Fable Anniversary - Test, Rollenspiel, 360, PC

Fable Anniversary
07.02.2014, Mathias Oertel

Test: Fable Anniversary

Zehn Jahre ist es her, dass Peter Molyneux' Vision eines offenen Rollenspiels mit moralischen Entscheidungen und Auswirkungen auf der Xbox erschien. Zwei Fortsetzungen zu Fable sollten auf der Xbox 360 folgen und komplettierten die Fantasy-Trilogie. Jetzt ist endlich auch der erste Teil auf der 360 erhältlich - natürlich mit runderneuerter Kulisse. Wir verraten euch im Test, ob Fable Anniversary (ab 9,99€ bei kaufen) überzeugen kann.

Ist es tatsächlich schon zehn Jahre her, dass ich mit dem namenlosen Helden durch das von Peter Molyneux ersonnene Fantasy-Reich Albion gewandert bin? Zehn Jahre, dass ich das interessante Grundkonzept zu schätzen wusste, bei dem der Held nicht auf das Dasein als strahlender Gutmensch festgelegt war, sondern auch böse sein durfte? Zehn Jahre, seitdem ich in zahlreichen heldenhaften Aufträgen meinen Spaß hatte?

Das komplette Paket

Der Kalender lügt nicht. Der Blick in den Spiegel auch nicht. Und die Inszenierung ebenso wenig. Sie ist mit ihren mitunter stockenden Animationen und kruden Schnitten nicht mehr zeitgemäß - daran kann auch der neue Grafikmotor Unreal Engine nichts ändern, denn an den wesentlichen Animations-Bibliotheken wurde nicht geschraubt. Während man sich durch die Welt bewegt, fällt dieses Manko weniger ins Gewicht, denn die Stärke war damals schon das intuitive Kampfsystem mit seinen fordernden Auseinandersetzungen.

Inhaltlich bleibt man dem Ursprungsmaterial jedoch durchweg treu und serviert das gleiche Spielerlebnis, mit dem man vor zehn bzw. neun Jahren bei uns in den jeweiligen Tests eine 85-Prozent-Wertung samt Gold-Award einheimsen konnte: Man beginnt als kleiner Junge, der mit ansehen muss, wie sein Dorf von einer Horde brandschatzender Banditen dem Erdboden gleichgemacht wird. Danach erlebt man in der Heldengilde über gut eingestreute Tutorial-Missionen seinen Aufstieg zum Erwachsenen, während man sich mit allen Kampfoptionen (Nahkampf, Fernkampf, Zauber) vertraut macht. Und man zieht mit ihm schließlich durch Albion, um als guter, böser oder neutraler Held das Volk um sich zu scharen.

Grundstein für das Fableversum

Zaubern, Nahkampf, Distanz-Angriffe: Die Bandbreite an Attacken, die der Held durchführen kann, ist ansprechend.
Man nimmt Missionen an, kann durch "Prahlen", quasi selbst ausgesuchte Sekundärziele, weitere Erfahrung sammeln und steigert so nicht nur das Ansehen (oder die Furcht), sondern auch die Werte seiner Figur. Auch wenn alles etwas grober wirkt, werden Fable-Fans, die nur die 360-Episoden kennen, schnell feststellen, dass mit dem ersten Teil viele bekannte Mechaniken eingeführt wurden. Das "Learning-by-Doing" z.B., bei dem Erfahrung entsprechend der verwendeten Angriffsoptionen ausgeschüttet wird. Oder der Fokus auf klassische Action-Rollenspiel-Elemente, die sich leider damals wie heute darin äußern, dass der Fable-Serie das Epische fehlt, wie es z.B. die Elder-Scrolls-Spiele (damals war Morrowind ein großer Konkurrent) oder das seinerzeit ebenfalls in direktem Wettbewerb stehende Star Wars: Knights of the Old Republic boten. Letzteres hatte auch ein Gut-Böse-System, das unter dem Strich aber mehr Auswirkung zeigte, als das ambitionierte, aber aus grobem Stein gehauene Albion-Abenteuer, bei dem man auch auf Dialogbäume verzichten muss. Dennoch: Mit vielen kleinen Optionen, die Umgebung, die NPCs oder auch das Aussehen der Figur zu beeinflussen, die von engelsgleicher Blässe bis hin zu teuflisch roter Haut viele Zwischenstufen visualisierter moralischer Gesinnung zeigte, hat Fable seinerzeit gut zwölf bis 15 Stunden sehr gut unterhalten können – wenn man sich nur auf die Hauptgeschichte konzentrierte. Mit den verlorenen Kapiteln kamen nochmals fünf bis sieben Stunden dazu. Als offener Action-Rollenspiel-Spielplatz mit Moralentscheidungen hat Fable seine zeitlose Klasse unter Beweis gestellt und funktioniert auch heute noch; auch wenn es etwas seines damaligen Reizes verloren hat.

Kulisse und Benutzerführung wurden modernisiert, inhaltlich bietet die "Anniversary"-Edition das Altbewährte (inkl. Lost Chapters).
Ähnlich der Halo-Anniversary-Edition hat Albion eine visuelle Frischzellenkur durchgemacht. Die Texturen wurden neu gestaltet, so dass die Kulisse in einem modernen Licht erstrahlt. Auch die Figuren wurden runderneuert, was u.a. zu ausdruckstärkerer Mimik führt. Zwar erreicht man dabei nicht die Klasse, die mit Fable 2 und 3 erreicht wurde (und an die man sich hinsichtlich des überzogenen Figurendesigns orientiert), doch der Gesamteindruck ist sehr ordentlich, wenngleich Tearing und Pop-Ups stören. Im Gegensatz dazu gibt es aufgewertete Effekte und stimmungsvollere Lichtstimmungen. Auch Menüstrukturen, Ladezeiten und das Speichersystem wurden angepackt und auf einen modernen Stand gebracht. Allerdings ist es schade, dass man nicht optional wie beim Jubiläums-Remake des Bungie-Shooters per Knopfdruck auf die „alte“ Grafik umschalten kann.

Aufgewertet

Dafür jedoch kann man in der begleitenden Smartglass-App, die Lionhead zusammen mit den Lösungsbuchspezialisten von Prima Games mit Inhalten bestückt, an bestimmten Orten Screenshots  mit der damaligen Kulisse zum Vergleich aufrufen. Das ist zwar kein adäquater Ersatz für das fehlende Ad-hoc-Umschalten, aber dennoch eine gelungene Bonus-Funktion der App. Als mobile Karte abseits des Hauptbildschirms, auf der sogar Geheimnisse angezeigt werden können, lässt sich Smartglass natürlich ebenfalls nutzen.

Fazit

Der runderneuerte Jubiläums-Abstecher in die albionische Geschichte ist größtenteils gelungen. Das Anhübschen mit der Unreal-Engine sorgt dafür, dass der Anfang der Fable-Historie in einem zeitgemäßen Licht erstrahlt - auch wenn die Kulisse immer wieder mit Pop-Ups und Tearing zu kämpfen hat. Weniger zeitgemäß ist nach heutigen Maßstäben die Inszenierung, die unverändert übernommen wurde: Die Figuren bewegen sich manchmal plump, Schnitte werden nicht minder ungeschickt gesetzt. Der nur hinsichtlich Speicher- und Kontrolloptionen erweiterte spielerische Kern hingegen, der über zwei weitere Teile verfeinert wurde, überzeugt als Action-Rollenspiel (die Betonung liegt auf Action) weiterhin so wie vor zehn Jahren. Man kommt schnell in einen angenehmen, auch immer wieder fordernden Spielfluss. Und ehe man sich versieht, hat man doch wieder mehr Zeit in Albion verbracht, als man ursprünglich geplant hatte - gerade, weil man mittlerweile weiß, dass Fable nicht das epische Gegenstück zu Titeln wie Morrowind oder Knights of the Old Republic darstellt. Eine ordentliche Umsetzung eines der definierenden Xbox-Titel, der allerdings mehr Feinschliff sehr gut getan hätte.

Pro

  • abwechslungsreiches Action-Rollenspiel
  • moralische Entscheidungen und Auswirkungen...
  • zeitgemäße Kulisse...
  • riesiger Fantasy-Abenteuer-Spielplatz
  • umfangreiche Charakter-Entwicklung
  • zahlreiche Sidequests und Rätsel
  • gute Spielbalance
  • stimmungsvolle Musik
  • ordentliche deutsche Sprachausgabe
  • intensive Kämpfe
  • viel zu entdecken
  • zahlreiche ironische Seitenhiebe auf Pop-Kultur
  • schöner Humor
  • umfangreiche Statistiken
  • gelungene Smartglass-Anbindung

Kontra

  • häufiges Nachladen
  • ... die aber abseits der Geschichte kaum stattfinden
  • ... die allerdings technische Probleme hat (Tearing, Pop-Ups)
  • krude Inszenierung nicht mehr zeitgemäß
  • keine Dialogbäume
  • inkonsequentes "Jede-Handlung-hat-eine-Konsequenz"-Denken
  • nur ein Charakter
  • viele Gimmicks unerheblich für den Spielverlauf
  • fester Story-Weg

Wertung

360

Inhaltlich gelungenes Remake eines Xbox-Klassikers. Die Unreal-Engine sorgt für eine zeitgemäße Kulisse, krankt aber an Mankos wie Tearing und Pop-Ups.