Redshirt - Test, Simulation, PC

Redshirt
04.12.2013, Eike Cramer

Test: Redshirt

Was wäre, wenn Deep Space Nine ein soziales Netzwerk gehabt hätte und sich Sisko, Quark, Odo und Dax in einer Art Facebook der Zukunft  über Arbeit, Liebe und Leben ausgetauscht hätten? Redshirt von Positech geht genau dieser Frage nach.

Wie wäre wohl der Dominion-Krieg kommentiert worden? Oder das Essen im Quark´s? Dieser Aspekt des sozialen Lebens in der Star-Trek-Serie wurde ausgespart, auch weil Facebook in den neunziger Jahren wohl mehr Science- Fiction war als der Warpantrieb. Das Independent-Spiel Redshirt  konzentriert sich vollkommen auf das virtuelle Leben an Bord einer Raumstation. Zwar hat man keine offizielle Lizenz ergattert, aber Megalodon-9 erinnert stark an die von den Cardassianern errichtete Deep Space Nine, Wurmloch inklusive.

Facebook-Simulator 2364

Es mangelt auch sonst nicht an Sci-Fi-Anspielungen. Schon der Titel ist ein direkter Verweis auf die meist mit äußerst kurzer Lebensdauer ausgestatteten Mitglieder von Außenmissionen der Enterprise 1701. Das Menüdesign ist an Star Trek angelehnt und während des Spiels treffe ich beinahe minütlich auf ironische Querverweise und Wortspiele, die auf die eine oder andere Weise mit bekannten Serien zusammenhängen.  Als bekennender Fan von fast allem, was mit den unendlichen Weiten zu tun hat, kann man sich das dümmliche Grinsen selten verkneifen. „Since you´ve been Gorn“ ist aber auch zu albern.

Das Kulisse von Redshirt ist bestenfalls zweckdienlich, für eine Facebook-Simulation aber in Ordnung.


The Social Network

Das Kernstück von Red Shirt ist Spacebook, das soziale Netzwerk der Zukunft. In diesem befinden sich alle Bewohner von Megalodon-9. Es dient als Verwaltungszentrale der eigenen Bekanntschaften. Hier werden Kontakte geknüpft, Freunde gewonnen, Verabredungen erstellt und vielleicht wartet irgendwo sogar die große Liebe. Wer schon mal die echten sozialen Netzwerke genutzt hat, wird sich instinktiv zurechtfinden. Zwar ist die Menüstruktur in vielen Bereichen arg verschachtelt, insgesamt erinnert aber alles an eine ältere Version von Facebook. Ich erstelle auch keinen Charakter, sondern direkt ein Spacebook-Profil. Witzig: Ich kann nicht nur eine von vier humanoiden Rassen spielen, sondern auch ein uraltes Tentakelmonster oder einen frisch aus der Fabrik kommenden „Emoid“.  Zudem ist die Geschlechtsauswahl ein stufenlos einstellbarer Regler.

Redshirt schafft es zunächst, die Oberflächlichkeit der sozialen Netzwerke ziemlich gut abzubilden. Beziehungen werden mittels Anfragen eingegangen, in privaten Nachrichten werden Belanglosigkeiten zwischen Freunden ausgetauscht und Pinnwände gnadenlos zugespammt. Der Clou: mir bleiben pro Tag nur wenige Aktionen, die eingeteilt sein wollen. Wem spendiere ich mehr meiner kostbaren Zeit?  Mach ich mit meinem besten Online-Kumpel das Holodeck unsicher? Gehe ich mit meinem Chef essen, damit ich schneller im Job vorankomme oder verbringe ich Zeit mit meinem Partner, den ich schon seit eine Woche nicht mehr gesehen habe?

Die lange Karriereleiter eines Redshirts: Von der Transporterunfall-Reinigungskraft bis zum Assistenten des Kommandanten ist es ein weiter Weg.


Sozialkritische Zwischentöne

Diese Entscheidungen wollen wohl überlegt sein, denn meine Spielerstufe hängt von meinem Job und meinem Charisma ab, das durch die Anzahl meiner engen Online-Freundschaften beeinflusst wird. Je mehr Menschen mich als guten Freund betrachten, desto charismatischer bin ich. In meinem Job steige ich auf, je besser ich mit meinen Kollegen vernetzt bin und auch eine Freundschaft mit dem Chef kann nicht schaden. Zudem benötige ich bestimmte Fähigkeiten, die ich wiederum durch Gegenstände und Aktivitäten lernen kann. Wenn ich z.B. mit meinen Freunden eine Party veranstalte, steigt mein Wert in Menschenführung. Ich pflege also Freundschaften, um davon in Beruf und Gesellschaft zu profitieren: deutlicher kann Sozialkritik nicht sein. Hier hält mir Redshirt bravourös den Spiegel vor und je mehr Spacebook mir wie Facebook erscheint, desto mehr hinterfrage ich meinen Umgang mit echten sozialen Netzwerken.

Das Konzept funktioniert also – ganz im Gegensatz zum spielerischen Teil des Sozial-Simulators. Hier bleiben wichtige Elemente leider völlig auf der Strecke. So ist der gesamte Spielablauf furchtbar repetitiv und anders als zuletzt bei  Papers Please finde ich kaum Motivation, um weiterzuspielen. Während an der Grenze nämlich immer wieder neue Elemente und Schicksale auftauchten, arbeite ich in Redshirt monoton die gleichen Routinen ab. Mein Parter will mehr Nähe? Romantisches Dinner! Mein Chef soll mich mögen? Ich poste an seine Pinnwand! Ich muss essen? Ich esse! Die Routine wird öde, zumal sich oft nur rudimentäre Nachrichten aus wenigen Textbausteinen zusammenklicken lassen.  Auch die Bildschirme bei Schlaf und Arbeit sehen immer gleich aus, was schnell langweilt.

Die Schlaf- und Arbeitsbildschirme sind immer gleich und dadurch ziemlich öde.


Virtuelle Beziehungskrisen

Zudem sind die sozialen Geflechte zu durchschaubar und merkwürdig inkonsistent. Ein Beispiel: Ich war einige Tage mit einem Freund in einer Beziehung. Aus Versehen habe ich ihn aus meiner Freundesliste gelöscht, denn anders als in der echten Welt fragt Spacebook nicht noch einmal nach, ob der Freund wirklich gelöscht werden soll. Damit war auch gleichzeitig die virtuelle Beziehung vorbei. Etwas, was sich in der echten Welt wohl mit „Hey, ich hab dich aus Versehen bei Facebook gelöscht, nimm mal meine Anfrage an“ aus der Welt schaffen ließe, wird so zu einer echten Krise.

Das eigentliche Problem ist aber, dass sich die so brutal beendete Beziehung zu einfach wieder kitten ließ. Ein wenig flirten hier, ein bisschen schöne Augen da, ein Versöhnungsdate und schon war alles wie zuvor. Die Mechanik hinter den Beziehungen ist viel zu simpel. Auch die Tatsache, dass sich Spacebook-Freunde nicht leiden können und so nicht zusammen zu Veranstaltungen kommen ist realistisch. Dass sie mit mir nicht darüber sprechen nicht, insbesondere wenn es um gemeinsame Partys oder Ausflüge ins Holodeck geht.

 

Im S.H.O.P. lassen sich unzählige Gegenstände kaufen, die sich auf die Entwicklung der Fähigkeiten auswirken.

Dazu kommt, dass es völlig überflüssige Außeneinsätze gibt.  Der Witz ist klar: Im Stile von Star Trek werden wahllos Crew-Mitglieder in unsinnig gefährliche Gebiete gebeamt, in denen man verschiedenen Bedrohungen ausgesetzt ist. Dummerweise kann ich aber wirklich gar nichts tun, um Tod und Verwundung zu verhindern. Ich kann nur zusehen wie nach und nach meine Teammitglieder, darunter auch gute Freunde, das Zeitliche segnen.  Das ist ärgerlich und verzichtbar. Dumm ist auch, dass im Anschluss keinerlei Bezug auf die Verluste genommen wird. Ja, ich verliere „Happiness“ und „Karma“, aber es gibt keine Kondolenzposts, keine Erinnerungsfotos. Es gibt einfach nichts. Und das ist richtig schwach, gerade wenn ein enger Freund oder schlimmer noch der eigene Partner auf einem Außeneinsatz getötet wird.

Sinnlos im Außeneinsatz

Fast genauso ärgerlich sind fast alle Menüstrukturen. Auch wenn man über die schwer zu lesende Schriftart und unübersichtlichen Oberflächen hinwegsehen kann, erschweren mir zu viele Dinge die Navigation. Warum muss ich umständlich zwischen Events und Freundesübersicht navigieren und bekomme kein Extrafenster eingeblendet? Warum kann ich mir nicht gleichzeitig meine Fähigkeiten und das Inventar anzeigen lassen? Da das Spiel nur auf einer einzigen Oberfläche basiert, muss gerade diese absolut passen – und das tut sie an vielen Stellen nicht. Auch ist die gesamte Kulisse, so man denn die Profilbilder so nennen möchte, bestenfalls zweckdienlich.

Fazit

Soviel Potential und so viele vergebene Chancen! Redshirt bietet Satire und Gesellschaftskritik auf hohem Niveau und ist insbesondere für Sci-Fi-Fans wie mich sehr interessant. Die Facebook-Simulation hält dem eigenen Medienverhalten gnadenlos den Spiegel vor. Die generischen und inhaltsleeren Posts auf der eigenen Pinnwand könnten durchaus aus der Feder von so manchem Nutzer der irdischen sozialen Netzwerke stammen. Allerdings macht mir die viel zu einfache und repetitive Spielmechanik einen großen Strich durch die Rechnung. Der Tiefpunkt sind die völlig überflüssigen Außenmissionen, in denen meine Freunde wie die Fliegen sterben, ohne dass ich eingreifen könnte.  Durchschaubare Beziehungen, immer gleiche Textbausteine sowie schnell stagnierende Motivation bremsen den gelungenen Ansatz für mich so stark aus,  dass von Redshirt ein gerade noch befriedigender Eindruck bleibt.

Pro

  • satirischer Spielansatz
  • viele Sci-Fi-Anspielungen
  • gesellschafts- und medienkritische Elemente
  • viele Skills, Jobs und Interessengebiete

Kontra

  • repetitiver Spielablauf
  • nervige Menüs
  • sinnlose Außeneinsätze
  • teils fragwürdige Beziehungsentwicklungen
  • zu wenig Auswahl (Textbausteine, Posting-Themen)
  • schwache Kulisse

Wertung

PC

Satirische Facebook-Simulation im Weltraum, die mit repetitiven Spielabläufen, nervigen Menüs und sinnlosen Außeneinsätzen zu kämpfen hat.