Ancient Space - Test, Taktik & Strategie, Mac, PC

Ancient Space
09.10.2014, Benjamin Schmädig

Test: Ancient Space

Die Abenteuer der Odysseus

"Ein großer General wollte ich nie werden, mein eigenes Raumschiff wünsche ich mir aber schon lange." Diesen Satz habe ich für meine Bewerbung bei 4Players vor fast genau zehn Jahren geschrieben, in einem Probetest zu Nexus: The Jupiter Incident. Und er hat noch heute Gültigkeit. Denn obwohl Massenschlachten auch im Weltraum ihren Reiz haben: Am liebsten sitze ich auf dem Sitz des Kommandanten. Schön, dass Ancient Space (ab 17,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) zehn Jahre nach Nexus ein ganz ähnliches Spielgefühl hervorruft.

Zwischen den haushohen Bruchstücken eines Asteroidenfeldes – diesen Eindruck erweckt die Umgebung jedenfalls – führe ich meinen Verband. Sieben Einheiten sind es nur: drei Kommandoschiffe, zwei mit Langstreckengeschossen, zwei Abwehrgeschwader. An Bord der Ulysses II, zu Deutsch wäre es die Odysseus II, lasse ich weitere Schiffe direkt vor Ort herstellen, um auch gegen Angreifer mittlerer Größe gewappnet zu sein.

Die Flotte im Blick

Denn jede Einheit ist nur gegen bestimmte Ziele effektiv und verfügt über eine besondere Fähigkeit. Einige Schiffe nehmen ihre Feinde etwa über große Distanz aufs Korn, andere teleportiere ich hinter feindliche Linien. Ich kann Gegner kurzzeitig gefechtsunfähig machen oder ihnen mit nur einem Angriff großen Schaden zufügen. Die Schiffe, die diesen Schlag beherrschen, sind allerdings sehr verwundbar. Ich sollte meine kleine Flotte daher so zusammenstellen, dass sich die Truppen sinnvoll ergänzen.

Eine Basis gibt es dabei nicht, Kommandoschiffe sind das Herz der Flotte. Ich habe meine Truppen also stets im Blick – so ziehe ich von einem Brennpunkt zum nächsten, gewinne kleine Scharmützel und gelange irgendwann ans Ziel: eine Piratenbasis, ein verlorenes Schiff oder das Wurmloch in den nächsten Sektor. So fühle ich mich stärker mit den Einheiten verbunden als in anderen Taktikspielen.

Warum ich das mache? Um ehrlich zu sein: Ich musste es nachlesen. Ich führe eine Expedition, um ein vor zehn Jahren geschehenes Unglück zu ergründen. Doch das ist nicht wichtig. Die ruhigen Sprecher – namhafte

Sogar aus nächster Nähe sieht der Weltraum gut aus. Hier kapert ein Schiff eine Station.
Schauspieler, die von Star Trek: Das nächste Jahrhundert über Enterprise und Firefly bis hin zu Battlestar Galactica alles gesehen haben – strahlen in kurzen Monologen und zu einleitenden Kamerafahrten eine unaufgeregte Glaubwürdigkeit aus. Die Handlung dient aber nur der Zierde und die Musik kontert die angenehme Ruhe oft unnötig unaufdringlich.

Barcley und Phlox

Vielleicht soll der Soundtrack die Hektik der Gefechte unterstreichen, denn die entsteht in den rasanten Schusswechseln durchaus – könnte ich das Geschehen nicht jederzeit pausieren, um in Ruhe Befehle aneinander zu reihen. Das ist jedenfalls bitter nötig, um die speziellen Fähigkeiten auszulösen. Ärgerlich, dass in dem ansonsten gut strukturierten Menü viele Klicks notwendig sind, um jedes einzelne Schiff, dessen Fähigkeit und ein Ziel anzuwählen. Weil jedoch die besonderen Stärken weniger Schiffe im Vordergrund stehen, erlebe ich spannende Gefechte, in denen jeder Verlust schmerzt und jeder Abschuss meine Moral aufbaut.

Schmerz und Moral

Die Kommandoschiffe nehmen mit mehreren Fähigkeiten dabei eine zentrale Rolle ein und besonders hart umkämpft sind kleine Gebiete, deren Besetzer Stationen mit verschiedenen Defensivanlagen montiert haben. Manche der Stationen vergrößern außerdem das Materialeinkommen, was einen schnelleren Bau neuer Einheiten ermöglicht. So dienen viele der Gebiete als Rückzugsort oder Angriffsziel. Tatsächlich bewege ich meine Flotte meist von einem zum nächsten.

Und leider klicke ich meine Schiffe dabei stets zwischen Felsen oder den Wänden eines künstlichen Komplexes hindurch. Ich kommandiere zwar mitunter verschiedene Verbände, doch mein taktischer Spielraum bleibt überschaubar. Die kleinen und großen Angriffswellen der Gegner engen den Horizont weiter ein. Wenn ich nicht aufpasse, entfernen sich meine Schiffe zudem so weit von der Flotte, dass sie mitunter binnen Sekunden zerstört werden.

Todesmutige Piloten

Rohstoffmangel habe ich zwar selten erlebt, weil ich Material für neue Schiffe auch ohne das Einnehmen der Energiequellen erhalte. Trotzdem ist es ärgerlich, wenn die Einheiten nicht nachvollziehbare Manöver fliegen,

Mehrspieler-Scharmützel gibt es in Ancient Space übrigens nicht. Neben der Kampagne gibt es lediglich einen Gefechtsmodus, in dem man Wellen von Gegnern abwehren muss.
Gegner attackieren, denen sie keinen ernsthaften Schaden zufügen können, oder sich so weit vom Geschehen entfernen, dass ihr flächendeckender Schaden die nächsten Gegner gar nicht erreicht. Clever verhalten sich die Piloten jedenfalls nicht.

Trotzdem genießen ich das langsame Vorrücken der Flotte. Es macht Spaß starke Vorteile gegen die richtigen Ziele auszuspielen: Manche Pötte lasse ich einen feindlichen Geschützturm entern, der den Gegnern daraufhin in den Rücken schießt. Die Ulysses II übernimmt hingegen ein feindliches Großkampfschiff und unterstellt es der eigenen Flotte. Das Tempo, die ruhigen Ansagen sowie das Managen einzelner Truppen anstatt globaler Armeeverschiebung: Das weckt Erinnerungen an Nexus: The Jupiter Incident, obwohl ich in Ancient Space nicht die einzelnen Instrumente eines zentralen Schiffs bediene.

Ancient Memories

Ähnlich wie in Nexus entwickele ich meine Flotte zwischen den Einsätzen zudem weiter. Ich mache einzelne Schiffstypen z.B. schneller oder stärke ihre Panzerung. Der Ulysses II kaufe ich außerdem Erweiterungen, von

Zwischen den Einsätzen passt man Schiffe und Besatzung der taktischen Planung an.
denen ich höchstens fünf installieren darf. Ich muss mich also entscheiden, das Schiff für den Kampf gegen bestimmte Einheiten zu stärken, die Abklingzeit der Fähigkeiten zu senken oder die Kosten der Herstellung neuer Einheiten zu verringern.

Offensiv oder zurückhaltend?

Nicht zuletzt wähle ich zwischen einer offensiven und einer defensiven Ausrüstung des großen Kahns: Defensiv steckt er wesentlich mehr ein und heilt nahe Verbündete, offensiv richtet er mehr Schaden an und verfügt über drei gänzlich andere Fähigkeiten. Weil ich schließlich noch drei Offiziere wähle, deren Fähigkeiten z.B. alle Gegner für kurze Zeit verlangsamen oder einige Angriffswerte erhöhen, stelle ich die Flotte im Detail auf meine Spielweise ein. Die Unterschiede sind nicht riesig, aber spürbar.

Fazit

Ein Spiel, in dem es keine Mehrspielergefechte gibt, könnte Handlung und Charaktere stärker in den Vordergrund rücken. Es könnte mehr bieten als enge Wege, denn Raumschiffe verlangen das freie All. Seine Gegner könnten Besseres auffahren als häufige kleine Angriffswellen. Ein großer Wurf ist Ancient Space deshalb nicht – im Kleinen inszeniert es aber spannende Scharmützel, in denen taktische Entscheidungen wichtiger sind als quantitative Überlegenheit. Jedes Schiff meiner kleinen Flotte zählt, weil seine starken Fähigkeiten unverzichtbar sind. Besonders die mächtigen Kommandoschiffe sind mir ans Herz gewachsen. Die geringe Flottengröße zwingt mich dabei zum Erstellen eines effektiven Verbands, den ich zwischen den Einsätzen präzise auf mein Vorgehen einstelle. Auf ein zweites Nexus muss ich zwar weiter warten. Dank der Beschränkung auf wichtige Details fühle ich mich aber auch hier fast wie ein Raumschiff-Kommandant.

Pro

  • Taktik im Kleinen statt Massenschlachten
  • Pausieren jederzeit möglich
  • spezielle Fähigkeiten machen jede Einheit wertvoll
  • ständige Kommandoschiffe verleihen Flotte ein „Gesicht“
  • neue Schiffe werden direkt am Geschehen hergestellt
  • Offiziere verleihen spezielle Fähigkeiten
  • Verbessern ausgesuchter Eigenschaften der Schiffe
  • umfangreiche Entwicklung des Kommandoschiffs
  • fantasievolle Kulissen innerhalb von Asteroidenformationen

Kontra

  • ständiges Pausieren und Erteilen von Befehlen unterbricht Spielfluss
  • Einheiten greifen nicht von selbst die für sie idealen Gegner an
  • Schiffe entfernen sich eigenständig zu weit von Flotte
  • geradliniger Missionsverlauf mit wenigen räumlichen Freiheiten
  • wenig Abwechslung und geringe taktische Variation der Gegner
  • etwas zu kleine und zu umständliche Menüs

Wertung

PC

Trotz taktischer und KI-Schwächen inszeniert Ancient Space spannende Gefechte im Kleinen statt des Verschiebens anonymer Verbände.