Crimson Dragon - Test, Shooter, 360, XboxOne

Crimson Dragon
22.11.2013, Jan Wöbbeking

Test: Crimson Dragon

Was für ein Panorama: Auf der 32-Bit-Konsole Saturn waren Segas mystische Drachen-Panzer-Dragoon-Shooter echte Hingucker. Zum Start der Xbox One führt Microsoft die Saga indirekt fort – allerdings mit deutlich mehr Drachen und Upgrades.

Die neue Ausrichtung springt mir schon beim ersten Start förmlich ins Gesicht: Es gibt eine Juwelen-Währung, Spieler- und Drachen-Levels, Erfahrungspunkte, XP-Samen, leistungssteigernde Ampullen, Upgradepakete, Wingmen und vieles mehr. Der Overkill im unübersichtlichen Menü erinnert eher an einen Free-to-play-Titel oder ein Rollenspiel wie Panzer Dragoon Saga als an einen Arcade-Shooter. Zu Beginn ging mir das alles ziemlich auf die Nerven.

Menügewurschtel statt Flugvergnügen?

Das coole an Panzer Dragoon war schließlich, mit einem einen Drachen durch fantasievolle Gegnerhorden zu fliegen – und nicht, sich wie ein Buchhalter durch Unmengen von Menüs zu wühlen. Auch bei den ersten Flugversuchen fühlte ich mich überfordert, weil die Steuerung etwas zu träge wirkt und die Kamera sich nicht immer schnell genug zum heftig attackierenden Gegnerschwarm drehen lässt. Nachdem ich mich an die Probleme gewöhnt hatte, lernte ich aber, die Vorzüge des Spiels zu schätzen.

Vorsicht, Boss voraus!
Ähnlich wie in den Vorgängern für Saturn und die erste Xbox gleite ich majestätisch durch wunderhübsch designte Kulissen. Wie in anderen klassischen Rail-Shootern ist die grobe Flugrichtung vorgegeben, ich kann aber ein Stückchen nach oben, unten oder zur Seite ausweichen. Da ich vom Stützpunkt der Icarus-Division zu mehreren Einsätzen pro Areal starte und zwischendurch die Ausrüstung ändere, entsteht kein durchgängiger Flow wie in Rez oder Child of Eden.

Mystische Welt

Trotzdem gestaltet sich der Kampf gegen gigantische Raupen, aggressive Leuchtinsekten und infizierte Drachen zumindest meistens unterhaltsam. Die faszinierend gestalteten Kreaturen leiden unter der Rotschuppenseuche; daher wurde die menschliche Kolonie auf dem Planeten Draco unter Quarantäne gestellt. Der große „White Phantom“ hat offenbar etwas mit dem Ausbruch der Krankheit zu tun. Die Rahmenhandlung wird leider nur in faden Textfenstern erzählt.

Oft umrunden die Gegner den Spieler - zum Glück zeigt das Radar ihre Position an.
Auch technisch kocht das Spiel auf Sparflamme. Man merkt dem Titel von Panzer-Dragoon-Veteran Yukio Futatsugi deutlich an, dass die Entwicklung auf der Xbox 360 begonnen wurde. Die nur 30 Bilder pro Sekunde (und seltenes Ruckeln) strapazieren in hektischen Situationen und bei schnellen Kameradrehungen die Augen. Anstrengend wird es auch, weil sich die Gegner oft farblich kaum vom Hintergrund abheben. Im Wald und in unterirdischen Höhlen gibt es einige hässlich unscharfe Oberflächen zu sehen und im Menü laden manche Texturen sogar erst langsam nach. Insgesamt wirkt das Bild oft unsauber und erinnert nicht gerade an Grafik der neuen Generation. Die ruhige Orchesterbegleitung passt gut zum Geschehen, bietet aber nur wenige charakteristische Melodien.

Tolles Design, schwache Technik

Sinnvolle Extras sind die seitliche Ausweichrolle und die Flügelmänner: Letztere lassen sich für erspieltes Geld anheuern und basieren auf den aufgepäppelten Drachen anderer Xbox-Live-Nutzer. Ein vorm Einsatz ausgewähltes Exemplar unterstützt mich in hektischen Situationen verlässlich mit Projektilen. Dazu muss ich ihn lediglich mit einem Tastendruck vor oder hinter mich schicken, damit er mir z.B. den Rücken frei hält. Oder ich starte per Knopfdruck eine mächtige gemeinsame Spezialattacke. Auch die richtige Waffenwahl spielt bei manchen Gegnern eine wichtige Rolle. Die schneeweißen Anglerdrachen lassen sich z.B. besonders schnell mit Feuerwaffen aus der Luft holen, daher sollte man vor der entsprechenden Mission auch einen Wingman mit der passenden Waffe auswählen.

In der Drachenhöhle werden die Schützlinge mit allerlei Extras aufgepäppelt.
Diese Attribute erinnern an Schere-Stein-Papier: Feuer übertrumpft Wind, Wind ist stark gegen Licht, Licht erledigt Feuer-Gegner schneller. Außerdem gibt es noch eine mysteriöse vierte Kraft: Die Leere. Das Repertoire an erlernbaren Attacken ist groß: Das klassische Markieren für zielsuchende Geschosse und einige andere Angriffe gehen gut von der Hand, andere träge Feuerbälle passen weniger gut ins hektische Spiel. Habe ich mich und meinen Drachen ein wenig hochgelevelt, werden außerdem immer mehr nützliche Upgrades verfügbar, welche z.B. die Abwehrkraft oder andere Werte stärken. Sogar das Element des Drachens (Feuer, Wind, Licht) lässt sich gegen Geld ändern.

Die Macht von Feuer, Wind und Licht

Mal rotten wir unter der Erde ein paar Nester hartnäckiger Killerhornissen aus, anderswo umrunden uns wild gewordene Drachen und andere Biester. Auf den ursprünglich geplanten Kinect-Zwang haben die Entwickler glücklicherweise verzichtet. Stattdessen sind nur noch ein paar optionale Sprachbefehle möglich (z.B. für den Wingman). Außerdem lässt sich die Ausweichrolle auf Wunsch auslösen, indem man den Körper zur Seite bewegt - wer's braucht.

Fazit

Schade: Crimson Dragon war eigentlich mein heiß erwarteter Geheimtipp für die Xbox One, doch mit seinen legendären Vorgängern kann das Spiel nicht mithalten. Die mystischen Drachen, gigantischen Raupen und verschnörkelten Salzfelsen sind zwar wunderhübsch designt, es entwickelt sich aber nicht der gleiche fesselnde Spielfluss wie früher. Der Angriff der zahlreichen Gegner ist nicht so spannend und abwechslungsreich ochestriert wie damals. Außerdem wird es gelegentlich zu unübersichtlich. Auch die verhältnismäßig schwache Technik und die übertrieben fragmentierte Aufrüstung nerven. Im Gegenzug sorgen das Aufpäppeln der Drachen und Experimente mit Attacken auch für Langzeitmotivation. Als ich mich an die Macken des Spiels gewöhnt hatte, hatte ich durchaus Spaß an den schnellen Luftkämpfen und werde mir das Spiel heute auch auf meiner privaten Xbox One kaufen. Trotzdem bin ich nach Genre-Highlights wie Panzer Dragoon Orta, Rez oder Child Of Eden enttäuscht.

Pro

  • zauberhaft mystische Kulissen
  • gigantische urtümliche Fantasiegegner
  • viele Drachen, Waffen und Extras freispielbar...
  • einfacher aber praktischer Wingman-Einsatz

Kontra

  • Levelaufbau und Spannungsbogen sind schwächer als früher
  • träge Steuerung und Kamera stiften manchmal Verwirrung
  • ...das Spiel übertreibt es aber mit Währungen, Erfahrungspunkten, Battlepacks & Co
  • technisch meist nur auf dem Niveau der alten Konsolen

Wertung

XboxOne

Crimson Dragon wirkt oft hektisch und überladen, ist aber trotzdem ein solider Rail-Shooter in einer faszinierenden Fantasiewelt.