Myth 3: The Wolf Age - Test, Taktik & Strategie, PC

Myth 3: The Wolf Age
09.11.2001, Jörg Luibl

Test: Myth 3: The Wolf Age

Echtzeit-Taktiker mit Faible für keltisch angehauchte Fantasy sollen mit Myth III: Die Zeit des Wolfs auf ihre Kosten kommen. Nachdem Bungie für die ersten Teile verantwortlich zeichnete und sich jetzt auf Halo konzentriert, hat Mumbo Jumbo die Entwicklung des dritten Teils übernommen. Mit einer stark überarbeiteten Myth II-Engine und neuen Einheiten könnt Ihr die Schlachten von Connacht dem Barbaren miterleben. In welche Spielspaßregionen die Inszenierung der Schlachtfeld-Taktik gelangt, erfahrt Ihr in unserem Test!

Die Myth-Reihe konnte von Beginn an mit ihrer düsteren, keltisch angehauchten Story einen besonderen Reiz entfalten und dank der authentischen Fantasy-Welt für Dramatik und Mittendrin-Gefühl sorgen. Freunde von epischen Geschichten finden im augenfeindlichen (weißer Text auf schwarzem Grund, winziger Schrifttyp), aber inhaltlich vorbildlichen (Index, ausführliche Kreaturen-Beschreibung) Handbuch einen Überblick über die gesamte Story aller Teile.

Reise in die Vergangenheit

Myth III entführt Euch als Prequel in das turbulente Zeitalter des Wolfs, lange vor den Ereignissen des ersten Teils. Der finstere Totenbeschwörer Moagim plagt das Land mit unzählbaren Horden von Menschen fressenden Albtraumwesen - Myrkridia genannt. Eine Siedlung nach der anderen fällt den blutgierigen Bestien zum Opfer. Doch als ein Komet mit seinem feurigem Schweif am Horizont erscheint, kann Connacht der Barbar kurze Zeit später einen ersten überraschenden Sieg feiern. Hoffnung keimt auf und immer mehr Krieger versammeln sich unter dem Banner des tapferen Barbaren...

Glückwunsch Mumbo Jumbo: Der Schritt in die dritte Dimension wurde trotz einiger Schwächen mit Bravour bewältigt. Anstatt der wandernden Figuren-Sprites der Vorgängerteile dürft Ihr Euch auf hervorragend texturierte Kriegerpolygone inklusive Echtzeit-Schatten freuen, die in Sachen Rüstungs- und Kleidungsdetails zur Zeit das Nonplusultra im Strategiebereich darstellen. Sowohl Battle Realms als auch Empire Earth werden hier in Verlegenheit gebracht. Aber auch die Landschaft kann sich sehen lassen und entführt Euch in Wälder, Schneegebiete und Wüsten - dabei wiegen sich Bäume im Wind und selbst das Gras lässt sich, entsprechende Rechenpower vorausgesetzt, animieren. Besonders stimmungsvoll sind die verzweigten Dungeons, in denen die dynamischen Lichteffekte und die ansehnlichen Detonationen sehr gut zur Geltung kommen: Fackellicht lässt die Schatten tanzen und Molotow-Cocktails sorgen für Bodenwellen und zerstörtes Interieur.

Kriegs-Epos in Prachtoptik

Nun zu den Schwächen: Einheiten wandern ohne Wellenbewegungen durchs Wasser, die Explosionen der Pest-Wichte kamen in den ersten Teilen wesentlich besser rüber und die Lebenspunkte-Balken sind in turbulenten Gefechten schwer zu deuten. Außerdem ist das Story-Telling optisch inkonsequent: Die Palette reicht von In-Game-Filmen über schwarz-weiße bis hin zu farblichen Artworks, die die Stimme des Erzählers begleiten. Es könnte ein gelungener Mix sein, aber die Qualität der Zeichnungen und Filme ist teilweise einfach schlecht.

Egal ob es regnet, stürmt oder schneit: Ihr übernehmt in den 25 Einzelspieler-Missionen die Kontrolle über eine bestimmte Anzahl von Einheiten. Manchmal geht es mit vier Helden ins Dungeon, manchmal müsst ihr in kleinen Verbänden mit bis zu mehreren Dutzend Kriegern kämpfen. Das Missionsdesign wirkt teilweise jedoch unmotiviert und einfallslos. Obwohl ihr durchaus vielfältige Aufgaben erledigen müsst (Hügel verteidigen, Artefekat finden, Anführer töten), läuft man zeitweise planlos die ganze Landschaft auf der Suche nach dem Ziel ab. Und leider bekommt Ihr zu Beginn einer Schlacht immer ein neues Kontingent an Kriegern und könnt Euch nicht aus einem Pool an erfahrenen und neuen Kriegern die passenden Begleiter aussuchen - schade, denn so geht die integrierte Erfahrungspunkte-Funktion (siegreiche Einheiten werden stärker) spielerisch unter und eine Identifikation mit den Recken bleibt aus. Freunde der ersten Teile dürfen sich auf alte Bekannte (Zwergen-Molis, Barbaren, Schwertkämpfer) und viele neue gute und böse Einheitentypen freuen: Insgesamt erwarten Euch 39 verschiedene, darunter Zwergen-Axtkämpfer und Spinnen-Kultisten. In dieser Vielfalt liegt eindeutig die Stärke von Myth III, denn Fans der Reihe erwarten viele ungeahnte Überraschungen...

Feldherr bei Wind und Wetter

Wenn die eisenbewährten Trow-Riesen mit ihren Streithämmern auf Euch zustampfen, sorgen Bodenerschütterungen und herrliche Sound-Effekte für ein Mittendrin-Gefühl, die jede Schlacht zum Erlebnis macht. Sowohl die epische Hintergrundmusik als auch die Schlacht- und Umgebungsgeräusche sorgen für die nötige Stimmung. Mit der passenden Formationswahl (satte zehn stehen zur Auswahl) und der klugen Postierung kann man selbst diese Giganten zu Fall bringen. Und wenn Zwergenkrieger ihr furchtloses "Buuuurn!" zischen, bevor der Molotow-Cocktail für Flächenschaden sorgt, oder der Flammenwerfer die Grillsaison eröffnet, kommt Freude auf. Doch bis dahin muss man sich erst mit der Steuerung angefreundet haben, die zahlreiche Tücken hat und zu oberflächlich im kurzen Tutorial erklärt wird.

Schlachtlust auf der einen...

Das Schlimmste was einem Echtzeit-Taktiker passieren kann, ist der Verlust der Übersichtlichkeit und genau das dürfte jeden Einsteiger bei Myth III frustrieren: Wände und Bäume werden nicht transparent, so dass Einheiten verschwinden; die Dreh- und Zoomfunktion der Kamera ist butterweich, aber sehr gewöhnungsbedürftig; die Lebenspunkte-Balken sind in turbulenten Gefechten farblich schwer auseinander zu halten; die Einheiten orientieren sich nicht automatisch zum Gegner; die Gruppenzuordnung und Auswahl benötigt umständliche Klicks und trotz der Tatsache, dass es drei Schnelligkeitsstufen gibt, hätte eine Rennen-Funktion für mehr Dynamik im Feld gesorgt - zu pomadig ziehen manche Einheiten durchs Gelände. Dennoch: Geduld vorausgesetzt, kann man selbst diese Tücken überwinden, die so mancher Myth-Kenner vielleicht gar nicht als solche empfinden wird.

...Steuerungsfrust und...

Obwohl die Steuerung mit der Zeit zu bewältigen ist, sind die Schlachten manchmal zu chaotisch; nur Myth-Veteranen werden sich heimisch fühlen. Hier sollte sich Mumbo Jumbo Spiele wie Age of Empires oder S.W.I.N.E. zum Vorbild nehmen, deren Steuerungen vorbildlich sind. Eine Pause-Funktion à la Baldur`s Gate wäre z.B. ideal gewesen, um die Einheiten zu koordinieren. Denn im Eifer des Gefechts verliert man häufig die Kontrolle und wenn eigene Bogenschützen oder gar Zwergen-Molotow-Werfer aus Versehen die eigenen Reihen ins Visier nehmen, kann das zwar realistisch sein, aber spielerisch ist es frustrierend. Auch die schönen Spezialfähigkeiten der Einheiten (Heilen, Flammenwerfer, Flammenpfeil, Artefaktgebrauch etc.) sind im hektischen Kampfgetümmel nahezu wertlos. Und wenn man die vielen kleinen Gameplay-Unstimmigkeiten hinzu nimmt (Trow-Riesen lassen sich von einem Schwertkrieger besiegen, weil er nicht entdeckt wird; Einheiten greifen Gegner nicht an und bewegen sich gemütlich weiter), muss man Mumbo Jumbo unterm Strich eine mangelhafte Qualitätskontrolle unterstellen.

...Gameplay-Frust auf der anderen Seite

Online-Spieler dürfen sich auf 14 verschiedene Spieltypen freuen. Witzig-innovative Games wie "Balls on Parade", wo Ihr einen Ball erobern müsst, oder "Stampede", wo es darum geht, Tiere in die gegnerische Endzone zu treiben, sorgen für Abwechslung abseits von King of the Hill & Co. Und weil man online auch auf die zahlreichen bösen Einheitentypen zurückgreifen kann, sind Gefechte mit Freunden außerordentlich interessant. Und auch der Koop-Modus, in dem Ihr die Kampagne gemeinsam angehen könnt, ist erwähnenswert.

Multiplayervielfalt

Pro:

  • viele neue Einheiten


  • packende Fantasy-Story


  • überzeugende 3D-Grafik


  • sehr detaillierte Einheiten


  • Level- und Einheiteneditor


  • innovative Multiplayer-Features


  • abwechslungsreiches Leveldesign


  • tolle Explosions- und Wettereffekte


  • neue Spezialfähigkeiten und Artfekate


  • herrliche Hintergrundmusik und Sound-FX


  • Kontra:

  • umständliche Steuerung


  • oberflächliches Tutorial


  • augenfeindliches Handbuch


  • inkonsequentes Story-Telling


  • unmotiviertes Missionsdesign


  • viele Gameplay-Unstimmigkeiten


  • Einheitenerfahrung nicht optimal eingesetzt


  • englische Sprachausgabe mit deutschen Untertiteln


  • Vergleichbar mit:

    Myth-Reihe; S.W.I.N.E.; Battle Realms

    Fazit

    Als alter Myth-Fan fällt es mir sehr schwer, dieses atmosphärisch dichte und grafisch beeindruckende Spiel dermaßen kritisieren zu müssen. Aber wenn Optik und Sound auf Kosten von Missions- und Spieldesign brillieren, haben die Entwickler zu einseitige Prioritäten gesetzt. Mumbo Jumbo glänzt mit der Präsentation und schlampt spielerisch - zwar nicht komplett, aber bei wichtigen Spielspaßfaktoren: Mal abgesehen von den Gameplay-Bugs, die in den USA für einen Aufschrei unter Fans sorgten, hätte die Steuerung direkter und anfängerfreundlicher sein können, die Übersicht hätte garantiert und die Einzelmissionen motivierender verknüpft werden müssen. Und dass ich nach einem Kampf nicht auf erfahrene Einheiten zurückgreifen kann, sorgt für Materialschlachten ohne Identifikationsfaktor. Trotzdem: Myth III ist zwar ein gewöhnungsbedürftiges, aber gutes Echtzeit-Taktikspiel, das vor allem Fans der Reihe in seinen Bann ziehen wird.

    Auf Anfrage bei Publisher Take 2 wurde uns mitgeteilt, dass nächste Woche ein Patch erscheint. Sollte dieser wesentliche Mängel beseitigen, werden wir eine neue Wertung vornehmen.

    Wertung

    PC