Men of War: Assault Squad 2 - Test, Taktik & Strategie, PC

Men of War: Assault Squad 2
20.05.2014, Eike Cramer

Test: Men of War: Assault Squad 2

Recycling an der Front

Kurzfristige Verschiebungen, Vertröstungen, eine lange Beta: Für Men of War: Assault Squad 2 (ab 23,00€ bei kaufen) hat sich digitalmindsoft viel Zeit genommen. Ob der zusätzliche Feinschliff die Rückkehr in den Zweiten Weltkrieg verbessern kann, zeigt der Test.

Rasselnd fährt mein gerade bestellter Wolverine-Panzerjäger auf das Schlachtfeld. Schnell will ich den Panzer auswählen und zur Verstärkung meiner unter schwerem Beschuss liegenden Ranger an die Front schicken. Aber halt! Ich kann das Kampfgerät partout nicht anklicken. Stattdessen wird mir in blassem Grün der Name eines Mitspielers angezeigt. Der hat allerdings nicht mitbekommen, dass ich ihm – warum auch immer - einen neuen Panzer geschenkt habe. Also rasselt der Panzerjäger gemächlich an die Front und ich kann nur verzweifelt mit ansehen wie eine 88mm-Flak aus dem wertvollen Fahrzeug Kleinholz macht. Ganz toll.

Kooperatives Chaos

Feuer frei: Man kann Einheiten manuell steuern - dank der furchtbaren Wegfindung tut man es auch.
Ich verstehe das Konzept hinter diesem Koop-Modus nicht! Geteilte Ressourcen und übertragbare Einheitenkontrolle sind prinzipiell eine tolle Sache: Schon bei StarCraft 2 können sich auf diese Weise unerfahrenere Feldherren auf einen Teil des Spiels konzentrieren und sich von Veteranen Taktiken abschauen. Aber das hier ist pures Chaos. Mit bis zu sieben weiteren Kommandanten trete ich auf Skirmish-Karten gegen die KI an. Hier teile ich mir einen Kommandopunkte-Pool. Ich kann mir keine Punkte sichern oder eigene Ressourcen sperren – wer zuerst bestellt, mahlt zuerst. Allerdings erhält, wie im Beispiel des Wolverines,  nicht immer der Bestellende auch die Einheit. Ein Muster konnte ich während der Sitzungen nicht erkennen, was immer wieder absurde Situationen und nervige Verluste erzeugt. Ebenfalls toll: Erhält man eine neue Einheit, wird man nicht darauf hingewiesen, was die fehlende Reaktion meines Mitstreiters erklärt. Das macht nicht nur keinen Spaß, das erzeugt puren Frust.

Zurück in den Kampf! Men of War: Assault Squad 2 bietet wenig Neues und alte Schwächen.
Generell hat sich an Men of War: Assault Squad 2 im Vergleich zum Vorgänger erschreckend wenig entwickelt. Im typischen Echtzeit-Stil beackert man die Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges, darunter Tobruk, El Alamein, Bastogne oder Holland. Zwar wurde erneut auf eine Kampagne verzichtet, aber es gibt vierzig Einzelspieler-Szenarien. Von diesen sind allerdings nur fünfzehn neu – die übrigen wurden eins zu eins aus dem ersten Teil übernommen und nur minimal angepasst. Zudem herrscht hier übles Copy&Paste: Ob ich nun mit den USA durch den Hurtgen-Wald ziehe oder mit den Japanern Inseln im Pazifik angreifen – teilweise sind sogar die Platzierungen von Siegmarken, Geschützen und Skript-Events wie die Zerstörung von Feindpanzern identisch, sodass sich die Karten nur durch die Umgebung unterscheiden. Das ist ganz schön faul,  denn statt 15 werden mir so nur fünf neue Missionen geboten.

Assault Squad 1.5

Auch spielerisch ist kein Fortschritt zu erkennen. Es wird unverändert anspruchsvolle und taktische Echtzeit-Strategie geboten, in der mir viele Freiheiten bleiben. So kann ich Infanterie-Trupps jederzeit aufspalten und neu zusammenfügen sowie meine Soldaten über ihr Inventar individuell bestücken. Die Kampfentfernung ist  deutlich höher als z.B. bei Company of Heroes und Deckung sowie Panzerdurchschlag wirken komplexer als bei der Konkurrenz. Ich kann sogar die Kontrolle über einzelne Einheiten übernehmen, um selbst feindliche Stellungen unter Beschuss zu nehmen. Schön: Auch eine Zeitverlangsamung ist vorgesehen, was mir etwas mehr Übersicht auf dem Schlachtfeld ermöglicht.

Allerdings gibt es auch immer noch die alten Fehler: Die Wegfindung der Fahrzeuge ist mitunter ein schlechter Scherz. LKW und Panzer drehen an den unmöglichsten Positionen, finden Lücken, die doppelt so breit sind wie sie selbst nicht, oder weigern sich schlicht in Position zu fahren. Daraus folgt nerviges Babysitting, bei dem ich meine Geschütze stellenweise manuell in Position navigieren muss. Auch die Infanterie neigt zu Aussetzern: Ab und an findet sie ihre Deckung nicht, oder bleibt bei Beschuss einfach stehen, was zu unnötigen Verlusten führt.

Ebenfalls nervig ist das friemelige Mikromanagement, das mir bei den kleinsten Aktionen aufgezwungen wird. So trägt z.B. jeder Soldat Munition für seine Waffen mit sich, die verbraucht wird. Ist der Vorrat erschöpft, muss an Versorgungs-LKWs oder an Kisten aufmunitioniert werden. Das ist gut, denn so entsteht taktische Spannung, weil Versorgungswege offengehalten werden müssen. Allerdings gibt es keine automatische Aktion für den Nachschub – jeder MG-Gurt oder Karabiner-Ladestreifen muss per Klick in das Inventar des Soldaten bugsiert werden. Unter Beschuss wird die Munitionsverteilung so zu einem Ding der Unmöglichkeit.

Mikromanagement im Schützengraben

Die Kulisse ist mittelmäßig und leidet unter einer grenzwertigen Performance.
Auch das Trennen und Zusammenfügen von Trupps ist unheimlich fummelig. Warum wird eine Einheit getrennt, nur weil ich einen einzelnen Soldaten auswähle? Warum wird eine Einheit zusammengefügt, nur weil ich mehrere Soldaten auswähle? Es fehlt an Management-Tools und Gruppierungen, die mir eine sinnvolle Erstellung von Squads ermöglichen. So reiße ich bei einfachen Bewegungen immer wieder versehentlich Feuertrupps auseinander oder schicke Einheiten in die falschen Verbände. Selbst Fahrzeuge werden automatisch mitgruppiert, und müssen mühsam wieder aus den Gruppen gelöst werden.

Die Umgebungen sind angenehm abwechslungsreich - die Szenarien selbst oft Copy&Paste.
Im Gegensatz zum Koop-Modus funktioniert der kompetitive Mehrspieler trotz eines mäßigen Matchmaking-Systems im Grunde genau so wie es sich gehört: In fünf Spielmodi treten bis zu acht Spieler gegeneinander an. Während „Assault Zones“ und „Combat“ eher klassische Gefechts-Modi sind, die sich um das Halten von Punkten und die Zerstörung des Feindes drehen, gibt es mit Day of Victory und Frontlines zwei spannende Alternativen. Während bei Day of Victory um eine einzelne Befestigung gekämpft wird, rückt in Frontlines ein Spieler auf die Befestigungen der Gegenseite vor und muss mehrere Verteidigungslinien einnehmen. Dies führt zu taktischen Stellungskämpfen, in denen jeder Meter Bodengewinn zählt.

Performance am Abgrund

Allerdings haben die Weltkriegs-Schlachten arge technische Probleme. Trotz der eher mittelmäßigen Kulisse, die in keiner Weise mit dem Effektgewitter eines Company of Heroes 2 mithalten kann, läuft Assault Squad 2 nie wirklich flüssig. Was in den Einzelspieler-Szenarien eher ein kleines Stottern ist, wenn neue Gebiete aufgedeckt werden, mutiert in den Mehrspieler-Gefechten bei gleichen Einstellungen zu unerträglichen Ruckelorgien mit Einbrüchen der Bildrate in den einstelligen Bereich.

Da sich die Performance des einzelnen Mitspielers spürbar auf das ganze Gefecht auswirkt, habe ich keinen einzigen Schlagabtausch ohne heftige und dauerhafte Bildrateneinbrüche beenden können. Koordination und Spielfluss bleiben dabei auf der Strecke und machen die Gefechte – wohlgemerkt das Kernstück von Assault Squad 2 - nahezu unspielbar. Die lange Beta-Phase merkt man dem Spiel auf technischer Seite zu keinem Zeitpunkt an.

Fazit

Der Auslieferungszustand von Men of War: Assault Squad 2 ist äußerst grenzwertig. Trotz einer schier endlosen Betaphase sind die im Zentrum des Spiels stehenden Mehrspieler-Gefechte aufgrund einer unterirdischen Performance so gut wie unspielbar. Von vierzig Einzelspieler-Szenarien sind nur fünfzehn wirklich neu und der Koop-Modus ist ein chaotisches und undurchschaubares Stück Mehrspieler-Frust. Ja, die taktische und komplexe Echtzeitstrategie bietet mir viele Freiheiten, fünf Fraktionen, dutzende Einheiten sowie eine fordernde KI – allerdings bot mir das in minimal schwächerer Kulisse auch der Vorgänger.  Stattdessen wurden nervige Elemente wie eine gruselige Wegfindung und extrem kleinteiliges Mikromanagement überhaupt nicht überarbeitet. Es ist zwar schön, dass ich die Panzer selbst fahren kann – schöner wäre es, wenn sie den Weg selbst auch finden würden. So bleibt trotz des gelungenen Spielmodus Frontlines nur ein ausreichender Eindruck.

Pro

  • taktische, komplexe Echtzeitstrategie
  • viel Freiheit bei der Truppzusammenstellung
  • hohe Kampfentfernungen
  • umfangreiches Arsenal

Kontra

  • mäßige Kulisse
  • grausame Perfomance im Mehrspieler-Modus
  • chaotischer Koop-Modus
  • viel Recycling bei den Einzelspieler-Szenarien
  • keine Kampagne
  • teils furchtbare Wegfindung der Fahrzeuge

Wertung

PC

Unfertig, schwach optimiert und eher Erweiterung als Nachfolger: Men of War Assault Squad 2 ernüchtert in allen Belangen.