Starpoint Gemini 2 - Test, Action, PC, XboxOne

Starpoint Gemini 2
10.10.2014, Eike Cramer

Test: Starpoint Gemini 2

Monotonie im Weltraum

Nachdem Starpoint Gemini mit seiner Mischung aus Freelancer und Starfleet Command vor drei Jahren nicht gerade zu Jubelstürmen verführte, versucht Little Green Man Games erneut, die große Weltraum-Oper zu erzählen. Ob das Rollenspiel in den unendlichen Weiten überzeugt, klärt der Test.

Seit vier Stunden bin ich im Weltraum unterwegs, ohne mein Ziel erreicht zu haben. Jede Nebenmission habe ich absolviert, wirklich jeden blöden Reparatur-, Scan-, Taxi- oder Meuchelmord-Job angenommen, unzählige Schiffe in Sternenstaub verwandelt und hunderte Gegenstände an Raumstationen verkauft.  Aber trotzdem krebse ich immer noch auf einem viel zu niedrigen Level herum, um die nächste Mission der Handlung absolvieren zu können. Und glaubt mir ich habe es versucht: Ohne die richtige Stufe und eines der sündhaft teuren Schiffe, die mehr Feuerkraft mitbringen als mein kleines Start-Kanonenbötchen, hat man keine Chance.

Unendliche Weiten, unendlicher Grind

Die Kulisse ist durchschnittlich, auch wenn ab und zu nette Panoramen entstehen.
Also schleiche ich weiter durch den Weltraum (die wenigen Sprungverbindungen sind nämlich Gift für das Portemonnaie) und spare, transportiere, schieße, repariere. Quälend langsam füllt sich mein Konto, quälend langsam nähere ich mich einem besseren Raumschiff, das ich aber ohne einen Levelaufstieg ohnehin nicht steuern kann. Diese Monotonie zerrt an meinen Nerven. Warum hat man den Level-Aufstieg nicht ein wenig spannender gestaltet? Warum muss ich einen repetitiven, langweiligen Auftrag nach dem nächsten abarbeiten? Wieso, verdammt nochmal, ist die Balance der ohnehin wenig ansprechend gestalteten Kampagne so missraten? Ich komme mir vor wie im Grind des Online-Rollenspiels – nur dass ich hier alleine durch die riesige Spielwelt krieche.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich mag Weltraum-Abenteuer, in denen alles etwas länger dauert. Ich habe X² und X3 verschlungen und es dabei genossen, tatenlos auf den Bildschirm zu starren, während mein Frachter langsam von A nach B schlich, immer den großen Profit vor Augen. Aber das hier, liebe Entwickler, ist einfach nur öde.

Dabei bietet die Welt von Starpoint Gemini 2 (ab 30,95€ bei kaufen) viel Potential. Es gibt in dem großen, frei erkundbaren Sternensystem unzählige Fraktionen, die sich untereinander bekämpfen. Bei jeder Gruppierung habe ich einen Ruf zu verlieren. Zerstöre ich z.B Raider und Piraten mögen mich die Sicherheitskräfte der kleinen Sternenreiche, jage ich

Die Spielwelt ist riesig. Schön zu sehen: das billig wirkende Interface.
Frachter kann ich bei den Outlaws Unterschlupf finden. Ich kann mich als Händler verdingen, Asteroiden ausbeuten, Schiffe entern lassen und Söldner anheuern.

Große Welt, viele Möglichkeiten

Es gibt viele Waffen, Aufrüstung für jedes Schiffsystem und zahllose Fabrikate von großen und kleinen Weltraum-Pötten. Zudem variiert die mögliche Ladung vom Gesteinsbrocken zum Holospiel, inklusive in verschiedenen Regionen illegale Stoffe, die besonders viel Profit einbringen können.

Das Problem: nichts davon wird spannend inszeniert. So docke ich z.B. nicht an Stationen an, sondern es ploppt einfach nur ein schnöder Stations-Bildschirm auf, wenn ich auf den Knopf zum Andocken klicke. Entermanöver werden als kleine Einblendung im Kampf angezeigt und auch der Handel entbehrt jeglicher Spannung, da mir durch eine Farbcodierung angezeigt wird, wie sich der derzeitige Preis zum systemweiten Markt verhält. Und werde ich bei X² noch von Sicherheitskräften gescannt und verwarnt wenn ich illegale Stoffe an Bord habe, kann ich hier einfach nicht an Stationen andocken. Selbst das Einsammeln von Bergungsgut ist mit zwei Klicks abgetan. Echtes Weltraumgefühl will so nicht aufkommen.

Dabei kann gerade die Kampfmechanik überzeugen. Ähnlich wie bei Starfleet Command muss ich mein Schiff so positionieren, dass die Feuerradien meiner Waffen optimal ausgenutzt werden. Ich kann jederzeit die Schiffsenergie frei zwischen Waffen, Antrieb und Schilde aufteilen und habe vier klassenabhängige Spezialfähigkeiten zur Verfügung, die z.B. meine Schilde stärken oder Waffengattungen verbessern. Diese kann ich beim Stufenaufstieg verbessern und neue Effekte hinzufügen. Zudem kann ich die leichten Waffenbatterien auf Automatikfeuer schalten, während ich mit der Zielverfolgungs-Ansicht meine Feinde im Blick behalte.

Taktischer Weltraumkampf

Es gibt zahllose Fraktionen und überall hat man einen Ruf zu verlieren.
Cool: Fixiere ich den Gegner mit dem Traktorstrahl, kann ich Entertruppen an Bord beamen, die bei einem mir gewogenen Kräfteverhältnis die Kontrolle über den Feindkahn übernehmen und mir bei Verkauf des Raumschiffs ein dickes Plus auf dem Konto spendieren. Allerdings gibt es auch im Kampf Schwächen:  Manchmal bleiben eigentlich überlegene Feindschiffe plötzlich bewegungslos im Raum hängen und lassen sich abschlachten. Zudem ist die eingeblendete Einschätzung des Bordcomputers oft fehlerhaft und schätzt Feinde meist zu stark ein.

Die Inszenierung der einfallslosen Rache-Geschichte ist misslungen und leidet unter schwacher Vertonung der Dialoge und fehlerhaften (oder fehlenden) Übersetzungen. Zudem tauchen die meisten Charaktere nur als hässliche, unbelebte Porträts auf, sodass selbst beim Tod des Vaters keine Atmosphäre aufkommt. Warum hat man hier nicht etwas mehr Wert darauf gelegt, Figuren einzuführen und den Spieler zu fesseln? So bleiben in der Kampagne nur seelenlose Missionen nach spröden

Die Stationen sehen zwar ganz nett aus, es gibt aber keine Andock-Animationen.
Einführungen. Nur die Darstellung der zahlreichen Nebenmissionen ist noch schlechter: man klickt auf ein Symbol, schießt völlig unpersönlich ein paar Feinde ab und bekommt eine schnöde Ergebnis-Einblendung. Weniger geht nicht.

Schwache Inszenierung in durchschnittlicher Kulisse   

Auch die Kulisse ist angesichts des prächtigen Vakuums in Elite: Dangerous oder Star Citizen bestenfalls Mittelmaß, auch wenn Weltraum-Nebel oder Asteroidengürtel in wenigen Momenten ansehnliche Panoramen erzeugen. Waffeneffekte und Explosionen sind durchweg unspektakulär und schwach. Ebenfalls schwach: das allgegenwärtige Interface, das mit seinem billigen, schreiend bunten Design an eine günstige Touch-Produktion erinnert.  Zudem ist die Kamera hinter dem Schiff festgetackert. Abseits der Zielverfolgungs-Ansicht kann ich meine Kamera nicht manuell um das  eigene Schiff drehen – eine völlig abwegige Designentscheidung.

Fazit

Viel Potential, nicht genug dahinter: Starpoint Gemini 2 macht einiges besser als der Vorgänger, schafft es aber dennoch nicht seiner großen Spielwelt endlich Leben einzuhauchen. In mittelmäßiger Kulisse grast man in Freelancer-Manier eine unpersönliche Haupt- oder Nebenaufgabe nach der anderen ab, ballert reihenweise Feinde zu Schrott und repariert eine Station nach der anderen, ohne jemals das Niveau des Vorbildes zu erreichen. Spannung geht anders, zumal auch der Händler-Job keine echte Atmosphäre aufkommen lässt und viel zu teure Sprungverbindungen lange Reisen nach sich ziehen. Zwar kann das an Starfleet Command angelehnte Kampfsystem überzeugen, Stationsbesuche und Kulisse wirken aber in der Zeit von Elite: Dangerous veraltet und steril. So ist das Weltraum-Rollenspiel trotz Freeroam-Modus keine Alternative zu Star Citizen & Co.

Pro

  • viele Fraktionen, Waffen, Schiffe und Waren
  • große, frei begehbare Spielwelt
  • gutes Kampfsystem mit Spezialfähigkeiten und Energieverteilung
  • ordentliche Rollenspiel-Mechanik

Kontra

  • zu viel nerviger Grind um bessere Schiffe zu erlangen
  • repetitive, simple Nebenmissionen
  • schwache Balance in der Kampagne
  • Handlung
  • KI-Aussetzer im Kampf
  • schwache Inszenierung der Missionen
  • keine Landeanimationen
  • schwache Atmosphäre
  • keine freie Kamera
  • zu teure Sprungverbindungen

Wertung

PC

Die unbelebten Grind-Weiten des Gemini-Systems ernüchtern mit schwacher Inszenierung, durchschnittlicher Kulisse und unpersönlichen Missionen.