Akiba's Trip: Undead & Undressed - Test, Rollenspiel, PlayStation4, PC, PlayStation3, PS_Vita

Akiba's Trip: Undead & Undressed
07.10.2014, Mathias Oertel

Test: Akiba's Trip: Undead & Undressed

Nackte Vampire in Tokio

Ein Prügler, bei dem es nicht nur darum geht, die Gegner KO zu schlagen, sondern ihnen die Klamotten vom Leib zu reißen? Das mag nach wilden Jungenfantasien klingen, ergibt aber Sinn, wenn die Feinde wie in Akiba's Trip - Undead and Undressed zu einer Vampirgattung gehören und man dadurch ihre empfindliche Haut der Sonne preisgeben kann. Was der ungewöhnliche Titel sonst noch zu bieten hat, klären wir im Test.

Akiba's Trip: Hinter dem Titel verbirgt sich zum einen die Aufforderung Tokios Szene-Bezirk Akihabara (kurz Akiba) einen virtuellen Besuch abzustatten. Und wer schon einmal in der japanischen Metropole war, dürfte sich in der Spielwelt schnell zurechtfinden. Denn das Team von Acquire (Way of the Samurai) hat das Kultviertel akribisch modelliert und teilweise sogar die Original-Werbungen verwendet, die auf den Hochhäusern prangen. Und als besonderes Gimmick kann man von zahlreichen Shop-Assistenten sogar Flyer aktueller Geschäfte einsammeln - mit dem Hinweis der Entwickler, bei einem Live-Besuch in dem Viertel die jeweiligen Läden durch einen Besuch zu unterstützen! Leider ist die Kulisse insgesamt aber dröge: Figuren werden spät eingeblendet oder nachgeladen, so dass der Eindruck einer belebten Stadt nur selten entsteht. Zudem sind die Umgebungs-Texturen trotz gelungenem Comicstil schwach. Die Gebiete sind zudem klein und werden von starken Ladephasen unterbrochen. Hier hätte man gut daran getan, die Areale entweder größer oder idealerweise offen zu gestalten. Denn so geht einiges der Atmosphäre wieder flöten, die theoretisch durch die faszinierende Welt der tokioter Pop- und Shopping-Kultur entstehen könnte.

Zweideutig

Bei den Prügeleinlagen geht es darum, den Gegnern die Klamotten vom Leib zu reißen, nachdem man sie geschwächt hat.
Wenn man allerdings den Apostroph entfernt, wird die zweite, schlüpfrige Bedeutung des Titels zu  Tage gefördert: Akiba Strip. Denn in diesem Rollenspiel-Prügler ist man auf der Jagd nach modernen Vampiren, die in Akiba unterwegs sind. Diese so genannten "Synthister" saugen den Bewohnern nicht das Blut, sondern die Lebensenergie und den Enthusiasmus aus. Und man kann sie und alle etwaigen Normalsterbliche, denen man in den Kämpfen gegen kleinere oder größere Gruppen begegnet, nur besiegen, indem man sie derart schwächt, dass man ihnen die Kleidung vom Leib reißen kann. Klingt abgefahren? Skurril? Nach einem "typischen" Nippon-Spiel? Ja. Ja. Und ja!

Wobei der Ausflug nach Akiba trotz aller nach westlichen Maßstäben überkandidelter Werbung, Schulmädchen- oder sonstiger Fetische, die einem in den Ladebildschirmen begegnen, dennoch auch für diejenigen interessant sein könnte, die nicht jedem Fetzen japanischer Spielkunst nachjagen. Denn Acquire nimmt weder das Genre (im weitesten Sinne ist Akiba’s Trip ein Action-Rollenspiel) noch Pop-Kultur im Allgemeinen oder japanische Klischees allzu ernst. Zusammen mit der sehr guten englischen Übersetzung entwickelt die Story um die ungewöhnlichen Vampire, denen sich quasi wie in "The Lost Boys" eine Gruppe Kids bzw. in diesem Fall Jugendliche gegenüberstellt, einen gewinnenden Charme. Mit einer Videospiele-Bar als Zentrale lernt man die Charaktere kennen, die gleichermaßen überzogen-klischeehaft wie bodenständig inszeniert werden. Hier haben wir die ständig streitenden Zwillingsbrüder, dort den erwachsenen Besitzer der Bar, der meist als Stimme des Gewissens fungiert. Und dann haben wir noch eine breite Palette an weiblichen Figuren, die entweder wie die neurotische Schwester des Protagonisten Nanashi helfende Funktionen übernehmen oder die wie die finnische Austausch-Studentin Kati als "Love Interest" dienen können.

Eindeutig

Je nachdem, wie man die Dialogbäume entlang wandert, wie man in bestimmten Situationen reagiert und natürlich, wen man als Partner auf die Wanderungen durch Akiba mitnimmt, verändern sich die Beziehungen, die auch auf unterschiedliche Enden hinsteuern. Und das alles mit einer Leichtigkeit in den Gesprächen, die komplett konträr zur mitunter schwerfälligen Steuerung in den Kämpfen steht. Dabei ist das Grundkonzept sehr interessant: Die Stärke der drei Lebensbalken wird durch die Kleidung festgelegt, die man trägt, jeweils für den Kopf, den Oberkörper und den Unterkörper. Die Angriffskraft und vor allem die Art der Kombos oder unblockbaren Attacken wird durch den Gegenstand geregelt, den man als Waffe mit sich führt - das Repertoire reicht von Posterrollen über Boxhandschuhe bis hin zu Gitarren, Monitoren oder Tastaturen. Auch hier nimmt sich der ungewöhnliche Vampirausflug erfrischend unernst. Und durch diese Varianten wird eine Tür zu enormer Personalisierung geöffnet. Erledigte Feinde lassen Klamotten und Waffen liegen und wer sich ggf. über das Erledigen der zahlreichen Nebenmissionen genug Yen verdient, kann im Zweifelsfall auch bei den zahlreichen Shops zuschlagen und seine Figur ausrüsten.

Mit je einem Angriffsknopf für eine Trefferzone (Kopf, Torso, Beine), wobei im Zusammenspiel mit dem Stick auch unblockbare Attacken vom Stapel gelassen werden können, einer Sprungmöglichkeit sowie einem Block bzw. stehen einem überschaubare Möglichkeiten zur Verfügung, um die Gegner so weit zu schwächen, dass man ihnen die Klamotten

Man durchstreift auf der Suche nach Vampiren den sorgfältig nachgebildete Akihabara-Bezirk Tokios.
vom Leib reißen kann. Dadurch werden die gegen Sonnenlicht empfindlichen Synthister, zu denen durch einen gierigen "Zufall" auch Nanashi gehört, getötet, während „normale“ Gegner durch Schamgefühl überwältigt davonlaufen. Da der KI-Kumpan durchaus clever mitkämpft und sich auch weitgehend intelligent zu verteidigen versteht, hat man mitunter sogar die Möglichkeit zu einer "Strip"-Kette, mit der man gleich mehreren Gegnern die Klamotten entfernt. Und wer es hier zu einer großen Kombo schafft, kann sich als Finisher sogar über das Entfernen der Unterwäsche freuen - wobei das Bild dann nichts explizit zeigt, sondern weich in ein grelles Weiß ausblendet.

Verschenkt

So weit, so gut. Nur eines hat Acquire trotz der Erfahrung mit der Way-of-the-Samurai-Serie vergessen: Eine optimale Kontrolle. Gerade im Zusammenspiel mit dem Block bzw. dem Ausweichen ist die Steuerung zu träge. Zudem lassen sich Kombos manchmal nicht abbrechen und möchte man innerhalb einer Schlagstaffette den Fokus auf einen anderen Gegner richten, spielt die Kamera bei den mitunter unübersichtlichen Kämpfen nicht mir. Steht man nur zwei Feinden gegenüber, ist das Problem vernachlässigbar. Doch wenn man gegen größere Gruppen antreten muss, nerven die Kontroll-Defizite auf Dauer. Immer wieder gerät man ins Hintertreffen, weil man dem gegnerischen „Unblockbaren“ nicht rechtzeitig aus dem Weg gehen kann, weil die eigene Kombo noch zu Ende abgespult werden muss. Da hilft es auch nicht mehr, dass man in ruhigen Momenten oder wenn die Gegner gerade betäubt bzw. am Boden sind, seine Kleidung wieder herrichten und damit die ursprüngliche Lebensenergie wieder herstellen kann. Die Kämpfe sind weit davon entfernt unspielbar zu sein. Doch in einem Chaos, das dem von Super Smash Bros. recht ähnlich ist, ist der Nintendo-Prügler den Tokio-Ausflügen weit voraus. Schade, denn ansonsten gefällt mir Akiba's Trip trotz Abstrichen in der Kulisse richtig gut.

Fazit

Ich bin hin- und hergerissen. Einerseits bin ich fasziniert von dem klischee-behafteten sowie herrlich übertriebenen Einblick in Tokios Akihabara-Distrikt. Allerdings beraubt sich Acquire der aufkommenden Stimmung durch die ständigen Ladepausen. Deutlich intensiver wäre das Prügel-Abenteuer in einer offenen Welt gewesen. Und die hätte auch angesichts der spröden Kulisse möglich sein müssen. Trotz dieser Mankos ist die Charakterzeichnung sehr sympathisch. Dabei profitiert man von der gelungenen englischen Sprachausgabe sowie den zahlreichen Anspielungen und unterstützt damit die mitunter wirre, aber unterhaltsame Geschichte um moderne Vampire. Das Kampfsystem geht theoretisch ebenfalls in Ordnung und bietet abhängig von der gewählten Ausrüstung ein breites Spektrum an möglichen Angriffen. Dem steht jedoch in der Praxis eine hakelige Steuerung gegenüber, die Kontern und Ausweichen zu einem Zufallsspiel macht. Sehr schade, denn so albern sich das Kampfziel auch anhört, seinen Feinden die Klamotten vom Leib zu prügeln, so unbekümmert-naiv wird es inszeniert. Hier fehlt allerdings der Feinschliff an nahezu allen Ecken und Enden fehlt.

Pro

  • umfangreiche Personalisierung
  • akkurate virtuelle Nachbildung von Tokyos Akihabara-Distrikt
  • gute englische Texte und Sprachausgabe
  • amüsante Charakter-Zeichnung und Pop-Kultur-Anspielungen
  • Kampfsystem abhängig von der Ausrüstung
  • viele Gimmicks, Easter Eggs und Geheimnisse
  • unterschiedliche Enden

Kontra

  • grafisch schwach
  • hakelige Steuerung
  • viele kleine Abschnitte mit Ladepausen statt offener Welt

Wertung

PlayStation3

Sowohl konzeptionell als auch erzählerisch interessant, kämpft man hier nicht nur gegen moderne Vampire, sondern auch gegen marode Technik und Steuerungs-Probleme.