Project Spark - Test, Sonstiges, 360, XboxOne, PC
Zu Beginn gleich eine Entwarnung: Nach der holprigen Beta hatte ich Schlimmes befürchtet, aber Team Dakota hat die Zeit bis zum Release genutzt. Die gröbsten Fehler wurden ausgemerzt. Der Editor und seine Menüs lassen sich jetzt auch auf der Xbox One viel flüssiger bedienen, statt wie in der Vorab-Phase quälend langsam über den Schirm zu ruckeln und den Bastel-Fluss mit ständigen Nachladepausen auszubremsen. Jetzt flutscht alles deutlich besser, ab und zu kam es allerdings auf beiden Systemen immer noch zu Abstürzen und diversen Fehlermeldungen. Etwas unübersichtlich sind die Menüs zwar immer noch aufgebaut, nach einer kurzen Gewöhnungsphase kann der kreative Spaß aber beginnen.
Viel flüssiger als in der Beta
Als nächstes will ich meine Insel in ein kleines Jump-n-Run-Level verwandeln. Damit die Hauptfigur nicht alles auf Anhieb erreichen kann, schräge ich einige Vorsprünge ab und platziere daneben ein paar Plattformen und schmale Findlinge, die in ihrer geschwungenen Form an die bizarre Schönheit der Sächsischen Schweiz erinnern. Danach stelle ich dem Held noch ein paar angriffslustige Goblins in den Weg, verstecke ein paar Goldstücke sowie Schatztruhen und starte den ersten Testlauf.
Selbst ist der Jan
So schlimm wie in Abzock-Spielen für iOS ist der Free-to-play-Titel zwar bei weitem nicht, trotzdem stoße ich deutlich öfter an meine Grenzen als in anderen Spielebaukästen. Und das, obwohl ich bereits das Starter-Paket für rund 40 Euro besitze, welches eine Reihe von käuflichen Extras freischaltet und das Verdienen der Ingame-Währung verschnellert. Du würdest das Ziel gerne von einer Horde Zombies bewachen lassen? Dazu fehlen dir leider die Münzen – hier geht es in den Shop. Du möchtest das große Gebäude bauen? Ist nicht drin – das gibt es erst ab Level 12, und du Noob hast dich als Baumeister gerade mal auf Stufe 8 gelevelt. Nervig. Wer komplett sorgenfrei basteln möchte, kann momentan für sämtliche Pakete erst einmal gut und gerne 80 Euro investieren - zusätzlich zu den 40 Euro des Starter-Kits.Und selbst dann liegt die Zahl der Requisiten nur etwa in der Mitte zwischen eher minimal gehaltenen Titeln wie Sound Shapes und dem Überfluss eines LittleBigPlanet 2.
Nervige Bezahl-Schranken
Nachdem ich genügend bereits erhältliche Requisiten herausgepickt habe, kann sich das Ergebnis aber sehen lassen: Die Engine zaubert technisch anspruchsvolle und hübsch beleuchtete Naturlandschaften auf den Schirm. Vor allem für tolkiensche Fantasy-Welten eignet sich die Austattung; Technik-Fans kommen bisher weniger auf ihre Kosten. Es gibt zwar ein Science-Fiction-Paket mit einigen hübschen Weltraumpflanzen - mit den wuchtigen Gebäude-Bausteine lassen sich aber lediglich Raumstationen bauen, die noch schlichter ausfallen als in der ersten Schmiede von Halo 3. Bei der Genre-Vielfalt trumpft Project Spark dagegen auf: Vom rundenbasierten Rollenspiel über einen Pacman-Klon aus der Draufsicht bis hin zu Action-Adventures mit zahlreichen Nebenaufgaben ist hier fast alles möglich – sofern man genügend Zeit und Muße einbringt.
Hübsche Dekorationen
Anders als bei Sackboy gibt es beim Basteln deutlich weniger vorgefertigte spielmechanische „Schablonen“ für Rennspiele, Zweistick-Shooter & Co. Stattdessen muss ich hier regelmäßig im „Gehirn“-Editor mit Logik-Bausteinen hantieren, um eigene Aufgaben, Gegner und Ziele zu bestimmen. In LittleBigPlanet 2 brauchte man solche „Programmier-Kniffe“ nur für komplexere Feinheiten; hier werden sie dagegen deutlich häufiger benötigt. In einem Tutorial erklärt die freundliche Märchenonkel-Stimme zwar die wichtigsten Regeln, trotzdem wird es mitunter ganz schön knifflig und zeitaufwändig, wenn man mehr erschaffen will als den Standard-Mix aus Action-Adventure und Metzel-Rollenspiel. Ganz so komplex wie echtes Programmieren wird es natürlich nicht: Stattdessen schiebt man kleine Symbol-Tafeln in mehreren Zeilen umher: "Wenn Tafel 1 gültig ist, löse das Ereignis auf Tafel 2 aus und berücksichtige die Einschränkungen der nächsten vier Symbolreihen!" So lässt sich z.B. festlegen, wann welcher Gegner wie kräftig zuschlägt, wann er wegrennt, ob er schwimmen kann u.s.w.
Programmierkenntnisse benötigt?
Zu Beginn ist so viel Komfort natürlich cool, zumal ich das fertige Level hinterher weiter bearbeiten und feintunen kann. Ein Nachteil ist, dass sich die Crossroads-Schöpfungen alle ziemlich stark ähneln: Wirklich kreativ werden kann man hier kaum, da am Ende meist ziemlich ähnliche Action-Adventures mit Rollenspiel-Einschlag dabei herauskommen. Außerdem dämpft auch hier die Einbindung der In-App-Käufe den Spaß: Die coolste Burg oder die fiesesten Monster sind meist nur gegen Bares oder viel Spielwährung erhältlich. Wer wirklich eigenständige Spielchen erschaffen will, muss sich also wohl oder übel mit den Feinheiten des Editors vertraut machen. Auch dort gibt es ein kleines Tutorial, welches aber mehr Fragen offen lässt als bei der Konkurrenz.
Einsteiger-Trip über die Insel
Ein cooles Detail ist die Aufzeichnung von Bewegungen per Kinect-Hardware: Wer die Kamera richtig kalibriert hat, kann danach eigene Gesten, Tänze oder längere Bewegungsabläufe aufnehmen und zurechtschneiden, damit sie im gewünschten Moment von einer beliebigen Figur abgespult werden. Dem Schöpfer sind dabei kaum Grenzen gesetzt, auch Sprachaufnahmen lassen sich integrieren. Schön auch, dass man jeden online veröffentlichten Level selbst „remixen“, also nach eigenen Wünschen umbauen und erneut hochladen kann. In der History werden danach sowohl Schöpfer als auch Mitbastler angezeigt.
So können sich unterschiedliche Talente zusammentun: Es existiert z.B. bereits eine liebevoll nachgebaute Burg mit Saurons loderndem Auge, welche von Kampf- oder Rätsel-Fans mit Spielmechaniken gefüllt werden und weiter ausgearbeitet werden kann. Ein anderer Technik-Tüftler hat in der Beta bereits die technischen Rahmenbedingungen für einen Flug in einem Starfox-ähnlichen Weltraumtunnel erschaffen. Wer einen entsprechenden Rail-Shooter basteln möchte, kann also dort loslegen. Der Nachteil des Systems ist, dass man auch als Spieler relativ häufig auf unfertige Kreationen trifft – selbst unter sehr gut bewerteten Exemplaren oder den Empfehlungen der Entwickler. Nicht besonders spannend ist der erste Teil der Kampagne, den die Entwickler mittlerweile zur Verfügung gestellt haben. Das vollwertige Action-Adventure mit vier levelbaren Kriegern führt zwar durch urige Höhlen, üppige Auen und durch brennende Dörfer voller finsterer Monster, doch Letztere lassen sich dank ihrer schlichten KI noch leichter austricksen als in Destiny.
Zusammenarbeit wird gefördert
Auch die Hintergrundgeschichte der Kampagne wirkt kaum komplexer als die von Spieler-Levels: Eine dunkle Macht hat sich der Welt bemächtigt, so dass jede Menge finsterer Wesen in ihr herumwuseln. Um einen magischen Gegenstand aus der verzweigten Goblin-Höhle zu bergen, müssen auch kleine Puzzles wie eine Aufzug-Reparatur gelöst werden. Meist konzentriert sich das Spiel aber auf simple Massenkämpfe, in denen nach und nach neue Fähigkeiten und Angriffe der vier Helden freigeschaltet werden.
Fade Kampagne
Weniger gelungen wirkt das Belohnungs-System, welches vor allem Fleißarbeit honoriert: Herzlichen Glückwunsch - du hast eine Fläche von x Quadratmetern bemalt, 100 Monster geplättet und mittlerweile zehn Stunden gespielt! Nur ein paar der Herausforderungen belohnen mich dafür, wenn andere Spieler meine Kreationen positiv bewerten. Das war in Gameglobe etwas motivierender und Community-freundlicher gelöst. Ein weiteres Manko ist, dass man im Level-Browser nicht direkt nach Schöpfungen von Freunden suchen kann. Man kann allerdings Favoriten-Listen anlegen und Erbauer abonnieren, um gezielter von Updates und neuen Levels zu erfahren.
Zuckerbrot und Zuckerbrot
Wer die Wahl zwischen PC und Xbox One hat, sollte unbedingt am Rechner loslegen, denn mit Maus und Tastatur geht die Steuerung mittlerweile schön flüssig und intuitiv von der Hand. Per Controller muss man sich erst an etwas seltsame Tastenkombinationen gewöhnen, bevor die zähere Steuerung in Fleisch und Blut übergeht. Um Objekte ans Raster zu heften und in die Welt zu stellen, nutzt man dafür die L- und R-Trigger.
Vorteil: PC
Der A-Knopf öffnet dagegen die Werkzeug-Leisten, durch die man etwas umständlich mit Stick und Steuerkreuz navigiert. Auch technisch schneidet der PC deutlich besser ab: Auf der Xbox One mutieren einige größere Welten zur Ruckelorgie. Sogar die Kampagne der Entwickler hat immer wieder mit kleinen Rucklern und Streaming-Schluckauf zu kämpfen. Auf einem PC mit einer GeForce GTX 770 lief dagegen fast alles flüssig. Der einzige Vorteil der Xbox-One-Fassung ist daher die Aufzeichnung von Animationen per Kinect.
Fazit
Auf den ersten Blick ist Project Spark ein Traum für kreative Spieler: Die mit dem Baukasten erschaffenen verschnörkelten Fantasy-Welten sehen hübsch aus und bieten viel Abwechslung. Von Action-Adventures über Rollenspiele bis hin zu Sport- und Retro-Titeln ist unheimlich viel möglich. Vor allem das Programmieren kleiner Logik-Diagramme sorgt für Genre-Vielfalt – aber auch für dafür, dass Anfänger abgeschreckt werden. Wer mehr will als einfache Action-Rollenspiele nach Schema F zu basteln, muss sich richtig reinknien und noch mehr Zeit und Muße aufbringen als in LittleBigPlanet 2. Im Gegensatz zu Sonys Genre-König gibt es hier nämlich weniger „Schablonen“, die dem Bastler spielmechanische Details abnehmen, damit er sich auf die künstlerische Gestaltung konzentrieren kann. Aus diesem Grund sitzt Project Spark ein wenig zwischen den Stühlen: Gelegenheits-Bastler können sich im simpel bedienbaren Crossroads-Modus nur bedingt kreativ austoben und Amateure könnten die benötigte Zeit stattdessen gleich in professionelle Entwickler-Tools stecken. Außerdem stellt sich die Frage, wie lange einem die auf Servern liegenden Kreationen erhalten bleiben: Project Spark baut schließlich ähnlich stark auf eine Online-Anbindung wie Gameglobe, das erstaunlich schnell wieder eingestellt wurde. Auch In-App-Käufe, das Fehlen von Bestenlisten, die Performance-Probleme auf der Xbox One sowie die fade Kampagne bremsen den kreativen Spiele-Baukasten aus. Trotz vieler kleiner Mankos hatte ich aber eine Menge Spaß am Basteln in Project Spark: Es ist einfach unheimlich befriedigend, mit der flüssigen Maus-Steuerung wunderhübsche Inselwelten zu erschaffen, sie sich zurecht zu fräsen und zu dekorieren und das Werk schließlich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Als ich gestern Nachmittag nur noch mal kurz ins Spiel schauen wollte, war es kurz danach plötzlich elf Uhr abends.
Pro
- zauberhaft verschnörkeltes Art-Design
- detailreiche, technisch anspruchsvolle Kulissen
- einige spannende und ideenreiche Nutzerkreationen...
- intuitives Aufschütten und Ausfräsen von Landmasse...
- große Vielfalt möglicher Genres
- zahlreiche Möglichkeiten für Sidequests und Nebensachen
- Unmengen von Logik-Operatoren ermöglichen komplexe Rätsel und mehr
- per Kinect aufgezeichnete Bewegungen und Sounds nutzbar
- kooperatives Basteln und Spielen mit Online-Freunden
- schnelle, leicht bedienbare Maus-Steuerung
- präzise Sprung- und Kampf-Steuerungen
- Sämtliche Nutzer-Levels auf beiden Systemen erhältlich
- Remix-System fördert kreative Zusammenarbeit und komplexe Projekte
Kontra
- In-App-Käufe und Level-Schranken bremsen oft den Bastelspaß aus
- komplexe Welten geraten schnell ins Ruckeln (vor allem Xbox One)
- ...Großteil der Levels aber öder und unfertiger als bei Sackboy oder Gameglobe
- ...Landbearbeitung nicht ganz so schnell und einfach wie in Gameglobe
- das Basteln guter Spiele benötigt mehr Zeit und Aufwand als bei der Konkurrenz
- etwas umständliche und verwirrende Editor-Bedienung (Xbox One)
- noch keine Spieler-Bestenlisten
- größtenteils fade Einzelspieler-Kampagne
- gelegentliche Fehler und Abstürze
- Online-Spiele und Koop-Basteln nicht mit Fremden möglich
- Belohnungen konzentrieren sich eher auf Fleißarbeit als auf Beliebtheit eigener Levels
- teils sehr lange Ladezeiten