Hero Siege - Test, Arcade-Action, Switch, Android, iPad, PC, iPhone

Hero Siege
06.02.2014, Mathias Oertel

Test: Hero Siege

Monster plätten und Gegenstände einsammeln - auf dieses Prinzip setzen Dungeon-Crawler seit dem guten alten Gauntlet. Auch das auf Steam erhältliche Indie-Projekt Hero Siege baut auf diese einfachen Mechanismen, ergänzt diese aber mit 16-Bit-Kulisse sowie Elementen aus Zweistick-Shootern. Zu viel des Guten?

Könnte auch beinahe ein Legend-of-Zelda-Klon aus SNES-Zeiten sein: Hero Siege.
Das Königreich Tarethiel wurde von Horden aus der Hölle überrannt. Wieso? Keine Ahnung, die Story von Hero Siege (HS) kocht auf extremer Sparflamme, dafür hatte das im Wesentlichen nur aus zwei Personen bestehende Entwicklerteam wohl weder Zeit noch Muße. Wichtig ist nur, dass man in die Haut eines von vier Helden (Wikinger, Nomade, Schütze, Feuermagier) schlüpft. In einem überschaubaren Gebiet, das in alle Richtungen scrollt und etwa vier bis sechs Bildschirme abdeckt, fertigt man Gegnerwellen ab, bevor mit jeder sechsten Welle ein Boss erscheint und einem nach dem Leben trachtet. Hat man auch ihn erledigt, geht es in den nächsten Bereich. Auf dem niedrigsten von drei Schwierigkeitsgraden gibt es 132 Wellen, sprich 22 Abschnitte mit je fünf Standard-Wellen sowie einem Boss. Danach schaltet man die nächste Herausforderungsstufe frei, in der es mehr Wellen zwischen den jeweiligen Endgegnern gibt und die Feinde mehr Treffer verkraften.

Zweistick-Hack&Slay

Im Gegensatz zum üblichen "Zeigen, Klicken & Zerstören" wie in Diablo setzt Hero Siege auf eine Steuerung, wie man sie aus Zweistick-Shootern à la Geometry Wars kennt, weswegen ich auch die Nutzung eines Pads empfehle: Links bewegen, rechts die Angriffsrichtung vorgeben. Allerdings versprüht nicht nur die Kulisse mit ihrem charmanten und effektgeladenen 16-Bit-Design, das an ein düsteres SNES-Hyrule erinnert, Retro-Atmosphäre. Bei den zur Verfügung stehenden Richtungen für die Angriffe orientiert man sich am Dualstick-Klassiker Robotron 2084. Sprich: Man kann seine Schwerter, Äxte, Pfeile oder Zauber nur nach rechts, links, oben oder unten sprechen lassen - diagonale Optionen gibt es nicht. Das ist schade, da es bei der Bewegung sowohl der eigenen Figur als auch bei der der Gegner keine solche Restriktion gibt. Man kann immerhin schräg laufen. So wird zwar das Anforderungsprofil erhöht, doch mit diagonalen Angriffen hätte der Schwierigkeitsgrad nicht gelitten.

Die Befüllung der Abschnitte mit Schätzen und Fallen wird zufällig generiert.
Denn der ist bis etwa zur Hälfte des Spiels nicht ohne. Das grundsätzliche Layout der Abschnitte ändert sich zwar nicht, doch bei jedem Betreten und teilweise sogar beim Start einer neuen Welle gibt es zahlreiche Elemente, die zufällig platziert werden. Fallen in diversen Geschmacksrichtungen (die auch den Feinden Schaden zufügen), Pfeilschussanlagen, Schatztruhen, Flora, Bosse, ausgeschüttete Beute: Nie kann man sicher sein, was einen erwartet und einen unversehens in den Tod reißen kann. Gleiches gilt für die Gegner: Von den insgesamt über 50 Typen sind die meisten auf bestimmte thematisch gegliederte Abschnitte (z.B. Wald, Schneelandschaft, Wüste) abgestimmt. Aber es tauchen wie bei den Hack&Slay-Vorreitern Diablo oder Torchlight auch immer wieder Elite-Versionen auf, die mehr Lebenspunkte und verheerende Angriffe haben, aber auch mehr Erfahrungspunkte und bessere Beute versprechen.

Zufälliges Chaos

Apropos Erfahrung: Mit jeder neuen Charakterstufe kann man zwei Punkte auf vier Eigenschaften sowie einen Punkt auf fünf Angriffsfähigkeiten (teils aktiv, teils passiv) verteilen. Zusätzlich kann man sich für Gold im jederzeit zugänglichen Shop mit kontinuierlich teurer werdenden Tränken eindecken oder für bare Münze seine Grundwerte temporär verbessern – bis man stirbt.

Auch die Gegner sind nicht vor den Fallen sicher.
Dann nämlich werden nicht nur alle erworbenen Statistiken genullt (nur die Verbesserungen über Figurenaufstieg sind permanent), sondern man muss auch wieder mit Welle 1 beginnen. Man braucht allerdings keine Angst haben, dass man wieder von vorne anfangen muss: Man kann jederzeit für jede Figur speichern und an der Stelle wieder einsetzen. Wenn ich eingehend sagte, dass der Schwierigkeitsgrad etwas bis zur Hälfte des Spiels nicht ohne ist, bedeutet das natürlich auch, dass ab diesem Moment das Kräfteverhältnis kippt. Ungefähr mit Level 25 hat man seine Figur so weit aufgerüstet, dass auch Fallen und Bosse der ersten Abschnitte nur mit viel Unvermögen oder Unvorsichtigkeit eine Gefahr darstellen. Das wiederum bedeutet, dass man relativ unproblematisch an die ersten Relikte kommt, die einen mit zahlreichen Boni versehen, darunter z.B. permanente Steigerungen der Fähigkeitswerte, zusätzliche Elementarangriffe usw. Und ab etwa der Mitte ist man mit Grundwerten sowie Relikten so mächtig, dass auch größere Gruppen und fiese Bosse nur noch selten eine Gefahr darstellen.

Ab diesem Moment sinkt die Motivation, die bis hierhin einen guten, mitunter sogar sehr guten Eindruck hinterlassen konnte. Die Kulisse versucht dies zwar mit einem gelungenen Effektfeuerwerk und Dutzenden sich gleichzeitig auf dem Bildschirm tummelnder Feinde wettzumachen, doch mir wäre ein ständiges Gefühl der Gefahr bis zum finalen Boss und darüber hinaus lieber gewesen. Denn auch der Neustart mit dem erhöhten Schwierigkeitsgrad kann dies nicht ganz erfüllen: Die Gegner haben zwar mehr Lebenspunkte, doch sind sie nicht im gleichen Maß "gewachsen" wie der Held. Hier haben die Entwickler nur halbherzig in die Zukunft geschaut.

Negierte Handy-Herkunft

Mitunter kann die Action hektisch und unübersichtlich werden.
Im Gegensatz dazu haben sie sich redlich Mühe gegeben, die Handy-Herkunft des Spiels (Hero Siege wurde bereits letztes Jahr auf iTunes und Google Play veröffentlicht) zu verschleiern. Wo man mobil noch Geld für In-App-Käufe wie XP-Boosts, mehr Gold oder die für seltene Truhen bzw. neue visuelle Ausrüstungsoptionen nötigen Kristalle ausgeben durfte, wird bei der Steam-Version ohne Kompromisse auf das Motto "Erspiele dir alles" gesetzt - zumindest bislang. Denn ob der noch nicht zugängliche Pirat als Spielfigur irgendwann mit einem Update "einfach" freigegeben wird oder man quasi als Mini-Add-On dafür löhnen muss, steht noch nicht fest. Verzichten muss man übrigens auch noch auf einen Koop-Modus. Der ist allerdings schon angedacht sowie als Beta-Variante mit Hinweis auf "Benutzung auf eigene Gefahr" integriert.

Fazit

Nur noch schnell einen Level freiräumen... Hmm, es ist noch Zeit, um den Boss zu besiegen... Jetzt kann ich auch noch einen weiteren Abschnitt in Angriff nehmen... Zwar kann Hero Siege seine mobilen Ursprünge nicht ganz verbergen, doch die Motivationsspirale, die bei Dungeon-Crawlern von Gauntlet bis Torchlight auf Hochtouren dreht, kommt auch hier schnell in Gang. Die Idee, klassisches Hack&Slay mit Dualstick-Kontrolle à la Robotron zu verbinden, geht auf und sorgt für unkomplizierte Action. Allerdings vermisse ich Diagonal-Attacken. Zudem schlägt sich das in der ersten Spielhälfte gelungene und fordernde Balancing selbst ein Schnippchen: Sobald man ein paar mächtige Relikte gesammelt und seine Figur aufgewertet hat, werden die Schlachten mitunter zu leicht. Dank zufälliger Level und mitunter fiesen Fallen kann man sich zwar nie auf die faule Haut legen. Doch Spannungsmomente wie in den ersten Stunden erlebt man gegen Ende der weit über 100 Abschnitte nur selten.

Pro

  • zufällig generierte Abschnitte und Dungeons
  • über 120 Gegenstände
  • über 50 Gegnertypen plus Elite-Versionen
  • vier spielbare Figuren
  • Hardcore-Modus möglich
  • charmante 16-Bit-Kulisse
  • gute Steuerung
  • technisch sauber
  • unterstützt auch GamePads
  • schmale Hardware-Anforderungen

Kontra

  • keine diagonalen Attacken möglich
  • Balancing läuft gegen Ende aus dem Ruder
  • mitunter unübersichtlich
  • kein Koop (befindet sich noch in Betaphase)

Wertung

PC

Die Mischung aus Dungeon-Crawler, Beutejagd und Zweistick-Shooter geht auf, kämpft gegen Schluss aber eher mit Balancing-Problemen.