht. Hier hat man die Wahl, ob man die Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit, Kurvengeschwindigkeit oder die Gesamtleistung steigern möchte. Alternativ entscheidet man sich für einen Meilen-Multiplikator, um schneller im Rang aufsteigen zu können oder investiert in eine bombenfeste Karosserie, die keinen Kratzer abbekommt und folglich nicht repariert werden muss. Der Vorteil dieser Alternative zum normalen Tuning: Die Boosts werden mit Sternen gezahlt. Trotzdem hebt die kundenfreundlichere Währung die Nachteile des Systems nicht auf. Ganz davon abgesehen, dass ich es generell verabscheue, sich mit Boosts einen Vorteil zu erkaufen, lohnt es sich nur selten, in sie zu investieren. Baut man nämlich Mist, darf man das Rennen nicht einfach neu starten. Nein, das wäre ja zu einfach, würden doch dabei die Reparaturkosten unter den Tisch fallen und man könnte den Boost ein weiteres Mal verwenden. Wer also vorher aufgibt, muss erst wieder zurück ins Menü, seine Karre reparieren und den Boost erneut bezahlen – ganz toll.

Boost-Vorteile

Mit London und Tokio stehen außerdem wieder Abstecher in Metropolen auf dem Programm, die man schon in MSR & Co besucht hat. Ich kann mir sogar gut vorstellen, dass Lucid Games auf ein paar der alten Assets zurückgegriffen hat, um Orte wie den Trafalgar Square oder die Rainbow Bridge ähnlich eindrucksvoll zu inszenieren wie damals. Man wird nicht enttäuscht: 2K Drive sieht vor allem bei den London-Pisten klasse aus, erkauft sich die grafische Pracht allerdings mit kleinen Ruckeleinlagen, die das Renngeschehen beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass sich die Anzahl der Schauplätze in Grenzen hält: Vor allem in den ersten Stunden ist man im Meisterschaftsmodus eigentlich nur in London unterwegs und hat das Gefühl, ständig die gleichen Strecken vorgesetzt zu bekommen. Zudem wird man zu lange auf langsame Fahrzeuge beschränkt, an denen man vermutlich auch im realen Leben nicht viel Freude hätte. Das gilt übrigens auch für die Motorenklänge, denn die verwendeten Samples klingen eher nach Marke Staubsauger anstatt ordentlich zu röhren. Erst später wird mit Ausflügen nach Tokio, in Offroad-Gefilde und die Salt Flats mehr Abwechslung geboten und darf sich hinter das Lenkrad von PS-stärkeren Flitzern klemmen.

Vertraute Schauplätze

Präzises Fahren? Mit dieser schwammigen Lenkung ist das kaum möglich!
Doch will man das überhaupt? Nein! Denn genau wie die meisten, wenn nicht gar alle Rennspiele auf iPad & Co leidet auch 2K Drive unter einer furchtbaren Steuerung, die ein präzises Kontrollieren der Fahrzeuge nahezu unmöglich macht. Dabei spielt es keine Rolle, ob man sich für die Lenkung durch Neigen des Tablets via Bewegungssensoren entschließt oder sein Glück über ein virtuelles Lenkrad auf dem Bildschirm versucht: Die Steuerung ist furchtbar schwammig und lässt kein echtes Fahrgefühl aufkommen, bei dem man ordentlich gegenlenken oder kontrollierte Handbremsen-Drifts durchführen könnte. Schade, denn im Prinzip geht die Fahrphysik weit über das hinaus, was man sonst auf diesen Plattformen findet. Ohne die üblichen Hilfen wie Traktions- und Stabilitätskontrolle, ABS sowie Brems- und Lenk-Unterstützung kämpft man noch stärker gegen das Über- und Untersteuern der Wagen und man bekommt den Eindruck, als wollte Lucid Games hier tatsächlich mehr bieten als einen 08/15-Raser. Das Dumme: Selbst mit eingeschalteten Hilfen hat man die Boliden angesichts der beiden schlimmen Steuerungsoptionen kaum im Griff. Hier bestätigt sich wieder, dass sich Tablets und Handys einfach nicht für Rennspiele eignen – zumindest, wenn es abseits von Automatik-Gas-und-Bremspedal etwas anspruchsvoller zugehen soll.

Das Grauen kehrt zurück

Fazit

Es tut mir in der Seele weh zu sehen, wie hier ehemalige Leute von Bizarre Creations ihr Talent verschwenden: Warum versucht man auf Biegen und Brechen, mobile Plattformen wie das iPad mit „anspruchsvollen“ Rennspielen zu bedienen, obwohl schon die Vergangenheit immer und immer wieder gezeigt hat, dass eine schwammigen Bewegungslenkung oder virtuelle Lenkrädern nicht den Anspruch erfüllen können, den man als Spieler an das virtuelle Rasen legt. 2K Drive bildet da leider keine Ausnahme! Da können die Modi noch so abwechslungsreich ausfallen, die Kulissen trotz Ruckeleinlagen noch so schick aussehen oder Gimmicks wie das GameFace noch so lustig sein: Wenn das eigentliche Fahren aufgrund einer frustrierenden Steuerung keinen Spaß macht, ist das das Schlimmste, was einem Rennspiel passieren kann! Und das Zweitschlimmste? Wenn schamlos versucht wird, durch Mikrotransaktionen dem ohnehin schon zahlenden Kunden noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. Und auch hier ist 2K Drive im negativen Sinn vorne mit dabei, auch wenn Real Racing 3 die Pole-Position beim Thema Abzocke wohl kaum jemand streitig machen kann. Hoffentlich kommt man bei Lucid Games wieder zur Besinnung und lässt entweder die Finger von mobilen Rennspielen oder bringt sie auf Plattformen, auf denen sie auch funktionieren.    

Pro

  • durchaus anspruchsvolle Fahrphysik...
  • schicke Kulissen
  • diverse Fahrhilfen
  • abwechslungsreiche Spielmodi
  • Rivalen-Herausforderungen
  • Tuning-Optionen (optisch & Leistung)
  • lizenzierte Boliden
  • nette GameFace-Technologie
  • Cockpitansicht
  • sauberes Fahren wird belohnt

Kontra

  • ...aber grausige Steuerung
  • Einbrüche der Bildrate
  • wenige Schauplätze & Strecken
  • Kauf von Leistungs-Boosts pro Rennen
  • keine direkten Onlineduelle möglich
  • kein direkter Neustart bei Rennabbruch möglich
  • mäßige Motorenklänge
  • oberflächliches Schadensmodell
  • Mikrotransaktionen wirken gierig
  • KI quasi nicht vorhanden
  • relativ kleiner Fuhrpark
  • zu häufige Beschränkung auf lahme Fahrzeuge
  • langweilige Minispiele
  • vereinzelte Abstürze

Wertung

iPad

2K Drive bietet zwar abwechslungsreiche Modi und sieht klasse aus, fährt sich aber furchtbar und riecht übel nach Mikrotransaktions-Abgasen.