Sir, You Are Being Hunted - Test, Shooter, PC

Sir, You Are Being Hunted
08.05.2014, Michael Krosta

Test: Sir, You Are Being Hunted

Blechbüchsen auf Hetzjagd

Eine mordlustige Roboter-Armee, die sich wie britische Adlige kleidet und mit Pfeife sowie mechanischen Bluthunden auf die Jagd geht? Mit Sir You Are Being Hunted sorgt Indie-Entwickler Big Robot neben dem erfrischend bekloppten Szenario auch mit seinem ungewöhnlichen Spielenamen für Aufmerksamkeit. Aber ist der Überlebenskampf in der zufällig generierten Welt ebenfalls ein Volltreffer?

Sir You Are Being Hunted, das man politisch korrekt im Hauptmenü auch in Madam You Are Being Hunted umbenennen darf, lässt mir zu Beginn die Wahl zwischen sieben Professionen, denen mein namenloser Charakter nachgehen soll. Als Gamekeeper finden sich z.B. neben Bandagen, einer Flasche Whiskey und Tabakpfeife bereits nützliche Verteidigungs-Items wie Fallen und eine Stange Dynamit im Inventar. Als Koch stellt man sich dagegen mit einer Appetit anregenden Auswahl an Nahrungsmitteln dem Überlebenskampf – immerhin sind Speisen und Getränke ein Schlüssel zum Erfolg, denn nur wer seine Vitalität aufrecht erhält, regeneriert Gesundheit und bleibt fit. Als Officer vertraut man dagegen lieber auf Waffen statt Gewürze: Hier müssen Revolver und Gewehr samt Munition nicht erst mühsam gesucht werden, sondern stehen bereits beim Start zur Verfügung. Klar, dass die Klassenwahl nicht nur eine bestimmte Spielweise fördert, sondern auch den

Pfeife rauchen und Hüte tragen: Das sind Terminatoren mit Stil!
Schwierigkeitsgrad beeinflusst. Für das wahre Erlebnis wird übrigens der Aristokrat als ehrbarer Standard vorgeschlagen – er wird lediglich mit ein paar Bandagen in die feindselige Welt geschickt, mit denen man bei Verletzungen den Blutverlust stoppen kann.

Geschlechter- und Klassenfrage

Denkbar schlechte Voraussetzungen, um lange zu überleben, denn die umher streunenden und recht clever agierenden Roboter kennen kein Pardon: Entdecken sie mich in den generischen Feldern, Wäldern, Gemäuern oder Industrieanlagen, ballern sie sofort drauflos, flankieren und rufen Hilfe herbei. Selbst ungewollt aufgescheuchte Tiere erregen schon ihre Aufmerksamkeit und sie gehen der Sache nach. Doch genau diese Neugierde lässt sich auch wunderbar gegen die Blechbüchsen einsetzen: So stellt man z.B. den Timer eines Weckers zwischen fünf und 60 Sekunden ein, um eine Truppe von der aktuellen Position wegzulocken. Oder man lässt eine kleine Spielzeug-Lokomotive los, die mit lautem Tröten die Möchtegern-Zylonen in die Irre führt. Zur Not hilft auch eine leere Flasche oder das Blinken einer Taschenlampe als Ablenkungsmanöver. Optionen gibt es zur Genüge, obwohl es schade ist, dass man die zahlreichen Müll-Items wie Schädel, Schimmel-Brote oder Farben nicht ebenfalls als alternative Wurfgeschosse missbrauchen kann. Stattdessen erfüllen sie nur einen Zweck: Das ohnehin knappe Inventar im wahrsten Sinne des Wortes zuzumüllen.

Ablenkung ist alles

Die zufällig generierten Welten haben einen Tag-/Nachtzyklus zu bieten.
Man sollte beim Plündern an Haustüren, zerstörten Blechkameraden und Fässern also genau selektieren, was man mitnimmt. Klar sind Waffen und Munition die erste Wahl, doch verbraucht ein Gewehr ziemlich viel Platz. Auch einen erlegten Hasen oder anderes Getier sollte man möglichst schnell an einer Feuerstelle zu leckeren Fleischstücken verarbeiten, um das Inventar nicht lange mit unnützem Kram zu blockieren. Allerdings benötigt man für die kleine Koch-Exkursion Streichhölzer, für die man immer mindestens einen Platz reservieren sollte. Das gilt auch für die Karte, die neben der Kompass-Anzeige nicht nur die Orientierung erleichtert, sondern auch die Markierung von bis zu drei (Fund-)Stellen erlaubt. Muss man Platz für einen größeren Gegenstand schaffen, wird es arg fummelig: Hier muss man die Items einzeln mit der Maus an freie Plätze verschieben, anstatt alternativ auf Knopfdruck eine automatische Ideal-Anordnung zu erwirken. Spielt man alternativ mit einem Controller, wird das Inventar-Management endgültig zum Krampf.

Die Qual der Wahl

Nervig ist zudem, dass man für zusätzliche Munition von Gegnern erst ihre kompletten Waffen im Inventar ablegen muss anstatt direkt die Patronen zu nehmen, die nur etwa ein Fünftel des Platzes beanspruchen. Leider erfolgt die automatische Umwandlung vom Gewehr in Munition aber erst, nachdem man die komplette Wumme verschoben hat.

Und dann gibt es auch noch die 16 kreuz und quer verstreuten Artfakte, die teilweise extrem viel Platz benötigen und das Inventar nach ihrer Aufnahme so lang blockieren, bis man sie an einer Sammelstelle abgeliefert hat, die mit ihrem Steinkreis an Stonehenge erinnert. Doch genau darin besteht meine Hauptaufgabe, denn nach einem fehlgeschlagenen Experiment ist meine einzige Hoffnung die Flucht von dieser ungemütlichen Roboter-Jagd-Parallelwelt mit genau diesen Artefakten.

Langatmige Suche

Was sich in der Theorie einfach anhört, entpuppt sich in der Praxis als echtes Problem: Abgesehen von weißem Rauch, den man selbst mit dem ausgerüsteten Fernglas meist nur schwer erkennen kann, gibt es keinerlei Hinweise auf die Absturzstellen – es sei denn, man ist im Besitz eines seltsamen und gleichzeitig seltenen Scanners, der das Aufspüren deutlich erleichtert. Hinzu kommt, dass die zufällig generierte Spielwelt mit ihren fünf Inseln verdammt groß ausfällt! So läuft man oft orientierungslos und gelangweilt durch die Gegend, macht einen großen Bogen um feindliche Patrouillen und versucht, sich das Gähnen zu verkneifen. Gar nicht so einfach, denn neben diesem spielerischen Leerlauf trägt auch die Kulisse zur Monotonie bei: Man sieht leider zu deutlich, dass die Welt aus einem überschaubaren Baukasten zusammengesetzt wird, der nur wenig Abwechslung bieten kann. Zwar darf man jeder der vier Inseln vor der Generierung jeweils ein Set wie „Industrial“ „Rural“ oder „Castle“ zuweisen, doch hat man trotzdem das Gefühl, immer an den gleichen Häusern, Gemäuern, Feldern, Hecken und Anlagen vorbeizuziehen.

Hinzu kommt die schwache Technik: Obwohl das Artdesign vor allem bei den mitunter lustig gestalteten Gegnern durchaus gelungen ist und der Tag-/Nachtwechsel für atmosphärische Momente sorgt, stören nicht nur allgegenwärtige Pop-ups und

Auch mobile Suchscheinwerfer kommen auf der Pirsch zum Einsatz.
Flackerschatten, sondern vor allem die detailarmen Matsch-Texturen. Letztere tragen auch zu den hässlichen Waffenmodellen bei, die zudem lieblos integriert wurden. Da man auf die Darstellung einer Hand verzichtet, wirkt es z.B. so, als würde der Revolver einfach nur vor mir in der Luft schweben.

Aber Schusswaffen sind hier ohnehin nur die zweite Wahl, denn trotz ihrer Effektivität haben sie einen entscheidenden Nachteil: sie sind viel zu laut und locken dadurch gleich eine ganze Meute der Blechkameraden an. Wer vorsichtig vorgeht, erhöht also nicht nur massiv seine Überlebenschancen, sondern bringt auch etwas mehr Spannung in den ansonsten ermüdenden „Wandersimulator“. Wenn man mit einem knurrenden Magen vorsichtig um eine kleine Gruppe herum schleicht, dabei ein Ablenkungsmanöver vorbereitet und auf das Startsignal wartet, blitzt das Potenzial des Titels auf. Dabei informiert eine Anzeige über den aktuellen Status, wie gut man für den Gegner sichtbar ist. Als weiteres visuelles Hilfsmittel lässt sich in den Einstellungen zusätzlich eine Markierungsoption aktivieren, bei denen automatisch ein Indikator über den Köpfen der metallischen Widersacher. Das hätte man allerdings auch eleganter lösen können: Warum werden Gegner nicht erst dann markiert, wenn man sie mit dem Fernglas erspäht hat, so wie es z.B. Ghost Recon: Future Soldier oder zuletzt Metal Gear Solid: Ground Zeroes praktiziert haben? So wäre die Funktion immer noch eine nützliche Hilfe, würde aber nicht gleich so viel Spannung nehmen und trotzdem noch Überraschungsmomente beim Auftauchen von Feinden erlauben.

Gelungene Spannungsmomente?

Die Anzeige links informiert nicht nur über Gesundheit und Vitalität, sondern ist auch ein Indikator für die aktuelle Sichtbarkeit.
Stattdessen setzen die Macher von Big Robot auf eine andere Mechanik, um den Puls oben zu halten: Nur an der zentralen Sammelstelle und den wenigen Booten bekommt man die Möglichkeit, seinen Spielstand zu sichern. Ja, das sorgt auf der einen Seite für Spannung, auf der anderen aber auch für viele Frustmomente, wenn man mit einem gut gefüllten Inventar und aufgespürten Artefakten auf dem Weg zurück ist und mit einem einzigen Schuss aus nächster Nähe über den Haufen geballert wird. Gerade später, wenn sich mit jedem gefundenen Teil immer mehr und gefährlichere Variationen der Blechkisten in der Welt herumtreiben, nimmt das Frustpotenzial zu. Ebenfalls ärgerlich: Mit jedem Tod wandern neben wertvollen Gegenständen auch sämtliche Fundstellen mit ins Grab, die man seit der letzten Speicherung auf den Karten markiert hat.

Vielleicht hätte dem Spiel ein Koop-Ansatz ganz gut getan, wie man ihn im artverwandten Day Z findet. Die Möglichkeit, mit einem anderen Spieler herum zu blödeln, sich gegenseitig unter die Arme zu greifen oder aufzuteilen, hätte sicher auch diesen Survival-Titel bereichert. So hätte z.B. ein Spieler für die Ablenkung sorgen können, während der andere die Beute einsackt. So bleibt nur ein einsamer Überlebenskampf, an dem man schnell die Lust verliert – sei es aus Frust oder Langeweile.

Die große Einsamkeit

Fazit

Für den bekloppten Namen und das nicht weniger bekloppte Szenario verdienen die Macher von Sir You Are Being Hunted auf jeden Fall Lob! Es ist schön, zur Abwechslung mal nicht in der Zombie-Apokalypse ums Überleben kämpfen zu müssen, sondern mit Blechkameraden konfrontiert zu werden, die nicht nur stil- und zielsicher auftreten, sondern abgesehen von vereinzelten Bugs auch deutlich intelligenter agieren. Trotzdem will der Funke nicht überspringen: Die Suche nach den vermissten Teilen erweist sich angesichts des ermüdenden Leerlaufs in den weitläufigen Arealen zu oft als Schlaftablette und Spannung will nur im Ansatz aufkommen. Leider laufen die Ablenkungsmanöver genauso schnell nach Schema F ab wie die Kämpfe, in denen man die unterhaltsamen Roboter entweder mit Fallen, Werkzeugen oder Schusswaffen in ihre Einzelteile zerlegt. Zusätzlich mangelt es den zufällig generierten Welten auch visuell an Abwechslung – von der schwachen Technik mit ihren Matsch-Texturen und krassen Pop-Ups einmal ganz abgesehen. Dazu gesellt sich ein Inventar-Management und Speichersystem, das für mehr Frust als Komfort sorgt. Vielleicht hätte ja ein kooperativer Ansatz das Spielerlebnis aufwerten können. So aber wartet nur die große Einsamkeit in der großen Zufallswelt, die trotz des ansprechenden Szenarios in der großen Langeweile endet.

Pro

  • erfrischend beklopptes Szenario
  • zufällig generierte Welt mit leichten Anpassungsmöglichkeiten
  • aufmerksame KI
  • Stealth- und Ablenkungs-Mechaniken
  • massig Loot zum Sammeln...
  • mitunter lustig designte Gegner und unterhaltsame Kommentare
  • Karte mit platzierbaren Markern (wenn man sie findet)
  • Klassenwahl wirkt sich auf Ausrüstung und Schwierigkeitsgrad aus
  • Essen und Kochen zum Überleben notwendig

Kontra

  • zu viel langweiliger Leerlauf
  • fummeliges Inventar-Management
  • generische, langweilige Schauplätze
  • Speichern nur an bestimmten Punkten möglich
  • ...aber auch extrem viel unnützes Zeug
  • schwache Texturen
  • grottig designte und billig implementierte Waffenmodelle
  • Welten-Generierung dauert ewig
  • furchtbare Controller-Steuerung
  • kein (kooperativer) Mehrspielermodus
  • halbherzige Markierungsoption bei Feinden

Wertung

PC

Sir You Are Being Hunted lebt von seinem ungewöhnlichen Namen und Szenario, doch Kulisse und Spielablauf sind zu sehr von Eintönigkeit geprägt.