DTM Experience - Test, Rennspiel, PC

DTM Experience
18.12.2013, Michael Krosta

Test: DTM Experience

Ein Spiel rund um die DTM? Das ist ja schon ewig her... Zuletzt brachte Codemasters seine TOCA-Titel in Deutschland als DTM Race Driver auf den Markt, obwohl die deutsche Tourenwagen-Meisterschaft dort nur eine kleine Nebenrolle spielte. Bei der DTM Experience, der jüngsten Simulation der GTR-Macher von SimBin, ist das anders: Hier dreht sich  alles ausnahmslos um den Dreikampf zwischen Audi, BMW und Mercedes...

Als Basis dient den Schweden die Technologie, die man in Zusammenarbeit mit KW Automotive bereits für die RaceRoom Experience entwickelt hat. Von daher überrascht es kaum, dass die DTM Experience nicht nur in den Free-to-Play-Titel integriert wird, der sich derzeit in der offenen Beta befindet. Auch hinsichtlich der gelungenen Fahrphysik, den originalgetreu modellierten Tourenwagen mit ihren kernigen Motorenklängen sowie der etwas sterilen aber dennoch ansehnlichen Kulisse ist die Verwandtschaft unverkennbar.

Vorsprung durch Technik

Beim Blick zum Wagen-Setup wird der Eindruck weiter gefestigt, denn es warten die üblichen Feineinstellungen an der Aerodynamik, der Vorder- und Hinterradaufhängung, Traktionskontrolle, am Differential, den Stabilisatoren, am Getriebe und den Bremsen. Hier findet man wie immer alles, um den Wagen optimal auf die Strecke vorzubereiten. Selbstverständlich lassen sich die Früchte der mühevollen Schraubarbeit abspeichern. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, während des laufenden Rennens die Traktionskontrolle zusätzlich auf Knopfdruck anzupassen - perfekt, um sich in der einen oder anderen rutschigen Kurve dieses kleine aber so unglaublich wichtige Plus an Bodenhaftung zu sichern.

In der DTM kämpfen Audi, BMW und Mercedes um die Tourenwagen-Krone.
...reicht auch in der DTM nicht mehr, um Überholmanöver erfolgreich abzuschließen. Deshalb kommt wie in der Formel Eins mittlerweile auch hier das Drag Reduction System (DRS) zum Einsatz, das durch eine Positionsveränderung der Heckflügels den Luftwiderstand abschwächt und so den Verfolgern höhere Geschwindigkeiten erlaubt. Dabei gelten in der DTM ähnliche Regeln wie in der Königsklasse: Erst wenn sich der Verfolger am Messpunkt der Start-/Ziellinie in einem Abstand von unter zwei Sekunden hinter dem Vordermann befindet, darf er das System in der folgenden Runde auf einem Streckenabschnitt seiner Wahl aktivieren. Ist DRS erlaubt, wird man durch ein kurzes Audiosignal darauf hingewiesen, dass man den Flügel auf Knopfdruck umstellen darf – sehr schön!

Windschatten alleine...

Doch gerade bei hohem Tempo und harten Positionskämpfen steigt automatisch das Unfallrisiko. Da es nicht die von Konsolen- und Arcade-Rennspielen bekannte Rückspulfunktion gibt, sitzt man hier doch wieder mit etwas mehr Respekt hinter dem Steuer der PS-Schleudern und agiert etwas vorsichtiger. Vor allem dann, wenn man dem Schadensmodell nicht nur Deformationen der Karosserie, sondern auch mechanische Konsequenzen eingeräumt hat. Zwar sind die Folgen - oder besser gesagt: die ausbleibenden Folgen - nach Kollisionen nicht immer ganz nachvollziehbar, doch im schlimmsten Fall muss man das Rennen mit einem saftigen Motorschaden vorzeitig beenden. Zwar geht man bei der Darstellung der Schäden einen Schritt weiter als Gran Turismo & Co, doch zufriedenstellend oder gar authentisch wirkt es trotzdem nicht, wenn nach einem Frontal-Abflug in die Mauer nur ein paar Beulen im Grill und an der Motorhaube auftauchen.

Beim Überfahren der rutschigen Randsteine ist Vorsicht angebracht.
Das optionale Flaggen- und Strafsystem schlägt in eine ähnliche Kerbe: Ja, es ist schön, dass die Stewards bei Abkürzungen manchmal etwas zu genau hinschauen und auch nicht zögern, selbst den KI-Piloten eine Durchfahrt-Strafe aufzubrummen, wenn sie gegen Regeln verstoßen. Doch auch hier blickt man nicht immer durch: Warum wird es mir als Abkürzung ausgelegt, wenn ich durch einen Verbremser abfliege und durch die dumme Aktion eindeutig Zeit verliere anstatt mir einen Vorteil zu verschaffen? Warum gibt es lediglich schwarze Flaggen, nicht aber gelbe nach Unfällen oder grüne, die wieder freie Fahrt signalisieren? Flaggen und Strafen sind ein guter Ansatz, doch beides erscheint nicht immer nachvollziehbar oder wird nur unvollständig umgesetzt.

Einmal durchfahren, bitte!

Das alles ließe sich vielleicht noch verschmerzen. Eine Sache jedoch nicht: Es gibt keine Boxenstopps in DTM Experience - egal ob man sich für das Minimum von einem Achtel oder die volle Renndistanz entscheidet. In einer Motorportserie, in der Besuche bei den Mechanikern für kleine Reparaturen und Reifenwechsel ein wesentlicher Bestandteil des Renngeschehens darstellen (Stichwort: Pflicht-Boxenstopps), ist diese unverständliche Designentscheidung eine kleine Todsünde! Das ist beinahe so, als würde man ein Fußballspiel bestreiten, aber vorher die Tore abreißen. Alleine deshalb verbaut man sich schon trotz des exzellenten Fahrgefühls die Zufahrt zum guten Wertungsbereich. Dabei hat man den ersten Schritt in Richtung Boxengasse mit dem zuschaltbaren Reifenabrieb doch schon gemacht. Doch einen Wechsel der Pneus gibt es hier leider ebenso wenig wie Wetterwechsel: Im Rahmen der DTM Experience herrschen auf den neun lizenzierten Pisten wie Hockenheim, Brands Hatch, Zandvoort und selbst am Nürburgring optimale Streckenbedingungen mit trockenem Asphalt und Sonnenschein-Flatrate.          

Die adaptive KI sorgt für spannende Duelle.
Es versteht sich von selbst, dass in einem offiziellen DTM-Spiel mit Audi, Mercedes und Rückkehrer BMW alle drei Hersteller sowie alle Teams und 22 Piloten mit an Bord sind. Zwar kann man das Starterfeld auf Wunsch reduzieren, doch wer es möglichst authentisch mag, schickt natürlich alle Fahrer auf die Piste. Dabei war ich zunächst schockiert von den Leistungen der KI: Mein erstes Kurz-Rennen gewann ich locker mit einem Vorsprung von mehr als zehn Sekunden. Packende Zweikämpfe? Fehlanzeige. Ich befürchtete schon das Schlimmste, denn auch in den Einstellungen fand ich keine Option, den Schwierigkeitsgrad zu regeln – abgesehen von den drei generellen Stufen Novice, Amateur und Get Real, die sich aber eher auf den Anspruch der Fahrphysik bzw. aktivierte Hilfen auswirken.

Harte Konkurrenz

- ZandvoortEin Ladebildschirm brachte Licht ins Dunkel, denn dort wird mit dem A.R.I-System eine adaptive KI angepriesen, die sich dem Können des Spielers anpasst, um möglichst spannende Rennen zu garantieren. Und tatsächlich: Schon im zweiten Rennen schrumpfte mein ehemals stolzer Vorsprung beim Überfahren der Ziellinie unter gleichen Bedingungen auf eine knappe Sekunde, während mir die Verfolger seit dem Start am Heck klebten und mich gehörig unter Druck setzten. Zwar fährt die KI teilweise merkwürdige Linien und agiert etwas nervös am Lenkrad, doch erreicht SimBin trotzdem das Ziel, spannende Rennen auf den Bildschirm zu zaubern. Und das ohne den verhassten Gummiband-Effekt, der in einer Simulation ohnehin nichts verloren hat. Sprich: Verliert man durch ein Missgeschick den Anschluss, wird das Feld hier nicht auf den Pechvogel warten, sondern fährt mit Vollgas weiter, wie es sich gehört. Auch in Zweikämpfen stecken die anderen Piloten nicht freiwillig zurück, sondern agieren angenehm bissig, ohne dabei zum Pisten-Rowdie zu mutieren. Natürlich kommt es wie in der echten DTM schon mal zu Kollisionen und Unfällen, doch passt es ins Gesamtbild: Der Kern und die Dramatik des Motorsports werden super eingefangen! Störend ist einzig die Diskrepanz zwischen den KI-Leistungen in der Qualifikation und dem eigentlichen Rennen, in dem die Piloten nicht mehr solche Rundenzeiten in den Asphalt brennen.

Die Strecken der Saison 2013:

- Hockenheimring

- Brands Hatch

- Red Bull Ring

- Lausitzring

- Norisring

- Moscow Raceway

- Nürburgring

- Oschersleben

Leider sind direkte Positionskämpfe auf der Strecke vorerst auf die KI beschränkt - Onlinerennen gibt es (noch) nicht.
Und online? Hier wartet zunächst eine große Enttäuschung auf Piloten, die vornehmlich über die Internetleitung Gas geben wollen. Zwar darf man Rivalen auf den Bestenlisten für asynchrone Duelle herausfordern oder an anderen Zeitfahr-Wettbewerben teilnehmen, doch direkte Duelle in einem Online-Fahrerfeld sind (noch) nicht möglich. Die Hoffnungen liegen auf 2014: Wer sich bis zum 31. März die DTM Experience zulegt, bekommt nicht nur ein kostenloses Update auf die 2014er Edition mit aktualisierten Teams und angepasstem Rennkalender, sondern auch Zugang zum Mehrspieler-Modus, der ebenfalls im nächsten Jahr nachgereicht werden soll. Wir sind gespannt, ob in diesem Zusammenhang auch die schmerzlich vermissten Boxenstopps Einzug ins Spiel halten werden...

Startvorbereitungen

Mercedes-Benz Team Stihl / AMG Mercedes Mercedes-Benz Team stern / AMG MercedesAbseits der Online-Herausforderungen gegen Geisterwagen und Bestzeiten darf man auch alleine im Zeitfahren persönliche Rekorde aufstellen, Einzelrennen absolvieren oder an der DTM der Saison 2013 teilnehmen. Im Gegensatz zur Formel Eins mit ihren knapp 20 Rennen umfasst das Jahr hier lediglich zehn Veranstaltungen, wobei der Hockenheimring gleich zwei Mal besucht wird und die Rennen selbst bei voller Distanz kürzer ausfallen als in der Königsklasse. Entsprechend muss einem klar sein, dass sich der Umfang bei der DTM Experience in Grenzen hält. Auch bei der Präsentation fährt SimBin auf Sparflamme: Die Real-Videos im Hintergrund der Menüs sehen zwar schick aus, aber warum gibt es keine Musikuntermalung oder zumindest Effekte wie die Geräusche eines Schlagschraubers? Stattdessen herrscht Stille. Auch die Siegerehrungen sind billig inszeniert, denn bis auf Fahrzeuge und Fahrer-Portraits im Tabellen-Look gibt es nichts zu sehen. Wo sind Champagnerduschen, Grid-Girls und Podeste? Die ganze Aufmachung abseits des Cockpits wirkt lieblos. Bei der Zusammenstellung von Hintergrundmaterial hätte man sich ebenfalls mehr Mühe geben können: Es gibt kaum Infos zu Teams oder Fahrern und die Geschichte der DTM wird nur kurz in einem kleinen Infokasten mit englischem Text angerissen. Immerhin wird die offizielle Webseite zur DTM direkt ins Spiel eingebunden, so dass man nur einen Klick entfernt ist, wenn man sich auch außerhalb der Experience weiter mit der Serie befassen möchte.  

Die Teams der Saison 2013:

Audi Sport Team Abt

Audi Sport Team Abt Sportsline

Audi Sport Team Phoenix

Audi Sport Team Rosberg

BMW Team RBM

BMW Team RMG

BMW Team MTEK

BMW Team Schnitzer

Mercedes-Benz Team Euronics / Thomas Sabo Mercedes AMG

Für BMW hat sich das Comeback schon ausgezahlt: Die Münchener feierten bereits in der ersten Saison riesige Erfolge und schnappten sich den Titel.
Leider bekommt man derzeit den Eindruck, als sei die DTM Experience mit heißer Nadel gestrickt worden. So ist mir das Spiel immer wieder mitten im Renngeschehen ohne ersichtlichen Grund oder ein nachvollziehbares Muster abgestürzt. Zudem hatte ich zeitweise Probleme im Zusammenhang mit meinem Porsche-Wheel von Fanatec: Das Force Feedback ist zwar hervorragend, doch bei der Schaltung kam es immer wieder zu Aussetzern. War ich mit Automatikgetriebe unterwegs, wurde teilweise entweder gar nicht oder viel zu spät der Gang runter geschaltet. Bediente ich die Schaltwippen manuell, wurde dagegen hin und wieder einfach ein Gang übersprungen – sowohl beim Hoch- als auch beim Runterschalten. Nach einer neuen Kalibrierung tauchte das Problem vorerst nicht mehr auf. Trotzdem seltsam, zumal das Lenkrad in anderen Rennspielen keine solchen Aussetzer bei der Schaltung aufwies.

Tuning benötigt

Fazit

Endlich wieder ein Rennspiel rund um die DTM - und dann noch mit einer gelungenen Fahrphysik sowie röhrender Klangkulisse, wie man es von SimBin kennt und erwartet. DTM Experience fängt den Kampf um die Tourenwagen-Krone zwischen BMW, Audi und Mercedes klasse ein - zumindest auf der Strecke, denn abseits des Cockpits wirkt die Präsentation etwas lieblos. Die adaptive KI trägt einen entscheidenden Teil dazu bei, dass man hinter dem Steuer ganz schön ins Schwitzen kommt und sich meist am persönlichen Limit bewegen muss - schön! Allerdings sorgen das eingeschränkte Flaggen- und Strafsystem sowie das nicht immer nachvollziehbare Schadensmodell für Unmut – vor allem der Verzicht auf die (Pflicht-)Boxenstopps versetzt der angepeilten Authentizität einen herben Dämpfer, mit dem sich SimBin den Weg in höhere Wertungsbereiche verbaut. Auch Online-Raser werden hier vorerst nicht glücklich: Zwar sorgt die asynchrone Jagd nach Tausendstel für schweißtreibende Duelle gegen die Geisterwagen der Bestenliste, doch der direkte Positionskampf auf der Strecke soll erst im nächste Jahr mit dem 2014er-Update nachgereicht werden. Auch die zahlreichen Abstürze trüben derzeit noch den Fahrspaß. Doch wenn es rund läuft, die fantastischen Motoren in der 5.1-Abmischung aus den Boxen dröhnen und ich voll konzentriert die Angriffe der KI abwehren muss, lässt mich DTM Experience immer wieder in der Welt des Motorsports versinken.

Pro

  • lizenzierte Strecken, Teams und Fahrer
  • anspruchsvolle Fahrphysik
  • fantastische Motorenklänge
  • umfangreiches Wagen-Setup
  • adaptive KI
  • komplette Rennwochenenden möglich
  • (optionaler) Reifenabrieb
  • (optionales) Straf-/Flaggensystem...
  • viele Feineinstellungen bei Steuerung möglich
  • volles Schadensmodell...
  • anpassbare Cockpitansicht
  • DRS mit Audio-Hinweis
  • gelungenes Force Feedback
  • asynchrone Zeitrennen gegen andere Spieler

Kontra

  • (noch) kein Mehrspielermodus
  • fehlende Boxenstopps
  • keine wechselnde / unterschiedliche Witterung
  • keine klassische Siegerehrung
  • lieblose Aufmachung / kaum Hintergrundinfos
  • recht häufige Abstürze
  • Diskrepanz zwischen Quali
  • und Rennzeiten der KI
  • ...das aber nur rudimentär bleibt
  • keine speicherbaren Replays / Komplettwiederholungen
  • ...aber leider etwas inkonsequente Umsetzung
  • Aussetzer beim Automatikgetriebe

Wertung

PC

Anspruchsvolle Fahrphysik, knackige Motorenklänge und die adaptive KI sorgen für eine packende DTM-Rennerfahrung, die durch das Fehlen von Boxenstopps und Mehrspieler-Modi beeinträchtigt wird.