Device 6 - Test, Adventure, iPad, iPhone

Device 6
31.10.2013, Jörg Luibl

Test: Device 6

Lust auf kreatives Storytelling und knackige Rätsel auf dem iPad? Dann wird man erneut bei den Schweden von Simogo fündig: Nachdem die Entwickler aus Malmö mit Year Walk eine mysteriöse Reise durch verschneite Wälder inszenierten (Wertung: 86%), melden sie sich mit einem spannenden Lese-Thriller zurück. In Device 6 irrt eine Frau durch ein Labyrinth. Warum es sich lohnt, ihr zu helfen, klärt der Test.

Kennt ihr zufällig die Romane „Das Haus“ oder das kürzlich erschienene „Das-Fünfzigjahr-Schwert“ von Mark Z. Danielewski? Falls nein, solltet ihr das – zumindest als Liebhaber ungewöhnlicher Geschichten - unbedingt nachholen. Falls ja, und ihr jetzt verächtlich mit dem Kopf schüttelt, wird euch auch Device 6 nicht gefallen. Falls ja, und eure Vorfreude gerade steigt, wird euch dieses Adventure von Simogo sehr gut unterhalten. Aber jetzt genug gefallst: Worum geht es? Um die Flucht aus einem surrealen Alptraum, wobei das Spieldesign die Tugenden alter Text-Adventures sehr originell mit den Möglichkeiten des Touchscreens verknüpft.

Anna im Textlabyrinth

Man schlüpft in die Rolle einer Frau namens Anna, die mit Gedächtnisverlust in einem Turm erwacht. Die Amnesie ist zwar nicht besonders originell als Erkundungsmotiv, aber kaum startet man das Spiel, wird man vom ungewöhnlichen Layout und clever eingestreuten Geräuschen genauso überrascht wie Anna von der fremden Umgebung. Man bewegt sie nicht als Figur, sondern liest sich mit ihr vorwärts, begleitet von ihren Gedanken in kursiver Schrift. Während sie sich unsicher durch das unbekannte Gemäuer tastet und sich fragt, ob sie gestern vielleicht getrunken hat, wird auch dem Spieler zunächst etwas mulmig – sehr schnell entsteht beim Lesen rätselhafte Neugier. Also einfach die Treppe runter!

Das Lese-Adventure macht mit seinem ungewöhnlichen Layout und seltsamen Apparaturen sofort neugierig. Auf euch warten sechs Kapitel mit teilweise knackigen Rätseln.
Warum wird man neugierig? Weil sich auf dem Bildschirm mit jedem Fingerwischer ein fremd anmutendes Patchwork entfaltet: Da mal ein Foto von einer Wiese oder einem Gemälde, in dem sich Zahlen drehen, dort ein nach unten fließender Absatz oder eine Zeile verkehrt rum. Ähnlich wie im Roman Fünfzig-Jahr-Schwert experimentieren die Entwickler mit der Anordnung von Schrift, Farben und Bild. Das irritiert zwar zunächst, aber es ist kein Selbstzweck – man gewöhnt sich daran, weil es über sechs Kapitel hinweg logischen Regeln folgt, zumal man klar bezeichnete Räume sowie Abzweigungen erkundet, die meist auf ein finales und überaus knackiges Rätsel hinaus laufen. Und nebenbei entwickelt sich mit etwas Augenzwinkern und Verfremdungen eine böse Story. Die macht nicht nur Anna, sondern auch den Spieler als eine Nummer von vielen zum Spielball, so dass man sich fast selbst nach Kameras umschaut - freut euch nach jedem Kapitelende auf skurrile Umfragen.

Patchwork aus Schrift und Bild

Der Star ist allerdings der Weg dorthin, der mit dem Schriftbild experimentiert: So wird ein langer Teppich einfach zu einer langen Zeile gemacht, durch die man sich mit jedem Meter wischt. So wird eine Treppe mit stufigen Absätzen simuliert und der Gang um die Ecke mit auf dem Kopf stehenden Texten – die Anordnung der Buchstaben lässt also auch ein räumliches Labyrinth entstehen. Das Bild ist dabei arretiert und wechselt nicht automatisch, wenn man den Touchscreen dreht. Man muss das iPad also nur dann drehen, wenn es quasi um die Ecke geht; so entsteht auch haptisch ein Erkundungseffekt. Eine wichtige Rolle spielt auch die Akustik, denn Schritte, Songstücke, Schreie und Tonbandaufnahmen ergänzen das Erlebnis - und sie sind ebenfalls kein Selbstzweck: Nur über gutes Zuhören kann man manche Rätsel lösen.

Welcher Zahlencode schaltet das zweite Kapitel frei?
Aber wo ist Anna überhaupt? Die teilweise interaktiven Gemälde, Teppiche, Spielzeuge und Maschinen deuten zunächst auf eine Burg oder ein Museum. Das Ganze wird allerdings immer grotesker und auch unheimlicher. Warum sieht sie eine Puppe mit Nägeln im Kopf? Warum reagieren die alten Frauen in der Halle nicht auf ihr Hallo? Wozu all die Aufnahmegeräte und Überwachungskameras? Wer Mystery-Thriller mag, wird hier auf seine Kosten kommen. Wenn man mit Anna dem Geheimnis des Ortes und der Amnesie auf die Schliche kommen will, muss man die englischen Texte sehr aufmerksam, teilweise mehrmals lesen – denn nur so lassen sich die angenehm anspruchsvollen Rätsel lösen und Wege zum nächsten Kapitel öffnen. 

Unheimlich und rätselhaft

Schon im ersten Bereich stoppt sie ein Apparat mit der Meldung „Study Authorization Required“ – tja, war da nicht eine Maschine, in die man vier Zahlen eintippen konnte? Aber welche? Plötzlich erinnert man sich an das Tonbandgerät mit dem obskuren Sprecher und wischt (=geht) zurück, um den Hinweisen zu lauschen. Nur wer diese richtig deutet, kann den Code eingeben. Interaktion ist nur dann möglich, wenn Symbole darauf hindeuten: Mal kann man mit den Fingern bestimmte Schalter aktivieren oder Sichtnischen etwas verschieben, um dahinter mehr zu erkennen. Fotos werden so zu Gucklöchern auf Hinweise, die man manchmal nur dann entziffern kann, wenn man den Blickwinkel ändert. Aber Vorsicht: Wer die mathematischen, symbolischen und geometrischen Aufgaben nicht meistern kann, bekommt keinerlei Hilfe.

Fazit

Eine spannende Geschichte, knackige Rätsel und dazu überaus kreatives Artdesign! Device 6 ist ein stimmungsvolles Storytelling-Experiment im Stile alter Text-Adventures, aufgewertet durch die interaktiven Möglichkeiten des Touchscreens. Das Experimentieren mit dem Schriftbild erinnert an den kürzlich erschienen Roman "Das 50-Jahr-Schwert". Hinzu kommen hier allerdings Bild- und Ton-Schnipsel, so dass ein audiovisuelles Patchwork-Labyrinth entsteht. Die Schweden von Simogo stellen damit erneut ihr Händchen für Außergewöhnliches unter Beweis. Und das Ganze ist kein L'Art pour l'Art: Wer Lust auf eine Mystery-Story mit anspruchsvollen Zahlen-, Logik- und Symbolaufgaben hat, wird hier bestens unterhalten. Aber Vorsicht: Wer es genießen will, sollte des Englischen mächtig und sehr geduldig sein.

Pro

  • extravagantes Artdesign
  • spannende Mystery-Story
  • tolle Schrift-, Bild- und Ton-Experimente
  • mysteriöses Flair alter Textadventures
  • knackige Zahlen-, Symbol- und Logik-Rätsel

Kontra

  • mal wieder Gedächtnisverlust
  • nur englische Texte

Wertung

iPad

Eine spannende Geschichte, knackige Rätsel und dazu überaus kreatives Artdesign!

iPhone

Auch wenn es eine Universal App ist: Auf dem iPhone ist die Bedienung nicht so komfortabel - trotzdem ein tolles Adventure.