Under Night In-Birth - Exe:Late - Test, Prügeln & Kämpfen, PC, PS_Vita, PlayStation4, PlayStation3

Under Night In-Birth - Exe:Late
13.03.2015, Michael Krosta

Test: Under Night In-Birth - Exe:Late

Eine schwierige Geburt

Under Night In-Birth – Exe: Late – uff, was für ein sperriger Name! Aber zumindest „Late“ scheint in dieser experimentierfreudigen Wörter-Anreihung treffend, denn die PS3-Version ist in der Tat spät dran: In Japan trafen die Animé-Recken zur „Hollow Night“ schon im vergangenen Sommer aufeinander, in der Spielhalle sogar schon 2012. Doch erst jetzt hat es Arc System Works geschafft, den Prügler in westliche Gefilde zu bringen. Lohnt sich ein Blick?

Schon das Intro dürfte japanophile Prügelfans in Verzückung versetzen: Stilecht wird hier die Riege an Anime-Kämpfern vorgestellt und dabei von typischen J-Pop-Klängen (inklusive Gesang) begleitet. Viel von der Hintergrundgeschichte rund um die Hollow-Night erfährt man hier nicht, die sich um „Voids“ genannte Schattenwesen und ihrer Suche nach einer Kraft namens „Existence“ (EXS) dreht. Dazu attackieren sie besondere Menschen, die ihre Präsenz wahrnehmen können. Sind sie erfolgreich, werden die Opfer entweder vollkommen von den Voids aufgesogen oder verlieren ihren Verstand. Die wenigen, die den Angriffen widerstehen können, werden In-Birth genannt. Sie existieren fortan in einer Ebene zwischen Leben und Tod, bekommen im Gegenzug aber die Fähigkeit, EXS zu kontrollieren. Zusätzlich gibt es drei Fraktionen: Während die Yatō-Kämpfer in erster Linie die Voids jagen und Mitglieder von Licht Kreis Zivilisten schützen wollen, stellt die Organisation „Amnesia“ sich der angestrebten Ordnung von Yatō und Licht Kreis mit Chaos und Anarchie entgegen.

Ich versteh nur Bahnhof

Für Spezialattacken muss die EXS-Leiste gefüllt sein.
Warum die Geschichte so wichtig ist? Weil sich Under Night In-Birth nicht nur als einfaches Beat'em-Up versteht, sondern die Prügeleinlagen mit einer Visual Novel kombinieren möchte. Tatsächlich wird im storyfokussierten Arcade-Modus mit seinen zehn Stufen pro Figur ungewöhnlich viel Hintergrund geboten und jeder der 16 Kämpfer/innen des Aufgebots verfolgt eigene Motive und Verstrickungen mit anderen Charakteren. Das Problem dabei: Ich habe am Anfang rein gar nichts von der Handlung verstanden – und das nicht nur, weil die Akteure ausschließlich Japanisch reden und es lediglich englische, aber keine deutschen Untertitel gibt. Aber da wird in den Zwischensequenzen mit Namen, Gruppierungen und Ereignissen jongliert, dass einem zunächst schwindelig wird. Der rote Faden kristallisiert sich erst langsam raus, wenn man mit mehreren Figuren den Arcade-Modus durchspielt – und selbst dann gibt es noch Momente, in denen ich mich gefragt habe, ob die Storyschreiber das ernst meinen können. Da verfolgt also eine Tussi ihren „Loverboy“, der ihr die Unschuld geraubt und sich nach der gemeinsamen Nacht einfach aus dem Staub gemacht hat? Und das alles, um ihre Jungfräulichkeit wieder herzustellen? Oooookay...     

Die Geschichte rund um die illustren Charaktere ist oft viel zu wirr - gerade am Anfang versteht man rein gar nichts.
Ähnlich verwirrend wie die Geschichte präsentiert sich zunächst das Kampfsystem: Zwar teilt man mit den leichten, mittleren sowie schweren Standardangriffen schon ordentlich aus und schafft es auf dem Standardschwierigkeitsgrad auch mit Button-Mashing in Kombination mit geschicktem Blocken recht problemlos ins Finale. Doch für die Feinheiten muss man nicht nur die Move-Liste für jeden Charakter verinnerlichen, sondern auch die vielen Anzeigen abseits der Gesundheit verstehen. Und genau hier lässt einen das Spiel im Stich: Zwar gibt es abseits von Arcade-Modus, Versus-Kämpfen (gegen KI oder andere Spieler) und üblichen Verdächtigen wie Time Attack (Kämpfen gegen die Uhr), Score Attack (Kämpfen für Punkte) oder Survival (Überleben mit wenig Gesundheitsregeneration) auch einen Trainingsmodus, doch ein echtes Tutorial sucht man vergeblich. Während sich die Funktion der EXS-Leiste für das Auführen bestimmter Attacken noch halbwegs leicht ergründen lässt, stellte mich die dynamische GRD-Anzeige vor ein Rätsel, das erst eine Recherche im Internet lösen konnte: Tatsächlich soll dadurch ein offensiver Spielstil gefördert werden, denn nicht nur mit Angriffen, sondern z.B. auch Vorwärtsschritten streiten beide Kontrahenten um die insgesamt zwölf Blöcke, die den Attacken im „Vorpal-Zustand“ mehr Kraft verleihen. Zwar kann man auch ohne diese Details Spaß an der Prügelei haben, doch erst mit der Einbeziehung dieser Feinheiten hebt man sich von den Kampfsystemen der Mitbewerber ab und verpasst ihm darüber hinaus eine taktischere Note sowie die offensiv geprägte Ausrichtung, die Angriffsfreude weiter belohnt. Wie so oft in Prügelspielen gilt auch hier: Es ist einfach zu lernen, aber schwer zu meistern.

Der Sprung ins kalte Wasser

Darüber hinaus weiß auch das Aufgebot an Kämpfern zu überzeugen, denn die Jungs, Mädels und Kreaturen haben alle ihre Vor- und Nachteile hinsichtlich Kraft, Geschwindigkeit und Reichweite – entsprechend unterschiedlich fühlen sie sich an. Dabei kämpfen viele von ihnen nicht nur mit Händen und Füßen, sondern schwingen auch Waffen wie (Twin-)Schwerter oder nutzen außergewöhnliche Fähigkeiten: Carmine kann z.B. Blut kontrollieren und zu gefährlichen Stacheln formen, während Merkava seinen flatternden Monster-Körper ungewöhnlich dehnen und verändern kann. Alle Figuren stehen von Anfang an zur Verfügung. Darüber hinaus lassen sich über Ingame-Punkte aber auch zahlreiche alternativen Outfits und sogar zusätzliche Menü-Designs freischalten.

Abwechslungsreicher Kader

Während die Sprite-Figuren klasse aussehen und gut animiert wurden, enttäuschen viele Hintergründe durch ihr einfaches, lebloses und grobes Design. Street Fighter II hatte diesbezüglich schon in den Neunzigern mehr zu bieten. Die mitunter niedrige Auflösung wirkt sich auch bei der Textdarstellung in manchen Bereichen negativ aus: Zwar lassen sich die Untertitel in den Story-Passagen einwandfrei lesen, doch geht es z.B. um die Kästen mit

Nur dumm rumstehen? Keine gute Idee: Das Kampfsystem belohnt offensive Aktionen.
Hintergrundinfos zu den Charakteren, hilft nur der Griff zur Lupe. Und dazu noch ein schneller Griff, denn viele der Einblendungen verschwinden extrem flott, bevor man überhaupt eine Chance hat, sie zu lesen.   

Zwar geht nichts über lokale Reibereien, doch zum Glück bietet der Online-Modus hier eine gute Alternative: Während andere Prügelspiele oft unter Verbindungsschwierigkeiten und Lags leiden, präsentiert sich Under Night In-Birth bei Auseinandersetzungen über das PSN erfreulich souverän und erfreut sich aktuell auch noch einer verhältnismäßig großen Spielerzahl.

Gute Online-Performance

Fazit

Wer auf pixelige 2D-Retroprügeleien in Anime-Verpackung steht, sollte sich von dem sperrigen Namen Under Night In-Birth – Exe: Late nicht abschrecken lassen: Trotz dieser ungewöhnlichen Aneinanderreihung von Worten und der Verspätung, bekommt man hier ein klassisches Beat'em-Up mit einem ansprechenden Kader sowie einem interessanten Kampfsystem, dessen Tiefgang und Feinheiten sich aber erst nach Recherche offenbaren. Denn leider verpasst Entwickler French Bread die Chance, den Spielern die Mechanik durch ein ordentliches Tutorial oder einen besser designten Trainingsmodus selbst näher zu bringen. Auch die Visual Novel wurde nur halbherzig umgesetzt: Die Geschichte erscheint vor allem am Anfang viel zu wirr und ohne Englisch- oder Japanischkenntnisse steigt man angesichts der fehlenden Lokalisierung ohnehin nicht durch. Als Gesamtpaket bekommt man hier trotzdem einen guten Retro-Prügler, der mit einem offensiv geprägten und durchaus erfrischenden Kampfsystem sowie abwechslungsreichen Stilen der einzelnen Figuren überzeugt – und das sowohl offline als auch online.  

Pro

  • gute Kämpferauswahl
  • flottes, außergewöhnliches und durchaus taktisch geprägtes Kampfsystem
  • Animé-Flair
  • überwiegend störungsfreie Online-Partien
  • massig Freischalt-Kram

Kontra

  • kein Tutorial oder Erklärungen zum Kampfsystem
  • wirre Storyeinlagen
  • mäßige Hintergrundgrafiken / Schauplätze
  • keine deutschen Untertitel
  • mitunter extrem kleine und kurze Textdarstellung

Wertung

PlayStation3

Gute Retro-Prügelei mit einem interessanten Kampfsystem, das allerdings eine gewisse Einarbeitung erfordert, um alle Feinheiten zu nutzen und zu verstehen.