inFamous: First Light - Test, Action-Adventure, PlayStation4

inFamous: First Light
03.09.2014, Eike Cramer

Test: inFamous: First Light

Lasergirls Rache

Mit inFamous: Second Son brachte Sucker Punch die Conduits auf die PS4 – und führte mit Delsin einen coolen Hauptcharakter ein. Die Erweiterung First Light beleuchtet die Vorgeschichte von Abigail „Fetch“ Walker, die später zusammen mit Delsin kämpft.

Fetch ist eine Ausgestoßene. Das Punk-Mädchen mit den Neonkräften wurde von ihren Eltern an die DUP verraten, als sie anfing, die Kontrolle über ihre Superkräfte zu verlieren. Zusammen mit ihrem Bruder Brent lebte sie auf den Straßen von Seattle, schlug sich mit Kleinkriminalität und  Kreativität durch ihr von Drogen und Gewalt geprägtes Leben. In der entscheidenden Nacht wollen die Geschwister in Richtung Kanada fliehen, doch der letzte Job geht so

Die Kulisse ist der von Second Son ebenbürtig und überzeugt u.a. mit tollen Lichtstimmungen.


Die Geschichte eines Underdogs

Der Beginn von inFamous: First Light (ab 19,45€ bei kaufen) ist vielversprechend, auch wenn das unausweichliche Ende der Geschwisterbeziehung bereits in Second Son offenbart wurde. Fetch war aber schon im Hauptspiel einer der interessantesten Charaktere, zumal die düstere Hintergrundgeschichte des „Lasergirls“ einen völlig neuen Blick auf die Welt von inFamous bietet. Allerdings müsste es eher „könnte einen neuen Blick bieten“ heißen, denn schon kurz nach der ordentlichen Einführung wird offenbar, was Sucker Punch in dieser Erweiterung völlig versaut hat: die Regie.

richtig schief – und Brent gerät in die Klauen der Mafia-Gang Akura.

Zu Beginn ist Fetch ein unsicheres, verletzlich wirkendes Mädchen, das sich nach der Entführung ihres Bruders binnen Minuten zu einem rasenden Berseker entwickelt, der Spaß daran hat, die Gangster reihenweise umzunieten. Die initiale Charakterentwicklung ist noch unglaubwürdiger als die der jungen Lara in Tomb Raider – und stagniert

Fetch ist toll designt und bringt genug Potential für einen interessanten Charakter mit ...


Furchtbare Charakterentwicklung

nach kurzer Zeit völlig. Ich weiß nicht wie oft ich während der knapp vier Stunden der Kampagne den Satz „Ich mache das für meinen Bruder“ in Variationen gehört habe, denn viel mehr hat der junge Conduit scheinbar nicht zu sagen. Fetch bleibt bis zum Schluss eindimensional und trotz ihrer im Kern interessanten Prämisse völlig uninteressant.

Zu diesen Schwächen gesellt sich hier die Unfähigkeit von Sucker Punch, eine spannende Geschichte zu inszenieren. Der schmierige Shane und auch die im Hauptspiel eigentlich ganz ordentlich geschriebene DUP-Chefin Brooke Augustine bleiben oberflächlich und – bis auf wenige Momente - erschreckend irrelevant. Zudem wird die Geschichte immer wieder durch völlig überflüssige Arena-Passagen im DUP-Gefängnis unterbrochen, bei denen Fetch neue Kräfte offenbart und sich – in der deutschen Lokalisation - schlecht geschriebene Wortgefechte mit Augustine liefert, der sie ihre Geschichte in Rückblenden erzählt. Diese Gefechte gegen Gegnerwellen wirken, als ob man die Spielzeit künstlich strecken wollte, denn sie bieten weder einen inhaltlichen noch einen spielerischen Mehrwert.

Dazu kommt noch eine völlig offensichtliche „überraschende Wendung“, ein Ende zum Kopf-auf-den-Tisch-hauen (auch wenn kurz darauf ein guter Bogen zum Anfang von Second Son geschlagen wird) und viel zu viele dumme Dialoge. Diese wurden zu allem Überfluss schwach lokalisiert und vertont. Zudem bestehen die Missionen aus drei, vier repetitiven Versatzstücken, die sich in immer wieder anderer Kombination wiederholen. Kurz: Diese Kampagne ist ganz klar der Tiefpunkt der Serie, zumal die Entscheidungen zwischen Gut und Böse entfernt wurden und es keinerlei Entscheidungsfreiheit mehr gibt.

Zudem wird viel aus Second Son recycelt. So bewegt man sich Fetch die meiste Zeit ausschließlich durch das bereits bekannte Terrain von Nord-Seattle – der südliche Teil darf aus irgendwelchen Gründen nicht mehr betreten werden. Viele neue Aufgaben gibt es nicht, stattdessen sprayt man auch mit Fetch (Laser-)Graffitis an Wände, zerstört Polizeidrohnen (statt Kameras) und sammelt "Neon-Lumen". Einzige neue Aktivität sind die Rennen, bei denen man einem großen Klumpen im Neonsprint hinterherhetzt und die neuerdings überall in der Welt platzierte Beschleunigungs-Zonen nutzt.

... das sich aber zwischen schlechter Inszenierung und flacher Geschichte schnell verliert.


Altbekanntes und schwache Neuerungen

Die Orbs verleihen Fetch die Möglichkeit ihre Fähigkeiten zu verbessern. Im Gegensatz zu Delson beherrscht sie nur ihre Neon-Kraft, kann aber mehr Upgrades wie z.B. weitere Neon-Raketen, häufigere Nahkampf-Finisher oder stärkere Projektile erstehen. Neben den Neon-Klumpen gibt es auch die Möglichkeit, sich „SP-Punkte“ durch das Absolvieren von Herausforderungen zu verdienen. Das Problem: Die ähnlich wie Achievements gestalteten Herausforderungen (Töte 50 Feinde im Nahkampf, Führe 25 Schwachstellen-Kills aus etc.) wirken deplatziert und schreiben mir meinen Spielstil vor. Da man aber mehr Punkte für die Superkräfte benötigt, arbeitet man die Herausforderungen gezwungenermaßen wie eine Checkliste ab. Nervig.

Dabei machen die explosiven Gefechte im schönen Seattle nach wie vor richtig Laune. Man haut die bösen Buben mit schicken Neon-Projektilen, wuchtigen Nahkampf-Finishern und Schockwellen aus den Socken, hetzt durch die Straßen und freut sich über die Kulisse, die u.a. mit tollen Oberflächen, grandiosen

Fetch besitzt nur ihre Neon-Kraft, kann diese aber umfangreich verbessern.


Ordentliche Technik, überflüssiger Arenamodus

Zudem gibt es einen völlig überflüssigen Arenamodus, in dem man mit Fetch – oder Delsin, wenn man das Hauptspiel besitzt – gegen Wellen von Gegnern antreten oder Geiseln befreien kann, um neue Herausforderungen abzuschließen. Das macht mir genauso wenig Spaß wie während der Kampagne, ist aber immerhin optional – auch wenn man natürlich die eine oder andere Minute in den Arenen verbringt, um neue Fähigkeiten freischalten zu können. Es gibt auch Online-Ranglisten, aber auch die wecken in mir keine Motivation, mich länger als nötig in den Arenen aufzuhalten.

Lichtstimmungen und einer fantastisch entworfenen Fetch glänzen kann.  Technisch ist First Light Second Son absolut ebenbürtig – leidet aber unter den gleichen Schwächen wie ärgerlichen Clipping-Fehlern und aufpoppenden Details in der Ferne.

Fazit

Diese Erweiterung hätte sich Sucker Punch einfach sparen sollen. Fetch ist, ausgehend von ihrem Hintergrund und ihrem Äußeren, ein unheimlich interessanter Charakter. Aber der wird durch eine schlecht geschriebene und noch schlechter inszenierte Kampagne fast völlig gegen die Wand gefahren. Der junge Conduit macht eine unglaubwürdige Wandlung durch, hat wenig zu sagen und ist völlig eindimensional. Auch die Inszenierung der Arena-Gefechte, der gleichförmigen Missionen und nicht zuletzt der flachen Bösewichte ist schwach. Trotzdem sieht First Light genauso gut aus wie Second Son und bietet explosive Gefechte. Fetchs Fähigkeiten sind gut balanciert und das Kloppen und Rennen macht zwischendurch Laune. Dennoch: Die Erweiterung ist inhaltlich meilenweit von der Qualität des Hauptspiels entfernt.

Pro

  • Fetch ist im Ansatz ein interessanter Charakter ...
  • tolle Kulisse, ebenbürtig mit Second Son
  • explosive Kämpfe
  • coole Fähigkeiten

Kontra

  • ... der aber unglaubwürdige Wandlungen durchmacht und eindimensional bleibt.
  • schlechte Regie und Inszenierung
  • schwaches Missionsdesign
  • nervige Arena-Passagen
  • keine moralischen Entscheidungen mehr
  • es kann nur Nord-Seattle betreten werden
  • weniger Nebenaufgaben
  • der neue Arena-Modus wirkt aufgesetzt
  • schlechtes deutsches Voice-Acting

Wertung

PlayStation4

Schlecht inszeniert, schwach erzählt: Trotz seiner tollen Kulisse und explosiven Kämpfen ist inFamous: First Light eine schwache Erweiterung, die nicht mit der Qualität von Second Son mithalten kann.