Grim Fandango - Test, Adventure, PC, Switch, PS_Vita, XboxOne, Mac, PlayStation4

Grim Fandango
30.01.2015, Benjamin Schmädig

Test: Grim Fandango

Rückkehr aus dem Reich der Toten

Grim Fandango (ab 29,90€ bei kaufen) ist nicht irgendein Adventure, das sich mit dem HD-Virus angesteckt hat. Grim Fandango war ein verdammt mutiges Spiel! Ein mutiges und ein ausgesprochen gutes. Denn Tim Schafer setzte vor mehr als 15 Jahren Ideen um, die später zum Standard wurden. Und das hat nicht nur mit dem damals neuartigen 3D-Bild zu tun.

Die Steuerung, ich fand sie schon damals gelungen. Warum an Point&Click festhalten, wenn man sich aktiv in einer Spielwelt bewegen kann? Es ergibt Sinn, dass "vorwärts" immer das Vorwärts aus den Augen der Spielfigur bedeutet. Nicht ohne Grund nutzte David Cage in Heavy Rain ein ähnliches Prinzip.

Düsteres Durcheinander

Mich bindet ja nicht nur die Steuerung an den Protagonisten – eine Art Reise-Berater, der, selber tot, frisch Verstorbenen teure Angebote für den Weg durch in die Unterwelt verkaufen soll. Manny Calavera entdeckt allerdings bald, dass in seiner Agentur nicht alles mit rechten Mitteln zugeht. Als der adretten Mercedes Colomar die Reise im bequemen Expresszug verweigert wird, macht sich Manny deshalb auf die Suche nach den Drahtziehern des fingierten Geschäfts. Und nach Mercedes. Vier Jahre wird sein großes Abenteuer dauern.

Während dieser Zeit trifft Manuel, so sein vollständiger Name, auf durchtriebene Bösewichte, quirlige Querköpfe und hilfreiche Dämonen. Er unterhält sich, sammelt Gegenstände auf und verwendet sie anderswo, um Türen zu öffnen, Papiere zu fälschen oder Tauben zu erschrecken.

Auf eine Tabelle voller Gegenstände blicke ich dabei nicht, wenn Manny sein Inventar durchsucht. Stattdessen kramt er sichtbar in seinem Anzug nach Sense, Luftballon oder Schlüssel. Und wenn er ein interessantes Objekt in seiner Umgebung entdeckt, dann dreht er den Blick in die entsprechende Richtung. Was heute ganz normal

Handeln statt klicken: Grim Fandango ist heute noch ein modernes Adventure.
klingt, war damals ein wichtiger Schritt in Richtung Immersion.

Handeln statt klicken

Tatsächlich wollte Tim Schafer (Full Throttle, Brütal Legend, Broken Age) das Spiel sogar noch aktiver gestalten: Dann hätte man gleich zu Beginn z.B. eine Art Lasso per Hand ans Ziel werfen müssen. Solche und andere Details verraten er und andere Entwickler in ebenso ausführlichen wie interesanten Kommentaren. Auf nahezu jedem Bild darf man mindestens einen aktivieren.

Und immerhin weiß der Kreativkopf im Making-of längst, dass der Gedanke hinter der "Panzer-Steuerung" zwar richtig war – seine Umsetzung aber nicht. Und so bietet die Neuauflage auf PC, PlayStation 4 und Vita eine alternative Steuerung an, mit der Manny einfach in die angezeigte Richtung läuft. "Vorwärts" bedeutet dann "ins Bild hinein", egal wohin er gerade blickt.

Zeitgründe hielten Schafer davon ab, seine Vision vom modernen Adventure in allen Einzelheiten umzusetzen. Aber das ist eine Tatsache, mit der sich nicht nur der spätere Gründer des Double-Fine-Studios arrangieren muss.

Touch&Point&Click

Gute Nachrichten auch für Point&Click-Verfechter: Grim Fandango Remastered bietet eine Weiterentwicklung der von einem Fan entwickelten Maussteuerung. Vita-Nutzer dürfen auf den Touchscreen tippen; statt des Klicks berühren sie das Bild an der entsprechenden Stelle. Ich bin kein Freund davon, wenn Künstler ihre einstige Vision dem Zeitgeist anpassen , aber so lange das Original erhalten bleibt, ist dies eine gelungene Modernisierung.

Apropos Original: Ich kann mich zwischen dem damaligen Bildschirmformat entscheiden, das einen heutigen Monitor nicht ganz ausfüllt, und dem gestreckten Breitbild, das jedoch einen furchtbaren Eindruck hinterlässt. Zum Glück fallen die fehlenden Ränder des altmodischen Formats beim Spielen kaum auf. Und nicht zuletzt haben sich die damaligen Bilder erstaunlich gut gehalten.

Im richtigen Licht

Tatsächlich hatte Schafer ein Abenteuer inszeniert, das vor teils prachtvollen Film-Noir-Kulissen spielt. Weil die Hintergründe zwar komplett im Computer berechnet wurden und nur als starre Bilder den Hintergrund bilden, fehlen zwar bewegte Details und eine dynamische Beleuchtung der Kulissen. Dennoch sehen gewaltige Schiffe ebenso stilvoll aus wie die roten Samtbezüge eines edlen Etablissements.

Die Kombination des kontrastreichen Film Noir mit der bunten Frische mexikanischer Kultur ist ein einzigartiges Szenario: Bösewichte sprechen mit beunruhigend sanfter Stimme, Manny zündet sich beim längeren Nichtstun eine Zigarette an und als Mercedes in seinem Büro Platz nimmt, werfen die Lamellen seiner Jalousien dunkle Schatten auf ihr Gesicht.

Bewegte Ahnengalerie

Die neue Beleuchtung arbeitet das Hollywood-Flair aus der Mitte des letzten Jahrhunderts noch stärker heraus. Und natürlich tragen auch die jetzt hochauflösenden Texturen viel dazu bei. Wer will, wechselt übrigens jederzeit zwischen alter und neuer Grafik. Es ist erstaunlich, wie viel plastischer die inzwischen gut ausgeleuchteten Figuren gegenüber ihren voll im Licht stehenden Ahnen wirken!

Die neue Beleuchtung unterstreicht den Film-Noir-Charakter.

Sogar die Musik wurde überarbeitet, denn nicht alle Stücke des jazzigen Soundtracks konnte Peter McConnell einst mit echten Instrumenten aufnehmen. Heute spielt ein kleines Orchester die damals elektronisch arrangierte, noch immer ausgezeichnete Musik.

Gut gebrüllt!

Sprache und Dialoge haben sich dabei auch ohne Neubearbeitung gut gehalten: Hervorragende Schauspieler sprechen gut geschriebene Dialoge. Die Rätsel, die manche von ihnen aufgeben, sind fast durchgehend logisch. Das unterstützt den amüsanten, aber auch erwachsenen Grundton, den Schafer seit Full Throttle drei Jahre vorher anstrebte. Das Geschichtenerzählen liegt Schafer mehr als der Klamauk eines Day of the Tentacle.

Manche Laufwege durch die prächtigen Schauplätze empfinde ich allerdings als zu weit. Ausgerechnet mit der bequemen Gamepad-Steuerung ist das aktive und für ein Adventure typische Laufen von einem Raum zum fernen nächsten mitunter müßig. Der Einfachheit wegen und um manche Szenen noch einmal zu erleben, hätte ich mir zudem mehr als acht Speicherplätze gewünscht.

Blasen an den Füßen

Ein echtes Ärgernis sind seltene Programmfehler, von denen manche zu Abstürzen oder dazu, dass es im Spiel nicht weiter geht. Etwas häufiger sind weniger frustrierende, aber ähnlich ärgerliche Grafikfehler, wenn ein Gegenstand in Mannys Händen etwa nicht angezeigt wird.

Fazit

Keine Frage: Die frisch polierte Neuauflage eines Adventures mit starren Kulissen sollte technisch einwandfrei sein! Mich hat das seltene Augenrunzeln allerdings nicht davon abgehalten, eines der besten Rätsel-Abenteuer in vollen Zügen zu genießen. Tim Schafer renoviert seine ebenso spannende wie humorvolle Geschichte für aktuelle Systeme, erleichtert die Steuerung und unterstreicht durch eine zeitgemäße Beleuchtung die filmischen Referenzen seines farbenfrohen Film Noirs. Dass Grim Fandango Remastered kein echtes Breitbild unterstützt, stört mich nicht im Geringsten. Vor allem inhaltlich setzt das Abenteuer nach wie vor Maßstäbe: Gut geschriebene Dialoge führen durch plausible Kopfnüsse und weil sich Point&Click so hartnäckig gehalten hat, wirkt die aktive Suche im Inventar sowie das Durchsuchen eines Raums ohne hinweisende Symbole heute noch modern. Es ist nicht die aufwändigste Neuauflage – aber eine, die diesem Klassiker in fast jeder Form gerecht wird!

Pro

  • verbesserte Gamepad- und neue Point&Click- bzw. Touch-Steuerung
  • neue Texturen und Beleuchtung für Figuren und interaktive Objekte
  • teilweise neu aufgenommene Orchestermusik
  • zahlreiche Kommentare der Entwickler
  • gestrecktes Breitbild oder Originalformat mit Zierrahmen
  • jederzeit umschalten zwischen alter und neuer Darstellung
  • spannende Geschichte in einem einzigartigen Szenario
  • großartig geschriebene und gesprochene Dialoge
  • logische Rätsel

Kontra

  • seltene Fehler: Gegenstände werden nicht angezeigt, Weiterkommen nicht möglich
  • Laufwege können mit Gamepad-Steuerung ermüdend sein
  • nur acht Speicherplätze

Wertung

PC

Gute Neuauflage eines großartigen Klassikers mit neuer Steuerung und moderner Beleuchtung.

PS_Vita

Anstatt mit der Maus zu klicken, dürfen Vita-Spieler auf den Touchscreen tippen - inhaltlich gleicht die Handheld-Umsetzung den "großen" Fassungen.

PlayStation4

Gute Neuauflage eines großartigen Klassikers mit neuer Steuerung und moderner Beleuchtung.