Depths of Fear: Knossos - Test, Rollenspiel, Mac, PC

Depths of Fear: Knossos
13.05.2014, Jörg Luibl

Test: Depths of Fear: Knossos

Gegen Satyr, Cerberus & Minotaurus

Wer will Theseus sein? Und das für 5,99 Euro? So günstig kann man selten in die Sandalen eines antiken Helden schlüpfen! Die Frage ist nur, ob der Kampf gegen den Minotaurus auch teuer erkauft werden muss. Sprich: Kann Philip Willey aus Maine, der Einmannentwickler hinter Dirigo Games, für archaische Spannung in Daidalos‘ Labyrinth sorgen?

Ist das etwa die feine Art? Kaum taucht König Minos im grellen Licht auf, wird man auch schon von seinen Wachen in das Labyrinth gestoßen. Das hat ihm bekanntlich Daidalos für den Minotaurus gebaut, der dort unten jedes Jahr seine

Der Palast von König Minos, von Licht durchflutet. Doch sehr schnell, wird man...
frischen Jungfrauen verschlingt. In der Rolle von Theseus soll man diesem Schrecken auf Kreta ein Ende setzen. Allerdings vermisst man nach dem tiefen Fall etwas mehr königliche Unterstützung – man hat keine Waffen, keine Ausrüstung, nur WASD. Nicht nur hier kommen leichte Erinnerungen an ein anderes gnadenloses Abenteuer auf.

Theseus gegen den Minotaurus

Im Labyrinth kann man sich zumindest auf Ariadne, die Tochter des Minos, verlassen, die einem wertvolle Hinweise über Notizen gibt. So bewegt man sich nicht ganz alleine in Egosicht durch das schwelende Dunkel. Das ist auch moralisch wichtig, denn kaum entzündet man eine Fackel, bekommt man einen Schock. Nicht weil man dem Minotaurus beim blutigen Frühstück zusehen muss, sondern weil die Kulisse aussieht, als hätte jemand eine Voodoo-Grafikkarte in den Rechner gesteckt. Kaum schwenkt man die Kamera auf den Boden, weil dort vielleicht eine Münze lockt, springt einem das Grauen ins Gesicht.

Selbst mythologische Toleranz kann diese matschigen Texturen, flackernden Schatten und schwachen Animationen

...in ein düsteres Labyrinth voller Schatten geworfen. In der Rolle von Theseus gilt es, den Minotaurus zu  besiegen.
nicht retten. Hinzu kommen leider auch Ruckler und Grafikfehler, obwohl unser PC die Voraussetzungen weit übertrifft. Aber trotz dieser spröden bis abstoßenden Oberfläche entsteht auch eine gewisse Anziehungskraft. Vielleicht nicht nach fünf, aber spätestens nach zwanzig bis dreißig Minuten fühlte ich mich an die gnadenlosen Dungeon-Crawler der 80er erinnert - und nicht nur aufgrund des Covers auch ein wenig an Black Crypt von Raven Software. Das erschien 1992 auf dem Amiga und auch dort hatte man es in einem düsteren Gewölbe mit Stierwesen zu tun.

Grafikschock trifft auf 80er-Nostalgie

Vieles in Depth of Fear: Knossos wirkt trotz der zufallsgenerierten Katakomben wie handgemacht, wenig – wie das plumpe Interieur sowie die Tränke - stereotyp: Auf der einen Seite das Artdesign mit seinen antiken Bezügen, wie bunte Wandmalereien oder steinerne Statuen, und diese schwelende Düsternis, die einen beim Übergang in neue Abschnitte durch tiefes Schwarz  wandern lässt – man fühlt sich einsam, fremd, von Rätselhaftigkeit umgeben. Auf der anderen Seite, ähnlich wie kürzlich bei Paper Sorcerer, ein moderner, situativ wechselnder Soundtrack mit seinen anachronistisch anmutenden Synthesizern, die in Momenten der Gefahr plötzlich verzerren. Hier hat ein Nostalgiker mit schrecklich wenig Polygonpower, aber viel Leidenschaft und Herzblut entwickelt und komponiert.

Wer an dieser Stelle nicht die Keule ins Korn wirft, sondern sich auf das Abenteuer einlässt, wird spielerisch nicht begeistert, aber sehr solide unterhalten: Die Suche nach dem Minotaurus ist spannend und abwechslungsreich, mal

Acht sagenhafte Kreaturen warten in acht zufallsgenerierten Dungeons - es gibt übrigens auch acht Waffen.
mit etwas Survival-Horror, mal mit Stealth-Action gewürzt. Die Spannung  entsteht auch, weil sich das Spieldesign auf das Wesentliche konzentriert, nämlich individuelle Konflikte gegen sagenhafte Kreaturen, die nicht nur eigene Stärken und Schwächen haben, sondern auch in eigenen Dungeons mit anderer Infrastruktur unterwegs sind. Man muss sich also immer wieder neu auf seinen Gegner und die Umgebung einstellen, muss mal schleichen oder wegrennen, Fallen umgehen oder ausnutzen, Schalter betätigen oder göttliche Spezialkräfte wie Zeus‘ Blitze oder Hermes‘ Schnelligkeit einsetzen.

Labyrinth-Spannung in Egosicht

Es gilt zudem à la Dark Souls 2 mit Fackeln und Licht zu hantieren, um Bereiche zu erleuchten oder gezielt zu verdunkeln, damit einen z.B. der gefährliche Satyr nicht findet – also ab ins tiefe Schwarz und die Ohren gespitzt. Schön ist, dass man Bücher mit Hinweisen sammeln kann, die für das Überleben bzw. die Taktik wichtig sind. Schön ist auch, dass auch abseits der göttlichen Kräfte antike Artefakte wie etwas Ariadnes Faden eine Rolle spielen: Damit kann man seinen Weg kennzeichnen. Erst wenn man alle acht Kreaturen besiegt hat, kann man sich übrigens dem Minotaurus im Finale stellen - aber bis dahin muss man sehr clever sein und wird sehr oft sterben.

Auch Labyrintherbauer Daidalos taucht auf, wenn man an den kleinen Glöckchen bimmelt, die des Öfteren vor

Die Hydra lauert in der Finsternis: Hier helfen nur Tricks oder Hit&Run.
Eingängen zu finden sind: Dann öffnet sich eine Luke und der Greis bietet einem seine Waren an. Für das aufgesammelte oder über den Abschluss von Levels verdiente Gold, kann man hier acht Waffen kaufen. Neben einfachen Knüppeln und Klingen gibt es auch Dreizack, Speer, Armbrust und Schild. Das Kampfsystem ist allerdings sehr simpel: Man haut, schießt oder wirft drauf, wehrt ab und gut – von Dynamik oder Gegner-KI ist kaum eine Spur. Gerade Letzteres ist nochmal ein Dämpfer, denn man kann die Hydra z.B. sehr leicht austricksen.

Gold sammeln, Waffen kaufen

Aber es geht auch nicht um lange Gefechte mit Konter und Riposte, sondern eher um das Ausnutzen der Umgebung, der Fallen, Tränke, Kräfte und Schalter. Meist ist man mit der wenig heroischen, aber effektiven Hit&Run-Methode unterwegs – ein Speer auf die Hydra werfen, dann schnell weg. Das Ganze wiederholen, bis alle Köpfe ab sind. Auch wenn mal Schlangen und Spinnen sowie Untote auftauchen, kämpft man nicht wie in einem Hack&Slay regelmäßig gegen viele „Monster“, sondern gegen einzelne sagenhafte Wesen. Meist darf man Medusa, Cerberus & Co auch nicht zu nahe treten, weil ihre Hiebe tödlich sind. Und wer stirbt, verliert all sein Gold sowie alle gesammelten Bücher. Gnadenlos, aber konsequent.

Fazit

Ja, Knossos ist hoffnungslos veraltet, was die Kulisse, die Animationen oder die Physik angeht. Man fühlt sich nach dem Fall in das mythische Labyrinth auch mindestens zwanzig Jahre in der PC-Technik zurückversetzt. Hinzu kommen leider auch Ruckler hier sowie Grafikfehler und kleine Bugs da. Es gibt weder Sprachausgabe noch eine nennenswerte Gegner-KI. Aber es ist schon bezeichnend, dass ein Mann mit seinem kleinen Spiel für mehr Spannung sorgen kann als so manche Großproduktion. Depth of Fear: Knossos ist ein Beweis dafür, dass die Spielewelt nicht in erster Linie mehr Realismus und Polygonpower, sondern vor allem mehr Leidenschaft braucht. Falls ihr gnadenlose Abenteuer, vertrackte Dungeons und etwas Angst im Dunkeln sucht, werdet ihr hier in einer Mischung aus Stealth, Horror und Action solide unterhalten. Glückwunsch an Philip Willey!

Pro

  • Ausflug in die griechische Mythologie
  • zufallsgenerierte Dungeons erhöhen Wiederspielwert
  • schleichen, kämpfen, erkunden, gruseln, tricksen
  • beklemmendes Gefühl der Gefahr
  • einige Rätsel, coole Spezialkräfte, antike Artefakte
  • Endlos-Dungeon freischaltbar nach Storyende
  • stimmungsvoller Sound

Kontra

  • veraltete Kulisse, schwache Animationen
  • sehr simples Kampfsystem
  • Ruckler & Grafikfehler
  • keine Sprachausgabe

Wertung

PC

Ihr wollt für kleines Geld große Spannung in düsteren Katakomben? Dann schlagt zu - nur schaut nicht zu genau hin.