Heroes of Might & Magic 3 - HD Edition - Test, Taktik & Strategie, PC, Android, iPhone, iPad
Ich bin eigentlich ein Nostalgiker. Das heißt, dass ich ein Herz für Klassiker habe und gerne ein Auge zudrücke. Aber als das grob aufgelöste Intro von Heroes of Might & Magic 3 HD im kleinen Fenster läuft, überkommen mich sowohl auf dem iPad als auch PC sehr starke Fluchtreflexe. Meine Güte, was ist das für ein unheimlich schlechter Fantasykitsch! Einerseits will ich es mit einem Schmunzeln verdrängen, aber die Lady in Tanga und Plattenpanzer spricht auch noch Deutsch. Ihr schlimmes Geplapper über Erathias Banner muss ich ganz schnell verdrängen, damit die Zehnägel wenigstens noch zurückrollen können...
Königin "Catherine Ironfist" bittet zur Flucht...
Schwache Story, seichtes Spielprinzip
Trotzdem versuche ich das goldig funkelnde Artdesign wie eine Hommage zu akzeptieren, ignoriere die ärgerlichen Rechtschreibfehler und stürze mich in den Rundenkampf. Might & Magic entführt ja in ein kunterbuntes Patchwork zwischen Elfen und Untoten, Magiern und Nekromanten. Richtig Spaß macht das allerdings auch nicht, denn der taktische Anspruch hält sich in Grenzen – am besten stellt man den
Schwierigkeitsgrad direkt auf eine höhere der fünf Stufen. Was ich damals wie Chips Runde für Runde in mich reingestopft habe, fühlt sich heute an wie ein seichtes Wimmelbildabenteuer für Feldherren. Auf der Weltkarte grast man alles stoisch ab, was einem an Schätzen, Rohstoffen und Artefakten begegnet. Weil dieses monotone Einsacken von der Aufdeckung der Karte begleitet wird, entstehen aber zumindest rudimentäre Erkundungsreize - ja, ab und zu blitzt auch dieses Noch-ein-Klick wieder auf. Das lässt einen so lange den Nebel des Krieges verjagen, bis man von einer dämlichen Anekdote daran erinnert wird, dass Epos und Elend hier nah beieinander liegen. Nein, das ist kein Blender - es gibt auch viel zu grübeln: Auf der strategischen Ebene gilt es Rohstoffe, Rekrutierungen, Zauber, Heldenklassen und die bis zu acht Stadttypen zu beachten.Zwischendurch darf man immer wieder die auf der Karte sichtbaren Monster zum Tanz auf dem platten Schlachtfeld bitten. Dort wird nicht elegant mit Aufstellungen, Formationen, Höhen & Co gepokert, sondern recht plump mit allen konventionellen und magischen Mitteln gekämpft. Ja, man sollte auf Nah- und Fernangriffe sowie passive Fähigkeiten achten. Ja, je länger man spielt desto mehr Möglichkeiten ergeben sich über 50 Truppentypen. Aber es gibt mehr Masse als Klasse. Die halbgar animierten Gefechte sehen nicht nur komisch aus, wenn Katapulte in seltsamen Winkeln ihre Bolzen abfeuern, sie fühlen sich auch viel zu oberflächlich an. Die auch für 16:9 optimierte HD-Version ist natürlich hübscher, zumal es zusätzliche Schatten sowie höhere Auflösungen gibt. Aber was sollen das für Zaubereffekte sein? Von einer wirklich edlen Kulisse ist man so weit entfernt, dass man auch beim Original mit Mods bleiben kann.
Frustrierende Tablet-Steuerung
Auch wenn es die beiden Erweiterungen (Armageddons Blade, Shadow of Death) nicht in die HD-Version geschafft haben - der Umfang stimmt auf allen Systemen. Drei Kampagnen sind von Beginn an wählbar (Lang lebe die Königin, Dungeons und Teufel, Kriegsbeute), vier weitere können freigeschaltet werden. Bei den Szenarien kann man aus dem Vollen schöpfen: Es gibt über 50 Scharmützel in allen Varianten und Kartengrößen von klein bis riesig für bis zu acht Fraktionen. Meist gilt es alle Feinde zu vernichten, aber man muss auch mal alle Minen besetzen, Artefakte sichern, spezielle Gebäude errichten, alle Monster besiegen oder Städte erobern. Im Mehrspieler kann man diese per Hotseat oder online erleben, inklusive Chat und Einladungen. Am PC läuft das Ganze inklusive Lobby und Steamworks-Kompatibilität. Aber ganz ehrlich: Wer will das heutzutage im Netz spielen?
Fazit
Ich liebe Rundentaktik, habe ein Herz für Klassiker und mag Fantasy. Aber dieses Might & Magic 3 HD sorgt für Fluchtreflexe. Mal abgesehen davon, dass die Präsentation samt Videos und Texten zum Fremdschämen schlecht ist, kommt auch auf der Karte sowie den platten Schlachtfeldern weder nostalgischer Charme noch Spaß auf. Es gibt Spieldesign, das gut altert. Aber das ist Spieldesign, das heutzutage gammelt: sammeln, aufrüsten, rekrutieren und weghauen in monotoner Endlosschleife und vor Kitsch triefender 08/15-Fantasywelt. Das hat mit motivierender Rundentaktik wenig zu tun. Dagegen fühlen sich Fire Emblem auf dem DS oder Ravenmark auf iPad sowohl dramaturgisch als auch taktisch wie Next-Generation an. Was auf dem PC zumindest noch sauber bedienbar ist sowie hunderte Szenarien plus Online-Anbindung serviert, mutiert dann auf dem iPad zur frustrierenden Geduldsprobe. So eine miese Bedienung muss man sich als Touch-Feldherr bei der Auswahl an hochwertiger Strategie wirklich nicht antun. An alle Fans der Serie: Installiert lieber wieder das Original mit Mods - oder wartet auf den siebten Teil. An alle Fans mit Lust auf eine kreative Alternative: Schaut euch mal Might & Magic Heroes: Das Brettspiel an.
Pro
- umfangreicher Klassiker
- zig Truppentypen, Völker, Zauber und Helden
- deutsche Texte und Sprachausgabe
- fünf Schwierigkeitsgrade
- für 16:9 optimiert; höhere Auflösungen
- Online-Unterstützung & Hotseat
- Editor (PC)
Kontra
- schlimme Kitsch-Fantasy
- schwache Story und Präsentation
- monotones Spielprinzip
- taktisch mehr Masse als Klasse
- Schlachtfelder ohne Finessen (Höhen etc.)
- unansehnliche Animationen und Zauber
- vollkommen überfrachtetes Menüdesign
- Fehler in deutschen Texten
- zwei Erweiterungen nicht enthalten
- unpräzise und nervige Steuerung (iPad)
- kein Editor (iPad)