Saints Row: Gat Out of Hell - Test, Action-Adventure, 360, PlayStation3, PC, PlayStation4, XboxOne

Saints Row: Gat Out of Hell
21.01.2015, Mathias Oertel

Test: Saints Row: Gat Out of Hell

Einmal Hölle und zurück

Saints und kein Ende. Nachdem sich die Bande von Kleingangstern von ihren verhaltenen Anfängen in Stilwater zur amerikanischen Führung empor geschwungen und gegen Aliens gekämpft hat, schien das Ende der kreativen Fahnenstange erreicht. Doch bevor es mit einem eventuellen Neustart der Saints weiter geht, steht noch eine Erweiterung, während PS4- und One-Spieler mit "Re-Elected" zusätzlich ein Komplettpaket bekommen.

Die vorzugsweise lila gekleideten Saints haben in ihrer bewegten und bislang über vier Titel ausgebreiteten Karriere einiges mitgemacht. Die Bande hat in Stilwater zwei Mal unter der Führung des Spielers höchst actionreich und humorvoll die Macht an sich gerissen. Sie hat sich zu Ikonen der Pop-Kultur hochgegangstert, die sich mit eigenen Klamottenläden und einem Energy-Drink ein zusätzliches Standbein geschaffen hat. Man wurde schließlich sogar Präsident der USA, musste eine Alien-Invasion abwehren und ist aus einer Matrix-ähnlichen Simulation geflohen. Wie kann man dies übertreffen? Indem man sich mit dem Herren der Hölle anlegt.

Höllenritt

Wahlweise kann man mit Johnny Gat oder Kinzie Kensington die Hölle unsicher machen.
Im Gegensatz zu den bisherigen Saints-Abenteuern ist man hier nicht mit dem Anführer der Gang unterwegs, sondern schlüpft in die Rolle des Vollstreckers der Saints, Johnny Gat. Man kann allerdings später auch als Tech-Genie und Hacker-As Kinzie Kensington versuchen, den vom Belzebub entführten und für die Hochzeit mit seiner Tochter vorgesehenen Saints-Chef zu befreien. Der Wechsel wirkt sich aber nur kosmetisch aus, beide haben identische Fähigkeiten oder Bewaffnung. Trotz der neuen Protagonisten ändert sich am Konzept nicht viel: Man ist in einer offenen Höllenwelt unterwegs, die in etwa halb so groß ist wie Steelport aus Saints Row 4, erledigt neben den Hauptmissionen einige Aktivitäten und lässt die Todesrate unter den Dämonen in die Höhe schnellen.

Zugegeben: Die Aktivitäten und Fähigkeiten der Hauptfiguren offenbaren keine großen Überraschungen, da sie bis auf wenige Ausnahmen entweder 1:1 aus Saints Row 4 übernommen und an die Höllenumgebung angepasst bzw. nur leicht variiert wurden. Neu ist das Fliegen per Engelsschwingen, das es in keinem der Vorgänger in dieser Form gab und das bei der Fortbewegung für eine interessante Facette sorgt. Und auch die Kulisse kann mit ihren kargen, größtenteils in Flammenfarben gehaltenen Umgebungen keine Bäume ausreißen – zu sehr merkt man, dass der Ursprung der Technik im Wesentlichen bereits im dritten Teil liegt, der 2011 veröffentlicht wurde. Dennoch sind die etwa vier bis fünf Stunden, die man sich bei Konzentration auf die Hauptgeschichte in der Hölle aufhält, sehr unterhaltsam. Wie bei den bisherigen Saints Rows gilt natürlich auch hier, dass Komplettierer noch ein paar Stunden drauflegen können, bis sie alle Winkel der Verdammnis erforscht und alle teuflischen Geheimnisse aufgedeckt haben.

Auf Engelsschwingen durch die Hölle

Mechanisch hat sich nicht viel geändert - auch wenn die Flügel der Bewegung eine neue Facette hinzufügen.
Dass ich trotz des mechanischen Recyclings gerne mit Gat und Kinzie durch die infernalen Abgründe gelaufen, gefahren und geflogen bin, um Diablo den Garaus zu machen, ist in erster Linie der Geschichte und dem nach wie vor punktgenau zündenden Humor zu verdanken. Die Serie bleibt sich auch mit diesem Add-On treu: Nichts ist heilig, niemand kann sich sicher fühlen, keiner wird verschont. Mal sind die Geschehnisse vollkommen absurd, aber in sich sehr schlüssig. Dann wiederum wird die Erzählung mit wahnwitzigen Ideen wie einer lupenreinen Musical-Nummer gespickt, die deutlich macht, was Walt Disney und Dante Alighieri in einem Drogenrausch gemeinsam auf die Beine stellen könnten. Und spätestens wenn man Shakespeare als DJ begegnet und auf andere bekannte Saints-Row-Figuren trifft (die man in anderen Teilen wortwörtlich zur Hölle gejagt hat), wird der skurrile Kreis wieder geschlossen. Dass dies alles mit einem bekannt ironischen Augenzwinkern passiert, kann häufig vergessen lassen, dass die Technik mittlerweile nicht mehr auf dem neuesten Stand ist. Die inhaltlichen Qualitäten sind in dem Fall höher einzuschätzen als der visuelle Stillstand.

In der physischen Variante auf PlayStation 4 bzw. Xbox One ist "Gat out of Hell" Teil eines größeren Paketes: Neben dem Add-On, das digital auch einzeln erhältlich ist, bekommt man hier noch das komplette Saints-Row-4-Paket. Und wenn Volition "komplett" sagt, meinen sie es auch so. Neben dem Hauptspiel (Wertung: 84%) finden sich in der "Re-Elected"-Version alle Download-Inhalte der "alten" Fassungen. Das sind zwar größtenteils Klamotten und Waffenpacks, doch mit "Enter the Dominatrix" und "How the Saints Save Christmas" sind auch zwei Missionsstränge darunter. Visuell wurde Saints Row 4 auf den neuen Systemen in etwa auf den Stand gebracht, den PC-Spieler schon seit der Erstveröffentlichung kennen.  Damit liegt man zwar insgesamt über dem Niveau der alten Konsolenfassungen. Doch von einem visuellen Upgrade, wie es z.B. bei den "HD"-Versionen von The Last of Us oder gar Grand Theft Auto 5 durchgeführt wurde, kann hier nicht die Rede sein.

Gat und der Präsident auf PS4 und One

Große grafische Sprünge macht die "Re-Elected"-Variante zwar nicht, doch spielerisch hat das Gesamtpaket nichts von seinem Reiz verloren.
Die Entscheidung "Tearing"-vs-Bildrate steht immer noch zur Verfügung, wobei die Bildrate unter dem Strich zwar höher ausfällt als bei den Past-Gen-Versionen, aber dennoch Schwankungen unterworfen ist. Scheinbar wusste High Voltage Software abseits von verbesserten Lichteffekten und leicht verbesserten Charakter-Modellen die auf PS4 und One zusätzlich verfügbare Rechenpower nicht entscheidend zu nutzen. Was sich auch darin zeigt, dass es hier mitunter zu Clipping-Problemen kommt, an die ich mich in den PC- oder den alten Konsolen-Versionen nicht erinnern kann. Die Texturen haben im Detail immer noch Schwächen, die Mimik ist meilenweit von der Qualität eines Mass Effect oder dem entfernt, was GTA 5 bereits in der letzten Konsolengeneration auftischte. Und Steelport ist weiterhin sehr stimmig, aber eben auch nach wie vor nicht außergewöhnlich. Man bewegt sich gern in der Stadt, aber findet auch nur selten Punkte, an denen man innehält, um die Aussicht zu genießen. Immerhin: Der Temporausch, der bei voll ausgebauter Supergeschwindigkeit entsteht, ist trotz auftauchender visueller Defizite (Stichworte: Sichtweite, Pop-ups) immer wieder ein Genuss.

Bekannte Saints-Row-Bestandteile wie die zahlreichen ungewöhnlichen Aktivitäten als Minispiele oder Nebenmissionen werden mit der unnachahmlichen, vollkommen überzogenen Action verknüpft. Zusätzlichen Reiz gewinnen die Auseinandersetzungen gegen die Außerirdischen durch Superkräfte, so dass sich das Abenteuer trotz aller hinlänglich bewährten Mechaniken im Detail angenehm von den anderen Serienablegern unterscheidet. Und nicht zuletzt hat Saints Row 4 den Fokus wie andere "Superhelden-Spiele" mit offener Welt wie die hierzulande indizierten Crackdown bzw. Prototype auf die Vertikale als Element gelegt. Nicht zu vergessen: Der Humor mit seinen teils sehr direkten Dialogen, den teils versteckten Andeutungen und den häufig sehr zielsicher auf Pop-Kultur-Phänomene abgeschossenen Pointen zündet immer noch. Mitunter werden die Gags in einer höheren Frequenz abgefeuert als bei den Filmen der Zucker-Brüder wie Airplane oder Die Nackte Kanone - klasse.

Abwechslungsreiches Spektakel

So sehenswert die Explosionen auch sind, bleibt die Qualität der HD-Umsetzungen trotz Optimierungen hinter dem zurück, was z.B. The Last of Us oder GTA 5 geleistet haben.
Es bleiben allerdings auch trotz der zahlreichen Zusatzinhalte einige Kernprobleme bestehen. Wie z.B. der Add-On-Ursprung von Saints Row 4, der sich auch darin äußert, dass die Aktivitäten im Vergleich zum Vorgänger wenig Neues bieten bzw. nur Variationen darstellen. Und damit einhergehend sorgt auch das Problem der nur mäßigen visuellen Optimierung für Sorgenfalten. Denn wer die Action-Orgie bereits auf den alten Systemen gespielt hat, wird im Gegensatz zu den bereits erwähnten HD-Upgrades wie The Last of Us oder GTA 5 hier wenige visuelle Anreize entdecken, sich erneut durch das Matrix-hafte Stilwater zu ballern. Und daran können weder das klasse Drehbuch noch die durch die Bank klasse besetzten englischen Sprecher etwas ändern. Doch es wird mit Sicherheit noch Spieler geben, die bisher nicht das Vergnügen hatten, mit den Saints durch Steelport zu rauschen.

Fazit

Saints Row 4 hat inhaltlich auf PS4 und One nichts von seiner Faszination eingebüßt. Die vollkommen überzogene und nur im Mittelteil hinsichtlich des Humors abfallende Action wird klasse in Szene gesetzt und macht mir in der Re-Elected-Edition auch als Serienkenner immer noch Spaß. Zudem bekommt man nicht nur alle bislang veröffentlichten Inhalte, sondern auch das neue Standalone-Add-On "Gat out of Hell". Das ist zwar im Kern etwas kurz ausgefallen, wird aber solo zu einem schmalen Preis angeboten, der die Action auch hier wieder lohnenswert macht - auch wenn abseits der Flugfähigkeit kaum Neuerungen geboten werden, dies aber durch den bekannt starken Humor sowie abgefahrene Waffen wettgemacht wird. Technisch hingegen ist das Alter der Engine offensichtlich - sowohl bei Gats Höllenausflug als auch vor allem in der "Re-Elected"-Version auf den neuen Konsolen. Man kann sich auf PS4 und One zwar über eine höhere Auflösung oder verbesserte Licht- und Partikeleffekte freuen. Allerdings wurde die Sichtweite nicht optimiert, während die Bildrate zwar höher liegt als damals, aber immer noch Schwankungen unterworfen ist - man befindet sich maximal auf dem Status der allseits bekannten PC-Version aus dem Jahr 2013. Und damit ist Saints Row 4 Re-Elected im Gegensatz zu GTA 5 für Spieler, die das Abenteuer bereits auf den alten Konsolen gespielt haben, kaum noch interessant. Wer hingegen noch nicht das Vergnügen hatte, mit den Saints die Welt vor einer Alien-Invasion zu retten, bekommt ein inhaltlich prall gefülltes Paket mit Spaß-Garantie, bei dem nur die Kulisse mehr Aufmerksamkeit von High Voltage verdient hätte.

Pro

  • abgefahrene Geschichte [Gat out of Hell]
  • coole Cameo-Auftritte von z.B. Shakespeare oder Blackbeard [Gat out of Hell]
  • haufenweise Aktivitäten... [Gat out of Hell]
  • schmaler Kaufpreis [Gat out of Hell]
  • gut gelungener Humor [Gat out of Hell]
  • die Geschichte ist herrlich überzogen, führt die bisherigen Teile aber gut zusammen [Re-Elected]
  • Über 1200 Datenpakete sammeln ist cool... [Re-Elected]
  • über einen Großteil des Abenteuers bekommt man Vollgas-Action, klasse Dialoge und absurde Situationen... [Re-Elected]
  • alle Download-Inhalte integriert [Re-Elected]
  • grandiose Anspielungen auf Spiele und Filme von Star Wars bis Mass Effect, von Metal Gear Solid bis Terminator oder Harry Potter [Re-Elected]
  • aufrüstbare Superkräfte [Re-Elected]
  • coole Alien-Waffen wie z.B. die Dubsteb-Kanone oder der "Schwarze-Loch-Werfer" [Re-Elected]
  • Vertikale als Spielelement [Re-Elected]
  • abwechslungsreicher Lizenzsoundtrack der Radio-Stationen [Re-Elected]
  • sehr gute englische Sprachausgabe [Re-Elected]
  • Menü-Kontrolle/Auswahl per englische Sprachbefehl möglich [Re-Elected/Gat out of Hell]

Kontra

  • Engine ist in die Jahre gekommen
  • Hauptgeschichte relativ kurz (etwa vier Stunden) [Gat out of Hell]
  • ... die aber größtenteils bekannt sind [Gat out of Hell]
  • auf PS4 nur als Download-Code im Paket [Gat out of Hell]
  • magere Fahrzeugakustik [Re-Elected, Gat out of Hell]
  • Mechaniken und Aktivitäten zum Großteil übernommen oder nur leicht variiert [Re-Elected]
  • ... aber auch verdammt nervig [Re-Elected]
  • ... im Mitteldrittel des etwa 20 Stunden langen Abenteuer wird eine kreative Pause eingelegt [Re-Elected]
  • keine Übernahme der "Past-Gen"-Spielfigur [Re-Elected]

Wertung

PC

Unterhaltsame, aber auch größtenteils bekannte Action, bei der der Humor und die clever erzählte Geschichte die in die Jahre gekommene Engine kompensieren.

PlayStation4

Das Saints-Row-4-Komplettpaket inkl. Gat out of Hell bietet eine Menge kompromisslosen sowie witzigen Action-Spaß, hat als "HD"-Remake technisch auf den neuen Systemen allerdings Luft nach oben.

XboxOne

Das Saints-Row-4-Komplettpaket inkl. Gat out of Hell bietet eine Menge kompromisslosen sowie witzigen Action-Spaß, hat als "HD"-Remake technisch auf den neuen Systemen allerdings Luft nach oben.