Diablo 3: Reaper of Souls - Test, Rollenspiel, 360, PlayStation3, XboxOne, Switch, PC, PlayStation4
Malthael, ein gestürzter Erzengel, ist in der Fantasy-Welt von Sanktuario kein Unbekannter: Im letzten Akt von Diablo 3 spricht Tyrael von seinem Freund, der auf der Suche nach dem Seelenstein verschwunden ist. Ursprünglich als Engel der Weisheit bekannt, hat er sich bei der Abstimmung der himmlischen Heere, ob die Menschheit vernichtet werden soll, der Stimme enthalten. Doch das ist lange her. Mittlerweile kennt er nur noch ein Ziel: Zerstörung und Tod. Und nachdem Diablo es (wieder einmal) nicht geschafft hat, durch das Ende der Menschheit einen Neuanfang für Dämonen und Engel zu schaffen, liegt es nun an Malthael.
Das Ende ist nah
Und natürlich fällt dem Spieler die Aufgabe zu, ihn aufzuhalten. Wie so häufig ist die erzählerische Basis gut, wird aber abseits der sehr guten Zwischensequenzen belanglos transportiert. Man kann zwar während des gesamten fünften Aktes, der bei vielen in etwa zwölf bis 15 Stunden (auf "Schwer" oder "Experte") in Anspruch nehmen dürfte, mit vielen Figuren in der Zuflucht der Menschen sprechen. Doch da die Präsentation dieser Gespräche so dürftig wie im Hauptspiel ist, werden die dahinter stehenden Geschichten und Geschichtchen in Reaper of Souls (RoS) unnötig entwertet.
Mit der Erweiterung halten neue Gegner, neue Bosse und neue Umgebungen in Sanktuario Einzug. Auffällig dabei: Der Grundton ist deutlich düsterer als im Hauptspiel. Mit dem Ex-Weisheits- und nun Todes-Engel als unaufhaltbar scheinenden Antagonisten baut Blizzard eine unheilvolle Atmosphäre auf, die sich auch in deutlich dreckigeren, häufig vom Krieg vernarbten und mit Leichenbergen vollgestopften Umgebungen äußert.
Neu, neu, neu
Hier werden in den Abschnitten des fünften Aktes jedoch alle Teile aus dem Zufallsbaukasten entnommen. Und damit nicht nur die Bestückung des Areals mit Monstern, Schatztruhen, Ereignissen oder zerstörbaren Objekten, sondern vor allem der Abschnitt an sich. Dadurch behalten die Gebiete eine gewisse Frische und ein Überraschungsmoment. Und wie wichtig dies ist, merkt man spätestens dann, wenn man mit einem seiner "alten" Charaktere wieder in die Levels der Akte 1 bis 4 zurück kehrt und man allerorten bekannte Gefilde sieht oder durch Katakomben streift, deren Layout man beinahe auswendig kann. Apropos Charaktere: Mit dem Kreuzritter spendiert man eine neue Klasse. Als Nahkämpfer ist er unter dem Strich zwar nicht ganz so potent wie der Barbar. Doch dies wird durch seine potente, häufig auf Gegnergruppen ausgerichtete Himmelsmagie wieder wettgemacht. Die nahezu unheimliche Fähigkeit Blizzards, ein ausgewogenes Spielerlebnis ungeachtet der Figurenauswahl aufzurufen, ist auch hier deutlich zu spüren.
In manch anderer Hinsicht präsentiert sich Reaper of Souls aber genauso wie Diablo 3 - und damit nicht immer zu meiner Freude. Natürlich ist mir klar, dass man nur für ein Add-On keine spielmechanischen Umwälzungen erwarten kann. Doch das bedeutet, dass die weitgehend vorgegebene Charakter-Entwicklung weiterhin Bestand hat, bei der mit einer neuen Stufe automatisch festgelegt wird, wie die Figurenwerte aufsteigen und welche Fähigkeiten bzw. Runen-Modifikationen in welcher Reihenfolge dem Spieler zur Verfügung stehen. Im Rahmen der Ausgewogenheit mag dies gut sein und die Entwicklungsarbeit erleichtern. Um jedoch dem "Rollenspiel" im Action-Rollenspiel gerecht zu werden, ist dies nach wie vor zu wenig.
Alt, alt, alt
Auch das Kampfsystem präsentiert sich so wie eh und je: Klick-und-weg. Nach den positiven Erfahrungen mit der direkten Steuerung der Konsolenversionen sowie der dort zur Verfügung stehenden Ausweichrolle, hatte ich gehofft, dass man hier ähnliche Modifikationen einbaut. Doch die Figur wird immer noch über einen Klick auf den Boden (bzw. Maustaste gedrückt halten) gelenkt und wer ausweichen will, macht dies wie bislang, indem man auf eine andere Stelle klickt oder den Mauszeiger bewegt – dass die normale Bewegung natürlich bei weitem nicht so elegant wirkt wie ein Sprung samt Abrollen in letzter Sekunde, liegt in der Natur der Dinge. Daher liegen die bisher erschienenen Konsolen-Versionen in dieser Hinsicht für mich immer noch vorne – auch wenn sie sich das leidliche Problem der mitunter unsauberen Kollisionsabfrage bei gegnerischen Angriffen teilen.Allerdings baue ich darauf, dass die "Ultimate Evil Edition" für die PlayStation 4 es schaffen wird, sich an die Spitze zu setzen. Als Konsolenspiel funktioniert Diablo 3 für mich einfach besser.
Allgemeiner Fortschritt
Mit "Beute 2.0" schließlich kommt ein System auf den PC, dessen Ursprünge bereits in den Konsolenversionen enthalten waren. Dahinter verbergen sich optimierte Zufallsroutinen, die dafür sorgen sollen, dass insgesamt weniger, dafür aber häufiger sinnvolle Beute für die eigene Klasse ausgeschüttet wird. Und das Ergebnis wirkt sich positiv auf den Spielverlauf aus. Nicht nur, dass notorische Sammler nicht alle Nase lang zurück in die Stadt teleportieren müssen, um ihren Krempel abzustoßen oder in seine Einzelteile zu zerlegen. Man hat endlich das Gefühl, dass sich das Spiel um einen herum entwickelt.
Das endlose Abenteuer
Da hier ebenfalls viele Zufallsalgorithmen greifen, wird hier mit eigentlich serientypischen Mitteln auch langfristig viel geboten, so dass man sich fragt, wieso dieser Modus so lange hat auf sich warten lassen. Die Aufgaben dauern im Normalfall zwischen fünf und 20 Minuten, die Beute kann sich sehen lassen und mit der hier gewonnenen Erfahrung "levelt" man die Figuren beinahe im Vorbeigehen.
Fazit
Ich hätte mir gewünscht, dass die Ausweichrolle der Konsolenversion spätestens mit Reaper of Souls auch ihren Weg auf den PC findet. Und die weitgehend vorgegebene Charakterentwicklung stört im Add-On ebenso wie im Hauptprogramm. Auch andere Störfaktoren wie die letztlich oberflächliche Kampfmechanik sind immer noch ein Dorn im Auge. Doch inhaltlich hat Blizzard mit der Erweiterung ganze Arbeit geleistet: Der neue fünfte Akt ist mit etwa zwölf bis 15 Stunden Spielzeit erstaunlich umfangreich. Die Rückbesinnung auf eine düstere Grundstimmung und komplett zufallsgenerierte Abschnitte erinnern dabei positiv an Diablo 2. Die neuen Umgebungen, Gegner, Bosse und auch die neue Charakterklasse des Kreuzritters wurden gut in die Welt von Sanktuario eingepasst. Die zahlreichen Veränderungen hinsichtlich Beutesystem ("Loot 2.0") oder im Bereich der Gegenstands-Herstellung bzw. -Modifikation sind ebenso sinnvoll umgesetzt wie die neuen Schwierigkeitsgrade. Und als Bonus darf man sich nach dem Abschluss der Geschichte in dem Endlos-Abenteuer-Modus versuchen - ein nahezu perfekter Ort, um seine Figuren in kleinen sympathischen Spielsitzungen aufzuwerten oder Jagd auf neue Beute zu machen. Ganz hat Blizzard die alte Klasse noch nicht erreicht, doch Reaper of Souls ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Pro
- etwa zehn bis 15 Stunden Kernspielzeit
- ein neuer Akt mit frischen Umgebungen, Gegnern und Bossen
- düstere Grundstimmung und überarbeitete Zufallsprinzipien erinnern an Diablo 2
- Kreuzritter als neue Klasse
- endloser Abenteuer-Modus
- Auktionshaus ist weggefallen
- Schwierigkeitsgrade wurden übersichtlicher gestaltet
- Herstellung und Modifikation von Gegenständen vereinfacht
- übersichtliche Karten geben ein Gefühl für die Größe der Spielwelt
- überarbeitete Beuteausschüttung mit sinnvollen Ergebnissen
Kontra
- Geschichte wird abseits der Zwischensequenzen schwach erzählt
- oberflächliche Kampfmechanik
- bei gegnerischen Angriffen gelegentlich unsaubere Kollisionsabfrage
- Charakterentwicklung weitgehend vorgegeben
- keine Option zur "direkten Steuerung"
- aktive Ausweichrolle der Konsolenversion fehlt