Etrian Odyssey Untold: The Millennium Girl - Test, Rollenspiel, 3DS
Hey, das sieht ja klasse aus, wenn der junge Highlander bei Sonnenuntergang mit seinem Speer trainiert! Und was sind das für charmante Charaktere, lebendige Dialoge und fein choreografierte Kampfszenen? Etrian Odyssey erinnert in diesen Zwischensequenzen an erstklassige Fantasy-Animes. Ist auch kein Wunder, denn das renommierte japanische Studio Madhouse (u.a. Ninja Scroll, Metropolis, Tokyo Godfather) zeichnet für die sehenswerten Filmschnipsel verantwortlich.
Es kann nur einen geben!
Das wird auch für etwas aktiveres Rollenspiel genutzt: Ab und zu schalten sich die Begleiter ein, wenn es brenzlige oder skurrile Situationen gibt – dann habt ihr die Wahl, welche von meist drei möglichen Antworten ihr geben wollt. So könnt ihr Frederica eine Freude machen oder ihr vor den Kopf stoßen. Leider haben diese Entscheidungen keine erzählerischen Auswirkungen, aber sie sorgen für einige stimmungsvolle Situationen, wenn alle ihre Meinung zum Besten geben und der Highlander plötzlich gefragt ist. Ärgerlich ist allerdings, dass diese Dialoge beim erneuten Besuch einer Stelle komplett wiederholt werden.
Etwas mehr Partyinteraktion
Man kann z.B. Gegenstände komfortabler verkaufen und es gibt eine nützliche Übersicht im Kampf über Stärken und Schwächen bekannter Feinde - nicht auf Anhieb, sondern falls man sie analysiert hat. Stimmungsvoll sind zudem die akustischen Hinweise während der Erkundung: Kommt man an einem geheimen Gang vorbei, gibt es z.B. einen fragenden Kommentar aus der Gruppe; nähert man sich einem Monster, gibt es eine Warnung.
An der rundenbasierten Spielmechanik hat sich ansonsten nichts geändert: Ihr zieht mit einer fünfköpfigen Gruppe in zwei Reihen durch das Yggdrasil-Labyrinth, bekämpft Monster, sammelt Rohstoffe und kartographiert das Ganze mit zig Zeichenfunktionen; auch das Festlegen von Routen mit anschließendem automatischen Marschieren ist möglich. Schön ist der neue Komfort: Habt ihr eine Etage komplett erkundet, werden Ein- und Ausgang golden dargestellt und
ihr könnt quasi dorthin teleportieren – diese Ebenensprünge sparen lange Laufwege. Aber bevor man so eine Etage komplettiert, muss man tapfer und taktisch kämpfen. Einsteiger dürfen den neuen Schwierigkeitsgrad „Picnic“ wählen, Veteranen und Kenner des DS-Originals sollten übrigens nicht die normale, sondern direkt die höchste Stufe starten.Der Sprung zwischen Ebenen
Das Missionsdesign schöpft aus dem Bekannten, ist aber angenehm abwechslungsreich: Man muss nicht nur spezielle Monster jagen oder verlorene Gegenständen finden, sondern auch geschickt navigieren und kartographieren. Sehr charmant sind die Situationen, in denen man von NPC gewarnt oder versorgt wird. Man muss starken streunenden Monstern in den Labyrinthen ausweichen, indem man ihre Laufwege richtig einschätzt. Hinzu kommen erneut kleine Quests, die das gezielte Anzeigen von Stellen innerhalb des Labyrinths beinhalten: Ein Mann sucht eine Stelle, an der er von einem Bären überrascht wurde; ein anderer sucht einen bestimmten Platz, um Rohstoffe zu ernten - eine kleine, aber feine Art, wie man das Zeichnen in die Missionen einbinden kann. Und es kann sich lohnen, den Gerüchten im Pub zu lauschen, um Schwachstellen von Feinden oder Kontertaktiken zu erfahren, so dass trotz einfacher Mechaniken angenehmes Rollenspielflair entsteht. Schade ist, dass die Vertikale nicht eingesetzt wird: Theoretisch kann man sich ja auch nach oben umschauen, aber praktisch ist das in den Labyrinthen überflüssig. Künftige Etrian-Odyssey-Abenteuer würden von noch mehr Geheimnissen und offenen Fragen profitieren.
Im Zentrum steht natürlich die Entwicklung der Charaktere: Je nach Klasse kann man seine Leute ganz unterschiedlich aufsteigen lassen, wobei es Ober- und Unterkategorien gibt, die sich teilweise direkt beeinflussen. Der Highlander trainiert z.B. zehn allgemeine Level in „Spear Mastery“, wobei er irgendwann automatisch den „Delayed Charge“ freischaltet, der wiederum ab Level 3 den „Cross Charge“ ermöglicht. So studiert man die Verzweigungen und muss sich entscheiden, welches Manöver man als nächstes einsetzen will.
Fünf Klassen, viele Fähigkeiten
Dafür kann man allerdings mit den Grimoire-Steinen experimentieren, deren Vermischung zu Beginn etwas kryptisch anmutet – da muss man sich erst etwas reinfummeln. Die Steine tragen Fähigkeiten von Helden und Monstern in sich, die man unabhängig von der Klasse einsetzen kann; selbst indirekte Waffentalente gehören dazu. So darf der Highlander, der eigentlich nur Speerattacken zur Verfügung hat, auch mal heilen oder Feuermagie wirken oder sogar Pistolen ausrüsten. Nützlich ist, dass man die
meist nach Kämpfen gefundenen Steine noch verschmelzen kann, um spezielle Kombinationen von Fähigkeiten in ihnen zu speichern – so kann man seine Gruppe gezielt stärken und für alle Eventualitäten ausrüsten. Ärgerlich ist, dass man diese Steine nicht im Labyrinth wechseln kann und dass sie eher das Zufallsprinzip als Planbarkeit bei der Entwicklung der Charaktere stärken.Magische Steine für alle Fälle
In der Stadtansicht gibt es neben bekannten Örtlichkeiten wie dem Gasthaus (Wiederbeleben, heilen, speichern), der Taverne (kleine Missionen abholen, Gerüchten & Tipps lauschen), dem Händler (Waren kaufen/verkaufen), der Gilde (Abenteurer erstellen) und der Stadthalle (große Quests annehmen) noch ein Gildenhaus, das wie eine Zentrale fungiert. Hier kann man nicht nur Gegenstände lagern und die Grimoire-Steine verteilen bzw. mixen, hier wartet auch eine Köchin auf die Heldengruppe. Sie hat kleine Aufträge parat, verteilt Geschenke oder sorgt für temporäre Zauber wie etwa eine Heilung nach jedem Zugende für den nächsten Abenteuertrip.
Falls ihr das Spiel im klassischen Modus startet, bekommt ihr quasi nur eine hübschere, auf 3D getrimmte und spielmechanisch aufgewertete Variante des ersten Etrian Odyssey. Zwar wurden auch die Labyrinthe angepasst, es gibt sogar neue Abschnitte, aber die Ergänzungen haben mich nicht zu einem erneuten Durchwandern animiert. Nur hier könnt ihr allerdings eure Party frei aus den neun Klassen zusammenstellen: Landsknecht, Survivalist, Protector, Dark Hunter, Medic, Alchemist, Troubadour, Ronin und Hexer stehen zur Verfügung. Zwei Klassen sind übrigens für den Story-Modus reserviert: Gunner und Highlander. Erst wenn ihr diesen durchgespielt habt, wird in "NewGame+" auch der klassische Spielmodus komplett ergänzt.
Klassischer Modus ohne Gunner & Highlander
Fazit
Es soll ja Leute geben, die immer noch durch die Labyrinthe von Etrian Odyssey IV: Legends of the Titan irren – ist ja auch kein Wunder, denn die Rollenspiele von Atlus haben es in sich, was Umfang und Schwierigkeit angeht. Warum sollte man sich also erneut durch Dungeons kämpfen, zumal Untold auf den ersten Blick wie ein Zwilling des ersten Etrian Odyssey anmutet? Der klassische Spielmodus ist sicher kein Grund. Aber die neue Kampagne mit fester Besetzung lohnt sich nicht nur aus erzählerischer Sicht, selbst wenn man das DS-Modul von 2007 besitzt: Von ausgezeichneten Anime-Sequenzen begleitet, führt man eine feste Gruppe rund um einen Highlander durch die gefährlichen Ebenen des Yggdrasil-Dungeons - inklusive neuer Abschnitte. Der Story geht zwar nach flottem Start etwas die Puste aus, aber die Regie zieht bald wieder an. Die situationsbezogenen Dialoge lockern den Kampfalltag auf und man freut sich über feine Ergänzungen der bewährten Spielmechanik, die jetzt etwas mehr Reise- und Management-Komfort bietet, ohne dabei an Anspruch zu verlieren. Zwar kommt das Abenteuer nicht an den sehr guten, weil taktisch komplexeren vierten Teil heran, aber es deutet an, wie sich die Serie in Zukunft entwickeln könnte. Und das könnte auch Veteranen interessieren. Unterm Strich also ein richtig gutes Remake - auch für Einsteiger in die Kartographie-Saga ideal.
Pro
- anspruchsvolles Taktik-Rollenspiel
- mehr Rollenspielflair im Story-Modus
- ausgezeichnete neue Anime-Sequenzen
- abwechslunsgreiche Quests
- elf Klassen mit eigenen Fähigkeitenbäumen
- Klassik- oder Story-Modus wählbar
- Fallen & besondere Ereignisse
- aktives Kartographieren (neuer Ebenensprung)
- freies Party-Management
- gutes Rohstoff- & Warensystem inkl. Erntelimit
- gute Monster- & Itemstatistik
- Tag- und Nachtwechsel mit Uhrzeit
- Anzeige für Kampfwahrscheinlichkeit
- drei Schwierigkeitsgrade ("Picnic" für Einsteiger)
- teilweise Sprachausgabe (englisch)
- deutsche Anleitung (digital)
Kontra
- Story macht mitunter lange Pausen
- Dialoge werden oftmals wiederholt
- immer nur Hin & Her zwischen Stadt & Dungeon
- etwas unübersichtliches Grimoire-Stein-Mixen
- Zufallsprinzip bei Grimoire Stones
- Classic-Modus zunächst ohne Highlander & Gunner
- zu wenig klassische Rätsel
- nur englische Texte