Horizon - Test, Taktik & Strategie, PC

Horizon
13.02.2014, Eike Cramer

Test: Horizon

Galactic Civilizations, Master of Orion, Sins of A Solar Empire: Die Liste guter Weltraumstrategie ist lang. Mit Horizon macht sich L3O Interactive ebenfalls auf, neue Welten zu erkunden. Kann die 4X-Strategie im Test überzeugen?

Hach ja, das gute alte Master of Orion 2. Das waren noch Zeiten, als ich Ende der neunziger Jahre rundenweise ganze Galaxien erobern, Schlachten schlagen oder einfach nur Farmen in meinen Kolonien errichten konnte. Herrlich, diese Nostalgie! Genau das dachte sich wohl auch L3O Interactive während der Entwicklung des Weltraum-4-X-Strategiespiels Horizon. Das erinnert in vielen Punkten frappierend an das fast 18 Jahre alte Original, das damals Maßstäbe setzte.

Nostalgie zwischen den Sternen?

Allerdings, soviel vorweg, wird die Klasse des Urvaters nie erreicht. Dies zeigt sich schon bei der Erstellung eines neuen Spiels. Hier wähle ich aus zehn Rassen, die als Archetypen bereits ziemlich abgegriffen sind. Es gibt aggressive Fleischfresser, ausgeglichene Menschen, friedfertige Intellektuelle, und Tentakel- und Kristallviecher. Warum macht man nicht mal die äußerlich fiesesten Monstren zu feinsinnigen Diplomaten und die Menschen zum brutalen Aggressor? Aber nicht nur die Auswahl der Rassen ist langweilig:  ihre 3D-Porträts sehen furchtbar billig aus und könnten direkt aus dem Jahr 2000 stammen.

Auf der Strategiekarte ist Horizon ein solides Weltraum-Strategiespiel.
Auch bei der Festlegung der Parameter für die zufallsgenerierte Galaxie ist die Auswahl eingeschränkt. Warum kann ich z.B. keinen Einfluss auf die (ziemlich undurchsichtigen) Siegkriterien nehmen, dafür aber einstellen wie viele Planeten ein Sonnensystem maximal beherbergt? Immerhin kann ich zwischen einem „klassischen“ und „normalen“ Modus wählen. Während „klassisch“ bedeutet, dass alle Rassen die gleichen Startbedingungen haben,  gibt es im normalen Modus rassenspezifische Storyelemente und unterschiedliche Startbedingungen, die mitunter ganz schön unfair sind, da man z.B. als Mensch von Beginn an einem kaum aufholbaren technologischen Rückstand hinterherläuft.

Auch auf der Sternenkarte lässt mich das Gefühl nicht los, dass die Entwickler vielleicht etwas zu sehr von den 90ern beeinflusst worden sind. Weder die Kulisse noch die Menüs entsprechen modernen Standards und wirken durch die Bank hässlich. Zu allem Überfluss leidet dadurch sowohl die Übersicht als auch die Genauigkeit der Bedienung. Zig mal habe ich statt auf ein Menüelement, z.B. für den Bewegungsbefehl einer Flotte innerhalb eines Systems, auf die Karte geklickt. Da es oft an visueller Resonanz auf Befehle mangelt, kann

Das Artdesign ist nicht gut - und die Video-Einspielungen hätte man sich vielleicht einfach sparen sollen.
es schlimmstenfalls vorkommen, dass ich meine Flotte so quer durch die Galaxie schicke und dies erst drei Züge später bemerke.

Die 90er sind zurück!

Die Krönung sind allerdings die kurzen Videos bei Errichtung einer Kolonie oder bei Erstkontakten mit neuen Rassen. Diese erinnern eher an die ersten Gehversuche eines aufstrebenden 3D-Künstlers (lies: des Praktikanten), als an Zwischensequenzen aus dem Jahr 2014. Das Artdesign von Schiffen und Planeten ist eigentlich schon in 2D schlimm genug. Von monumentalen Entwürfen à la Sternenzerstörer ist man hier Lichtjahre entfernt. Selbst der stärkste Schlachtkreuzer ist irgendwie knubbelig und hässlich.  Daran ändert auch der rudimentäre Schiffsbaukasten nichts, der in seiner Komplexität weit hinter Titeln wie StarDrive zurückbleibt.

Der rudimentäre Schiffseditor bietet wenig Optionen. Zudem stehen nur 4 Schiffe pro Klasse zur Verfügung.
Schön ist hingegen, dass trotz der mitunter fummeligen Bedienung und recht verschachtelten Menüstruktur auf der Sternenkarte alles funktioniert wie es sich gehört. Nach anfänglichen Fehlversuchen komme ich dahinter, wie ich effiziente Kolonien errichte, schließe Verträge mit meinen Nachbarn und baue Sternenbasen. Die Diplomatie lässt dabei relativ viel zu: Ich kann z.B. Verbündete um Finanzunterstützung bitten, Freihandelsabkommen unterzeichnen oder Embargos gegen andere Rassen verhängen lassen. Teilweise ist allerdings unklar, welche Auswirkungen diese Verträge auf meine Wirtschaft haben. So kann ich z.B. nur vermuten, dass sich das Reisefreiheits-Abkommen positiv auf den Tourismus in meinem Reich auswirkt.

Diplomatie top, Forschung flop

Auch die Forschung funktioniert problemlos, basiert aber auf einem wenig motivierenden System, denn meine Forscher entdecken neue Technologien nur zufällig und nicht entlang eines festgelegten Baumes. So kann ich z.B. meine grundlegende Panzerung und Laserkanonen weiterentwickeln und optimieren bis ich schwarz werde: bessere Materialien oder Waffensysteme werden zufällig entdeckt und passen meist überhaupt nicht zum eingeschlagenen Forschungsfokus. Das führt zu bisweilen absurden Kräfteverhältnissen in den Raumschlachten. Ein Beispiel: Ich treffe mit meiner überlegenen Flotte auf zwei, drei kleinere Schiffe des Feindes. Dank der Energieschilde seiner Schiffe, die ich partout nicht erforschen kann, schafft er es dennoch mehrere meiner Einheiten zu zerstören. Aber hey, immerhin habe ich völlig nutzlose Elektroschocker für meine Bodentruppen! Nimm das, Alienabschaum! Von Balance kann hier wirklich keine Rede sein. Sicher: der Tausch von Technologien zwischen Völkern ist möglich. Dennoch ist es frustrierend, keinen Einfluss auf die Richtung der Forschung nehmen zu können.

Die rundebasierten Weltraumschlachten sind eine Katastrophe und lassen sich nicht vermeiden.
Das Schlimmste an Horizon sind allerdings die Kämpfe, die genau wie die Aktionen auf der strategischen Karte rundenbasiert ablaufen. Prinzipiell ist der Ansatz gut: Jedes Schiff hat verschiedene Panzerungsbereiche und Schildsektoren, die anvisiert werden können. Über das Menü können die Ziele zudem gescannt oder sogar mit Angriffsshuttles geentert werden. Allerdings ist die Umsetzung eine Katastrophe. Auf furchtbar friemelig zu bedienenden und extrem hässlichen 2D-Schlachtfeldern ziehe ich mit meinen maximal fingernagelgroßen Schiffen von A nach B und versuche im stetigen Kampf mit der Maus irgendwie die Feinde einzukreisen. Dabei springt die Kamera wie wild hin und her, sodass man nach Sekunden völlig den Überblick verloren hat. Zu allem Überfluss kann ich jedem meiner Schiffe nur einzeln Befehle erteilen. Gruppenbildung oder gar – Bewegung sind nicht vorgesehen. Schlachten mit mehr als 4 Schiffen werden so zur ultimativen Geduldsprobe.

Friemelkampf im Weltraum

Nutze ich dann völlig entnervt die immerhin vorhandene Automatikfunktion, muss ich regelmäßig mit ansehen, wie die KI meine Flotte in einen Mahlstrom der Vernichtung führt, da sie oft falsch und wenig taktisch agiert. Eine automatische Berechnung im Hintergrund gibt es übrigens nicht, ich muss mir bei jedem noch so kleinen Gefecht die unglaublich unspektakulären Schlachten ansehen. Ein Gutes hat dies aber: Da der militärische Teil des Spiels soviel Spaß macht wie eine Wurzelbehandlung, tendiere ich dazu die Galaxie wirtschaftlich und politisch zu dominieren. Gewinnen kann man so übrigens durchaus, wenn auch eher ungewollt. Völlig unerwartet wurde ich nach rund 250 Runden aufgefordert meine Stimme in der Wahl des neuen galaktischen Oberhauptes abzugeben. Nachdem einer meiner Verbündeten gewählt worden war, war das Spiel vorbei. Einfach so.

Fazit

Das Kampfsystem von Horizon ist eine Katastrophe! Die fummeligen, unübersichtlichen und hässlichen Gefechte machen die Eroberung der Galaxis zu einem Geduldsspiel, dessen Faden ziemlich schnell reißt. Das ist ärgerlich, denn obwohl Bedienung und Kulisse auch auf der Strategiekarte nicht überzeugen und das Forschungssystem wenig motiviert, funktioniert der 4X-Ansatz. Über Expansion, Wirtschaft, Diplomatie und militärische Stärke kann man seine Zivilisation an die Spitze der Galaxie führen. Nur um sich immer wieder in einem der nicht umgehbaren Friemelgefechte wiederzufinden. Immerhin hat der unerwartete, weil nicht erläuterte, Diplomatiesieg diesen Krampf schnell beendet.

Pro

  • auf der Strategiekarte ordentliche 4X-Strategie
  • solides Diplomatiesystem
  • kaum Bugs
  • knackige KI-Kontrahenten

Kontra

  • altbackene Kulisse, gruselige Videos
  • veraltete, unübersichtliche Menüs
  • ungenaue Bedienung
  • völlig verkorkstes Kampfsystem
  • keine automatische Hintergrundberechnung der Kämpfe
  • demotivierendes Forschungssystem
  • langweiliges Artdesign
  • undurchschaubare Siegbedingungen

Wertung

PC

Halbwegs funktionierende, aber völlig veraltete 4X-Weltraumstrategie mit furchtbaren Rundenkämpfen.