Supreme Ruler: 1936 - Test, Taktik & Strategie, PC
Wir schreiben das Jahr 1936. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten befindet sich das Deutsche Reich auf dem Weg zur militärischen Supermacht – entgegen aller Vereinbarungen des Versailler Vertrages. Während sich Frankreich und England in Appeasement versuchen und die USA im Isolationismus versinken, inszeniert Hitler Winter- und Sommerspiele als Propaganda. Der Vier-Jahres-Plan, Vertragsabschlüsse zur Achse Berlin-Rom, das Juliabkommen zwischen Deutschland und Österreich sowie der Antikomintern-Pakt mit Tokyo stellen die Weichen in der Welt auf Krieg – auch wenn es bis zum Ausbruch noch drei Jahre dauern soll.
Der Weg zum Weltenbrand
Die Staatsführung ist 1936 ebenso komplex wie zuvor 2020 oder im Kalten Krieg. Von der Besteuerung bis hin zur Bezahlung meiner Truppen kann und muss ich vieles selbst festlegen. In unübersichtlichen Menüs entscheide ich über die Strategie und das Verhalten meiner Garnisonstruppen, lege Produktion- und Forschungsaufträge fest, errichte
Industriestandorte oder verhandele mit anderen Regierungen über Waffenlieferungen sowie militärischen Beistand. Das Problem: Vieles ist in Untermenüs versteckt, die vor allem mit winzigen Schaltflächen, kleinen Reglern und undurchschaubaren Symbolen glänzen. Was genau bewirkt hier bloß was?Komplex und Kompliziert
Trotz eines Tutorials bleiben im Einstieg viele Details auf der Strecke. Wie funktioniert eigentlich die Spionage? Welche Faktoren lassen die Meinung in einem Nachbarstaat zu meinen Gunsten ausschlagen? Hat die Möglichkeit eines von mir finanzierten Aufstandes bei meinen Feinden überhaupt Auswirkungen?
Supreme Ruler 1936 ist so sperrig, unzugänglich und undurchschaubar wie eh und je, was vor allem in den ersten Stunden unheimlich frustriert. Warum hat man bei BattleGoat nicht von Europa Universalis 4 gelernt und die Menüs wenigstens lesbar oder auch nur ansatzweise übersichtlich gestaltet? Die nervige Bedienung macht aus einem ohnehin schon komplexen Spiel eine Mammutaufgabe für meinen Geduldsfaden.
Immerhin kann ich viele der Aufgaben an KI-Helferlein abgeben – so man sie denn in dem Menü-Gewirr findet. Die Berater können selbstständig die Wirtschaft betreuen, für genug Rohstoff-Nachschub sorgen, Forschungswege beschreiten oder die Armee für ihren Einsatz fit machen. Dabei kann ich einstellen welchen Fokus die Helferl wählen sollen, z.B. ob meine Armee eher Befestigungen errichten oder schnell mobilisierbar sein soll, wie hoch der Anteil der Reservekräfte sein soll, oder ob ich eher viele oder starke Einheiten besitzen möchte.
Aufstieg der KI-Helfer, oder: der gemütliche Weg zur Weltherrschaft
Das alles nimmt unheimlich viel Zeit in Anspruch. Die Tage vergehen selbst auf der höchsten Geschwindigkeitsstufe alles andere als schnell und verdammen mich dank der langen (aber zugegebenermaßen realistischen) Bauzeit von
Gebäuden, Panzern oder Forschungseinrichtungen oft zur Tatenlosigkeit. Vom 1. Januar 1936 bis zu meinem (nicht ganz historisch akkuraten) Angriff auf die Tschechoslowakei 1938 sind z.B. fast drei Stunden vergangen, in denen ich die größte Zeit meiner Armee beim Wachsen zuschaute oder mich mit der Diplomatie beschäftig habe. Welteroberung ist eben kein Unterfangen für eine Nacht.Gemächliches Tempo und kastrierte Diplomatie
Schade ist, dass gerade die Diplomatie zu wenig Spielraum im internationalen Ringen um die Vorherrschaft bietet. So habe ich zwar die Möglichkeit Freihandels-, Verteidigungs-, und Transit-Verträge abzuschließen, Waren zu tauschen oder mit Technologien zu handeln. Es fehlt mir aber die Möglichkeit, Staaten direkt mit Krieg zu drohen, zu Gebietsverzichten zu überreden oder auf diplomatischer Ebene auf Truppenansammlungen oder Bündnisse zu reagieren. Ja, ich kann die jeweilige Regierung oder Opposition finanziell unterstützen oder sogar Aufständische ausrüsten – ich kann aber nicht mit einem Kriegseintritt drohen.
Was schon in Friedenszeiten schwer zu handhaben ist, wird in Kriegszeiten selbst für Logistikkünstler zu einer Herausforderung. Tritt man in den Kriegszustand über und mobilisiert, wie ich, auch die letzten Reservetruppen , um einen massiven Blitzkrieg gegen seine Nachbarn zu führen, geht endgültig jede Übersicht verloren. Mehr als tausend Panzer-, Infanterie-, Luft- und Seeverbände schwärmen wie wütende Hornisse aus ihren Kasernen, Hangars und Werften. Das bringt nicht nur die Engine an ihre Grenzen und führt oftmals zu heftigen Rucklern, sondern erfordert auch eine ausgeklügelte Strategie.
Das erste Opfer des Krieges ist die Übersicht
Hier geht es nämlich nicht um die Taktik im Feld, hier geht es um den großen Plan. Stoße ich z.B. beim Angriff auf Frankreich nur über die Ardennen vor, oder versuche ich gleichzeitig mit einer nördlichen Heeresgruppe Amsterdam und Brüssel zu erreichen, um einen weiteren Versorgungskorridor zu schaffen? Führe ich, in umgedrehter Perspektive, einen Gegenschlag über Belgien um deutsche Verbände im Ruhrgebiet zu binden und verlasse mich bei der Verteidigung auf meine britischen Verbündeten?
Zwar könnte ich jeder Einheit oder jedem Verband selbst Befehle geben, angesichts der schieren Anzahl an Einheiten
und der auch hier unheimlich unhandlichen Bedienung ist das jedoch utopisch. Stattdessen habe ich auch hier die Möglichkeit über die Einstellungen der Initiative, oder über meinen Militärberater Teilstreitkräfte autonom kämpfen zu lassen. So kann ich mich z.B. beim Angriff auf Dänemark voll auf den Einsatz meiner Armee konzentrieren, während die KI die Koordination meiner Marine übernimmt. Schön: Die KI agiert überwiegend logisch und relativ effektiv – auch wenn es gerade bei amphibischen Operationen bei der Auswahl von Landeplätzen hapert.In vier Kampagnen kann ich entweder die Achsenmächte zum Sieg führen oder aufseiten der Alliierten Europa vom Joch der Nationalsozialisten befreien. In acht Szenarien kann ich zudem große Operationen – sei es Operation Barbarossa, den finnischen Winterkrieg oder die Schlacht um Frankreich nachstellen, bevor ich im Freien Spiel auch mit Zaungästen der Weltgeschichte wie Nepal oder Guatemala mein Glück versuchen kann. Jedes Land hat seine eigenen Stärken und Schwächen und ist von globalen Ereignissen wie z.B. dem Angriff von Japan auf China oder der Kriegserklärung der USA nach Pearl Harbor unterschiedlich betroffen. Schön: Auch die Kolonien und
Konflikte außerhalb Europas spielen eine wichtige Rolle und werden simuliert.Operation Götterdämmerung
Dummerweise lässt sich die Kampagne zu einfach überlisten. So habe ich im deutschen Feldzug bereits 1938 einen brutalen Krieg in Europa entfesselt und (entgegen der Geschichte) sowohl die Schweiz als auch Grobritannien besiegen können. Leider reagierten weder die historischen Ereignisse, noch die Zielsetzungen auf diese Verstöße. So wurde nach wie vor von einem Anschluss der Tschechei geredet, obwohl die Tschechoslowakei nach einem Angriff auf Prag schon lange nicht mehr existierte. Zudem wurde mir nach der Einnahme von London eine „Kein Sieg“ Meldung ausgegeben und die Kampagne beendet. Ärgerlich.
Auch die Technik kann bei Weitem nicht mit Europa Universalis 4 oder Total War: Rome 2 mithalten. Zwar wird die ganze Weltkugel dank Satellitenbildern akkurat abgebildet, aber sämtlich Einheiten, Städte, Effekte oder Kampfhandlungen sind einfach nur hässlich. Kantige, nicht animierte Soldaten schieben sich über die Karte, hässliche Häuser suggerieren Bebauung und furchtbare Explosionseffekte zeigen Kampfhandlungen an. Dazu kommt ein Sound
aus der Hölle mit schrecklichen Schuss- und Explosionssamples, den man am besten sofort deaktiviert, wenn man sich seine Trommelfelle nicht völlig versauen will.Technik von vorgestern
Dass Supreme Ruler 1936 selbst auf potenter Hardware zu brutalen Rucklern oder zeitweiligem Einfrieren neigt, ist angesichts der gebotenen Technik eine Frechheit. Insbesondere bei hoher Zoomstufe mit eingeschalteten Kartenoptionen wie „Staatsgebiet“ oder „Loyalität“ kann man sich auf einen wenig flüssigen Spielablauf gefasst machen.
Fazit
Sperrig, unübersichtlich, hässlich, friemelig, faszinierend. Supreme Ruler 1936 ist ein hässliches Entlein, dessen inneren Werte erst nach Stunden an die Oberfläche kommen – falls sie diese überhaupt erreichen. Mit seiner steinzeitlichen Technik, furchtbaren Menüstrukturen, dem langatmigen und teilweise von Leerlauf geprägtem Spielablauf und extrem unübersichtlichen Kriegen ist die globale Echtzeit-Strategie alles andere als einladend. Nachdem ich aber durch geschickte strategische Entscheidungen den Sichelschnitt verhinderte, war mein Interesse geweckt. Und nachdem ich ein am Boden liegendes Land zu einer Wirtschafts- und Militärmacht aufgepäppelt und einen Feuersturm über meinen Feinden entfesselt hatte, war ich fasziniert. Ja, die Diplomatie ist viel zu beschränkt, die KI-Helfer nehmen mir oft zu viele der zahlreichen Aufgaben ab und auch das Einheitenmanagement ist grenzwertig – die schiere Zahl an zivilen und militärischen Vorgehensweisen und ein großer Tiefgang machen Supreme Ruler 1936 aber trotz seiner Fehler zu einem soliden Weltkriegs-Simulator.
Pro
- komplexe Politik- und Kriegssimulation
- viele spielbare Staaten, Kampagnen und Szenarien
- historische Ereignisse
- strategischer Tiefgang
- gute, ordentlich konfigurierbare KI-Helfer
- viele historische Einheitentypen
Kontra
- völlig veraltete Technik
- furchtbare Performance
- schlimme Soundeffekte
- unübersichtliche Menüs
- insgesamt fehlende Übersicht
- schlechte Einführung in komplexe Spielmechaniken
- fummelige Kriegsführung
- schwache Diplomatie