Tropico 5 - Test, Taktik & Strategie, 360, PC, PlayStation4, XboxOne

Tropico 5
28.05.2014, Jörg Luibl

Test: Tropico 5

Ein karibischer Blender

Es gab früher mal Spiele, in denen konnte man richtig fies sein und sich sogar politisch nach Herzenslust gegen alle demokratische Korrektheit austoben. Dazu gehörte auch Tropico, das ich 2001 getestet habe – satte 87% heimste der karibische Aufbau ein. Seitdem ging es stetig bergab mit der Serie. Nie bis in den düsteren Wertungskeller, aber ins trübe Mittelmaß. Ich habe mich mal an den fünften Teil gewagt.

Dass es im Hauptmenü ruckelt, ist wirklich nicht schlimm. Auch dass die lustigen Zitate in den Ladephasen schneller verschluckt werden als man schmunzeln kann, ist kein Thema. Selbst die wenigen Schreibfehler patcht man sicher noch weg. Denn kaum hat man ein freies Spiel gestartet, kann man ja erstmal karibisch durchatmen: Sonne, Wasser, Strand - das sieht auf den ersten Blick fast nach Urlaub aus! Hinzu kommt der böse Witz der Berater! Hurra, endlich wieder Tropico - und das vom Kolonialzeitalter bis in die Zukunft des 21. Jahrhunderts! Warum soll man hier ein knallhartes Regime führen? Warum soll man seine Bürger bloß ausbeuten und sein Schweizer Bankkonto füllen? Weil man es kann! Und weil es doch so schön in den Nachrichten vorgelebt wird…

Willkommen, El Presidente!

Aber selbst wenn man sich vornimmt, der fieseste und mieseste  Diktator aller virtuellen Zeiten zu werden, wird man auf den zweiten Blick von diesem fünften Teil immer wieder ausgebremst und eingelullt – hübsch ist er, mitunter lustig ist er, aber auch viel zu brav und inkonsequent. Das liegt auch daran, dass das Spiel gegenüber seinen Vorgängern in einigen Bereichen kastriert wurde. Schon in der schwachen, weil kaum variantenreichen Charaktererstellung vermisst

Statt politischer Eigenschaften geht es um optischen Firlefanz. Der Charaktereditor ist dabei nicht mal üppig...
man die Wahl der markanten politischen Fähigkeiten. Ob man einen „Mann des Volkes“ oder einen „Revolutionär“ geben will, steht hier also erst gar nicht zur Debatte, denn man gründet eine schnöde Dynastie - so darf später auch der Sohnemann oder die Tochter ran an die Konten oder als Manager eingesetzt werden.

Diese Konten mit reichlich Dollar zu füllen ist auf dem normalen Schwierigkeitsgrad überraschend einfach, wenn man immer nur das erledigt, was einem an kleinen Aufträgen von all den Beratern so angeboten wird. Zwar hofft man noch auf die außenpolitische Qual der Wahl, aber ob man für den gierigen Royalisten oder die Revoluzzer-Lady oder später für Alliierte oder Achse etwas erledigt, ist nahezu egal.

Scheffeln in der Karibik

Die Idylle am Strand trügt: Es geht um knallharten Profit - aber zu wenig um Tourismus und Innenpolitik.
Obwohl man so eher im Opportunismus cruist als wirklich aufzumucken, macht der Aufbau von Bibliothek, Plantagen, Bergwerken & Co inkl. Bauprioritäten und Straßenführung zu Beginn noch Laune. Die Steuerung flutscht, lediglich das Finden des Zugangsweges vom Gebäude zur Straße kann etwas fummelig sein,  aber  alles geht auch ohne die Vorspulfunktion ratzfatz. Sprich: Es entsteht durchaus ein Spielfluss. Hat man den einmal durchschaut, wird Tropico 5 (ab 5,65€ bei kaufen) allerdings schnell langweilig, zumal man nahezu immer ähnlich forscht und entwickelt.

Das liegt an drei Faktoren: zu wenig Spieltiefe bzw. zu einfacher Technologiebaum, fehlende Konsequenzen und sterile Welt. Für Einsteiger mag es komfortabel sein, dass man trotz der zu Beginn üppig wirkenden Fülle an Rohstoffen und Produkten eigentlich nichts falsch machen kann. Es wird z.B. genau angezeigt, wo das Bergwerk stehen muss, man muss die Größe der Anbaufelder nicht anpassen und es gibt bis auf Holz zum Sägewerk kaum Gebäudewechselwirkungen – schon gar nicht über längere Zeit! Was man anpflanzt ist letztlich auch egal, denn es wird schon irgendwie verkauft. Die Handelsflotte ist letztlich viel zu mächtig, weil nahezu selbstständig tätig.

Zwar kann man pro Gebäude noch die Zuschüsse erhöhen und somit die Arbeitsverhältnisse verbessern sowie einen Manager mit speziellen Fähigkeiten wie Umweltschützer einstellen, aber dieses Mikromanagement ist vollkommen überflüssig. Wen interessiert die Schönheit der Umgebung, wenn man nicht konkret weiß, wie sich das auf die Zufriedenheit in dieser regionalen Nachbarschaft auswirkt? Das sind alles nur Placebos. Wer komplexere  Aufbaustrategie kennt, wird die einfachen wirtschaftlichen Prinzipien jedenfalls zu schnell durchschauen und sein Konto zu rasch füllen, zumal es neben dem automatisierten (!) Export auch noch immer wieder lukrative Zusatzangebote über Schmuggler gibt. 

Politische Einbahnstraße

Fatal für den Spielspaß ist, dass abseits dieser leichten Wirtschaft auch die Politik nur scheinbar offenen Pfaden, aber letztlich einer Einbahnstraße folgt - mir ist das für ein Tropico alles zu glattgebügelt und berechenbar, sowohl innen- als auch außenpolitisch. Man fühlt sich  fast wie der Präsident einer Demokratie, der auf alles warten muss! Ich hatte viel zu selten Konflikte mit Rebellen oder ausländischen Mächten, obwohl ich z.B. über Jahre gezielt die Krone provoziert habe – trotzdem wird mein Mandat verlängert. Warum? Diese Inkonsequenzen lassen mich einfach weiter scheffeln, wo es nur geht. Und wenn es mal kracht, dann hat man kaum taktischen Einfluss auf die seltsam animierten Scharmützel – aber das ist letztlich verschmerzbar.

Die Berater sorgen zwar für Stimmung und Feedback, aber letztlich gibt es kaum außenpolitische Konsequenzen, wenn man gegen den Strom schwimmt.
Aber dass eine Unabhängigkeitserklärung fast untergeht, weil es nur ein Klick, aber keine Aktion ist – das ist schmerzhaft! Und wo sind z.B. die Versprechen und die Reden vor Wahlen, die mich persönlicher an mein Volk gebunden haben? Die Zustimmung des Volkes ist letztlich in nahezu allen Spielen nur eine Statistik, die ich über bestimmte Gebäude beeinflussen kann – aber man hätte die Illusion von Charisma und Rhetorik über diese Reden erzeugen können, meinetwegen mit Multiple-Choice. Ich kann ja nicht mal selbst in El Presidente schlüpfen und durch die Straßen wandern! So sind mir die politischen Gedanken der Bewohner letztlich vollkommen schnuppe. Es gibt ja auch keine Gefängnisse mehr, keine Arbeitslager…

Unabhängigkeit? Egal!

Immerhin kann ich jeden Bewohner anklicken und diskreditieren, bestechen, töten oder verbannen. Ist das nötig? Nein! Und das ist fatal für ein Spiel, das ja mehr sein will als ein karibisches Tycoon. Zwar hat man auf der innenpolitischen Ebene durchaus Einfluss auf die Verfassung, aber man muss da auch immer brav warten: Man kann beim Wahlrecht, bei Kirche/Staat sowie Militär je eine von drei Statuten festlegen – z.B., dass nur Männer, Reiche oder alle wählen dürfen. Der wichtigere Wert ist aber die etwas schwammige Zufriedenheit und die damit verknüpfte Zustimmung, denn sie muss über 50% liegen, damit man am Ende der Amtszeit weiter reagieren darf. Warum ich bisher noch nichts vom Tourismus erzählt habe? Weil er

Karibisches Wuselflair will nicht aufkommen: Zu steril wirkt die Welt, zu oberflächlich ist die Interaktion zwischen Präsident und Bewohnern.
kaum noch eine tragende Rolle spielt, vor allem nicht in der ersten Zeitspanne – erst in der Moderne kommt er in Fahrt, wenn man schon längst sehr profitabel ist, und man hat hier nur noch rudimentäre Möglichkeiten.

Dieses Tropico 5 ist nichts für Wuselfreunde oder Fans von möglichst realistischen Miniaturwunderländern – oder wann habt ich dir erste „Highschool“ in der Kolonialzeit gesehen? Von der Mode des El Presidente oder der Bewohner ganz zu schweigen. Das Artdesign mutet zunächst charmant an, aber wird immer mehr zu einem Füllhorn an Anachronismen. Es lohnt sich also nicht, mit der Kamera näher an das Geschehen heranzufahren: Erstens passiert nicht wirklich etwas Interessantes oder Lustiges. Zweitens sehen die Bewohner nicht individuell genug aus. Drittens entlarvt man so viele kleine Inkonsequenzen wie plötzlich verschwundene Schubkarren oder viel zu schnell rasende Arbeiter.

Wo ist der Karibikeffekt?

Regelrecht plump wirkt zudem der Wechsel von der Kolonialzeit in die Zeit der Weltkriege: Die Autobahnen scheinen fast vom Himmel zu fallen! Da hätte man behutsamer den Schritt in die Moderne vorbereiten müssen. Hinzu kommen kleine Unstimmigkeiten im Gewusel: Warum ziehen Obdachlose nicht in freie Wohnungen? Warum kann ich da überhaupt so wenig an Häusern bauen? Warum wird nicht produziert, obwohl eine Fabrik voll besetzt ist und die Rohstoffe nicht erschöpft sind?

Fazit

Das erste Tropico habe ich 2001 verschlungen. Okay, ich war jung und brauchte die Diktatur. Aber man merkte diesem Pionier aufgrund seiner Komplexität und Hingabe an, dass er von den Railroad-Tycoon-Machern kam. Heute merkt man dem Spiel an, dass sich nicht nur die Entwickler, sondern auch die Zeiten geändert haben. Was für ein Blender! Die Steuerung flutscht, alles geht ratzfatz und man gerät in einen Aufbaufluss. Aber hat man den einmal durchschaut, wird es viel zu schnell langweilig. Das liegt an drei Faktoren: zu wenig Spieltiefe, fehlende Konsequenzen und sterile Welt. Selbst wenn man sich vornimmt, der fieseste und mieseste  Diktator aller virtuellen Zeiten zu werden, wird man immer wieder ausgebremst und eingelullt. Dieses Tropico 5 ist hübsch, mitunter lustig, aber auch viel zu brav, zu seicht und inkonsequent – man könnte auch kitschig sagen. Im August geht es übrigens auch auf Xbox 360 und ab Dezember sogar auf PlayStation 4 los. Laue Wärme für die Winterkälte...

Pro

  • Neulinge werden gut eingeführt
  • mehrstufige Kampagne und freier Spielmodus
  • witziger bis bitterböser Unterton
  • Steuerung flutscht weitestgehend
  • Verfassung festlegen, Fraktionen helfen
  • gute deutsche Lokalisierung
  • zu viert kompetitiv und kooperativ im Multiplayer
  • ansehnliche Kulisse
  • abschaltbare Musik

Kontra

  • viel zu wenig Spieltiefe
  • Diktator bleibt blass (keine Versprechen, Reden, Eigenschaften)
  • keine Gefängnisse, Arbeitslager etc.
  • zu leichtes Geld scheffeln
  • extrem bescheidener Technologiebaum
  • schwache Bürger-Animationen, kaum Wuselflair
  • inkonsequentes Artdesign
  • plumpe Grafiksprünge beim Zeitenwechsel
  • Tourismus spielt kaum eine Rolle
  • nerviger Neubeginn in Kampagnen
  • warum gehen Obdachlose nicht in Häuser?
  • kleine Grafik
  • & Textbugs, Ruckler im Hauptmenü
  • sporadische Abstürze
  • Multiplayer mit Verbindungs
  • & Synch-Problemen

Wertung

PC

Dieses Tropico 5 ist hübsch, mitunter lustig, aber auch viel zu brav, zu seicht und inkonsequent. Man könnte auch kitschig sagen.