Broken Age - Test, Adventure, PlayStation4, PC, iPad, PS_Vita, iPhone, Switch, Android

Broken Age
21.01.2014, Michael Krosta

Test: Broken Age

Die Rückkehr der Adventure-Ritter

400.000 Dollar wollten Tim Schafer und sein Team von Double Fine für ihre Kickstarter-Kampagne haben, um ein klassisches Adventure alter Schule zu erschaffen. Doch die Fans spendierten dem Macher von Kult-Abenteuern wie Day of the Tentacle sogar über drei Millionen Dollar und etablierten damit die Schwarmfinanzierung im Spielebereich. Aber reichen Geld und guter Wille alleine aus, um mit Broken Age (ab 5,25€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) einen Adventure-Hit zu produzieren?

Fast zwanzig Jahre ist es her, seitdem sich Tim Schafer zuletzt in einem Point'n'Click-Adventure kreativ austoben konnte. Und was hat uns dieser Mann mit seinem herrlichen Sinn für Humor und großartigen Rätseln zum Lachen, Grübeln und Klicken gebracht: Nach seiner Mitarbeit an LucasArts-Klassikern wie The Secret of Monkey Island drücke er dem Genre vor allem mit dem abgedrehten Day of the Tentacle (DOTT) als Nachfolger zu Maniac Mansion (=> zum Rückblick) sowie dem schwarzhumorigen Grim Fandango seinen Stempel auf. Doch auch der thematisch deutlich erwachsenere Biker-Thriller Full Throttle stammt aus seiner Feder.

Die gute alte Zeit

Nach diversen Ausflügen in Action-Adventure-Gefilde und eher fragwürdigen Experimenten im Bereich der Echtzeit-Strategie – allen voran Psychonauts und Brütal Legend – kehrt man mit Broken Age wie versprochen zu den Wurzeln zurück. Da sind sie wieder, die unterhaltsamen Dialoge im Multiple-Choice-Verfahren, die handgezeichneten 2D-Kulissen mit teilweise wunderschön designten Schauplätzen. Hinzu kommen die liebenswerten Figuren, die stilistisch etwas an die Augsburger Puppenkiste erinnern und die mit ihren simplen Animationen den Eindruck eines Kinderspiels noch weiter unterstreichen. Auch nach zwei Durchläufen werde ich immer noch nicht so recht warm mit dem Stil, der zwar durchaus modern und außergewöhnlich wirkt, aber meinen Nerv einfach nicht trifft. Die Cartoon-Figuren aus DOTT fand ich großartig, den eher realistischen Stil aus Full Throttle passend. Aber hier wollen die Charaktere mit ihren dünnen Streichholz-Beinchen, den hölzernen Bewegungen und der zu sehr auf niedlich getrimmten Mimik nicht zu dem passen, was mir erhofft hatte, als das Projekt auf Kickstarter vorgestellt wurde und der angepeilte Grafikstil selbstverständlich noch kein Thema war. Was fehlt sonst noch an Zutaten für ein klassisches Adventure? Natürlich: Die Rätseleinlagen, die man mit der altehrwürdigen Point'n'Click-Maussteuerung löst.

Shay wird etwas zu sehr von der umsorgten Raumschiff-KI "verwöhnt".
Und Letztere wird ihrem Namen hier etwas zu sehr gerecht: Man kann den Cursor tatsächlich nur bewegen und auf vorbestimmte Objekte klicken – sei es, um sie zu untersuchen oder automatisch ins Inventar aufzunehmen. Eine Liste an Verben gibt es genauso wenig wie Optionen, um verschiedene Funktionen des Cursors durchzuschalten. Entsprechend begrenzt sind die Möglichkeiten dieser extrem einfachen Steuerungsmethode. Auch das Inventar-Management sowie Interaktionen funktionieren nach dem Drag-and-Drop-System denkbar einfach: Wählt man einen Gegenstand aus dem Inventar aus und hält die Taste gedrückt, kann man ihn bewegen und entweder mit anderen Objekten des Inventars, der Umgebung oder Figuren kombinieren.

Keine harten Kopfnüsse

Das alles geht herrlich einfach von der Hand, doch vermisst man im Gegenzug Komplexität beim Rätseldesign – und das aus mehreren Gründen: Neben den eingeschränkten Möglichkeiten hinsichtlich der Steuerung ist das Inventar nur selten mit mehr als fünf Gegenständen gefüllt. Zudem sind sämtliche Areale recht klein und damit übersichtlich ausgefallen – kein Vergleich zu den Rätseln, die sich bei Monkey Island 2 über drei große Inseln erstreckt und die grauen Zellen auf Trab gehalten haben. Und sollte es immer noch nicht „Klick“ machen, liefern die Dialoge mit anderen Figuren fast schon penetrant die gesuchten Lösungshinweise. Hier hätte ich von Schafer und seinem Team aufgrund der Historie mehr erwartet. Wo sind die abgedrehten Rätsel, bei denen man auch mal ein bisschen nachdenken und kreativ sein muss? Sie bilden hier leider die absolute Ausnahme und man wird das Gefühl nicht los, in einem Kinderspiel gelandet zu sein, das sich an Zehn- bis Zwölfjährige richtet. Hat Tim Schafer nach seinen Ausflügen in die Sesamstraße etwa vergessen, dass hauptsächlich beinharte Adventure-Cracks seine Kickstarter-Kampagne unterstützt haben, die mit den alten Lucasfilm- und Sierra-Titeln groß geworden sind und ein ähnlich hohes Niveau beim Rätseldesign erwarten? Leider kann Broken Age diese Erwartungen nicht erfüllen.

Das Artdesign ist stellenweise fantastisch.
Auch der Humor kommt etwas zu kurz, wenn man Schafers ältere Werke als Maßstab heran zieht. Klar, auch hier muss man ab und zu schmunzeln, wenn man z.B. einen Aggro-Baum mit Psycho-Terror zum Kotzen bringt oder mit den Einwohnern des Wolkendorfs quatscht, die für die „Leichtigkeit ihres Daseins“ Buchstaben ihrer Namen opfern. Das alles ist nett und auch die meisten Dialoge sind nicht nur aufgrund der exzellenten Sprecher wie Elijah Wood, Jack Black und Masasa Moyo unterhaltsam. Doch auf Brüller im Stil eines „How much wood could a woodchuck chuck if a woodchuck could chuck wood“ oder abgedrehte Situation wie sie z.B. bei DOTT auf der Tagesordnung standen, wartet man hier vergeblich. Ohne Witz: Das Video, in dem Tim Schafer um die Unterstützung der Kickstarter-Gemeinde bittet oder alternative Zahlungsmethoden vorstellt, hat mehr Humor als der gesamte erste Akt von Broken Age.  

LOL? Nö!

Trotzdem ist die Geschichte mit ihren zwei Erzählsträngen durchaus interessant und unterhaltsam: Auf der einen Seite schlüpfe ich in die Rolle von Shay Volta, einem Teenager, der von einem übervorsorglichen Computer an Bord eines vermeintlich verlassenen Raumschiffes großgezogen wird und sich nach echten Abenteuern sehnt. Als er durch Zufall auf einen blinden Passagier in einem Wolfskostüm trifft, scheint sich sein Wunsch nach mehr Selbstständigkeit und Herausforderungen zu erfüllen.

Zwei Welten, ein Schicksal?

Wer hat Angst vorm bösen Wolf?
Auf der anderen Seite ist die junge Vella Tartine, die sich ihrem Schicksal nicht fügen will, als Snack für das schleimige Monster Mog Chothra zu enden. Was die meisten anderen Mädchen als Ehre und Pflicht empfinden, sich für das Wohl des Dorfes zu opfern, will Vella nicht hinnehmen und beschließt stattdessen, wie ihre Vorfahren zu kämpfen und selbst über ihr (Weiter-)Leben zu bestimmen. Klar: Mit dieser Einstellung haben die beiden Protagonisten eine erste Gemeinsamkeit. Doch abgesehen davon lassen sich in diesem ersten Akt kaum Verbindungen zwischen beiden Erzählsträngen entdecken und es gibt (noch) keine Wechselwirkungen zwischen den Handlungen der beiden Teenager, die sich erst am Ende überhaupt zum ersten Mal begegnen. Das wird in der zweiten Hälfte hoffentlich anders, denn bisher laufen beide Geschichten völlig unabhängig voneinander ab. Tatsächlich kann man z.B. erst die kompletten ShayAbschnitte spielen, bevor man sich Vella widmet.

Alternativ kann man jederzeit zwischen den beiden Figuren hin- und herschalten. Dabei vergeben die Entwickler eine riesige Chance, die Dramaturgie anzukurbeln – Stichwort: Cliffhanger. Hätte man das Abenteuer episodisch mit vorgeschriebenen Figurenwechseln aufgezogen, wäre das Spannungsmoment ohne Zweifel deutlich höher ausgefallen, zumal es auf beiden Seiten genügend Momente für einen dramatischen Schnitt gegeben hätte. Den findet man hier erst am Ende des ersten Akts, das nach knapp vier Stunden Spielzeit dazu noch überraschend schnell erreicht wird.

Fazit

Als ich davon hörte, dass Tim Schafer über die damals mir noch unbekannte Plattform Kickstarter finanzielle Unterstützung für ein klassisches Point'n'Click-Adventure suchte, zögerte ich nicht lange: Zu schön sind immer noch meine Erinnerungen an Day of the Tentacle, Monkey Island & Co, an denen der bärtige Kult-Designer maßgeblich mitwirkte. So etwas musste ich einfach unterstützen! Hätte ich damals schon knapp zwei Jahre in die Zukunft sehen und einen Blick auf das Ergebnis werfen können, wäre ich wahrscheinlich nicht ganz so euphorisch gewesen: Broken Age bietet mit den beiden Erzählsträngen und liebenswerten Charakteren zwar eine interessante Basis. Doch abgesehen vom Grafikstil, mit dem ich mich nicht anfreunden kann, enttäuscht der erste Akt neben der vertanen Chance auf eine bessere Dramaturgie vor allem bei einem zentralen Spielelement: den Rätseln! Diese scheinen mit übertriebenen Lösungshinweisen und mangelnder Komplexität  in erster Linie auf Kinder zugeschnitten zu sein, nicht aber auf Adventure-Cracks der ersten Stunde. Und wo sind der (trockenen) Humor und die völlig abgedrehten Situationen, die Schafers Welten eigentlich immer auszeichnen? So liegen meine Hoffnungen auf der zweiten Hälfte, in der nicht nur das Rätseldesign ordentlich zulegen muss, sondern auch endlich Wechselwirkungen zwischen den Handlungen der beiden Protagonisten zum Tragen kommen sollten. 

Ursprüngliche Wertung für Akt 1: 72%

Fazit: Ein charmanter erster Akt mit interessanten Erzählsträngen, doch aufgrund der mageren Rätselkost und kurzen Spielzeit ruhen die Hoffnungen auf der zweiten Hälfte.

Pro

  • liebenswerte Charaktere
  • außergewöhnliches Design...
  • hervorragende (englische) Sprecher
  • mitunter unterhaltsame Dialoge & Situationen
  • klassische Point'n'Click-Steuerung...
  • interessante Geschichte(n)

Kontra

  • kurzer erster Akt
  • ...aber gewöhnungsbedürftiger Grafikstil
  • sehr einfache Rätsel
  • Humor kommt etwas zu kurz
  • ...die aber nur simple Interaktionen erlaubt

Wertung