Etrian Odyssey Untold: The Millennium Girl - Test, Rollenspiel, 3DS

Etrian Odyssey Untold: The Millennium Girl
06.05.2014, Jörg Luibl

Test: Etrian Odyssey Untold: The Millennium Girl

Edles Remake des ersten Abenteuers

Letztes Jahr in USA und Japan erschienen, ab 7. Mai digital oder in der Box auch in Europa erhältlich: Etrian Odyssey Untold: Millenium Girl. Das rundenbasierte Rollenspiel  feierte seine Premiere bereits 2007 auf dem Nintendo DS. Atlus hat dieses erste Abenteuer der Reihe inhaltlich und grafisch für Nintendo 3DS aufgepeppt. Ob sich das Remake lohnt, klärt der Test.

Hey, das sieht ja klasse aus, wenn der junge Highlander bei Sonnenuntergang mit seinem Speer trainiert! Und was sind das für charmante Charaktere, lebendige Dialoge und fein choreografierte Kampfszenen? Etrian Odyssey erinnert in diesen Zwischensequenzen an erstklassige Fantasy-Animes. Ist auch kein Wunder, denn das renommierte japanische Studio Madhouse (u.a. Ninja Scroll, Metropolis, Tokyo Godfather) zeichnet für die sehenswerten Filmschnipsel verantwortlich.

Es kann nur einen geben!

Im Story-Modus ist man mit fünf vorgegebenen Charakteren unterwegs - hier Simon, der Heiler. Aufgrund der magischen Artefakte kann er in der ersten Reihe wie ein Landsknecht zuschlagen.
Die bekommt ihr im neuen Story-Modus zu sehen, wo man erstmals mit fest vorgegebener Party unterwegs ist. Zwar könnt ihr eurem Highlander noch einen Namen geben und die Fähigkeiten eurer Begleiter natürlich manuell entwickeln. Aber das war es auch schon mit der Individualisierung, denn Protector Raquna, Heiler Simon, Alchemist Arthur und Gunner Frederica sind als feste Charaktere mit eigener Biographie dabei – so wird das Abenteuer erzählerisch mit kleinen Anekdoten, Sticheleien und dramatischen Ereignissen aufgewertet. Angeblich hat man „3000 Zeilen Dialoge“ verarbeitet.

Das wird auch für etwas aktiveres Rollenspiel genutzt: Ab und zu schalten sich die Begleiter ein, wenn es brenzlige oder skurrile Situationen gibt – dann habt ihr die Wahl, welche von meist drei möglichen Antworten ihr geben wollt. So könnt ihr Frederica eine Freude machen oder ihr vor den Kopf stoßen. Leider haben diese Entscheidungen keine  erzählerischen Auswirkungen, aber sie sorgen für einige stimmungsvolle Situationen, wenn alle ihre Meinung zum Besten geben und der Highlander plötzlich gefragt ist. Ärgerlich ist allerdings, dass diese Dialoge beim erneuten Besuch einer Stelle komplett wiederholt werden.

Etwas mehr Partyinteraktion

Das japanische Animationsstudio Madhouse (Ninja Scroll, Tokyo Godfather) hat ausgezeichnete Arbeit geleistet. Die animierten Zwischensequenzen verleihen dem Abenteuer charmantes Filmflair. 
Auch wenn erwachsene Fantasyfans westlicher Prägung einiges als kitschig empfinden werden: Die Story rund um das Mädchen mit dem verlorenen Gedächtnis macht gerade zu Beginn neugierig. Zwar geht ihr bis zur fünften Ebene mit dem Fenriswolf etwas die Luft aus, aber die Regie kommt dann endlich wieder in Fahrt. Hier wird aber nicht nur die Geschichte rund um einen tapferen Highlander und das mysteriöse Mädchen erzählt, das scheinbar aus einer anderen Welt kommt, es gibt auch spielmechanische Fortschritte. Abgesehen davon, dass man u.a. mit Highlander und Gunner gegenüber dem Original zwei neue exklusive Klassen spielt, hat sich auch etwas an der Steuerung sowie am Party-Feedback getan.

Man kann z.B. Gegenstände komfortabler verkaufen und es gibt eine nützliche Übersicht im Kampf über Stärken und Schwächen bekannter Feinde - nicht auf Anhieb, sondern falls man sie analysiert hat. Stimmungsvoll sind zudem die akustischen Hinweise während der Erkundung: Kommt man an einem geheimen Gang vorbei, gibt es z.B. einen fragenden Kommentar aus der Gruppe; nähert man sich einem Monster, gibt es eine Warnung.

An der rundenbasierten Spielmechanik hat sich ansonsten nichts geändert: Ihr zieht mit einer fünfköpfigen Gruppe in zwei Reihen durch das Yggdrasil-Labyrinth, bekämpft Monster, sammelt Rohstoffe und kartographiert das Ganze mit zig Zeichenfunktionen; auch das Festlegen von Routen mit anschließendem automatischen Marschieren ist möglich. Schön ist der neue Komfort: Habt ihr eine Etage komplett erkundet, werden Ein- und Ausgang golden dargestellt und

Das Remake bietet etwas mehr Komfort hinsichtlich der Steuerung. Nur das Mixen der Grimoire-Steine ist unübersichtlich.
ihr könnt quasi dorthin teleportieren – diese Ebenensprünge sparen lange Laufwege. Aber bevor man so eine Etage komplettiert, muss man tapfer und taktisch kämpfen. Einsteiger dürfen den neuen Schwierigkeitsgrad „Picnic“ wählen, Veteranen und Kenner des DS-Originals sollten übrigens nicht die normale, sondern direkt die höchste Stufe starten.

Der Sprung zwischen Ebenen

Das Missionsdesign schöpft aus dem Bekannten, ist aber angenehm abwechslungsreich: Man muss nicht nur spezielle Monster jagen oder verlorene Gegenständen finden, sondern auch geschickt navigieren und kartographieren. Sehr charmant sind die Situationen, in denen man von NPC gewarnt oder versorgt wird. Man muss starken streunenden Monstern in den Labyrinthen ausweichen, indem man ihre Laufwege richtig einschätzt. Hinzu kommen erneut kleine Quests, die das gezielte Anzeigen von Stellen innerhalb des Labyrinths beinhalten: Ein Mann sucht eine Stelle, an der er von einem Bären überrascht wurde; ein anderer sucht einen bestimmten Platz, um Rohstoffe zu ernten - eine kleine, aber feine Art, wie man das Zeichnen in die Missionen einbinden kann. Und es kann sich lohnen, den Gerüchten im Pub zu lauschen, um Schwachstellen von Feinden oder  Kontertaktiken zu erfahren, so dass trotz einfacher Mechaniken angenehmes Rollenspielflair entsteht. Schade ist, dass die Vertikale nicht eingesetzt wird: Theoretisch kann man sich ja auch nach oben umschauen, aber praktisch ist das in den Labyrinthen überflüssig. Künftige Etrian-Odyssey-Abenteuer würden von noch mehr Geheimnissen und offenen Fragen profitieren.

Im Zentrum steht natürlich die Entwicklung der Charaktere: Je nach Klasse kann man seine Leute ganz unterschiedlich aufsteigen lassen, wobei es Ober- und Unterkategorien gibt, die sich teilweise direkt beeinflussen.  Der Highlander trainiert z.B. zehn allgemeine Level in „Spear Mastery“, wobei er irgendwann automatisch den „Delayed Charge“ freischaltet, der wiederum ab Level 3 den „Cross Charge“ ermöglicht. So studiert man die Verzweigungen und muss sich entscheiden, welches Manöver man als nächstes einsetzen will.

Fünf Klassen, viele Fähigkeiten

Viele Dialoge lockern den Kampfalltag auf. Aufgrund der vorgegebenen Charaktere entsteht mehr erzählerisches Flair.
Der Alchemist darf zig Sprüche zwischen Feuer, Eis und Blitzwählen, die Schützin hat neben dieser Wahl der Elemente auch bindende Treffer parat, mit denen man gezielt Kopf, Arme oder Beine von Monstern fesseln kann – sehr nützlich. Diese taktische Planung der Fähigkeiten hat die Serie schon immer ausgezeichnet, aber sie erreicht hier nicht die Komplexität der gegenseitigen Beeinflussung wie in Etrian Odyssey IV. Auch wenn die Charaktere ihre Angriffe boosten und natürlich aufeinander abstimmen können, gibt es nicht diese direkten Sprünge von z.B. Elementschaden von einem auf den anderen Spieler.

Dafür kann man allerdings mit den Grimoire-Steinen experimentieren, deren Vermischung zu Beginn etwas kryptisch anmutet – da muss man sich erst etwas reinfummeln. Die Steine tragen Fähigkeiten von Helden und Monstern in sich, die man unabhängig von der Klasse einsetzen kann; selbst indirekte  Waffentalente gehören dazu. So darf der Highlander, der eigentlich nur Speerattacken zur Verfügung hat, auch mal heilen oder Feuermagie wirken oder sogar Pistolen ausrüsten. Nützlich ist, dass man die

Das Ausrüsten und Entwickeln der Charaktere entspricht den bisherigen Teilen.
meist nach Kämpfen gefundenen Steine noch verschmelzen kann, um spezielle Kombinationen von Fähigkeiten in ihnen zu speichern – so kann man seine Gruppe gezielt stärken und für alle Eventualitäten ausrüsten. Ärgerlich ist, dass man diese Steine nicht im Labyrinth wechseln kann und dass sie eher das Zufallsprinzip als Planbarkeit bei der Entwicklung der Charaktere stärken.

Magische Steine für alle Fälle

In der Stadtansicht gibt es neben bekannten Örtlichkeiten wie dem Gasthaus (Wiederbeleben, heilen, speichern), der Taverne (kleine Missionen abholen, Gerüchten & Tipps lauschen), dem Händler (Waren kaufen/verkaufen), der Gilde (Abenteurer erstellen) und der Stadthalle (große Quests annehmen) noch ein Gildenhaus, das wie eine Zentrale fungiert. Hier kann man nicht nur Gegenstände lagern und die Grimoire-Steine verteilen bzw. mixen, hier wartet auch eine Köchin auf die Heldengruppe. Sie hat kleine Aufträge parat, verteilt Geschenke oder sorgt für temporäre Zauber wie etwa eine Heilung nach jedem Zugende für den nächsten Abenteuertrip.

Falls ihr das Spiel im klassischen Modus startet, bekommt ihr quasi nur eine hübschere, auf 3D getrimmte und spielmechanisch aufgewertete Variante des ersten Etrian Odyssey. Zwar wurden auch die Labyrinthe angepasst, es gibt sogar neue Abschnitte, aber die Ergänzungen haben mich nicht zu einem erneuten Durchwandern animiert. Nur hier könnt ihr allerdings eure Party frei aus den neun Klassen zusammenstellen: Landsknecht, Survivalist, Protector, Dark Hunter, Medic, Alchemist, Troubadour, Ronin und Hexer stehen zur Verfügung. Zwei Klassen sind übrigens für den Story-Modus reserviert: Gunner und Highlander. Erst wenn ihr diesen durchgespielt habt, wird in "NewGame+" auch der klassische Spielmodus komplett ergänzt.

Klassischer Modus ohne Gunner & Highlander

Fazit

Es soll ja Leute geben, die immer noch durch die Labyrinthe von Etrian Odyssey IV: Legends of the Titan irren – ist ja auch kein Wunder, denn die Rollenspiele von Atlus haben es in sich, was Umfang und Schwierigkeit angeht. Warum sollte man sich also erneut durch Dungeons kämpfen, zumal Untold auf den ersten Blick wie ein Zwilling des ersten Etrian Odyssey anmutet? Der klassische Spielmodus ist sicher kein Grund. Aber die neue Kampagne mit fester Besetzung lohnt sich nicht nur aus erzählerischer Sicht, selbst wenn man das DS-Modul von 2007 besitzt: Von ausgezeichneten Anime-Sequenzen begleitet, führt man eine feste Gruppe rund um einen Highlander durch die gefährlichen Ebenen des Yggdrasil-Dungeons - inklusive neuer Abschnitte. Der Story geht zwar nach flottem Start etwas die Puste aus, aber die Regie zieht bald wieder an. Die situationsbezogenen Dialoge lockern den Kampfalltag auf und man freut sich über feine Ergänzungen der bewährten Spielmechanik, die jetzt etwas mehr Reise- und Management-Komfort bietet, ohne dabei an Anspruch zu verlieren. Zwar kommt das Abenteuer nicht an den sehr guten, weil taktisch komplexeren vierten Teil heran, aber es deutet an, wie sich die Serie in Zukunft entwickeln könnte. Und das könnte auch Veteranen interessieren. Unterm Strich also ein richtig gutes Remake - auch für Einsteiger in die Kartographie-Saga ideal.

Pro

  • anspruchsvolles Taktik-Rollenspiel
  • mehr Rollenspielflair im Story-Modus
  • ausgezeichnete neue Anime-Sequenzen
  • abwechslunsgreiche Quests
  • elf Klassen mit eigenen Fähigkeitenbäumen
  • Klassik- oder Story-Modus wählbar
  • Fallen & besondere Ereignisse
  • aktives Kartographieren (neuer Ebenensprung)
  • freies Party-Management
  • gutes Rohstoff- & Warensystem inkl. Erntelimit
  • gute Monster- & Itemstatistik
  • Tag- und Nachtwechsel mit Uhrzeit
  • Anzeige für Kampfwahrscheinlichkeit
  • drei Schwierigkeitsgrade ("Picnic" für Einsteiger)
  • teilweise Sprachausgabe (englisch)
  • deutsche Anleitung (digital)

Kontra

  • Story macht mitunter lange Pausen
  • Dialoge werden oftmals wiederholt
  • immer nur Hin & Her zwischen Stadt & Dungeon
  • etwas unübersichtliches Grimoire-Stein-Mixen
  • Zufallsprinzip bei Grimoire Stones
  • Classic-Modus zunächst ohne Highlander & Gunner
  • zu wenig klassische Rätsel
  • nur englische Texte

Wertung

3DS

Kein Kracher wie der sehr gute vierte Teil, aber Liebhaber epischer Kartographie-Abenteuer werden von diesem Remake richtig gut unterhalten.