Far Cry 4 - Test, Shooter, 360, PlayStation4, PlayStation3, XboxOne, PC

Far Cry 4
25.11.2014, Benjamin Schmädig

Test: Far Cry 4

Der Service-Shooter

Es wäre ein leichtes, den Jahrmarkt-Charakter dieses Abenteuers vernichtend abzustrafen. Diese Spielbudenschau, deren Betreiber sich im Anpreisen ihrer Fahrgeschäfte gegenseitig übertönen. "Kämpfen sie in der Arena!", brüllt der eine, "Fahren sie halsbrecherische Rennen!" die andere. Eine glaubwürdige virtuelle Welt sieht anders aus. Aber Far Cry 4 (ab 5,75€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist mehr als das. Es ist auch ein hervorragender Shooter, der fast die gesamte Konkurrenz mächtig alt aussehen lässt! Und der Kulisse sowie Action wesentlich besser verknüpft als sein Vorgänger.

Das Gute zuerst? Gerne: Wenn ich im Himalaya durch ein feindliches Lager schleiche, kann ich nicht vorhersagen, was in den nächsten fünf Minuten passieren wird. Vielleicht hocke ich dann immer noch hinter einem Felsen und schalte feindliche Wachen per Kopfschuss aus. Vielleicht renne ich längst in einem Kugelhagel um mein Leben, während hinter mir Sprengsätze explodieren und die Gegner Verstärkung rufen.

Acht mal fünf Minuten

Vielleicht suchen die Wachen nach mir – weil sie einen Toten gefunden haben oder ein Fehlschuss knapp neben ihnen einschlug. Vielleicht beschießen sie das Areal, in dem sie mich vermuten, mit einem Mörser. Vielleicht schleiche ich mich von hinten an, nachdem sie zum anderen Ende ihres Lagers gelaufen sind, wo ich einen zuvor platzierten Sprengsatz explodieren ließ. Vielleicht locke ich einen Bären an, der die Wachen ablenkt. Vielleicht reite ich auf einem Elefanten in das Lager. Vielleicht mache ich alles oder ein bisschen davon – je nachdem, wie sich das Geschehen entwickelt.

Auf etliche Arten kann ich eine Situation beeinflussen: Arglose Wachen lenke ich mit Steinen ab, um hinter ihrem Rücken entlang zu schleichen oder sie mit fiesen Nahkampf-Attacken lautlos auszuschalten. Werde ich entdeckt,

Der Großteil des Abenteuers spielt sich am Fuß der schneebedeckten Wipfel ab. Manche Aufträge führen Ajay Ghale aber in große Höhe.


Das Festhalten dieser Unvorhersehbarkeit ist eines der größten Komplimente, das man interaktiver Unterhaltung machen kann!

Vom Jäger zum Gejagten zum Jäger

kann ich untertauchen, indem ich den Blickkontakt unterbreche. Die Wachen würden mich aufmerksam suchen, aber auch schnell genug auf ihre Posten zurückkehren. In Sicherheit kann ich mich selten wiegen. Und es laufen nicht alle Gegner auf die dieselbe Position zu. Manche halten die Stellung, andere verteilen sich.

Weil ich fast alle meine Waffen um Schalldämpfer erweitert habe, richte ich zudem wenig Schaden an, ziehe während eines Schusswechsels dafür keine zusätzliche Aufmerksamkeit auf mich. Wie ein lautloser Jäger tauche ich auf und wieder unter, nachdem ich eine oder zwei Wachen ausgeschaltet habe. Das Spiel belohnt mich cleveres Vorgehen sogar: Wenn ich ein Lager einnehme, ohne entdeckt zu werden, erhalte ich zusätzliche Erfahrungspunkte. Mit diesen lerne ich immerhin neue Fähigkeiten, darunter viele Nahkampfangriffe. Und falls mir das Heimlichtun nicht gelingt kann ich den Angriff jederzeit nachspielen.

An diesem Punkt zeigt Far Cry 4 jedoch sein zweites Gesicht: das einer zwanghaften Beschäftigungstherapie, die jede Glaubwürdigkeit der virtuellen Welt opfert, falls im Gegenzug ein zusätzlicher Missionstyp herausspringt. Als gäbe es nicht schon Dutzende Möglichkeiten, die Rebellen im Kampf zu unterstützen, in einer Arena sowohl Erfahrung als auch Geld zu sammeln, feindliche Kuriere abzufangen, Transporte zu entführen, Attentate auszuführen, Rennen zu fahren und, und, und.

Zwanghaft hilfsbereit

Selbst in der hervorragenden Action schimmert der aufdringliche Servicegedanke durch. So werden Gegner und Tiere durch Felsen hindurch als Schatten dargestellt, nachdem ich sie mit einem Blick durch die Kamera erfasst habe. Das zerstört jede Illusion, ich würde mich an einem exotischen Schauplatz befinden. Gut, dass ich das Markieren beim Anvisieren mit einer Waffe ausschalten darf! Statt der Kamera benutze ich dann eben die Linse meines Scharfschützengewehrs.

Die umfangreichen Einstellungsmöglichkeiten muss ich ohnehin loben: Alles lässt sich zwar nicht manipulieren, darunter das Markieren über die Kamera, für die alternativen Steuerungsvarianten von Fahr- und Flugzeugen

Die Eroberungen feindlicher Lager sind spielerische Höhepunkte.


Spiel nach deinen Regeln!

Am PC darf ich nicht zuletzt zahlreiche Grafikeinstellungen vornehmen, darunter die Weite des Blickwinkels, während ich auf allen Plattformen viele richtungsweisende Anzeigen abwählen kann, darunter die Minikarte sowie die Erinnerung an das Missionsziel. Ärgerlich nur, dass der aktuelle Wegpunkt sowie die Startpunkte naher Herausforderungen unveränderbar im Sichtfeld liegen werden.

bin ich allerdings ebenso dankbar wie für das Abschalten des automatischen Autofahrens. Letzteres erleichtert zwar das Schießen während der Fahrt, ich möchte aber nicht zugunsten des Servicegedankens auf meine freie Bewegung verzichten.

Die erwähnten Rebellen kämpfen übrigens gegen Pagan Min, einen menschenverachtenden Choleriker, dessen Armee ganz Kyrat unterjocht hat. Kyrat ist ein fiktives Land im Himalaya – religiöse Tradition steht dort der militärischen Moderne und einem Kampf gegen Drogen gegenüber.

Moderne oder Tradition?

Vermittler dieser Gegensätze sind die Rebellenführer Amita und Sabal: Sabal hält an der Tradition seiner Heimat fest, während Amita für ein modernes Kyrat kämpft. Sie möchte eine Drogenfabrik Mins erobern, um sie zur Herstellung wichtiger Medizin zu nutzen. Sabal will sie zerstören, um den wachsenden Drogenkonsum aufzuhalten.

Auf dieser Ebene inszeniert Ubisoft einen spannenden und nachvollziehbaren Konflikt, den Ajay zudem beeinflusst, indem er sich zwischen Amita und Sabal entscheidet. Immerhin liegt es an ihm, ob er die Fabrik zerstört oder für die Rebellen einnimmt. Die wesentliche Geschichte ändert sich dadurch nicht. Wie zwei in dieselbe Richtung führende Gleise bewegt sie sich aber nach jeder seiner Entscheidungen auf dem einen oder dem anderen Gleis weiter: Einzelne Szenen und Missionen spielen sich anders ab, während der Weg in jedem Fall zu Pagan Min führt.

Auf einer anderen Ebene hat mich die Erzählung allerdings komplett verloren. Denn viele weitere Charaktere sind entweder humorlos überzogene Klischeedarstellungen oder alberne Abziehbilder überdrehter Comicfiguren. Bei jeder Begegnung mit dem Bibel zitierenden, zum Waffenpriester bekehrten Bandenführer

Man kann Far Cry 4 nicht nur zu zweit in der offenen Welt spielen - das Spiel bietete auch Teamgefechte für zwei Gruppen mit maximal fünf Kämpfern.

Die Kunst guten Humors

Beide Teams spielen dabei verschiedene Fraktionen: Während die Rakshasa-Kämpfer mit Pfeil und Bogen schießen, Raubtiere anlocken und sich unsichtbar machen, nutzen die Soldaten herkömmliche Waffen sowie Sprengsätze. Die Position der Rakshasa sehen sie zudem auf der Minikarte, so lange sie einen Funkturm halten. Übernehmen ihre Gegner den Turm, sind die schnellen und leisen Rakshasa kaum noch zu erkennen.

Nur einen Vorteil hat der verkappte Unsinn: Ubisoft unterstreicht schon mit dem einleitenden Auftritt des in Rosa gekleideten Min, dass sich Far Cry 4 kaum ernst nimmt. Anders als der düster angelegte Vorgänger gibt das aktuelle Spiel kaum noch vor, ein ernstes Abenteuer zu sein. Das macht erzählerischen Murks nicht besser. Ähnlich wie im Far-Cry-3-Ableger Blood Dragon kann ich den erklärten Abenteuerspielplatz aber leichter als solchen akzeptieren.

Je nach Spielvariante müssen die Teams eine Stellung einnehmen, Masken finden und ins eigene Lager bringen oder Propaganda-Einrichtungen zerstören bzw. schützen.

verdrehe ich etwa die Augen. Beim Klamauk zweier Joint rauchender Taugenichtse rollen sich die Zehennägel auf.

Und ein Abenteuerspielplatz ist auch dieses Far Cry durch und durch. Es gibt ja nicht nur von Amita und Sabal erteilte Aufträge. Wie erwähnt darf ich jederzeit Attentate verüben, Geiseln befreien, Kuriere abfangen, Propagandazentren zerstören und vieles mehr. Weil all das in irgendeiner Form mit der Rebellion verbunden ist und weil Missionen an sinnvollen Punkten platziert wurden, wirkt Far Cry heute schlüssiger als der Vorgänger.

Badger, badger, badger, badger...

Weil mich all das in einem absurden Überfluss überrollt, hat es Ubisoft allerdings maßlos übertrieben. Es gibt ja kaum eine ruhige Minute. Selten kann ich auch nur zehn Sekunden in die prachtvollen Postkartenmotive abtauchen, bevor Rebellen Hilfe brauchen, ein feindlicher Waffentransporter auf mich zu rollt oder eins der irrsinnig aggressiven Tiere über mich herfällt. Das Spiel leitet mich nicht dorthin, wo die Rebellion stattfindet. Die Rebellion walzt wie eine Lawine einfach über mich hinweg.

Als jemand, der weiß, wie er von A nach B gelangt und auf dem Weg dorthin die Aussicht genießen möchte, fühle ich mich von diesem Spiel genötigt. Längst habe ich die Lust daran verloren, Türme zu besteigen, um noch mehr Markierungen freizulegen, und Lager einzunehmen, um noch mehr Missionen zu erhalten. Ich habe kein Interesse an der Jagd nach Tieren, um aus deren Knochen und Fellen größere Rucksäcke oder Munitionstaschen herzustellen – das "Hingegen und Abschießen" könnte kaum langweiliger sein.

Algebra statt Immersion

Wieso sollte ich das wunderschöne Kyrat überhaupt erkunden? Nichts als Enttäuschung erwartete mich, als ich nach langem Klettern an luftigen Felswänden einen Gipfel erreichte, auf dem zwei profane Kisten standen. Und ein Gleiter – auf dass ich mich möglichst schnell wieder in die Lawine der Rebellion stürzen möge. Das Klettern ist eine aufregende Neuerung! Die "Belohnungen" für das Erkunden des Himalaya sind ein schlechter Scherz.

Natürlich ist es nicht neu, dass Ubisoft auf das Erschaffen glaubwürdiger Welten keinen Wert legt. Die Entwickler kreieren längst nur noch eindrucksvolle Fassaden und zeigen anhand Dutzender Symbole, wohin man laufen

Der Kampf gegen Pagan Min motiviert zum Weiterspielen - viele Nebenfiguren sind allerdings witzlose Abziehbilder alberner Klischees.

Enttäuscht bin ich außerdem vom kooperativen Spiel, das erstmals in der offenen Welt eines Far Cry möglich ist. Gemeinsam gewinnt das Einnehmen der Lager und besonders das Erobern der noch stärker bewachten Festungen natürlich an Schwung. Im Jahr des dritten Borderlands ist es allerdings höchst unbefriedigend, dass ich die Hauptmissionen nur im Alleingang erledigen darf. Dadurch wird der Spielfluss ständig unterbrochen. Und ich ziehe lieber gleich alleine los.

muss. Dort angekommen vergrößert ein Tastendruck den Wert [X von Y] auf [X+1 von Y]. Ubisoft vergisst, dass die auch für dieses Spiel zitierte Immersion nicht mit Mathematik, sondern mit Anfassen und Erleben zu tun hat.

Geld oder Karma?

Auch das Anfordern eines Rebellen zu meiner Unterstützung habe ich nach wenigen Versuchen vermieden. Zum einen stehen Begleiter genau wie menschliche Partner während einer Mission nicht zur Verfügung und zum anderen stören sie mit ihrem einfältigen „Augen zu und durch!“ mein bedächtiges Vorgehen beim Einnehmen eines Lagers. Nahezu sinnfrei ist in diesem Zusammenhang das Sammeln von Karma: Nachdem ich Rebellen in Not geholfen habe, kann ich zwar zusätzliche Söldner anheuern – oder aber ich kaufe sie für einen lächerlich niedrigen Betrag bei einem der zahlreichen Händler.

Fazit

Far Cry 4 übertreibt den Service am Spieler. Es führt nicht gefühlvoll in das Abenteuer, es drängt sich auf. Dabei sucht die ebenso taktische wie explosive Action ihresgleichen! In keinem anderen aktuellen Shooter beeinflusse ich das Geschehen auf so vielfältige Weise. Vom Schleichen über das Zündeln mit dem Flammenwerfer bis hin zu schnellen Positionswechseln habe ich alle Möglichkeiten, ein Gefecht zu gestalten. Die Gegner leisten effektiven Widerstand und wenn die Druckwelle einer staubigen Explosion dichte Baumkronen zur Seite drückt, lacht das actionverwöhnte Herz. Im Kleinen beeinflusse ich sogar den Verlauf der Erzählung. Es stört mich nicht, dass Ubisoft einen Jahrmarkt mit kunterbunten Attraktionen eröffnet. Die Fahrgeschäfte, sprich mehr als zwei Dutzend Aufgaben abseits des roten Fadens, sind diesmal immerhin sinnvoll in den überzeichneten Comic eingebettet. Wären da nur nicht die unsäglichen Nebenfiguren mit dem Charisma eines schlecht erzählten Blondinenwitzes! Gäbe es nur nicht den aufdringlichen Begleiter, der mich seit dem Betreten des Rummelplatzes drängt: "Schau mal da!", "Gib dir das!", "Das musst du unbedingt mitnehmen!". Ich finde keine Ruhe, in die prachtvollen Postkartenmotive abzutauchen. Zu allem Überfluss zwingt mir der Begleiter eine Karte mit sämtlichen Geheimnissen auf – Kisten mit einer Belohnung in Textform. Ich entdecke Kyrat nicht als exotischen Schauplatz, sondern wie das Datenblatt einer Excel-Tabelle. So vergräbt Ubisoft seinen hervorragenden Shooter in einem nur befriedigenden Erlebnis.

Pro

  • interessante Geschichte um Tradition und Moderne eines Landes
  • Entscheidungen beeinflussen Verlauf der zweigleisigen Geschichte
  • dynamische Action mit zahlreichen Möglichkeiten, Kampfgeschehen und Gegner zu beeinflussen
  • fordernde Gefechte fordern Übersicht und Können
  • kooperatives Spiel auf gesamter Karte...
  • seltener Höhepunkt: abenteuerliches Schwingen und Klettern an hohen Felsen
  • Mehrspieler-Gefechte mit zwei völlig verschiedenen Teams
  • aufwändige Kulisse mit tollen Panoramen und eindrucksvollen Explosionen
  • zahlreiche Optionen zum Einstellen von Bildschirmhilfen, Steuerung und Grafik (PC)
  • Editor zum Erstellen weiterer Mehrspieler-Karten

Kontra

  • abseits des roten Fadens viele Figuren mit pubertärem Humor und oberflächlicher Charakterisierung
  • dicht gedrängte Ereigniswelt verhindert das Eintauchen in landschaftliche Idylle
  • keine Erkundungsreize, weil alle möglichen Wegpunkte sofort markiert sind
  • unsinnig aggressive Tierwelt
  • â€Å  aber nicht in erzählerisch wichtigen Missionen
  • langweilige Turmbesteigungen und repetitives Erobern feindlicher Lager
  • einige überflüssige Elemente, darunter das Sammeln der Karmapunkte
  • nicht abschaltbar: Kamera markiert Gegner und Tiere
  • als Begleitung gerufene Rebellen verhalten sich oft nicht nachvollziehbar
  • kleine Fehler (schwebende Leichen, fehlerhafte Fahrtwege u.a.)
  • Mehrspieler-Gefechte nur mit U-Play-Konto

Wertung

PlayStation4

Far Cry 4 ist so vollgestopft mit Herausforderungen, dass das Erleben der beeindruckenden Action zu kurz kommt.

XboxOne

Far Cry 4 ist so vollgestopft mit Herausforderungen, dass das Erleben der beeindruckenden Action zu kurz kommt.

PC

Far Cry 4 ist so vollgestopft mit Herausforderungen, dass das Erleben der beeindruckenden Action zu kurz kommt.