Mario Kart 8 - Test, Rennspiel, Switch, Wii_U

Mario Kart 8
15.05.2014, Jan Wöbbeking

Test: Mario Kart 8

Ab an die Decke!

Die Straße ist nicht genug: In Marios achtem Rennspiel klappen Nintendos Off-road-Rowdies die Räder um und düsen mittels Antigravitation an Wand und Decke entlang. Hat Nintendo tatsächlich die Formel für überirdischen Kartspaß gefunden?

Es passiert fast wie von selbst: Ein Schlenker auf die Rampe nach rechts und schon düst mein Kart an der Steilwand entlang. Einige Turbofelder verschaffen mir einen kleinen Vorteil, während die Meute links von mir konventionell durch den Canyon tuckert. Kurz vorm Ende der Passage steigere ich meine Höchstgeschwindigkeit, indem ich ein paar Münzen einsacke und beende den Wandausflug mit einem stilvollen Sprungtrick, der mir einen weiteren kleinen Boost verschafft. Auch anderswo führt das Spiel mich durch Schwindel erregende Höhen: Die sich bekriegende Meute zischt durch Loopings und durch Schrauben, die so aberwitzig gegeneinander verdreht sind, dass Erinnerungen an das durchgeknallte Strecken-Design von Extreme-G wach werden.

Schwerkraft war gestern

Wo wir hinfahren, brauchen wir keine Straßen!
Zum Future-Racer wird Mario Kart 8 (ab 114,99€ bei kaufen) dadurch aber lange nicht! Schade, dass sich das fantasievolle Streckendesign nicht stärker auf das Handling auswirkt. Das Fahren an Wand und Decke fühlt sich überraschenderweise fast so vertraut an wie auf Asphalt und Feldweg. Feinfühlige Balanceakte wie in F-Zero GX oder WipEout sind nicht nötig: Stattdessen rauschen die Karts gutmütig und intuitiv steuerbar durch die Himmelskonstruktionen, während sich die Kulisse praktisch ums Kart dreht.

Ein paar Feinheiten sind trotzdem dazugekommen: Kollidiere ich an der Wand mit Gegnern oder blau leuchtenden Bumpern, verschafft mir das einen kleinen Geschwindigkeitsschub. Zwischendurch gibt es auch die in den Vorgängern eingeführten Ausflüge durch Wasserbecken (welche die Handhabung leider ebenfalls kaum verändern) sowie Sprünge mit abschließendem Gleitflug. Wer im richtigen Moment auf den Knopf drückt, vollführt einen kleinen Stunt, der wie das Driften und der Power-Start mit einem kurzen Turbo belohnt wird. Wer rabiat und zielstrebig bleibt, hat also gute Chancen auf einen Sieg – die sehr breiten Kurse und deren Abkürzungen sorgen dafür, dass es trotzdem nicht zu hektisch wird.



Kein Platz für Fairplay

Klaffende Abgründe werden wieder mit dem Gleitschirm überquert.
Von den Neuerungen abgesehen bietet Nintendo den Fans der Serie wieder ein typisches Mario-Kart-Paket: Bis zu vier Piloten kabbeln sich im Splitscreen um Position und die auf der Straße verstreuten Extras, online dürfen bis zu zwölf Spieler loslegen. Der Einzelspielerpart gibt sich sehr konservativ: Ähnlich wie in den Neunzigern trete ich zu klassischen Positionskämpfen in einfach gestrickten Meisterschaften an – alternative Modi wie Elimination oder Verfolgungsjagden sucht man hier vergeblich. Dazu kommen natürlich klassische Einzelrennen und Ballonkämpfe gegen die KI sowie die deutlich spannenderen Rennen gegen herunterladbare Geister. Entweder hetzt man seinem eigenen Rekord hinterher oder man tritt gegen Konkurrenten aus den weltweiten Bestenlisten an. Es wäre natürlich schöner, wenn die Funktion so nahtlos in den Einzelspielermodus eingearbeitet wäre wie z.B. in Trials Fusion, doch auch in einem ausgelagerten Modus ist es unterhaltsam, Geistern und Rekorden nachzujagen.

Zuerst war ich ziemlich enttäuscht darüber, dass alleine nur die klassischen Rennserien im Mittelpunkt stehen – nach ein paar Stunden hat mich der „Straßenkampf“ gegen die KI aber doch noch gepackt. Obwohl der Schwierigkeitsgrad hier deutlich niedriger angesetzt ist als in Sonic & Allstars Racing: Transformed, hatte ich Spaß daran, mich in der 150-er-Klasse zu verbeißen und nach und nach immer mehr Pokale einzuheimsen. Zusätzlich kann man bis zu drei goldene Sterne einheimsen. Auch das intuitiv beherrschbare  Fahrverhalten und das einfache Driften gefallen mir ein wenig besser als bei der Konkurrenz von Sega. Beim Fahrverhalten der KI und der Extra-Vergabe macht sich zwar ein leichtes Gummiband bemerkbar, doch das hält sich angenehm im Hintergrund.

Auch im Alleingang erhebend?

Chaos unter Wasser...
Als Letzter wird man z.B. oft mit Turbo-Pilzen bedacht und kurz vorm Ziel verwickelten sich die Führenden manchmal in seltsam anmutende Massenkarambolagen, doch zum Glück blieben solche Szenen die Ausnahme. Meist konnte ich mich mit mehr Übung und Streckenkenntnis konsequent verbessern. Wenn es gut lief, habe ich mich auch mal vom Feld abgesetzt und bekam während des Rennens keinen Gegner mehr zu Gesicht.

Nebenbei schalte ich immer wieder neue Figuren aus der 29-köpfigen Fahrerriege frei, auch Miis dürfen wieder benutzt werden. Neben Klassikern wie Mario, Donkey Kong, Wario, Peach und einigen Babys sind auch ein paar illustre Fahrer an Bord, darunter Bowsers punkige Sprösslinge oder Metallmario aus Super Mario 64. Außerdem lassen sich an den rund 15 Karts und Motorrädern leichte Feineinstellungen vornehmen.

Kart Marke Eigenbau

Nach und nach werden immer mehr Karosserien, Reifen und Gleitschirme freigeschaltet, welche sich beliebig mixen lassen. Das Ergebnis sorgt zwar nur für dezente Änderungen von Geschwindigkeit, Beschleunigung und Fahrverhalten - im Rahmen eines Fun-Racers wirkt die Abstimmung aber angemessen. Die Motorräder erfordern wieder ein wenig Einarbeitung, weil sie viel später zum Driften gebracht werden müssen als die vierrädrigen Vehikel – im Gegenzug schlängeln sie sich effektiver durch Schikanen.

...und auf dem Eis.

Am schönsten fliegen die Fetzen natürlich wieder im Mehrspielermodus. Im Gegensatz zu Sonics aktuellem Wii-U-Racer wird hier das Gamepad leider nicht als fünfter Schirm genutzt, doch auch zu viert entfaltet sich ein herrliches Fiasko aus erbitterten Kämpfen, Flüchen und fiesen Angriffen kurz vor der Ziellinie. Wenn man seine gerade noch führenden Kollegen mit Schildkrötenpanzern und anderen Gemeinheiten ärgert, sorgt das wieder für herrliche Genugtuung.

Harte Probe für dicke Freundschaften

Am besten gefallen mir die neuen Gadgets: Eine tragbare Fleisch fressende Pflanze beißt z.B. alles und jeden im Umkreis und sorgt dabei für kleine Geschwindigkeitsschübe. Mindestens genau so nützlich ist es, als Führender das Super-Horn einzuheimsen, das sich als hervorragende Abwehr gegen den verhassten blauen Panzer erweist. Einfach im richtigen Moment auslösen und es schleudert den stacheligen Übeltäter fort. Auch Gegner lassen sich damit aus dem Weg schaffen: Als Luigi wenige Meter vorm Ziel an mir vorbeischweben wollte, habe ich ihn einfach mit dem Super-Horn zurückgeschleudert und den Sieg eingefahren – ein herrliches Gefühl! Lustig ist außerdem der Kreisel mit acht um das Kart rotierenden Extras, die auch von Gegnern stibitzt werden können.

Das fantastische Design der 16 neuen und 16 überarbeiteten Strecken sorgt ebenfalls dafür, dass die Mehrspielerkämpfe viele Stunden lang nicht langweilig werden. Die wunderhübsch gestalteten Kurse führen durch

Im Spukschloss wackeln im wahrsten Sinne des Wortes die Wände.
einen Wasserpark, über in den Wolken liegende Schiffe, durch Bowsers mit Fallen gespickte Festung, in ein kunterbuntes Zuckerland und in ein Spukschloss, in dem wortwörtlich die Wände wackeln, während man an ihnen entlang düst.

Himmlisches Design

Dazu kommen 16 überarbeitete Klassiker aus den Vorgängern wie die Kuhmuh-Weide (Wii), der Cheep-Cheep-Strand (DS), DK Dschungel (3DS), das Sorbet-Land (Gamecube) sowie das Yoshi-Tal vom N64 mit seinen mörderischen Canyon-Pfaden. Auch diese Oldies wurden auf gelungene Weise mit Steilwänden und futuristischen Abkürzungen aufgemöbelt.

Technisch machen die Kulissen ebenfalls eine gute Figur: Treten ein bis zwei Spieler an, läuft das Spiel mit 60 Bildern pro Sekunde, bei einer Vierteilung noch in 30. Lediglich in den Ballon-Kämpfen sind uns leichte Ruckler aufgefallen, davon abgesehen blieb es immer angenehm flüssig. Negativ fallen dagegen die flimmernden Pixelkanten auf, welche nicht oder kaum geglättet werden und das Bild insgesamt etwas unruhig wirken lassen.



Schönheitsfehler

Ein großer Dämpfer in unseren lokalen Mehrspieler-Sitzungen war der Modus Schlacht, in dem man seien Gegner mit Extras abschießt, um ihre drei Ballon-Lebenspunkte zu leeren. Neuerdings wird er nicht mehr in Arenen, sondern auf acht normalen Rennstrecken ausgetragen. Dadurch verliert man sich häufig aus den Augen und muss lästige Wendemanöver ausführen, was den ehemaligen Party-Hit zur lahmen Ente werden lässt.

Vorbildlich ist dagegen, dass das Spiel vielerlei Controller unterstützt, von einer Wii-Fernbedienung mit oder ohne Nunchuk über den Classic Controller bis hin zum Pro-Controller. Als Solist kann ich mich entscheiden, ob ich auf dem Gamepad das TV-Bild, eine große Streckenansicht oder eine Kombination aus verschiedenen HUD-Elementen sehen möchte. Im lokalen Mehrspieler ist es dagegen nicht möglich, ein Viertel des TV-Bildes aufs Gamepad zu legen, falls man in einem schlechten Winkel vorm Bildschirm sitzt – schade.

Freund der Kontrolleure

Einen Netzwerkmodus für die LAN-Party hat Nintendo sich ebenfalls gespart. Nach einem Rennen werden ein paar Highlights in einem kurzen Video gezeigt. Eigene Clips sollen sich per Miiverse und Youtube tauschen lassen; in unserer Fassung konnten wir das Feature noch nicht nutzen.

Auch online war während unseres Tests noch nicht all zu viel los, daher lassen sich Details wie der Netzcode noch nicht abschließend bewerten. Wenn Rennen (mit wenigen Gegnern) zustande kamen, verliefen sie bislang flüssig und spannend. Bis zu zwölf Spieler treten gegeneinander an, entweder in weltweiten oder lokalen (also auf nahe Länder beschränkte) Matches. Wer möchte, kann auch im Splitscreen mit einem Freund ins Netz gehen.

Auf ins Netz

Die Sicherheitskontrollen auf dem Mario-Kart-Flughafen sind noch ähnlich lax wie in den Neunzigern.
Aufbau und Modi erinnern an den Vorgänger auf Wii: Es gibt Einzelrennen, Ballon-Schlachten sowie kleine Rennserien mit Streckenabstimmung in der Lobby. Nur dort dürfen sich die Spieler per Gamepad-Mikro oder kurzen Chat-Phrasen verständigen – auf der Piste gibt es dagegen keinen Sprach-Chat.

Außerdem lassen sich Turniere erstellen, in denen man sich mit anderen Spielern die Bestenliste empor kämpft. Dort dürfen viele Details nach eigenem Gusto festgelegt werden, z.B. Startzeit und Ende, Modi, Teams, Items, Fahrzeuge, Bewegungssteuerung, Computergegner, das Spielerlevel oder die Beschränkung auf einen Zugang per privatem Passwort.

Schreib dich ein!

Fazit

Mario Kart 8 sorgt mit seinem herrlich wilden Streckendesign nicht nur für Kribbeln im Bauch, sondern auch für wahrhaft erhebende Schadenfreude. In kaum einem Spiel liegen Spaß und Wut so nah zusammen, wenn man einen Gegner samt blauem Panzer kurz vor der Ziellinie aus dem Weg bombt. Die fantasievoll gestalteten Schraubenzieher-Kurse eignen sich hervorragend dazu, seine Freunde mit Panzern und anderen Gemeinheiten zu piesacken. All zu viel Einfluss aufs Fahrverhalten hat der neue Antigravitationsantrieb leider nicht; trotzdem sorgt der toll abgestimmte Mix aus Fahrkönnen, Streckenkenntnis und lustigen Extras für einen Spielfluss, der mir etwas mehr Spaß bereitet hat als das gelungene Sonic & Allstars Racing: Transformed. Andererseits schwächelt Mario beim konservativen Einzelspielerpart. Die einstmals launigen Ballon-Schlachten sind sogar richtig öde geworden, seit sie auf normale Rennstrecke verlegt wurden. Den Online-Modus konnten wir aufgrund verwaister Server noch nicht ausgiebig testen, die bisherigen Matches machten aber fast so viel Spaß wie zu viert vor der Glotze. Falls die Internet-Spiele wider Erwarten schlecht laufen sollten, behalten wir uns daher vor, die Wertung anzupassen. Bisher inszeniert Mario Kart 8 aber ein herrlich lustiges Gerempel um Positionen und Ehre – trotz einiger Mankos.

Pro

  • fantastisch designte, fantasievolle neue Kurse
  • abenteuerliche Schrauben, Loopings und Steilkurven...
  • auch alte Strecken wurden toll angepasst
  • vor allem zu viert eine Riesengaudi
  • ausgefeilter Mix aus Fahrkönnen, Streckenkenntnis und Waffeneinsatz
  • gut ausbalancierte Extras und Boost-Mechaniken
  • intuitive und flüssige Steuerung
  • beschwingte Orchestermusik und coole Neuinterpretationen
  • spannende Online-Rennen und -Turniere (inkl. Splitscreen-Einbindung)
  • Geister aus weltweiten Bestenlisten zum Herunterladen
  • fast immer flüssige Grafik mit 60 bzw. 30 Bildern (bei 3-4 Spielern)
  • dezent eingebundenes Feintuning durch Mix von Kart-Teilen
  • Highlight-Videos per Miiverse oder Youtube teilen
  • viele Steuerungs-Optionen (Remote, Pro-Controller etc.)

Kontra

  • wenige Rennmodi
  • ...Fahren an Decke oder durchs Wasser nimmt nur leichten Einfluss aufs Handling
  • keine vollwertige Einzelspieler-Karriere
  • Ballonkampf auf normalen Strecken statt in Arenen
  • unruhiges Bild und pixelig flimmernde Kanten
  • lokal nur zu viert, Gamepad-Schirm wird nicht für fünften Spieler genutzt
  • Voice-Chat nur in der Lobby
  • kein System-Link/LAN

Wertung

Wii_U

Ein fantastisches Kursdesign und lustige Extras machen Mario Kart 8 zum Party-Klassiker - trotz kleiner Mankos wie dem konservativen Einzelspielerpart.