Tales of Hearts - Test, Rollenspiel, PS_Vita, NDS

Tales of Hearts
19.11.2014, Jens Bischoff

Test: Tales of Hearts

Es war einmal...

Das Ende 2008 in Japan erschienene DS-Original von Tales of Hearts (ab 32,90€ bei kaufen) hat es leider nie in den Westen geschafft. Beim PS-Vita-Remake des Anime-Rollenspiels hatte Bandai Namco jedoch ein Einsehen und es knapp zwei Jahre nach dem japanischen Stapellauf auch in unseren Breiten veröffentlicht. Der Test verrät, ob sich das Warten gelohnt hat.

Tales of Hearts erzählt die märchenhafte Geschichte von den Geschwistern Hearts, die auf ihrer Flucht vor einer finsteren Hexe auf Kor Meteor und dessen Großvater treffen. Als Hexe Incarose die Gruppe stellt, bezahlt das Kors Opa mit dem Leben und Kohaku Hearts mit dem Verlust ihres Spira-Kerns - einem seelenähnlichen Gebilde, das in die Gefühle einer Person steuert. Als Folge ist Kohaku zu keinerlei Emotionen mehr fähig, ihr aufbrausender Bruder Hisui völlig aus dem Häuschen und Kor schnell als Sündenbock auserkoren.

Dornröschen auf Japanisch

Doch es besteht Hoffnung, da Kohakus Spira-Kern nicht gänzlich zerstört, sondern in einzelne Fragmente zersplittert ist, die sich wie Sternschnuppen über die Welt verteilt haben. So zieht die Gruppe durch die Lande, um die Splitter zu bergen und Kohaku Schritt für Schritt ihre Emotionen zurückzugeben. Dabei stellt sich allerdings heraus, dass es gar nicht so einfach ist, jemanden zu begleiten, der plötzlich isolierte Gefühle wie Zweifel, Angst oder Trauer zurückerlangt, ohne über die entsprechenden Gegenemotionen zu verfügen.

Die ständigen Reibereien zwischen Hisui und Kor machen das Unterfangen auch nicht leichter. Zudem ist man nach wie vor auf der Flucht vor einer skrupellosen Hexe, muss manch Unruhe stiftendes Spira-Fragment gewaltsam an sich bringen und gerät unterwegs auch noch zwischen die Fronten politischer Machtkämpfe zwischen Kirche, Militär und Wissenschaft.

Die vielen harmonisch eingebetteten Anime-Sequenzen hauchen den Figuren mehr Leben ein.
Die Inszenierung ist allerdings eher heiter und humorvoll, oft sogar kindisch, was dem sehr frei auf Dornröschens Spuren wandelnden Anime-Märchen einen fast schon parodistischen Anstrich verpasst.

Entsprechend schrill ist auch die bis zu achtköpfige Gruppe an Abenteurern, die sich im Lauf des Abenteuers um Kohaku, Hisui und Kor sammelt. Das Spektrum reicht vom alternden Haudegen über eine vorlaute Künstlergöre mit Riesenpinsel als Waffe bis hin zu einer aus langem Schlaf erwachten Maschine. Die Figuren werden durch zahlreiche Anime-Einspielungen, Gruppenkonflikte und vertonte Dialoge angenehm greifbar, auch wenn es keine durchgehende Sprachausgabe gibt und lediglich japanischer Originalton angeboten wird. Die deutschen Untertitel sind allerdings tadellos, selbst Reimformen und Sprachfehler wurden stilsicher übernommen.

Für ein modernes Tales-Abenteuer eher untypisch ist hingegen die Rückkehr zu altmodischen Zufallskämpfen. Die Auseinadersetzungen an sich laufen zwar in gewohnt spritziger Echtzeit-Manier ab, die mit ihren luftigen Verfolgungsketten fast schon DragonBall-Charakter hat. Die willkürliche Initiierung kann aber trotz gewisser Einflussnahmen recht nervig sein - vor allem, wenn man gerade am Rätseln ist. Auf den Schlachtfeldern kontrolliert man wie üblich nur einen von maximal vier aktiven Kampfteilnehmern. Ein Figurenwechsel ist aber jederzeit möglich, ebenso wie komplett KI-gesteuerte Aufeinandertreffen.

Zurück in die Vergangenheit

Das Kampfverhalten der Gruppenmitglieder lässt sich individuell festlegen. Man kann sogar zwischen verschiedenen, vorher definierten Strategien hin- und herwechseln. Der an das Gambit-System aus Final Fantasy 12 erinnernde Erwerb einzelner Befehlskettenglieder erlaubt dabei immer spezifischere Verhaltensregeln.

Die Kämpfe laufen wie üblich in Echtzeit ab, werden aber ganz altmodisch per Zufall initiiert.
Wie üblich lässt sich das Kampfgeschehen aber auch beliebig pausieren, um taktische Anpassungen vorzunehmen, individuelle Befehle zu erteilen oder auch zur Flucht zu blasen.

Was leider fehlt, ist die Koop-Funktionalität der Kämpfe, für die man sonst immer bis zu drei Freunde als Mitstreiter rekrutieren konnte. Dafür hat man die Möglichkeit, alle vier Kampfteilnehmer per Knopfdruck kollektiv in Blockstellung gehen zu lassen. Auch das gegenüber aktuellen Konsolentiteln der Tales-Serie eingeschränkte Tastenangebot wird durch die zum Teil frei konfigurierbare Einbindung des Touchscreens gut ausgeglichen. Abseits der Kampfhandlungen wird dieser allerdings völlig vernachlässigt - nicht einmal Menüwahlen oder Dialogfortsetzungen sind per Screen-Antippen möglich...

Auch grafisch nutzt Tales of Hearts R die Möglichkeiten von Sonys Handheld kaum aus, wenngleich sich gegenüber dem noch auf 2D-Figuren setzenden DS-Original (siehe Video) vieles verändert hat. Doch insbesondere die Kulissen wirken blass, die Animationen mitunter hölzern, weniger wichtige Figuren oft sehr klobig. Gelungene Bild- und Videoeinbettungen sorgen insgesamt jedoch für ordentliches Anime-Flair. Auch das aktive Erkunden der 3D-Weltkarte macht trotz trister Optik Laune.

Entdeckungstour mit Schönheitsfehlern

Man kann kleine Nebenschauplätze entdecken, Bonusaufgaben bestreiten und Schätze bergen. Doch auch die Hauptorte der immer schicksalhafteren Reise halten einige Geheimnisse und Überraschungen bereit. Neben alten Bekannten wie dem versteckfreudigen Wunderkoch, der seinem Finder stets neue Rezepte für regenerative oder aufputschende Speisen verrät, gibt es auch tauschwillige Münzsammler, zufällige Kampfherausforderungen oder einen Vergnügungspark, der neben beziehungsfestigenden Karussellfahrten auch eine Kampfarena mit lukrativen Turnieren sowie wechselnde Theatervorstellungen zu bieten hat.

Unterwegs müssen natürlich auch allerlei Hindernisse überwunden werden. Neben ortspezifischen Schalter-, Kombinations- und Schieberätseln kommt auch wieder der aufrüstbare Ring des Hexers zum Einsatz, mit dessen magischen Projektilen man diverse Apparaturen in Gang setzen, manipulieren oder zerstören kann. Karten werden automatisch mitgezeichnet, Nachschlagewerke spielbegleitend mit neu entdeckten Inhalten gefüllt, während sich der Schwierigkeitsgrad jederzeit in drei Stufen regulieren lässt.

Die Charakterentwicklung erfolgt über blumenartige Strukturen, Somas genannt, deren Blütenblätter Eigenschaften wie Mut, Ausdauer oder Glaube symbolisieren und durch Punktvergabe gezielt zum Blühen gebracht werden können.

Verhalten und Aussehen der nun in 3D modellierten Charaktere lassen sich sehr individuell anpassen - technisch wäre auf Sonys Handheld jedoch deutlich mehr drin gewesen.
Dadurch steigen nicht nur entsprechende Charakterwerte, sondern werden auch neue Fähigkeiten, Talente und Waffenformen erworbenen, die sich individuell kombinieren lassen.

Blühende Freiheit

Durch das Festigen von Beziehungen über gemeinsame Kampfeinsätze, Erlebnisse oder Dialogentscheidungen können manche Talente sogar weitergegeben und fortan eigenständig genutzt werden. Auch durch bestimmte Leistungen, Entscheidungen oder Ereignisse erworbenen Titel lassen sich je nach Situation wie Ausrüstung wechseln, um bestimmte Charakterwerte zu stärken. Es gibt aber auch Ausrüstung, die einzig und allein das Erscheinungsbild verändert - darunter auch DLC-Outfits früherer Tales-Charaktere.

Auch sonst trifft man auf viel Vertrautes. Besonders experimentierfreudig gibt sich Tales of Hearts jedenfalls nicht, auch wenn gerade das viele an der Serie schätzen. Fans werden entsprechend nicht enttäuscht, Skeptiker aber ebenso wenig bekehrt. Die vielen kleinen Freiheiten und Anpassungsmöglichkeiten, die man geboten bekommt, trösten mich jedenfalls über die ein oder andere fragwürdige Designentscheidung hinweg, auch wenn ich mir für die Zukunft wieder mehr Kreativität und Fortschritt wünsche.

Fazit

Tales of Hearts R bietet auch auf Sonys Handheld serientypische Rollenspielunterhaltung mit märchenhafter Handlung, spritzigen Echtzeitkämpfen und motivierender Charakterpflege, während die ungewohnt vielen Anime-Sequenzen und vertonten Dialoge inklusive vorbildlich eingedeutschter Untertitel positiv überraschen. Allerdings ist die Sprachausgabe immer noch lückenhaft und dieses Mal sogar ausschließlich auf Japanisch. Alter und DS-Herkunft sorgen zudem für technische Abstriche: Einige Charaktermodelle und Animationen wirken trotz Neugestaltung hölzern und klobig, die Kulissen blass, die Rückbesinnung auf altmodische Zufallskämpfe ebenso wenig nachvollziehbar wie der Verzicht auf die traditionelle Koop-Funktionalität der Kämpfe. Auch der Touchscreen hätte wesentlich vielfältiger eingebunden werden können, gleicht aber zumindest den gegenüber den Konsolenablegern der Serie bestehenden Schultertastenmangel auf dem Schlachtfeld gut aus. Unterm Strich macht das PS-Vita-Remake aber immer noch eine gute Figur und Lust auf mehr.

Pro

  • tolles Anime-Flair
  • spritzige Echtzeitkämpfe
  • humorvolle...
  • nette Rätsel und Erkundungsreize
  • motivierende Party- & Charakterpflege
  • facettenreiche Anpassungsmöglichkeiten
  • praktische Kartenfunktion & Nachschlagewerke
  • vorbildliche deutsche Übersetzungsarbeit

Kontra

  • mäßige Technik
  • altmodische Zufallskämpfe
  • ...aber oft auch sehr kindische Inszenierung
  • Verzicht auf kooperativen Kampfmodus
  • ausschließlich japanische Tonspur

Wertung

PS_Vita

Trotz nicht immer nachvollziehbarer Design-Entscheidungen ordentliches PS-Vita-Debüt der Tales-Saga.