The Talos Principle - Test, Logik & Kreativität, iPhone, PC, XboxOne, iPad, Switch, PlayStation4

The Talos Principle
10.12.2014, Jörg Luibl

Test: The Talos Principle

Große Philosophie, clevere Rätsel

Croteam? Das sind doch…richtig: Die Macher von Serious Sam! Aber die Entwickler aus Zagreb lassen den Shooter ruhen und widmen sich aus Egosicht dem Köpfchen – ganz in der Tradition von Portal. Ab sofort könnt ihr auf dem PC und ab nächstes Jahr auf PlayStation 4 in „The Talos Principle (ab 28,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen)“ nicht nur rätseln, sondern über den Menschen und künstliche Intelligenz grübeln. Ob das Knobelspiel mit philosophischem Hintergrund unterhalten kann, klärt der Test.

Die Grillen zirpen, die Abendsonne leuchtet. Aber irgendwo zwischen den verwitterten Kalksteinruinen schweben Wachroboter, die mich in null Komma nichts wegbrutzeln. Sobald ich in ihre Nähe komme, fächern ihre roten Laser auf und tasten die Gegend ab. Es gibt hier keine Waffen, also schnell hinter einer Säule oder einer Statue verstecken! Da bin ich zumindest kurzfristig sicher und kann mit etwas Timing ihre festen Patrouillenwege für eine Umgehung ausnutzen.

Im Visier der Laserwachen

Wie kommt man an den schwebenden Laserwachen vorbei? Man kann sie einfrieren...
So idyllisch die antike Kulisse in „The Talos Principle“ auch wirkt und so weise die Stimme des mysteriösen Erzählers zu Beginn klingt: Ich muss in Egosicht ganz schön aufpassen, wenn ich durch die Anlagen spaziere oder spurte. Aber keine Bange, der Spielrhythmus ist eher entspannend als frustrierend: Falls ich mal im Laser sterbe, ist das nicht weiter tragisch, denn es wird an den Anfang des jeweiligen Parcours zurückgespult. Und weil alles angenehm offen angelegt ist, kann ich auch mal eine alternative Route probieren.

Jedenfalls habe ich genug Zeit, über die kryptischen Computertexte, die religiösen Anspielungen und den philosophischen Sinn des Ganzen zu grübeln. Kaum hacke ich einige Befehle in die seltsam altmodischen Terminals, frage ich mich: Wem gehört die Stimme, die sich „Elohim“ und mich „Mein Kind“ nennt? Einem Gott?

Zu Beginn kann man nur Barrieren oder Roboter deaktivieren, aber schon bald gilt es, Strahlen clever umzuleiten.
Wer hat das eigentlich alles gebaut? Wieso hat man so komische Kunststoffhände? Bin ich etwa ein Roboter? Und falls ja: Warum kann ich mir dann so menschliche Gedanken machen? Fragen über Fragen. Wer sich auf die Story mit ihren drei Enden einlässt, wird angenehm anspruchsvoll und kreativ unterhalten. Im Gegensatz zu den endlosen Monologen eines The Old City, wird man hier viel mehr zum Mitdenken animiert.

Auf der Suche nach Antworten

Mit der Zeit sammel ich nicht einfach immer mehr Hinweise, die sich aus E-Mails, Botschaften auf Wänden, Usereinträgen oder mythologischen Fragmenten zusammensetzen – es ergeben sich mit der Stimme und dem Computer in Form des „Milton Library Assistant“ auch zwei erzählerische Ebenen, die scheinbar konkurrieren, was richtig neugierig macht. Auch deshalb, weil sie mich direkt ansprechen oder zum Interagieren auffordern: Die göttliche Stimme etwa warnt mich davor, den großen Turm zu betreten. Als ich es dennoch tue, wird über die menschliche Neugier sinniert und als ich den Turm verlasse, wird mein Besuch mit einem strengen "Where have you

An den Computerterminals bekommt man nicht nur Informationen, sondern muss auch philosophische Fragen beantworten.
been, child?" kommentiert - sehr schön. Die Terminals wiederum stellen mir des Öfteren philosophische Fragen, die ich beantworten muss - etwa, ob man die Freiheit des Menschen maximal auslegen sollte oder inwiefern man zwischen Mensch und Tier als Persönlichkeiten unterscheidet. Und all das wird scheinbar protokolliert.

Schade ist allerdings, dass es keine direkten Wechselbeziehung zwischen Story und Rätseln gibt, also keine verborgenen Hinweise in Texten, die man dann im Gelände  nutzen könnte. Man muss den unheimlich interessanten, von Tom Jubert (Faster Than Light, The Swapper) entworfenen erzählerischen Hintergrund also nicht unbedingt durchschauen oder ergründen.

Man kann ganz ohne Philosophie einfach aktiv in den labyrinthischen Gärten knobeln. Und da warten über 100 Rätsel aller Art, die weit über ein dutzend Stunden beschäftigen. Das Prinzip ist auf den ersten Blick ganz einfach: Man muss die geschützten Steine sammeln, die mit ihren Formen an Tetris erinnern und wie Schlüssel funktionieren. Erst wenn man genug davon hat, kann man sie an Toren einsetzen, um sie in einem kleinen Puzzle so anzuordnen, dass sie es komplett ausfüllen. Dann öffnet sich der Weg dahinter. Schön ist die erwähnte Offenheit, so dass es kaum Sackgassen

Wenn man genug Steine hat, kann man weitere Bereiche oder Fähigkeiten freischalten.
gibt, zumal man immer mehr Gelände freischaltet. Der Weg zum nächsten Stein ist also das Ziel – und die werden von futuristischen Wachen, Selbstschussanlagen und Barrieren geschützt.

Die Macht der Steine

Um diese auszuschalten kann man zu Beginn tragbare Lasergeräte einsetzen: Ihr Strahl deaktiviert z.B. die aggressiven Schweber und lässt Hindernisse verschwinden – allerdings sind sie nur einmal einsetzbar. Wie kann man denn dann mit nur zweien dieser Geräte drei blau glimmende Wände auflösen? Und wie soll man an drei dicht nebeneinander schwebenden Wachen vorbei, wo man doch nur ein Gerät hat, das eine einfrieren kann?

Warum warnt eine die Stimme davor, den Turm zu betreten?
Genau hier beginnt das Grübeln und Experimentieren. Dabei hilft es, sich das teilweise verschachtelte Gelände genau anzuschauen und auch mal entfernte Lücken oder Fenster zu nutzen. Zu Beginn sind die Steine sehr  leicht zu ergattern, aber es wird mit der Zeit immer kniffliger – und teilweise unheimlich schwer. Aber manchmal hilft auch das Einfache: Zwei Geräte direkt nebeneinander, um das andere schnell zu greifen, bevor eine Barriere da ist. Man kann schwebende Roboter z.B. rein physikalisch blockieren, um ihre Routen zu stoppen. Ab und zu ist auch Hand-Auge-Koordination gefragt, wenn man schnell ausweichen oder aus dem Radius der Wachroboter verschwinden muss. Allerdings gibt es keine ausufernde Akrobatik; man kann lediglich rennen, springen oder mal Leitern nutzen.

Kombination aus Logik & Physik

Die Abwechslung entsteht durch immer mehr Geräte und physikalische Möglichkeiten, die man freischalten kann. Neben den Lasergeräten kommen weitere Hilfsmittel, Energien, Schlüssel und auch blockierende oder manipulierende Elemente hinzu, so dass man irgendwann nicht mehr nur einfach, mehrfach oder in Schleife aktiviert

Man muss rote oder blaue Energiequellen clever nutzen, um ihre Strahlen auf Mechanismen oder Barrieren zu lenken
und deaktiviert, sondern auch Strahlen über mehrere Stationen kombiniert, Objekte verschiebt, Gewichte einsetzt - und all das natürlich clever kombinieren muss. Es macht Spaß, sich durch die Areale zu tüfteln und immer mehr der Steine zu ergattern, zumal auch seltene Sterne hinzu kommen, die noch vertrackter zu erreichen sind. Was man von ihnen hat? Nur mit ihnen schaltet man das dritte Ende frei.

Technisch und akustisch sollte man nicht zu viel erwarten: Obwohl die Kulisse ansehnlich ist und mit einigen architektonischen Hinguckern punktet, erreicht sie en detail nur solides Niveau - vor allem, wenn man sich dem Wasser oder Bäumen nähert. Auch die soliden Soundeffekte und die Musik fallen nicht mit besonderer Klasse auf.

Fazit

Lust auf anspruchsvolle Knobelei à la Portal und eine interessante Geschichte, die das Menschsein thematisiert? Dann ist The Talos Principle der Geheimtipp am Ende des Jahres!  Das Spiel von Croteam macht von Beginn an unheimlich neugierig – nicht nur angesichts der vielfältigen  Rätsel und freischaltbarer Fähigkeiten, die einem hinsichtlich Timing und Kombinationsgabe alles abverlangen. Auch aufgrund der Story rund um künstliche Intelligenz, die nicht nur zum Nach-, sondern zum Mitdenken angeregt: Das eigene Handeln wird kommentiert und man muss in philosophischen Fragen auch Stellung beziehen - sehr schön. Schade ist nur, dass die beiden hoch interessanten erzählerische Ebenen nicht noch besser in das Lösen der Aufgaben integriert wurden. Aber auch so wird man mit drei möglichen Enden sowie einem Sammelsurium an cleveren Logik- und Physikaufgaben über mehr als ein Dutzend Stunden sehr gut unterhalten.

Pro

  • anpsruchsvolle, vielfältige & logische Rätsel
  • interessante Hintergrundstory & Philosophie
  • Erzähler reagiert auf eigene Aktionen
  • Umfragen verlangen Stellungnahme
  • antike Kulisse mit SciFi-Elementen
  • mehr Fähigkeiten/Geräte freischalten
  • keine Sackgassen, kein Speicherfrust
  • etwas Stealth-Flair und Hand-Auge-Koordination
  • Tagebuch archiviert Notiten & Co
  • gute englische Sprachausgabe
  • drei mögliche Enden

Kontra

  • Rätsel und Storytelling werden zu stark getrennt
  • akustisch und musikalisch dröge
  • grafisch en detail nur solide
  • komplett auf Englisch

Wertung

PC

Anspruchsvolle Knobelei à la Portal und eine interessante Geschichte über künstliche Intelligenz - ein klasse Rätselabenteuer!