LittleBigPlanet 3 - Test, Logik & Kreativität, PlayStation3, PlayStation4

LittleBigPlanet 3
20.11.2014, Jan Wöbbeking

Test: LittleBigPlanet 3

Sackboy bekommt Gesellschaft

Sackboy bekommt Verstärkung! Drei unförmige und äußerst knuffige Sack-Püppchen sollen frischen Wind in den Hüpfspiel-Baukasten bringen – mit Sturzflügen, Gestaltwandler-Puzzles und halsbrecherischen Parcours-Sprüngen. Kann der neue Entwickler Sumo Interactive den Zauber der Vorgänger einfangen?

Als ich die neuen Kulissen zum ersten Mal sah, war ich skeptisch: So viel aufwändiger als in LittleBigPlanet 2 sehen die neuen PS4-Kulissen gar nicht aus. Sicher: Die Beleuchtung ist stimmungsvoller, es gibt eine Reihe frischer Effekte, die Welt wirkt durch neue Ebenen tiefer und das Gesamtbild sieht dank der höheren Auflösung zumindest auf der PS4 eine ganze Ecke sauberer aus. Vermutlich haben die Entwickler das Spiel absichtlich nicht allzu sehr mit grafischen Neuerungen vollgestopft. Der Titel erscheint schließlich auch für die PS3; außerdem sollen alte Nutzer-Levels kompatibel bleiben.

Läuft das wirklich auf einer PS4?

Auf den ersten Blick wirkt das Spiel also beinahe wie eine Erweiterung – wie eine Art LittleBigPlanet 2.5. Der Eindruck täuscht aber, denn hinter der Fassade verstecken sich zahlreiche coole Neuerungen, darunter drei Neuzugänge. Das Sackpüppchen-Trio sieht nicht nur unheimlich knuffig aus, sondern bringt durch individuelle Tricks auch viel frischen Wind ins Spiel. Die Handhabung von Oddsock ist an Super Meat Boy angelehnt: Er steuert sich herrlich griffig, erreicht mit seinem Wandsprung elegant neue Anhöhen und kann an Wänden herunter rutschen.

Ein Blick auf die neuen Helden...
Toggle verwandelt sich auf Knopfdruck von einem fetten schweren Sack in ein kleines flitzendes Täschchen. Mit Hilfe seiner Gewichtsveränderung kann ich einige Hindernisse überwinden und mich in geheime Abschnitte mogeln. Nachdem der fette Toggle an den Grund eines Tümpels gesunken ist, wechsle ich zum Mini-Exemplar und werde hoch aus dem Becken geschleudert. Danach läuft der Winzling wie ein Wasserläufer über den Teich und schlüpft in einen schmalen Geheimtunnel – äußerst praktisch! Am stärksten ins Herz geschlossen habe ich aber den Vogel Swoop: Ein Viech mit solch putzigen Kulleraugen und einem derart tapsigen Gang muss man einfach lieben! Außerdem wirken auch seine Abschnitte durchdacht: Ähnlich wie in Gravity Crash schwebe ich langsam flatternd durch tödlich zuckende Elektro-Blitze und gleite in hektischen Momenten im Sturzflug durch kollabierende Tunnels.

Jojo-Diät im Schnelldurchlauf

Schade, dass Sumo Digital ihren neuen Stars im Story-Modus so wenig Platz einräumt: Im Großteil der Levels bin ich ganz klassisch mit Sackboy unterwegs, der aber immerhin auf neue Gadgets wie Schubstiefel für einen Doppelsprung oder einen Schienenhaken im Stil von Bioshock Infinite zurückgreifen kann. Das Abenteuer wirkt sogar kürzer als in den Vorgängern. Obwohl ich zwischendurch versteckte Materialien gesammelt und einige Sidequests angenommen habe, bekam ich schon nach rund fünf Stunden den Abspann zu sehen.

...und den Antagonisten Newton.
Diesmal landet Sackboy in einer Welt namens Bunkum. Der exzentrische Glühbirnen-Bösewicht Newton will seine Welt mit Hilfe glühender Funken ins Chaos stürzen, doch zum Glück kämpft der gehäkelte Held mit seinen drei neuen Freunden dagegen an. Die Story bleibt allerdings kaum mehr als Staffage. Newtons witzlose Slapstick-Sequenzen hätte ich am liebsten weggedrückt und auch Verbündete wie das Edelstein-Walross fielen fallen bestenfalls durch ihren misslungenen osteuropäischen Akzent auf. Wer der englischen Sprache halbwegs mächtig ist, sollte unbedingt zur weniger infantilen Original-Synchro umschalten.

Kurzes Vergnügen

Das Design der Kulissen ist Sumo Digital besser gelungen: Ich hüpfe über mit Federn verzierte Luftschiffe, durch in Neonfarben glühende Flipper-Welten oder durch ein knorriges hölzernes Uhrwerk voller bizarrer Theater-Masken und Holzspinnen. Zur Erstellung der Levels hat man offenbar auch Hobby-Schöpfer aus dem Vorgänger eingebunden. Der hochtalentierte Lockstich z.B. arbeitet jetzt bei den Tarsier Studios, welche ebenfalls an der Entwicklung beteiligt waren.

Trotz aller Mühen erreichen die Designer allerdings bei weitem nicht die kreative Brillanz eines LittleBigPlanet 2. Media Molecule ist und bleibt eine Klasse für sich. Ob beim verträumten Soundtrack, verrückten Viechern wie dem kugelrunden Roll-Hamster oder den gleißenden Shoot-em-up-Passagen: Im Vorgänger für PS3 steckte derart viel Liebe in jedem kleinen Detail, dass mir beinahe im Minutentakt Schauer über den Rücken gelaufen sind. In Teil 3 fehlt dieser kreative Funke. Die Kulissen sehen durchaus hübsch aus – haben mich aber bei weitem nicht so stark inspiriert.

Der kreative Funke fehlt

Das Highlight von LittleBigPlanet ist natürlich nach wie vor die große Bastelstunde. In dieser Disziplin bleibt das Spiel der Genre-König: So viele Möglichkeiten wie hier gibt nicht einmal in Microsofts Baukasten Project Spark. Außerdem geht Bedienung deutlich intuitiver von der Hand. Einfach ein Material auswählen, mit dem Joystick ein paar geschwungene Plattformen zeichnen und ein paar Sekunden später kann Sackboy im Spielmodus auf ihnen herumturnen. Zu guter Letzt verziere ich mein Level noch mit einigen im Story-Modus gesammelten Stickern, platziere einige Gefahren wie Feuer oder tödliche Stromblitze und kann das Level schließlich mit der Welt teilen. Das Feintuning der Fallen, Gegner und Abstände dauert zwar nach wie vor einige Stunden, doch in dieser Zeitspanne kann man auch als Anfänger ein nettes kleines Levels auf die Beine stellen. Ich bin sofort wieder im kreativen Teil des Spiels versunken – und zwar so sehr, dass der gestrige Nachmittag gefühlt in einer Stunde vorbei war.

Der gelungene Soundtrack bietet wieder quietschvergnügte bis dramatische Stücke - erreicht aber nicht ganz die Qualität des Vorgängers.
Ähnlich wie früher sind nicht nur Hüpfspiele, sondern eine Vielzahl von Genres möglich: Rennspiele aus der Draufsicht, Zweistick-Shooter, Puzzlespiele und sogar komplett dreidimensionale Titel, wahlweise auch aus der Ego- oder Draufsicht. Der Baukasten konzentriert sich zwar erneut auf zweidimensionale Titel, dank neuer Ebenen und Werkzeuge kann man seinen Schöpfungen aber deutlich mehr Tiefe verpassen.

Bastelstunde reloaded

Wenn ich die entsprechende Voreinstellung auswähle, kann ich mit Sackboy in bis zu 16 Tiefen-Ebenen herumspazieren. So lassen sich erstmals richtig komplexe Verstecke oder vielschichtige Hintergründe basteln. Einsteiger sollten sich allerdings erstmal mit flacheren Levels begnügen. In meinem ersten Exemplar mit 16 Ebenen musste ich zum Schluss jede Menge Schlupflöcher nach hinten stopfen, damit sich die Spieler nicht einfach hindurch mogeln. Der große Vorteil gegenüber Project Spark liegt in den zahlreichen Vorlagen: Sony präsentiert mir alle möglichen Checkpunkte, Gegner und Hilfsmittel übersichtlich im Pop-it, ohne dass ich sie umständlich in Code-Menüs programmieren muss. Wer möchte, kann Bots und Gegner trotzdem nach Herzenslust mit Funktionen und Verhaltensmustern versehen, man wird aber nicht dazu gezwungen.

Wer dem Bossmonster stilvoll entgegentreten will, kann alle Figuren auf mannigfaltige Weise verkleiden.
Es würde den Test sprengen, hier auf die Unmengen an Neuerungen einzugehen, daher beschränke ich mich auf die coolsten Exemplare: Enorm viel Spaß machen z.B. die neuen Teleporter, so genannte „Schnelleporter“. Falle ich in eine davon mit Schmackes hinein, zische ich mit voller Geschwindigkeit aus dem nächsten heraus – ein rasantes Gefühl! Auch die neuen Gadgets an Sackboys Hand machen Laune; ihre Einsatzmöglichkeiten lernt man bereits im Story-Modus kennen. Schieße ich einen Teleporter-Ball zu einer glänzenden Quecksilber-Platte, kann ich mich an Gefahren und Fallen vorbei beamen. Oder ich sauge und puste leichte Blöcke aus dem Weg, um Geheimgänge zu öffnen und Treppenstufen zu bauen.

Überfluss an Möglichkeiten

Interessant für erfahrene Bastler sind vor allem die effektive Verkettung komplexer Levels sowie die Möglichkeit, seine Schöpfungen mit Video-Trailern anzupreisen. Wer genügend Zeit hat, kann alleine oder mit Freunden einen kompletten Story-Modus auf die Beine stellen; auf einem Planeten voller zusammenhängender Abenteuer und inklusive eigens produzierter Zwischensequenzen. Oder man erstellt sich eine offene Welt und darin jede Menge optionaler Sidequests. Diese Nebenaufgaben kommen ebenfalls bereits in der Kampagne zum Einsatz. Auf Wunsch hilft eine übersichtliches Log sowie ein Navigations-Marker auf der Suche nach optionalen Aufgaben.

Richtig gut hat mir gefallen, dass die Entwickler einen neuartigen Modus kreiert haben: Die so genannten Popit-Puzzles sind Tutorial und Rätselspiel in einem. Mit Hilfe von vorgegebenen Editor-Werkzeugen bastle ich einen Weg für Sackboy, über den er dann ans Ziel oder zu vielen versteckten Preisblasen spaziert. Ich fräse Löcher durch die Decke, bugsiere Bälle über Anhöhen oder lösche das Feuer auf brennenden Plattformen – alles mit dem Cursor. Ganz nebenbei werde ich so immer geübter im Umgang mit meinen Werkzeugen, bevor ich mich schließlich in den Editor stürze. Bei der Präsentation der Levels hat sich ebenfalls einiges getan: Ähnlich wie auf Musik-Plattformen wie Soundcloud können neuerdings auch reine Spieler Listen mit ihren Lieblings-Levels präsentieren. Hauptanlaufstelle ist nach wie vor die Website lbp.me . Dort kann man bequem Schöpfungen anderer Spieler in die Warteschleife schieben, um sie später auf der Konsole zu zocken.

Frischer Mix aus Puzzles und Tutorial

Viele Editor-Funktionen lassen sich neuerdings auch im Spiel für Rätsel nutzen.
In der Empfehlungsliste der Entwickler finden sich diesmal von Beginn an deutlich mehr Kreationen als im Vorgänger. Anders als damals wurden diesmal die Schöpfungen aus der Beta ins Spiel übernommen, so dass schon jetzt einige hochwertige User-Kreationen zur Verfügung stehen. Exemplare aus den Vorgängern sind ebenfalls wieder kompatibel.

Ein deutlicher Spaßdämpfer auf der Entdeckungstour sind allerdings die vielen kleinen technischen Probleme. Besonders komplexe Levels aus der Beta oder den Vorgängern liefen bei uns zum Teil mit leichten, aber deutlich fühlbaren Slowdowns, wodurch sich auch die Steuerung plötzlich schwammiger anfühlte. Dazu kommen gelegentliche Abstürze, kleine Grafikfehler in den Menüs und andere Schnitzer. In unserer PS3-Fassung litten Nutzer-Levels seltener unter Slowdowns – im Gegenzug kam es hier aber manchmal zu Bugs beim Starten der Levels oder beim Sound, so dass nur noch die Musik hörbar war.

Technische Schnitzer

Special 4Von solchen Problemen abgesehen läuft die PS3-Fassung übrigens gut. Grafisch muss man leichte Abstriche in Kauf nehmen: Die Material-Texturen sind einen Deut unschärfer, immer mal wieder ist mir ein flackernder Schatten begegnet und insgesamt wirkt das Bild etwas unsauberer und weniger fein beleuchtet. Insgesamt hält sich der Unterschied aber in Grenzen.

Hier geht es zu den coolsten Nutzer-Levels aus LittleBigPlanet 2:

Special 1

Special 2

Special 3

Fazit

Auch im dritten Teil von LittleBigPlanet steckt ein sympathischer Mix aus Jump-n-Run und Baukasten - den leichtfüßigen Zauber der Vorgänger hat das Spiel aber verloren. Der neue Entwickler Sumo Digital liefert einen routinierten, gut ausbalancierten Story-Modus ab, aber es fehlt der kreative Funke, der die Vorgänger immer zu einem inspirierenden Erlebnis gemacht hat. Offenbar ist es gar nicht so einfach, das Erbe von einem vor Ideen sprühenden Team wie Media Molecule zu übernehmen. Schade, dass immer wieder Bugs dazwischenfunken und dass die coolen neuen Sack-Figuren nicht öfter zum Einsatz kommen. Richtig gut gefallen haben mir die neuen Popit-Rätsel. Außerdem ist der umfangreiche Baukasten immer noch eine Klasse für sich und wurde um zahlreiche sinnvolle Möglichkeiten erweitert. Einsteiger können hier deutlich einfacher eigene Kreationen auf die Beine stellen als in Project Spark und erfahrene Bastler profitieren von verketteten Levels, der Erweiterung der Ebenen und vielen weiteren Feinheiten.

Pro

  • einsteigerfreundliches aber gut ausbalanciertes Plattform-Abenteuer
  • neue Figuren bereichern das Spiel enorm... 
  • knuffigster Vogel der Videospielgeschichte
  • unheimlich mächtiger Editor
  • trotzdem intuitive Bedienung
  • zahlreiche coole neue Bastel-Werkzeuge, Regeln und Möglichkeiten
  • Spiele aus Vielzahl von Genres erschaffen
  • Unmengen bezaubernder Materialien und Sticker-Designs
  • fotorealistische Oberflächen und hübsche Beleuchtung
  • gelungener Extra-Modus mit umfangreichen Tutorials und Rätseln
  • abwärtskompatibel zu Millionen alter Schöpfungen
  • Nutzer-Levels lassen sich effektiver verketten und mit Videos bewerben
  • programmierbare "Sackbots" für Puzzle-Spiele
  • gigantische Schaltungen durch Logik und Microchips
  • Kooperatives Basteln und Zocken sorgt lokal für lustige Momente
  • lustige Versus-Kabbeleien
  • alberner bis dramatischer Soundtrack passt gut zur Action
  • charmant verschrobener Märchenonkel-Erzähler
  • eigene Filmchen erstellen und per Mikro vertonen
  • praktische Website und Listen zum Organisieren von Levels

Kontra

  • Story-Modus nur vier bis fünf Stunden kurz
  • ...Neuzugänge kommen in der Story aber kaum zum Einsatz
  • einige kleine Bugs und seltene Abstürze
  • in komplexen User-Levels Slowdowns und Eingabeverzögerung
  • oft starke Ruckler und Verzögerungen im Online-Koop
  • belanglose Geschichte bleibt komplett im Hintergrund
  • schwach betonte deutsche Synchro (bessere Englisch-Fassung auch enthalten)
  • nur dezente grafische Verbesserungen im Vergleich zum Vorgänger
  • keine schnellen Erfolgserlebnisse im Editor
  • lange Ladezeiten

Wertung

PlayStation3

Der neue Entwickler verschafft dem mächtigen Editor noch mehr Möglichkeiten, erreicht aber nicht die kreative und technische Brillanz von Media Molecule.

PlayStation4

Der neue Entwickler verschafft dem mächtigen Editor noch mehr Möglichkeiten, erreicht aber nicht die kreative und technische Brillanz von Media Molecule.