Cloud Chamber - Test, Adventure, PC, Mac
Statt mich alleine durch ein Adventure zu rätseln, inspiziere ich in Cloud Chamber eine ganze Reihe von Filmschnipseln und Dokumenten, um mir gemeinsam mit der Community den Kopf darüber zu zerbrechen. Nur sinnvolle Beiträge werden von anderen Spielern mit positiven Bewertungen honoriert. Habe ich genügend davon gesammelt, werden geheime Dokumente freigeschaltet, welche mir neue Einblicke in die Geschichte eröffnen.
Spannende Ermittlung oder passive Berieselung?
Als Erzählform haben sich die Entwickler das „Found Footage“-Genre vorgenommen, das in Horror-Filmen seit geraumer Zeit einen Boom erlebt. Der Spieler wird mit einem wild durcheinandergewürfelten Sammelsurium an Filmschnipseln, Zeichnungen, Fotos, Briefen und E-Mails konfrontiert, aus denen er sich nach und nach die Hintergründe zusammenreimen soll.
Geräusche aus dem All
Auch Kathleens Eltern haben offenbar schon früher ihre Fühler in die Richtung ausgestreckt: Ihr Vater führt das Institut, ihre Mutter ist bei einem mysteriösen Unfall ums Leben gekommen. Nach und nach werden immer mehr Fragen aufgeworfen. Wurde sie in Wahrheit ermordet? Worum handelt es sich bei den mysteriösen Signalen? Verliert die emotional reagierende Kathleen langsam den Verstand?
Mehr Film als Spiel?
Zu den meisten Sequenzen gelange ich durch einfaches Anklicken, doch einige geheime Dokumente werden erst freigeschaltet, wenn ich mich einbringe. Das fordert natürlich ein wenig Überwindung, wenn man selbst nicht gerade ein mitteilungsbedürftiger Fan sozialer Netzwerke ist. Im Gegensatz zum Smalltalk auf Facebook & Co laufen die Diskussionen hier aber sehr themenbezogen und konstruktiv ab. Selbst wenn die wichtigsten Anregungen schon genannt wurden – irgendetwas Interessantes gibt es fast überall anzumerken: „Video x ist offenbar direkt vor Filmschnipsel y entstanden - das erkennt man an der gleichen Kleidung“ oder „die Störung im Video a ist ein klarer Hinweis auf Phänomen b“. Auch die geschickt eingebundenen wissenschaftlichen Hintergründe werden analysiert: „Warum weist der Werbefilm nur auf das vorgestellte ESA-Projekt hin und nicht auf jenes, welches viel besser zum Thema passen würde? Wird es absichtlich verschwiegen?“
Mir fiel z.B. bei der Aufnahme auf einem Dach sofort auf, dass etwas faul ist: Während Max und Thomas nach einem Experiment aus der Bewusstlosigkeit aufwachen, sind mir links zwei seltsame Schemen aufgefallen. „Wer sind die beiden dunklen Gestalten am linken Bildrand?“ fragte ich und erntete dafür eine ganze Reihe positiver Bewertungen. Zwei Tage später erhielt ich sogar die Auszeichnung als bester Diskussionsteilnehmer zum Dokument. „Einer der beiden gibt offenbar ein Handzeichen“, antwortete ein Nutzer, „ein Anzeichen dafür, dass er das Kommando zum Aufstehen gibt und das Video gefälscht wurde!“
Rätseln durch Diskussionen
Die Entwickler spielen immer wieder gekonnt mit solchen Meta-Ebenen ihrer Erzählform. Zu Beginn störten mich z.B. die zahlreichen Kamera-Perspektiven: Wo waren denn bitte bei der angeblich amateurhaften Doku die ganzen Kameramänner, die für solch ein professionelles Endergebnis nötig gewesen wären? Und warum hat die Postproduktion die Aufnahmen mit derart unterschiedlichen Filtern und Bildfehlern versehen? Mal erinnern die weißen Punkte an radioaktive Strahlung auf analogem Film (wie aus Tschernobyl), anderswo gibt es eckige Kompressionsfehler (wie bei digitalem Material) zu sehen. Zu Beginn wirkte das alles reichlich unglaubwürdig - doch je tiefer ich in die Geschichte eintauchte, desto mehr schlüssige Theorien entwickelten sich dazu in meinem Kopf. Auch die zu professionelle Aufmachung störte mich irgendwann kaum noch: Als Fragmente einer Dokumentation wirken die Schnipsel tatsächlich zu poliert. Wenn man Cloud Chamber als interaktives Gegenstück zu einer Mystery-Serie begreift, bleibt es aber meist glaubwürdig. Um mich bei Akte X auf die Handlung einlassen zu können, stelle ich schließlich auch nicht jede Einstellung und jedes handwerkliche Detail in Frage.
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Die „Reise“ durch die Datenbank erinnert an eine Achterbahnfahrt durch eine futuristisch glühende Drahtgitterwelt. Zu Beginn war mir die Navigation etwas zu umständlich, weil man manche Dinge erst sieht, nachdem man die Kamera mit der rechten Maustaste gedreht hat. Später habe ich es aber genossen, durch die bunte Parallelwelt zu düsen, deren Design gut zum Thema passt. Verfügbare Dokumente lassen sich mit einfachen Mausbefehlen öffnen, zoomen und bewegen. Der Aufbau der Kommentar-Sektion hat mir weniger gefallen: Das Scrollen der Texte z.B. geht etwas hakelig vonstatten. Außerdem mangelt es an Metadaten: Ich kann z.B. nicht einmal das Datum oder die Uhrzeit sehen, an dem ein Kommentar oder eine Nachricht verfasst wurde. Gerade in einem derart kommunikativen Spiel ist das ein herber Dämpfer.
Technologie und Techno
Fazit
Spielerisch wirkt Cloud Chamber reichlich dünn: Bis auf das Schauen von Filmschnipseln, das Inspizieren von Mails und Bildern sowie das Kommentieren und Bewerten gibt es nichts zu tun. Geheimnisse werden hier – wenn überhaupt – nur in der Diskussion mit anderen Nutzern gelüftet. Als interaktiver Mystery-Thriller schlägt sich das Projekt des Kopenhagener Studios Investigate North aber gut – obwohl die Kommentarfunktion etwas umständlich gestaltet wurde. Je tiefer ich in den Wust aus Videoschnipseln und Dokumenten eintauchte, desto interessanter wurde das Forschungsprojekt um bedrohliche Signale, Licht- und Soundphänomene. Vor allem die Verbindung zur Gefühlswelt der Hauptfiguren und die Bezüge zu echten wissenschaftlichen Projekten machen die Geschichte interessant.
Pro
- interessante Kombination aus Filmschnipseln, Inspektion von Dokumenten und Dikussionen...
- futuristisch designte, der Stimmung angepasste 3D-Präsentation
- spannend präsentierte Mystery-Geschichte entfaltet sich nach und nach
- wissenschaftliche Hintergründe und elektronische Musik geschickt eingeflochten
- sinnvolle Beiträge und Bewertungen eröffnen neue Bereiche
- Verbindung von Phänomenen und Gefühlswelt macht neugierig
Kontra
- ...spielerisch aktiv werden kann man kaum: gerätselt wird nur mit Kommentaren und Bewertungen
- dumpf gefilterte Musikbeschallung nervt mitunter
- Kommentarsystem wirkt zu eingeschränkt und fummelig