Hatoful Boyfriend - Test, Simulation, PS_Vita, PC, PlayStation4

Hatoful Boyfriend
18.09.2014, Benjamin Schmädig

Test: Hatoful Boyfriend

Der Planet der Vögel

"Schau dir unbedingt Hatoful Boyfriend an!", haben sie gesagt. Hatofu... nie gehört. Was ist das? "Es ist skurril, witzig und hat eine tolle Geschichte", meinten sie. Oha. "Wenn du es ein paarmal durchgespielt hast, siehst du das richtige Ende", hieß es. Also habe ich es ein paarmal durchgespielt und dann das richtige Ende gesehen. Hätte ich nur nicht auf sie gehört!

Hatoful kann ja viel bedeuten: Im japanischen Original steckt das englische "hateful" (hassenswert) ebenso drin wie "hurtful" (schmerzhaft) oder "heart" (Herz). Nicht zuletzt bedeutet das japanische "hato" sogar Taube – Informationen, die ich mir anlesen musste. Die den Nagel allerdings auf den Kopf treffen, denn Hatoful Boyfriend ist eine Geschichte über Vögel. Nein, nicht im metaphorischen Sinne. Ganz wörtlich.

Der Planet der Vögel

Denn "St. PigeoNation's" ist eine Schule für alle Arten von Vögeln, das muss man so hinnehmen. Und warum auch nicht? Mitte des 22. Jahrhunderts wurde "Der Planet der Affen" also Wirklichkeit. Was nicht hießt, dass es keine Menschen mehr gibt. Eine von ihnen spielt die Hauptrolle.

Eine der wenigen Möglichkeiten, das Spiel zu beeinflussen: Mathe verbessert die Weisheit, Sport die Verfassung und Musik das Charisma. Nennenswerte Auswirkungen hat das nicht.
Ein erklärtes Ziel gibt es nicht. Im Aufbau gleicht Hatoful Boyfriend allerdings so genannten Otome-games. Das sind Spiele für Mädchen, die meist in größtenteils starren Bildern und über viele Dialoge erzählt werden. Gelegentliche Entscheidungen beeinflussen dabei den Fortgang der Handlung und oft geht es darum, zwischen welchen Charakteren es romantisch funkt.

Inter...kulturelle Paarungen

Tosaka Hiyoko heißt das Mädchen, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Sie ist die einzige menschliche Schülerin an St. PigeoNation's und muss...

So auch in Hatoful Boyfriend: Für welche der Tauben entscheidet sich Hiyoko? Der Plot dreht sich um profane Dinge wie nebenschulische Aufgaben oder gesellschaftliche Feste. Die Frage ist meistens: Mit wem soll sich Hiyoko verabreden oder in welchem Fach soll sie ihre schulischen Leistungen verbessern, um welche Charaktereigenschaften zu steigern

Das Prinzip ist banal und Fehlentscheidungen werden kaum bestraft. So lange ich mich halbwegs an z.B. den versnobten Sakuya gehalten habe, durfte ich am Ende mit ihm anbandeln. Die Anzahl der Einflussmöglichkeiten ist ohnehin überschaubar. Mir ist klar, dass das Erzählen der Geschichte im Vordergrund steht. Dennoch ist Hatoful Boyfriend spielerisch mangelhaft.

Zeitschleife

"Klack, klack, klack" rattert die Leertaste durch endlose Dialogfenster. Immer häufiger habe ich irgendwann das Zeitraffer aktiviert, weil sich beim sechsten, siebten, achten Erleben derselben Geschichte wenig ändert. Mit jeder Entscheidung für eine neue Romanze lerne ich zwar die potentiellen Liebhaber kennen, insgesamt bleibt aber vieles gleich.

Das soll nicht heißen, dass die Geschichte langweilig wäre. Einige Charaktere bieten unerwartet interessante Einblicke, mit jedem gewinnt die Handlung an Farbe. Von Romantik über Tragik bis hin zu einem alles durchdringenden finsteren Geheimnis ist alles dabei.

Klischees und ein Rätsel

Nur mit dem seichten Humor konnte ich wenig anfangen. Über einige Gags habe ich geschmunzelt – wieso manche Spieler allerdings den Witz hervorheben, bleibt mir aber ein Rätsel. Auch Anspielungen auf die Gegenwartskultur, darunter aus Videospielen bekannte Klischees, sind zu wenig pointiert. Viel weniger als z.B. in dem westlichen Erzählspiel To the Moon.

Nachdem ich ein paarmal den Abspann gesehen hatte, wollte ich deshalb aufhören. Ich war satt, etwas Wesentliches änderte sich durch die immer neuen Enden ja nicht. Da fragt mich das Spiel im x-ten Neustart, ob

Hm...
ich die normale Geschichte erleben oder das "Versprechen" erfüllen will. Und schau an: Nach ein paar der bekannten Entscheidungen kippt die Geschichte in eine völlig unvorhersehbare Richtung. Darüber schreiben kann ich kaum, weil es zu viel vorweg nehmen würde. Die Frage ist aber: Nimmt Hatoful Boyfriend damit Fahrt auf?

Tragik statt Romantik

Zunächst tut es das tatsächlich. Denn mit Romantik hat die Erzählung jetzt kaum noch zu tun. Aus dem leichtfüßigen Geplänkel wird ein düsterer Krimi, wenn auch auf dem Niveau eines Groschenromans. Zumal ich die meisten Figuren bereits ausführlich kennengelernt habe. Das verstärkt Emotionen und mein Verständnis für ihre Tun. Zuvor unscheinbare Hinweise verdichten sich zu tragischen Ereignissen, eine Offenbarung ergibt die nächste...

Genau darin liegt aber das Problem. „Klack, klack, klack“ rattert die Leertaste jetzt noch schneller. "Klack, klack, klack, klack, klack"  stundenlang. Das Hundertste führt zum Tausendsten. Die Figuren jagen einer Mohrrübe

Die Geschichte nimmt später Fahrt auf, bleibt aber langatmig und trocken.
hinterher, die nach jedem Aufessen durch eine neue ersetzt wird. "Klack, klack." Einzelheiten, die ich nie erfahren wollte. „Klack, klack, klack, klack. Buchstäblich stundenlang dauert die Erzählung. Nicht schlecht oder? Je mehr Story, desto besser.

Klack, klack...

Oh, nein! Denn so gut ist die Geschichte bei weitem nicht. Das Jagen der Mohrrübe, das unbequeme Klackediklack an Maus oder Tastatur, während nur durchschnittlich gut geschriebene Texte über den Bildschirm ziehen, das ist kein Spiel, das ich spielen möchte!

"Du musst doch gar nichts machen. Dir wird doch alles vorgekaut." So heißt es irgendwann im Rahmen einer Anspielung. "Lehn' dich zurück und genieß' einfach", scheint sie zu sagen. Doch das kann ich nicht, wenn sich mein Zutun auf das Anpeitschen von Bildschirmtexten beschränkt.

Fazit

Ja, es hat viel damit zu tun, dass ich mit so genannten "Visual Novels" schwer warm werde. Ich kann mich nicht dafür begeistern, Trivialliteratur am Bildschirm zu lesen, wenn ich mich mit einem Buch gemütlich aufs Sofa legen könnte. Hatoful Boyfriend ist allerdings nicht mein erster dieser interaktiven Comics und viele sind schöner gezeichnet, in anderen darf man häufiger eingreifen oder Bilder und Texte wie einen "Film" automatisch laufen lassen. Beides motiviert zum Dranbleiben. Hier rüttelte mich Autorin Moa Hato zwar mit einem erzählerisch interessanten Bruch kurzzeitig wach – davor und auch danach ist Hatoful Boyfriend aber nur eine mittelprächtige Erzählung in einem spielerisch leeren "Spiel". Für die es die Vögel übrigens nicht gebraucht hätte.

Pro

  • vielschichtige Figuren
  • geheimnisvolle Geschichte mit interessanter Wendung

Kontra

  • wenige Entscheidungen/interaktive Elemente
  • Erzählung zieht sich zu lange
  • kein automatischer Textlauf
  • Spielstände sind mitunter defekt

Wertung

PC

Inhaltlich interessante, erzählerisch und spielerisch aber sehr schwache Geschichte.