Disgaea 4: A Promise Revisited - Test, Taktik & Strategie, PS_Vita

Disgaea 4: A Promise Revisited
27.08.2014, Mathias Oertel

Test: Disgaea 4: A Promise Revisited

Vampir auf taktischer Sardinen-Jagd

Disgaea ist ein Phänomen und gleichermaßen ein Paradebeispiel für den Sieg von inhaltlichen Stärken gegenüber den visuellen Qualitäten: Spielerisch ein Schwergewicht der Taktik-Rollenspiele, weigert sich die Serie seit Jahren standhaft, Fortschritte im Bereich der Kulisse zu machen. Drei Jahre nach seiner Erstveröffentlichung erscheint Disgaea 4 nun auf Vita, um diese Tradition fortzusetzen.

Zugegeben: Die Titel der Disgaea-Serie gehörten noch nie zu den hübschesten Spielen aller Zeiten. Wenn man ehrlich ist, hängen sie den Standards mindestens ein oder zwei Generationen hinterher. Das war beim ersten Teil auf der PS2 bereits so und das ändert sich auch hier nicht. Die isometrische Taktik wirkt in Disgaea 4 - A Promise Revisted (D4) zwar wie bei der PS3-Premiere höher aufgelöst als bisher und die Bitmap-Figuren scheinen sich mit ein paar mehr Phasen zu bewegen. Dennoch ist die Kulisse hoffnungslos veraltet - fühlt sich aber auf dem kleinen Bildschirm der Vita dennoch gut an.

So wie immer

Auch weil sie weiterhin mit Charme überzeugt. Die minimal animierten Gesprächssequenzen sind so komödienhaft-überzeugen wie stets und das Anime-Figurendesign so sympathisch wie immer. Allerdings bedeutet das auch, dass D4 Schwierigkeiten haben dürfte, über die Kulisse neue Freunde zu gewinnen - selbst wenn die vollkommen überzogenen Special- und Komboangriffe mittlerweile eine humoristische Ebene erreichen, die kaum getoppt werden dürfte. Dem kann man entgegenhalten, dass die taktischen Rollenspiele bislang ohnehin nicht über die visuelle, sondern die inhaltliche und vor allem die erzählerische Seite punkten.

Die Disgaea-Serie hat noch nie mit visueller Pracht überzeugt - das ist hier nicht anders. Dennoch fällt es schwer, sich von den Taktik-Schlachten loszureißen.
Das ist hier auch nicht anders, auch wenn man wieder einmal mit einem neuen (Anti-)Helden Freundschaft schließen muss, während man auf PS3 wieder den Helden der ersten Teile willkommen heißen durfte. Hier steht der (Ex-)Vampir Lord Valvatorez im Mittelpunkt, der als Prinny-Ausbilder in der Netherworld arbeitet. In bester Disgaea-Manier (man erinnere sich nur an den vorlauten Dämonensohn Laharl aus Teil 1 und 2) hat er aber einen Hau, der sich nicht nur in einer bemerkenswerten Unfähigkeit widerspiegelt, selbst einfache Aussagen logisch miteinander zu verknüpfen. Denn zudem entsagt er dem Vampirismus und ernährt sich von Sardinen - was sich auch insofern als praktisch erweist, da er die Fischchen den Prinnies als Belohnung anbieten kann.

Geläuterter Vampir auf Höllenrettung

Die Lage eskaliert, als die Sklaven-Pinguine der Netherworld ausgerottet werden sollen - und das, bevor er sein Versprechen einlösen und ihnen die Sardinen zukommen lassen konnte. Das kann er als ehrenwerter Vampir nicht auf sich sitzen lassen und bevor er sich versieht, steht er als Protagonist in einem Kampf der das Schicksal der Netherworld nachhaltig beeinflussen wird. Ihm zur Seite steht sein loyaler Werwolf-Adjutant Fenrich, der jedoch langfristig seine eigene Agenda verfolgt.

Ein Combo-Angriff von vier Gefährten kann verheerenden Schaden nach sich ziehen.
Und so kämpft man wie für Disgaea üblich rundenbasiert auf gut gestalteten Schlachtfeldern gegen kontinuierlich stärker werdende Gegner, die späteres Grinden (Kämpfen um des Auflevelns willen) mitunter unausweichlich machen. Wobei man in dieser Ebene sogar nachgebessert hat und man auf Vita z.B. die Schwierigkeit der Gegner ad hoc ändern und die Erfahrungs-, Mana- und Währungs-Zuwächse modifizieren kann, um Grind bzw. Frust zu minimieren. Zusammen mit den auf PS3 veröffentlichten Download-Inhalten sowie neuen Inhalten und Mechaniken (teils aus dem später erschienenen Disgaea D2 importiert) bedeutet dies buchstäblich hunderte Stunden an taktischen Auseinandersetzungen, in denen man nicht nur damit beschäftigt ist, seine Figuren so clever wie möglich zu platzieren, damit man die möglichen Kombo- und Angriffsketten ausnutzen kann.

Alles wie gehabt

Zusätzlich warten weiterhin zahlreiche weitere clever verzahnte Spielsysteme wie z.B. die mit besonderen Modifikatoren ausgestatteten Geo-Blöcke, die bei Zerstörung eine verheerende Kettenreaktion auslösen können. Man darf nach wie vor einen Abstecher in die so genannte "Gegenstandswelt" sowie später in die "Chara-World" machen, in der man in zufällig generierten Abschnitten versucht, sowohl den Level der Figuren als auch die Eigenschaftswerte der Ausrüstung zu verbessern. Es gibt die Möglichkeit, Spielinhalte über Abstimmungen (deren Ergebnis man durch Bestechung oder Gewalt beeinflussen kann) zu verändern und so z.B. teurere (und damit bessere Gegenstände) verfügbar zu machen. Und natürlich kann man auch auf die Monsterwaffen aus Teil 3 zurückgreifen und sogar zwei nicht menschliche Figuren auf dem Schlachtfeld fusionieren, um sie zu einem riesigen Viech zu machen.

Strategische Blockbildung

Doch weder diese Mechanik noch die Möglichkeit, sich per Auftürmen wie eine Raupe über die Kriegsgebiete zu bewegen, können verschleiern, dass D4 letztlich nur "more of the same" darstellt. Das dieses Mehr-Davon auf einem sehr hohen Niveau stattfindet, wird Serien-Fans zu Jubelstürmen hinreißen, doch neue Anhänger werden Valvatorez und seine Kumpel so wohl nicht gewinnen. Zumal man auch bekannte Probleme wie eine mitunter unglückliche Kameraperspektive wieder entdeckt, die eine präzise Figurenanwahl schon auf PS3 zu einem Glücksspiel machte.

Die Effekte sind zwar nicht prunkvoll, kommen auf dem kleinen Vita-Bildschirm aber dennoch gut zur Geltung.
Die Tutorials sind zwar gewohnt gut, doch Einsteiger werden mit den zahlreichen Funktionen schnell überfordert, die einem sowohl auf den Schlachtfeldern als auch in den Kampfpausen mit Shops, Krankenhäusern etc. zur Verfügung stehen. Disgaea hat es einem noch nie wirklich leicht gemacht und Teil 4 ist keine Ausnahme. Zumal mit dem neuen Cam-Pain-Hauptquartier, das die Klassenversammlung des Vorgängers ersetzt, eine weitere Facette hinzugefügt wird, deren einfache Prämisse weitreichende Auswirkungen haben kann. Zum einen haben Figuren, die hier auf angrenzenden Feldern postiert werden, eine größere Chance, im Kampf einen kombinierten Angriff auszulösen. Zusätzlich kann man so genannte "Böse Symbole" platzieren, die alle in ihrem Einzugsbereich stehenden Figuren mit Boni ausstatten. So kann man z.B. den Aufstieg der Figuren forcieren, indem man sie um ein Symbol schart, das einem zehn Prozent der Erfahrung der anderen im entsprechenden Bereich stehenden Charaktere spendiert.

Neu, aber bekannt

Oder man kann über geschicktes Aufstellen temporär weitere, eigentlich unbekannte Zauber nutzen.Wer will und viel Zeit zur Verfügung hat, bekommt enorme Möglichkeiten zur Verfügung gestellt, seine Figuren nach allen Regeln der Kunst zu entwickeln, wobei vor allem in der Anfangsphase kalkuliertes Abwägen vonnöten ist: Investiere ich jetzt in eine neue Fähigkeit oder rüste die alte auf? Erstelle ich mir eine neue Figur und wenn ja, wie stark mache ich sie (auf Kosten von vergleichsweise spärlich ausgeschüttetem "Mana" als Währung für alles abseits der Ausrüstung)? Die Entschädigung für all die Mühen: Strategische Rollenspiel-Taktik mit Spaßgarantie und der abgefahrensten Story sowie der besten Vertonung seit dem Ur-Disgaea. Die Sprecher (für Hardcore-Fans gibt es auch die japanische Sprachversion) sind optimal ausgewählt und schaffen es mit Bravour, den an Monty Python erinnernden Humor mit intelligenten Albernheiten à la Jim Abrahams/David Zucker zu vermitteln.

Abgefahrener Humor, enorme taktische Tiefe und eine gewisse Einsteiger-Unfreundlichkeit sind seit jeher Eigenschaften von Disgaea.
Erstmalig in der Seriengeschichte feierte in Disgaea 4 auf der PS3 ein Karteneditor seine Premiere. Und der ist auch hier wieder vorhanden. Mit wenigen Klicks hat man hier komfortabel Schlachtfelder nach eigenem Gusto zusammengebaut und kann diese nach einem Test mit den anderen Disgaea 4-Spielern teilen. Natürlich kann man auch schauen, wie fantasievoll und fordernd die Kreationen anderer Kartenbauer sind.

Selfmade-Disgaea und Online-Scharmützel

Als weiteres Online-Feature kann man eine Piratengruppe erstellen, den Figuren Angriffs- oder Unterstützungsaufgaben zuweisen und sie auf einem ebenfalls selbst erstellten Schiff auf die Reise schicken, um andere User anzugreifen. Es ist zwar interessant, den Fortschritt seiner Crew zu verfolgen, doch insgesamt sind sowohl diese Scharmützel als auch der Kartendownload eher unbefriedigende Online-Erlebnisse, die aber ohnehin nur eine stark untergeordnete Rolle spielen.

Fazit

An zwei Sachen wird sich bei der Disgaea-Serie nichts ändern: Die Kulisse wird immer ein paar Jahre hinter dem Standard zurück bleiben. Aber die Mechanik sorgt für einige der besten Taktik-Rollenspiele, die man bekommen kann. Vor allem, wenn man einem überzeichneten Humor nicht abgeneigt ist und gewillt ist, sich einzuarbeiten. Der Einstieg und die vernünftige Nutzung aller integrierten Systeme wird einem trotz bemühter Tutorials nicht leicht gemacht. Doch im Gegenzug bekommt man viel und verdammt gute Unterhaltung: Die Geschichte ist herrlich absurd. Die strategische Tiefe aller sorgsam miteinander verbundenen Möglichkeiten ist mit subtilen Änderungen in tieferen Spielebenen auf Vita noch größer als seinerzeit auf PS3. Und mit allen integrierten Download-Inhalten geht das Spielvergnügen in die hunderte Stunden. Wer auch nur ansatzweise etwas mit Rundengefechten wie in Fire Emblem oder Final Fantasy Tactics anfangen kann, könnte mit Disgaea 4 auf Vita sein neues Highlight für unterwegs erleben. Aber Vorsicht: Verpasste Haltestellen müssen einkalkuliert werden.

Pro

  • einfache Steuerung
  • abgefahrene Story...
  • immenser taktischer Tiefgang
  • eigene Figuren erstellbar
  • viel zu entdecken
  • Charakter-Entwicklung auf mehreren Ebenen
  • 100 Stunden purer Strategie-Spaß
  • passende Akustik
  • haufenweise Specials, Zauber und Gimmicks
  • zufällig erstellte Dungeons in der "Item-World"
  • Tiefgang steigt proportional mit dem Anspruch des Spielers
  • wahlweise japanische Sprachausgabe
  • gute Tutorials
  • Oldschool-Pixellook einstellbar
  • erweiterte Möglichkeiten der Charakter-Entwicklung
  • alle Download-Inhalte der PS3-Version integriert
  • Humor à la Monty Python

Kontra

  • technisch hoffnungslos veraltet
  • ... die leider zu häufig seicht bleibt
  • Clipping-Fehler
  • hin und wieder Kameraprobleme
  • holpriger Einstieg
  • Anfänger werden hoffnungslos überfordert
  • Online-Mechaniken wirken draufgestülpt

Wertung

PS_Vita

Wie immer: Visuell antiquiert, sorgen der Humor, die Inhalte und die Mechaniken für ein außergewöhnliches Taktik-Rollenspiel, das Anfänger allerdings vor große Hürden stellt.