Tropico 5 - Test, Taktik & Strategie, 360, PlayStation4, XboxOne, PC

Tropico 5
01.06.2016, Mathias Oertel

Test: Tropico 5

Diktator im Konsolenparadies

Vor etwa zwei Jahren konnte man sich mit Tropico 5 (ab 5,65€ bei kaufen) am PC als Diktator einer karibischen Inselrepublik versuchen. Letztes Jahr durfte der Herrscher-Urlaub auf der PlayStation 4 gebucht werden, deren Version bis vor kurzem für PlayStation-Plus-Mitglieder kostenlos zu haben war, während jüngst die Penultimate Edition für die Xbox One erschien. Grund genug, einen Blick auf das von politischen Querelen und Herrschaftsallüren erschütterte Tropico zu werfen.

Bevor ich auf die inhaltlichen Eigenheiten von Tropico 5 auf Konsole eingehe, die sich naturgemäß nicht stark von denen der PC-Version unterscheiden, die wir im Mai 2014 getestet haben, ein paar Worte zur technischen Umsetzung. Die gar nicht mal so großen Inselwelten sind sowohl auf PS4 als auch auf Xbox One ansehnlich. Karibikidylle, azurblaue Meere, abwechslungsreiche Architektur: Es macht zu weiten Teil Spaß, die frei dreh- und zoom-, sowie eingeschränkt schwenkbare Kamera über die Landstriche zu bewegen. Allerdings läuft nicht immer alles rund. Neben dem sporadischen Tearing, das allerdings den Gesamteindruck nicht großartig trübt, sind es vor allem die Einbrüche in der Bildrate, die ab und an für Missstimmung sorgen und die sich nicht erst bei einer prall gefüllten Insel zeigen. Doch auch wenn nicht alles rund läuft, wird davon zumindest das Spielerlebnis nicht nachhaltig beeinflusst.

Pad-Diktatoren gesucht

Die Steuerung wurde gut auf Pad-Kontrolle umgestellt. Beim Bau z.B. navigiert man mit den oberen Schultertasten durch die Kategorien und wählt dann per Stick das Gebäude aus.
Denn dafür ist die Steuerung gut auf die Pads gebracht worden. Sowohl Informationen als auch das Verstellen der Spielgeschwindigkeit, der Bau von Gebäuden oder Straßen sowie die rudimentären politischen Möglichkeiten, die einem zur Verfügung stehen, gehen nach dem vorbildlichen Tutorial leicht von der Hand. Beim Straßenbau sorgt die halbautomische Vervollständigung zwar gelegentlich für Kopfschütteln, wenn sie wieder einmal eine unökonomische  Kurve mit großem Radius legt anstatt sich an die bestehenden Gebäude anzuschmiegen. Doch auch das ist ein Problem, das man als Spieler schnell identifiziert und umschiffen kann. Dementsprechend kann man sich auf sein Wirken als Diktator konzentrieren, das sich im Vergleich zur Ur-PC-Version zwar nicht komplexer spielt, aber einem bei Standard-Startbedingungen im freien Sandkastenmodus sowie in der interessanten Kampagne das Geld nicht mehr so sehr in den Rachen schiebt.

Bis man aus einer Bananenrepublik einen derartigen Touristenmagneten gemacht hat, geht viel Zeit ins Land.
Doch revolutionäre mechanische Veränderungen im Vergleich zum zwei Jahre alten Dasein als PC-Diktator braucht man hier nicht erwarten. Wie gehabt, versucht man, den Aufbau der Insel sowohl profitabel als auch bevölkerungsfreundlich zu gestalten - was spätestens bei demokratisch gehaltenen Wahlen zu einem Problem werden kann. Plantagen und Farmen müssen aufgezogen werden. Man muss sich um die Errichtung von Minen ebenso kümmern wie um Etablissements, die die Zufriedenheit der Bevölkerung erhöhen oder später mehr Touristen auf die Insel locken. Und zwischendrin bekommt man (auch im Sandkastenmodus) immer wieder Aufträge von verschiedenen Fraktionen. Angefangen vom König, dessen Stellvertreter man während der Kolonialzeit auf der Insel ist und der einen nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch Forderungen stellt, bis hin zu Politikern und Rebellen gibt es zahlreiche Parteien, die einem Missionen und Belohnungen geben. Doch nur selten wird man dabei in Gewissenskonflikte gestürzt. Mitunter widersprechen sich die Aktionen sogar. So etwa, wenn die Krone zusätzliche Geldforderungen stellt, aber nur wenige Sekunden später eine weitere Zahlung an meine Diktatur in Auftrag gibt - da weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut.

Oberflächlicher Politik-Aufbau

Und diese Unstimmigkeiten ziehen sich leider wie schon am PC durch das ganze Design. Der zu erforschende Technologiebaum ist zwar umfangreich, aber annähernd linear. Grundlegende Entscheidungen, die wie bei Civilization zu anderen Ergebnissen und damit frischen Spielerlebnissen führen, sucht man hier in der Forschung vergeblich. Auch die zahlreichen Waren und damit verbundenen Kreisläufe bleiben oberflächlich. Momente wie in der Anno-Serie oder Lethis: Path of Progress, wo man als Belohnung für eine ausufernde Warenkette mit einer neuen Gruppe innerhalb der Bevölkerung belohnt wird, die wiederum neue Annehmlichkeiten nach sich zieht, findet man hier ebenfalls nicht. Hier dienen die meisten Waren samt Weiterverarbeitung nur dazu, die Exporte und damit verbunden das Einkommen zu steigern. Zwar kann man auch bestimmen, dass Teile der Produktion in den heimischen Vertrieb gehen, doch Anteile kann man nicht festlegen, so dass man nicht einmal seine Bevölkerung „formen“ kann. Die Einflussmöglichkeiten sind dementsprechend gering und lassen sich nicht einmal vernünftig für einen politischen Wahlkampf nutzen. Zwar hat man die Möglichkeit, jeden einzelnen der nach wie vor staksig animierten Bürger auszuwählen und weitere Informationen über ihn einzuholen. Und man kann immer noch verschiedene Formen der Interaktion von Denunzierung bis hin zum Attentat nutzen, um sich Revolutionäre vom Hals zu schaffen. Doch vieles wirkt aufgesetzt, austauschbar oder nicht richtig mit dem Kern verbunden.

Etwaige kriegerische Auseinandersetzungen verlaufen weitgehend unspektakulär und taktisch anspruchslos.
Mitunter kommt es zwar zu militärischen Übergriffen vom Rebellen oder feindlichen Armeen, doch auch hier zeigt sich Tropico 5 als strategisches Leichtgewicht.  Abgesehen davon, dass die um sich schießenden und Granaten werfenden "Strichmännchen" bei Weitem nicht so viel hermachen wie die schicke Insellandschaft, hat man auch nur wenige taktische Optionen zur Verfügung, um Aufständen oder Invasionen zu begegnen. Man schickt seine Armee und hofft, dass die Militärmacht reicht – etwas anderes kann man kaum machen. Und von diesen Mankos wird natürlich auch das Online-Spiel beeinflusst, das bis zu vier Spieler kooperativ oder gegeneinander antreten lässt. Doch da der spielerische Kern mit seinem ruhigen, fast schon beruhigenden Aufbau und den sauberen wirtschaftlichen Verknüpfungen stimmt, halte ich mich dennoch gerne in Tropico auf. Zwar vermisse ich das Böse, quasi: das Diktatorische, mit dem die alten Serienableger überzeugten und damit teils Pate für Evil Genius standen.

Zen-Republik

Die Kulisse ist ansehnlich, neigt aber auf beiden Systemen zu Tearing und kämpft gelegentlich mit der Bildrate.
Doch wenn ich mich auf den Aufbau konzentriere und dabei die schwachen politischen Einflussmöglichkeiten oder die mangelnde Tiefe ausblende, gibt es Schlimmeres als Tropico 5, um einen hektischen Tag ausklingen zu lassen. Ich ertappe mich dabei, wie ich versuche, aus dem mir zur Verfügung stehenden Platz das Beste herauszuholen und die nicht vom Spiel verlangten kurzen Warenwege von mir aus zu optimieren. Und ehe ich mich versehe, ist doch wieder eine Stunde oder mehr ins Land gezogen. Allerdings lässt das Dasein als Diktator wie schon am PC viel Potenzial ungenutzt und präsentiert sich als schicke, aber brave Aufbau-Strategie ohne Tiefgang. Xbox-One-Spieler dürfen sich übrigens auf mehr Inhalte freuen, als in der PS-Plusversion für die PlayStation 4 zur Verfügung stehen: Sowohl im Sandkasten als auch im Mehrspieler-Modus stehen mehr Karten zur Auswahl bereit und neben der Hauptkampagne und der Mission "Der große Käse" hat man hier auch mehr Zusatzinhalte zur Verfügung.

Fazit

Großartige Design-Revolutionen darf man im Vergleich zur zwei Jahre alten PC-Fassung nicht erwarten. Zwar kann man nicht mehr ganz so einfach Geld scheffeln wie seinerzeit, wodurch der Anspruch angenehm nach oben geschraubt wird. Doch viele Mankos gibt es hier wie da - und sind zumeist in Oberflächlichkeiten zu finden. Der wirtschaftliche sowie der Aufbau-Kern sind bewährt, solide und motivieren. Doch sowohl bei militärischer Taktik als auch bei der beinahe linearen Forschung, den politischen/diktatorischen Einflussmöglichkeiten und der Option, seine Bevölkerung zu konditionieren bzw. zu formen, bleibt man zu oberflächlich und kratzt das Potenzial wenn überhaupt nur an. Dafür jedoch können die Kulisse trotz Tearing oder sporadischer Bildratenprobleme sowie vor allem die trotz zahlreicher Möglichkeiten sehr gut gelungene Steuerung einen immer wieder überzeugen, einen kleinen Urlaub auf Tropico zu machen. Den bitterbösen Glanz, der von den älteren Serienablegern ausgestrahlt wurde, sucht man hier allerdings vergeblich.

Pro

  • sehr gutes Tutorial
  • ansehnliche Kulisse
  • gute Lokalisierung
  • zahlreiche optionale Startbedingungen...
  • durchdachte Pad-Steuerung
  • mehrstufige Kampagne und freier Spielmodus
  • weit über 20 Karten im Sandkastenmodus (PS4: 17)
  • 16 Karten im Mehrspielermodus (PS4: 11)
  • sowohl kooperativer als auch kompetitiver Mehrspieler-Modus

Kontra

  • Diktator als Person mit nur wenig Profil/Persönlichkeit
  • schwache Animationen der Bevölkerung, kaum Wuselfaktor
  • überschaubarerer, beinahe linearer Technologiebaum
  • ... aber nur wenig Siegbedingungen
  • inkonsequentes Design
  • oberflächliche Warenkreisläufe
  • vieles wirkt beliebig
  • Thema "Despotismus" wird nicht ausgereizt

Wertung

PlayStation4

Saubere Konsolenumsetzung der Aufbau-Strategie, der allerdings der böse Unterton früherer Ableger fehlt.

XboxOne

Die Kulisse passt, die Steuerung der Aufbau-Strategie funktioniert gut. Und auf der Xbox One wird die zusätzliche Wartezeit mit erweiterten Inhalten versüßt.