Hometown Story - Test, Simulation, 3DS

Hometown Story
21.05.2014, Jan Wöbbeking

Test: Hometown Story

Ackern ohne Acker

Natsume will Freunde von Harvest Moon schon wieder in die Landidylle entführen. Diesmal geht es nicht auf den Bauernhof - stattdessen übernimmt der Spieler einen Krämerladen in seiner alten Heimatstadt. Bringt das neue Thema frischen Wind in die schwächelnde Serie?

Auf der letzten E3 warb Harvest-Moon-Erfinder Yasuhiro Wada sogar mit seinem Namen für sein neues Baby – was kann da schon schief gehen? Leider so ziemlich alles: Es ist zwar schön, dass Wada so viel Wert auf gewaltfreie Spiele legt – trotzdem muss das Ergebnis doch nicht derart einschläfernd ausfallen. Der Anfang wirkt noch bekannt: Der in einem simplen Editor erstellte Charakter (Junge oder Mädchen) kehrt in seine Heimat zurück, um den Laden der verstorbenen Großmutter zu übernehmen. Ähnlich wie früher auf dem Bauernhof führt man also Alltagsarbeiten aus, erforscht die Umgebung, freundet sich mit den Dorfbewohnern an, hilft ihnen durch den Verkauf ihrer Waren weiter und findet im Idealfall einen Partner.

Der Niveau-Limbo geht weiter

 

So weit, so bekannt, doch irgendwie haben die Entwickler es hinbekommen, dass sich der Alltag noch dröger gestaltet als selbst in den schwächsten Harvest-Moon-Ablegern. Waren auf die Tische legen, Smalltalk, Kasse, Waren auf die Tische legen, Smalltalk, Kasse. Zwischendurch erforscht man noch die ziemlich trostlos anmutenden Wiesen und Wege im Ort und füllt bei Händlern, Fischern und anderen Zeitgenossen den Warenbestand auf. Verkauft wird fast alles, was im Ort benötigt wird: Obst, Gemüse, Eier, Zeitschriften, Holz, Metall, antike Fundstücke, Werkzeuge usw. Wer mehrere Kunden geschickt nacheinander abkassiert, bekommt einen kleinen Kombo-Bonus. All zu hoch sollte man die vorgegebenen Preise nicht erhöhen, damit die Kundschaft nicht wütend wird.

Nicht gerade hübsch: Am Laden lässt sich bei weitem nicht so viel herumbasteln wie an einem Hof in Harvest Moon.

All das könnte sich theoretisch ganz plauschig gestalten, doch die Umsetzung wirkt unter fast allen Gesichtspunkten erstaunlich lieblos und minimal. Das fängt schon beim Krämerladen an: Ein paar karge Wände, einige Tische auf Fässern - darauf lassen sich Waren nicht wirklich einladend drapieren. Natürlich lässt sich der Shop später noch erweitern und dekorieren, doch selbst dann wirkt alles reichlich karg und behelfsmäßig. Ärgerlich ist außerdem, dass man den eigenen Bestand nur zu Hause einsehen kann und nicht, wenn mir z.B. der Fischer an seinem Haus frisch Gefangenes anbietet. Seltsam auch, dass Frischwaren nie schlecht werden: Anders als beim Anpflanzen in Harvest Moon muss man also nicht einmal auf Tage oder Jahreszeiten Acht geben. Außerdem besitzt die Hauptfigur keinen Rucksack – stattdessen landen gefundene Dinge einfach im Lager. Auch Ausdauer spielt diesmal leider keine Rolle.

Trostloser Kaufmannsalltag

 

Noch niederschmetternder ist der Smalltalk: Ältere Kunden z.B. eröffnen ihre Sätze in 50% der Fälle mit „Ho, Ho, Ho“ und beten ewig gleiche Weisheiten über ihre Gebrechlichkeiten herunter. Selbst die für die Geschichte wichtigen Figuren beschränken sich auf simple Phrasen: Nachdem sich z.B. mein schwebendes Plüschknäuel mit dem sehr ähnlich designten Haustier der Hexe Sue zerstritten hat, will Letztere die beiden versöhnen und beauftragt mich recht formell mit der Suche nach „mysteriösem Kraut“ und „wundersamem Pulver“ für einen Freundschaftstrank. Oder der auf Stelzen durch den Ort staksende Junge Herbie wartet darauf, dass ich ihm einige Abenteuer-Utensilien bringe, damit er mich an ein Geheimversteck auf der Karte führt, welches mir vorher verschlossen blieb.

Natürlich wollen die Kunden auch im Laden bei Laune gehalten werden, indem man sich mit ihnen unterhält und beliebte Objekte anbietet. Jeder von ihnen besitzt Lieblingswaren und eine Reihe von Dingen, die er ebenfalls gelegentlich kauft. Die Gespräche wirken dabei aber oft reichlich inkonsequent: Ein älterer Mann erzählt z.B. wie toll er es findet, dass sogar er in meinem Laden fündig werde, verlässt aber kurz darauf schlecht gelaunt und ohne Transaktion das Haus. Ein Mädchen fragt mich nach Brot, kauft statt dem auf dem Tisch liegenden Laib aber Kuchen. Seltsam auch, dass sich Unkraut verkauft wie warme Semmeln. Sonderbar wirkt auch der Umstand, dass ich meine Laden ohne Aushilfe oder festgelegte Öffnungszeiten jederzeit verlassen kann, ohne dass es jemanden stört oder ich Diebstahl befürchten muss.

Smalltalk und Routine

Als Aufbauspiel oder Wirtschaftssimulation taugt das simple Tante-Emma-Laden-Spielen also nicht, doch auch der Adventure-Part fällt öde aus. In gelungenen Harvest-Moon-Teilen gab es jede Menge zu tun: Festivals, Wettbewerbe, Erkundungstouren in die Mine, Streichel-Minispiele oder das liebevolle Ausgestalten des Hofs. Hier herrscht dagegen meist Lethargie: Beim Durchstreifen der Umgebung kann ich zwar Trüffel und andere Dinge sammeln oder auch die Angel auswerfen, doch für Letzteres gibt es nicht einmal ein Minispiel. Einfach den Knopf drücken, abwarten bis ein Fisch anbeißt und noch einmal das Knöpfchen drücken – spannend!

Man kann jederzeit den Laden verlassen, um im Ort herumzuschlendern.
Mit Spezialaufträgen kann man das Gedeihen von benachbarten Unternehmen fördern. Kanon will z.B., dass ich besonders gute Zutaten für ihr Restaurant beschaffe – außerdem nehme ich die Werkzeuge von zwei Schmieden in mein Programm. Solche Einlagen sorgen zwar immerhin für einen Hauch von Motivation – meist bleibt der Alltag aber lethargisch. Gefundene Rohstoffe lassen sich übrigens nicht nur verkaufen, sondern auch weiterverarbeiten: Kanon kann mir z.B. Gerichte kochen. Oder ich horte Holz für eine Ladenerweiterung.

Eine Hand wäscht die andere

Zu den inhaltlichen Versäumnissen kommen viele handwerkliche Probleme: Die fest vorgegebenen Kameraperspektiven wechseln völlig wirr und erschweren zu Beginn trotz einer zoombaren Übersichtskarte die Orientierung. Dank der Überbelegung von Knöpfen löst man ständig die falschen Aktionen aus: Immer wieder läuft beim Befüllen der Tische ein Kunde in den Weg, so dass man ihn anspricht, statt rechtzeitig eine gewünschte Ware bereitzulegen. Oder man landet schon wieder draußen oder in einer Kammer, weil man ein Stückchen zu weit in Richtung Tür geschaut hat. Noch nervtötender ist der Soundtrack: Zu Beginn klingt der fröhlich geträllerte Japano-Pop noch niedlich. Doch als sich die wenigen Tracks nach Stunden zum hundertsten Mal wiederholt haben, musste ich den Sound einfach abstellen. Leider lässt sich die Lautstärke des Soundtracks nicht einmal getrennt regeln, so hat man nur die Wahl zwischen akustischer Folter und völliger Stille.

 

Fazit

Entwickler Toybox hat es tatsächlich geschafft: Mit HomeTown Story gibt es schon wieder einen neuen Tiefpunkt in der Seriengeschichte. Während es in gelungenen Harvest-Moon-Ablegern fast immer interessante Dinge zu entdecken gab, herrscht hier rund um die Uhr gähnende Langeweile. Das stumpfe Auffüllen der Warentische ist nicht ansatzweise so unterhaltsam und befriedigend wie das hübsche Anlegen von Gärten oder Pflegen von Tieren. Die Touren in den Ort gestalten sich ebenfalls schrecklich öde, weil sogar wichtige Charaktere nur hohle Phrasen von sich geben. Dazu kommen viele technische Macken wie die wirre Kameraführung oder die hakelige Steuerung. Auch als Wirtschaftssimulation taugt die simple Kaufmannsroutine nicht. Hoffentlich fallen nicht zu viele Kunden auf das niedliche Artwork herein. Wer Lust auf Landidylle verspürt, sollte lieber Harvest Moon: Geschichten zweier Städte oder einen anderen Vorgänger nachholen.

Pro

  • Soundtrack versprüht zu Beginn gute Laune... 
  • ein paar niedlich gezeichnete Portrait-Bilder

Kontra

  • ...Musikstücke wiederholen sich irgendwann aber unerträglich oft
  • triste Kaufmannsroutine
  • kaum interessante Beschäftigungsmöglichkeiten
  • wirre Kamera
  • überbelegte, leicht hakelige Steuerung
  • öde gestaltete Kulissen
  • belangloser Smalltalk
  • inkonsequente Kundenentscheidungen
  • Musik lässt sich nicht einzeln deaktivieren

Wertung

3DS

Mit dieser schrecklich faden Kaufmannsroutine erreicht das Harvest-Moon-Universum einen neuen Tiefpunkt.