Tesla Effect - A Tex Murphy Adventure - Test, Adventure, PC

Tesla Effect - A Tex Murphy Adventure
13.05.2014, Benjamin Schmädig

Test: Tesla Effect - A Tex Murphy Adventure

Schrullige Klamotte für Nostalgiker

Gibt es eigentlich eine Versicherung gegen Amnesie? Videospielhelden wären die besten Kunden, denn sie müssten die höchsten Beiträge zahlen. Nach etlichen Rollenspielrecken erwischt es jetzt jedenfalls eine Adventure-Ikone der 90er: Tex Murphy. Und an diese Zeit kann er sich sogar noch erinnern. Nur die Jahre danach sind ihm komplett entfallen. Kein Wunder, wurde er damals doch glatt ermordet...

Tex Murphy: Schlabbriger Mantel, Bogarthut, Dreitagebart. Privatdetektiv, wie er im Buche steht. Stolpert trotz guter Nase in jede Falle, wacht aber oft genug in kuscheliger Gesellschaft auf. Kann seine Bleibe gerade so bezahlen – zwei Zimmer im heruntergekommenen Ritz-Hotel mit Ausblick auf gläserne Wolkenkratzer, zwischen denen Autos fliegen, anstatt am Boden zu fahren. Eine Art Indiana Jones im Blade-Runner-Universum, der von 1989 bis 1998 fünfmal über den Bildschirm flimmerte.

Indiana Jones im Blade-Runner-Universum

Wie die aktuelle Erinnerungslücke zu seinem damaligen Tod passt, lasse ich natürlich offen. Tatsächlich ist die Geschichte um Tex' Vergangenheit nämlich ein spannendes Mysterium, das behutsam ein Puzzlestück nach dem nächsten enthüllt. Mit jedem Schritt erfährt der abgehalfterte Schnüffler ein interessantes Detail.

Bogarthut, schlabbriger Mantel und jede Menge Pech: Tex Murphy.
Mit jedem Schritt tun sich auch neue Fragen auf. Clever!

Clever genug zumindest für den B-Movie, der das Spiel sein will. Es versucht ja gar nicht großes Spielekino zu inszenieren: Die digitalen Hintergründe der Filmszenen, vor denen echte Schauspieler agieren, bestehen aus verwaschenem Pixeldunst, der irgendwie den Jahrtausendbug überlebt hat. Die meisten Akteure lesen ihre Texte deutlich erkennbar vom Teleprompter ab, tiefgründige Dialoge führen sie nie, ihr Wortwitz hält sich in pubertären Grenzen...

Biedere Bühnenkunst

... und all das hat einen sympathischen Charme. Tesla Effect weiß, dass seine Kräfte nur für biedere Bühnekunst reichen. Mit diesem Wissen gelingt ihm aber ein Balanceakt, für den es sein kleines Schauspiel mit viel Elan vorträgt, ohne sich ernst zu nehmen. Bekannte Gesichter zaubern Serienkennern ein Lächeln ins Gesicht, viele Videoschnipsel erinnern an vergangene Fälle. Vor allem aber ist es die ungezwungene Selbstverständlichkeit, mit der Tex Murphy ein wichtiges Puzzlestück findet und anschließend gegen eine tiefe Decke stößt, die den futuristischen Film Noir zusammenhält.

Schade nur, dass ich nicht selbst Detektiv spielen darf. Denn jeder Hinweis ergibt sich aus Filmszenen oder Unterhaltungen, deren Verlauf ich zwar durch verschiedene Antwortmöglichkeiten variiere, nicht aber zum Entdecken einer Spur lenken muss. Ich laufe anschließend nur zum geforderten Ort, um Kombinationsrätsel zu lösen sowie Gegenstände zu suchen und sinnvoll zu kombinieren.

Hilfe! Oder doch nicht?

Was in der dreidimensionalen Umgebung allerdings spannender ist als im Zimmerquerschnitt eines Point&Click-Adventures! Immerhin vermittelt das Durchsuchen der zahlreichen Regale, Schubfächer und anderer Verstecke das Gefühl, tatsächlich nach etwas zu suchen, anstatt lediglich die Maus übers Bild zu ziehen. Zu Beginn des Abenteuers konnte ich übrigens wählen, ob Tex' Taschenlampe bedeutende Objekte hervorheben soll und ob ich Hilfestellungen aufrufen darf – ein praktisches System, das mich nicht in Versuchung führt, nachdem ich mich einmal dagegen entschied.

Um den Anblick der spröden Kulisse komme ich hingegen nicht herum; die hat gefühlte 20 Jahre auf dem Buckel. Abgesehen vom Gebiet um das Ritz-Hotel fehlen außerdem größere zusammenhängende Schauplätze. Und an dem einen weitläufigen kann ich nicht einmal viele der Häuser betreten, in denen ein Gesprächspartner wartet. Stattdessen unterbricht das Spiel den Fluss, indem es beim Klick auf manche Tür ein Video aufruft. Nicht zuletzt darf ich einige Orte erst betreten und einige Gegenstände dann aufheben,

Datas Vorfahren: Die Hologramme wollen wie Menschen behandelt werden.
wenn es das Spiel vorsieht. Das ist unglücklich, wenn ein Nutzen schon vorher erkennbar ist und wirkt gerade innerhalb der plastischen Kulisse unangenehm sperrig.

Der Sudoku-Schnüffler

Neben dem vereinnahmenden Erkunden der Umgebung gefallen mir die Rätsel dafür richtig gut: Ihr Vorhandensein ergibt sich meist aus der Logik der Geschichte und die eigentlichen Aufgaben sind angenehme Kopfnüsse, deren Lösung ich fast immer logisch herleite. In solchen Momenten darf ich dann doch noch Detektiv sein – eine Art Sudoku-Schnüffler eben. Ärgerlich nur, dass mir das Spiel keinen Hinweis darauf gibt, woran Tex gerade arbeitet. Nach mancher Spielpause irrte ich deshalb einige Minuten lang unnötig ziellos durch das San Francisco der Zukunft.

Fazit

Ich habe diese schrullige Klamotte richtig gerne erlebt. Was damals schon ein B-Movie war, ist heute zwar nur noch Trash. Tesla Effect steht allerdings so ungezwungen zu seinen Wurzeln, dass ich es mit einem lachenden und einem zugedrückten Auge annehmen konnte. Als Spiel macht es ja einiges her, denn die Rätsel sind plausibel und das aktive Erkunden der Umgebung macht mich anders als bei Point&Click zu einem Teil des Adventures. Die wenige Musik ist sogar richtig gut und gelegentlich treffe ich Entscheidungen, welche die Handlung beeinflussen. Die verwaschenen Hintergründe der abgelesenen Filmszenen haben jedoch ebenso großen Museumswert wie die detailarmen Kanten der  interaktiven Kulissen. Der ständige Wechsel zwischen schlecht abgelesenen Dialogen und dem wiederholten Erkunden der immer gleichen Schauplätze ist zudem ermüdend – schon allein deshalb, weil ein Großteil des Abenteuers aus Filmszenen besteht, zwischen denen das Spiel mitunter recht kurz kommt. Ans Herz legen kann ich es daher nur schmerzfreien Sammlern.

Pro

  • spannendes Geheimnis um Tex' Vergangenheit
  • sympathische, altmodische Inszenierung mit vielen Anspielungen
  • freies Bewegen in dreidimensionalen Schauplätzen
  • Entscheidungen beeinflussen Details der Handlung
  • nachvollziehbare Rätsel, praktische Menüführung
  • wahlweise mit sinnvollem Hilfesystem

Kontra

  • technisch und architektonisch billig wirkende Kulissen
  • Schauspieler lesen Texte ab
  • verwaschene digitale Hintergründe statt echter Kulissen
  • stures Stichpunktklicken statt Detektivarbeit in Unterhaltungen
  • einige Gegenstände und Türen erst benutzbar, wenn vorgesehen
  • Tex' Objektbeschreibungen passen sich Verlauf der Handlung nicht an
  • kein Hinweis auf aktuelles Ziel
  • vergleichsweise wenig Spiel gegenüber Filmszenen

Wertung

PC

Technisch veraltetes Adventure, das von echten Schauspielern in trashigen Filmszenen erzählt wird. Gute Rätsel und das aktive Erkunden der Schauplätze lohnen die nostalgische Zeitreise.