Disgaea D2: A Brighter Darkness - Test, Taktik & Strategie, PlayStation3

Disgaea D2: A Brighter Darkness
16.10.2013, Mathias Oertel

Test: Disgaea D2: A Brighter Darkness

Seit zehn Jahren schreibt Nippon Ichi mit Disgaea Geschichte. Nicht nur, weil man stur dem technischen Fortschritt trotzt. Sondern auch, weil man stattdessen die Tugend perfektioniert, die inhaltliche Seite der rundenbasierten Strategie-Rollenspiele auszureizen.  Ob dies auch beim jüngsten Teil Disgaea D2 auf der PS3 gelungen ist, klären wir im Test.

Obwohl Disgaea D2 (DD2) bereits der fünfte Teil der Serie ist, hat Nippon Ichi bislang ähnlich wie Square Enix bei Final Fantasy stets auf neue Helden gesetzt. Und das, obwohl mit dem Overlord-Sprössling Laharl, seiner ihm insgeheim nach dem Leben trachtenden Vasallin Etna sowie dem gefallenen Engel Flonne beim Ur-Disgaea auf der PlayStation 2 ein wunderbar disharmonierendes Heldentrio eingeführt wurde. Die Dialoge, die sie nicht nur mit- oder gegeneinander, sondern auch mit den anderen, herrlich überzogenen Figuren führten, sollten eines der Markenzeichen der Serie werden.

Die gute alte Zeit

Ein anderes war natürlich der enorme Tiefgang, den das seinerzeit von Final Fantasy Tactics entliehene sowie auf eine neue Stufe gehievte Spielprinzip bot. In den rundenbasierten Kämpfen musste man nicht nur auf die Positionierung der Figuren achten, sondern z.B. auch, wer um einen herum steht und seinen Angriff maßgeblich verstärken kann. Man konnte die Waffen in der so genannten "Item World" aufleveln und mit neuen Eigenschaften versehen. Es gab haufenweise Figuren bzw. Charakterklassen, die man erstellen und mit ins Gefecht nehmen konnte. Man durfte sogar versuchen, in der Dark Assembly, einer Art spielinternem Repräsentantenhaus, Änderungen der Spielwelt wie reduzierte Preise in den Shops usw. zu beantragen. Ausnahmslos alles war miteinander verknüpft - mitunter subtil, aber sehr effektiv.

Die Kulisse ist veraltet, aber letztlich unwichtig - die inneren Werte von Disgaea D2 sind grandios.
Dass DD2 etwas außerhalb der Serie steht, wird nicht nur daran deutlich, dass Disgaea 5 bereits angekündigt wurde. Nippon Ichi bricht mit der Tradition und baut wieder auf alte Helden. Um genauer zu sein: Das infernalische Trio, mit dem der Erfolgszug begann, ist wieder da - die Geschichte setzt quasi ein paar Jahre nach den Geschehnissen des ersten Disgaea ein. Obwohl Laharl sein Vorhaben, zum Overlord aufzusteigen, in die Tat umsetzen konnte, hat er die Netherworld immer noch nicht unter seine pubertären Dämonenfittiche gebracht - es gibt immer noch Dämonen, die ihn nicht anerkennen und im schlimmsten Fall töten möchten, um seinen Platz einzunehmen. Etna ist immer noch für die Pflege und Aufzucht der Prinnies (Sklavenseelen in Pinguinform) verantwortlich, die nach wie vor mit ihren Allüren und ihrem vollkommen übertriebenen Selbstverständnis für den einen oder anderen Lacher gut sind.

Sie sind wieder da

Doch auch wenn es auf dem Schlachtfeld neuerdings zu spontanen Frotzeleien zwischen den Figuren kommen kann, wenn man sie nebeneinander postiert, bleibt Disgaea im Rahmen der Serie erzählerisch erstaunlich spröde. Es gibt immer noch ausreichend Gags und die Sprecher, die für mich tatsächlich nach denen des ersten Teils klingen, sind immer noch fantastisch. Doch so ganz mag der Humor nicht mehr steil gehen. Teilweise liegt es daran, dass die Figuren schon mit Disgaea ausgelotet schienen und die Dialoge jetzt zwar weiterhin nett sind, aber nur noch selten neue Facetten zeigen. Vielleicht liegt es auch an der grundsätzlich ernsteren, im Vergleich zur übersprudelnden jugendlichen Naivität bzw. dem Sturm und Drang des Vorläufers beinahe erwachsen wirkenden Tonalität, die zu häufig in Erscheinung tritt. Doch wie dem auch sei, die Geschichte und die Charakterzeichnung sind der größte Schwachpunkt von Disgaea D2.

Denn dass die Serie nicht dafür bekannt ist, technische Meilensteine zu setzen, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Dementsprechend kann ich den Machern auch nicht verübeln, dass sie die Kulisse einfach Kulisse sein lassen. Man kann die überschaubaren sowie mit sauberen, allerdings in die PS2-Ära gehörenden Texturen versehenen Schlachtfelder in 90-Grad-Stufen drehen und in drei Stufen zoomen - das reicht, um jederzeit die bestmögliche Übersicht zu haben.

Die Geschichte bietet zwar einige witzige Momente, doch unter dem Strich ist die Erzählung schwach.
Und letztlich spielt man keinen Teil der Reihe, um seinen Freunden die Grafikfähigkeiten der Konsole zu demonstrieren. Man spielte, weil Disgaea immer wieder die Messlatte verschob, wenn es um die inhaltliche Verzahnung unterschiedlicher Elemente sowie taktische Tiefe ging. Gelingt das auch diesmal?

Technik immer noch obsolet

Natürlich sorgen nicht nur die bereits angesprochenen Taktik-Elemente auf und abseits der Schlachtfelder dafür, dass Disgaea D2 zu einem mächtigen, mitunter sogar übermächtigen Strategie-Rollenspiel wird, das Einsteiger mit Optionen und Möglichkeiten erschlägt. Zwar gibt es für alle Funktionen auch Tutorials, doch abseits von Basis-Wissen erlangt man hier nur wenig. Die Finessen lernt man erst kennen, wenn es auf dem Feld der Ehre hart auf hart kommt und man neue Sachen ausprobiert, um die Feinde in die Knie zu zwingen. Es dauert eben seine Zeit, bis man die Geo-Felder mit ihrem Zerstörungspotenzial einerseits und dem temporären Fähigkeitsboost für eigene oder gegnerische Kämpfer andererseits optimal nutzen kann. Oder bis man gelernt hat, das Aufnehmen und Werfen von Kameraden und Gegenständen effektiv einzusetzen. Oder bis man das Gesellen-System verinnerlicht hat, das dafür sorgt, dass neu geschaffene Figuren mit einem anderen Charakter verknüpft werden und beide sowohl hinsichtlich Fähigkeiten als auch Aufstieg symbiotisch voneinander profitieren. Allerdings sind dies alles bereits bekannte Mechaniken, die nur minimal modifiziert wurden, über deren Rückkehr sich Veteranen trotzdem freuen.

Selbstverständlich gibt es auch zahlreiche neue Möglichkeiten, seine Figuren weiterzuentwickeln oder den Gegnern das Leben schwer zu machen. So gibt es z.B. ein Zuneigungssystem, bei dem die Figuren sich im Kampf unterstützen, auch wenn sie nicht direkt nebeneinander platziert sind. Je höher der Wert ist, den man durch kleine Gesten steigern kann, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass im Kampf die Hilfe ausgelöst wird. Noch wichtiger und vor allem durch den Spieler direkt initiiert, ist das "Monster Mount": Dahinter versteckt sich die Fähigkeit, Figuren auf rekrutierten Monstern aufsitzen zu lassen.

Man darf sogar "offiziell" cheaten!
Damit erhöht sich die Angriffs- und vor allem die Verteidigungsfähigkeit, da zuerst die Lebensenergie des Mounts in Mitleidenschaft gezogen wird, während beide nach Herzenslust austeilen und Erfahrungspunkte bekommen können. Schwächere Charaktere, dazu gehören traditionell Zauberer oder Heilklassen, haben durch den Ausritt deutlich höhere Überlebenschancen. Und wem das nicht reichen sollte, kann mit dem „Demon Dojo“ gezielt Schwachstellen bei seinen Figuren trainieren, indem man einen Charakterwert definiert, der schneller steigt. Da zusätzlich das Dojo bei Benutzung aufsteigt und damit einerseits mehr Figuren das Training ermöglicht, andererseits die Effektivität des jeweiligen Wertaufstiegs nach oben geht, wird diese neue Mechanik clever in das bestehende Disgaea-System eingebaut und minimiert den Grind.

Neue Optionen für Taktiker und Strategen

Natürlich kann man immer noch versuchen, über das Abgrasen der bereits bewältigten Schlachtfelder oder die Ausflüge in die Itemwelt die Figurenlevel zu maximieren, so dass auch hier wieder eine Spielzeit von weit jenseits der 100 Stunden möglich ist. Doch wer nach den etwa 30 bis 40 Stunden, die man mit der Hauptgeschichte zubringt, die Charaktere bis auf Stufe 9999 hegen und pflegen möchte, sollte lieber zu "New Game Plus" greifen. Mit neuen Bossen und besonderen Quests in der Item-Welt wird man parallel zur Geschichte stets bis zum Letzten gefordert.

Fazit

Ja: Die Kulisse ist mal wieder veraltet. Ja: Die Geschichte ist trotz immer wieder explodierenden Humors so schwach wie noch nie. Und das, obwohl mit Laharl, Etna und Flonne das Heldentrio eine Rückkehr feiert, das seinerzeit auf der PS2 den Disgaea-Stein ins Rollen gebracht hat. Dennoch hatte ich hier so viel taktischen Rollenspiel-Spaß wie schon lange nicht mehr. Zu den Tugenden, die seit einem guten Jahrzehnt die Fans begeistern, und zu denen u.a. die fantastische Verzahnung unterschiedlicher Mechaniken auf und abseits der Schlachtfelder gehört, gesellen sich zahlreiche neue Optionen. Mit dem Trainingsdojo und vor allem der Möglichkeit, Monster als Reittiere im Kampf zu benutzen, wird die ohnehin schon prall gefüllte Taktik- und Charakter-Entwicklungspalette um durchdachte sowie gut umgesetzte Elemente angereichert. Wer auf Spiele wie Fire Emblem abfährt und sich nicht daran stört, auf einer HD-Konsole Kulissen aus der letzten Generation ansehen zu müssen,  findet mit Disgaea D2 genau das richtige Abenteuer für verregnete Herbst- und frostige Winterabende.

Pro

  • unerreichter taktischer Tiefgang
  • herrlich überzogene Charaktere
  • witzige Dialoge
  • direkte Fortsetzung des Ur-Disgaea
  • haufenweise spielbare Figuren und Klassen
  • "New Game Plus" mit Sonderquests und geheimen Bossen
  • Spielerfahrung direkt und indirekt beeinflussbar (u.a. per Dark Assembly)
  • alle bekannten und frischen Mechaniken werden miteinander verknüpft und bedingen sich

Kontra

  • unzeitgemäße Kulisse
  • Geschichte ungewohnt schwach
  • trotz Tutorials hakeliger Einstieg für Disagea-Neulinge
  • keine deutsche Lokalisierung

Wertung

PlayStation3

Trotz ungewohnt schwacher Story und gewohnt schwacher Kulisse: Die Rückkehr des ungewöhnlichen Heldentrios ist gelungen. Disgaea D2 ist ein lohnenswertes Taktik-Rollenspiel.