Cities: Skylines - Test, Taktik & Strategie, XboxOne, Switch, Mac, PlayStation4, PC
Hat man einmal einen Teil der SimCity-Serie gespielt, allen voran SimCity 4 oder den bislang letzten Städtebau von Electronic Arts, findet man sich auch dank der ordentlichen Hinweise schnell in Cities Skylines (CS) zurecht. Man baut in den großräumig angelegten Karten Straßen und legt Bebauungszonen fest, die in den bekannten Farben Gelb (Industrie), Blau (Handel/Gewerbe) und Grün (Wohnraum) markieren, was denn wo für Häuser entstehen. Doch auch wenn bis hierhin der Eindruck entsteht, dass Colossal Order nur eine Blaupause von SC4 in moderner Kulisse anbieten, finden sich schnell erste Unterscheidungs-Merkmale. U.a. hinsichtlich der Benutzerführung und des Bedienungskomforts, aber auch im Detail der Städteplanung werden erfahrene Hobby-Bürgermeister diverse Änderungen vorfinden. So gibt es z.B. nur noch eine Bebauungsdichte für Industrie, nur zwei für Gewerbe/Handel sowie Wohnraum. Dazu gibt es noch Türkis für Büro-Gebäude. Der Clou: Ähnlich wie beim aktuellen SimCity gibt es in jeder Bebauungsdichte auch noch unterschiedliche Abstufungen, die sich danach richten, wie gut die Infrastruktur im Umfeld ist.
Der leere Raum
Bis hierhin ist Skylines ein Städtebau wie (fast) jeder andere. Zwar hat man hier deutlich mehr Freiheiten, was die Straßenführung (bis hin zu vielspurigen Einbahnstraßen) oder das unkomplizierte Anlegen der Bebauungszonen (bis hin zu einem Pinsel-Werkzeug) betrifft. Doch erst in der zweiten Ebene werden die Unterscheidungsmerkmale stärker deutlich. Nicht nur, dass man wie üblich die einzelnen Bereiche in der Budgetplanung unterschiedlich besteuern kann. Natürlich kann man auch in der Planung bestimmten zivilen Dienstleistungen ein höheres Budget zuweisen, um so z.B. den einzelnen Polizeistationen mehr Streifenwagen zu ermöglichen. Doch wo andere Städteplaner sich spätestens jetzt zurücklehnen, gibt Skylines weiter Vollgas. Denn zusätzlich stellt Colossal Order ein einfach zu bedienendes Tool zur Verfügung, um Stadtviertel zu
markieren. Das wiederum kann man nutzen, um über Verordnungen weiter Einfluss auf das Stadtbild zu nehmen. So kann man auf Kosten des eigenen Kontos die Bürger animieren, Strom oder Wasser zu sparen, Nichtraucher-Verordnungen zu erlassen und sogar den Schwerverkehr im Viertel oder den Hochhausbau zu untersagen. Und das alles auf stadtweiter Ebene oder haarklein für jeden definierten Bezirk - klasse! Der Clou liegt hier im vorsichtigen Balancieren zwischen Steigerung des Steuereinkommens und Annehmlichkeiten für die Bürger.Der Teufel im Detail
Und die Erfahrung, die das Team mit dem Nahverkehrs-Aufbau Cities in Motion hatte, fließt in Skylines ein, sobald es an das Anlegen von öffentlichen Nahverkehrslinien geht: Sowohl Busse als auch U-Bahn- oder Zuglinien lassen sich komfortabel anlegen und helfen, um den vor allem mit Industriespezialisierungen wie Fokus auf Öl oder Erze aufkommenden Verkehrsknotenpunkten ein Schnippchen zu schlagen. Und wenn alle Stricke reißen sollten, kann man den Straßen mit entsprechendem Spielraum problemlos Upgrades verpassen. Später kann man auch noch Häfen bauen, um seine Rohstoffe oder Touristen besser transportieren zu können. Wie die Autobahnen führen auch Zuglinien aus der Karte heraus. Allerdings gibt es keinen aktiven Austausch zwischen dem eigenen und fremden Großräumen. Stattdessen werden nur passiv Waren und Touristen transportiert, die sich positiv auf die Einnahmen auswirken.
Es kommt doch auf die Größe an
Als ob es das bräuchte... Hier ist ein Gebiet, das dringend bebaut werden muss. Dort will ich unbedingt Stufe-5-Wolkenkratzer haben. An anderer Stelle ist die Bevölkerung nicht maximal zufrieden gestellt. Und das leichte Defizit in der Budgetplanung muss auch noch weg. Allerdings nicht, bevor ich den Autobahnzubringer fertig gestellt und eine neue Umgehung zum Industriegebiet eingeweiht habe. Solarstrom ist auch noch nicht in allen Bereichen verfügbar. Da zudem zahlreiche Overlays und zuschaltbare Statistiken Informationen darüber liefern, wo ich noch Nachholbedarf habe, findet man immer etwas zu tun. Und bevor man sich versieht, ist nicht nur eine halbe oder ganze Stunde ins Land gezogen, sondern der Abend fast vorbei. All das, was man in den letzten Jahren im dreidimensionalen Städtebau vermisst hat, bietet Cities Skylines gleich dutzendweise und liefert im mittleren Preissegment einen mehr als ordentlichen Gegenwert.
Stolpersteine und Probleme
Colossal Order ist stolz darauf, dass die letzten Titel der Finnen das Modding durch die Community unterstützt haben. Dementsprechend hat man auch hier viel vor. Gegenwärtig beschränkt man sich zwar in erster Linie auf die üppige Gelände-Modifikation sowie das Verändern von Farben und Umgebungslayouts bei Gebäuden. Doch schon damit lassen sich individuelle Veränderungen des Großstadtgesichts vornehmen. Und dank Steam-Workshop-Einbindung kann man seine Kreationen schnell mit der Welt teilen bzw. die Ideen andere Skylines-Fans in seine Stadt integrieren. Nach Veröffentlichung plant man, die Basis-Modding-Tools nach Feedback der Nutzer aufzustocken. Es bleibt zu hoffen, dass auf diesem Wege schließlich auch z.B. Tunnelbau möglich wird oder dass man Stadtvierteln nicht nur politisch, sondern auch visuell ein individuelles Gesicht geben und z.B. ein französisches Viertel usw. festlegen kann. Oder dass zusätzliche Freizeiteinrichtungen angeboten werden. Es gibt derzeit zu wenige Parktypen und dass Theater, Stadien etc. auch nur als einmalig zum Bau vorgesehene Sonderbelohnungen zur Verfügung stehen, ist ebenfalls suboptimal und sollte behoben werden.
Meine Welt, deine Welt
Fazit
Hut ab, Colossal. Diese Mischung aus Städtebau und Verkehrs-Infrastruktur-Simulation kann sich sehen lassen. Man bedient sich zwar in vielerlei Hinsicht freizügig bei Elementen, die spätestens seit SimCity 4 oder Cities XL funktionieren. Doch man setzt auch auf einige interessante frische Ideen: So baut man zusätzlich auf die eigene Nahverkehrs-Expertise, die man mit Cities in Motion gewonnen hat. Weiterhin werden dem geneigten Hobby-Bürgermeister über Stadtviertel und dezidierte Verordnungen ebenso einfache wie potente Mittel in die Hand gegeben, um das Gesicht der Stadt zu prägen und sie attraktiv für neue Bürger zu machen. Und man hat wahnwitzig große Areale (die Stadt kann über 30 Quadratkilometer groß werden), die dank der ordentlichen Engine und dem gewählten Modellbau-Artdesign einen hohen Wuselfaktor erzeugen. Nicht zu vergessen die Unterstützung der Modding-Community, die kurz- und mittelfristig dafür sorgen könnte, dass die kleineren Mankos wie wenige Freizeitanlagen oder zu geringe visuelle Unterscheidung der einzelnen Viertel ausgemerzt werden. Und während die Skylines-Fans die Städte verschönern und per Steam Workshop ihre Kreationen austauschen, kann das Team sich an die Behebung kleinerer Bugs wie Wegfindung, unrealistischer Kreisverkehr oder die mitunter unpassenden Kommentare der Bevölkerung setzen. Doch da keiner dieser Fehler kritisch ist und man sich schnell in einer fatalen Motivationsspirale wiederfindet ("Nur noch diese Stadterweiterung"), füllt Cities Skylines genau die Lücke, die seit SimCity 4 von der versammelten Städtebau-Konkurrenz nicht geschlossen werden konnte.
Pro
- Städte bis 36 km² groß, Gebiete jeweils bis 100 km²
- Steam-Workshop-Anbindung
- Mod-Unterstützung
- Karten-Editor
- potente Engine mit detailreichem Modellbau-Look
- Sondergebäude und Stadterweiterungen über Meilensteine freizuschalten
- manuelle Stadtviertel-Einteilung
- Größe der Städte wird gut vermittelt...
- größtenteils logische Zusammenhänge zwischen Bedürfnissen und Stadtwachstum
- pro Stadtviertel sowie global Verordnungen einstellbar
- einfache Bedienung
- enorme Freiheit beim Straßenbau
- unkomplizierter Bau öffentlicher Verkehrsmittel
- extrem hoher Wuselfaktor
- umfangreiche Statistiken
Kontra
- Verhalten im Kreisverkehr unrealistisch
- Mod-Tools derzeit noch rudimentär
- Ampeln erst an großen Kreuzungen
- unpassende Kommentare der Bevölkerung
- mitunter Kolonnen an Fahrzeugen städtischer Dienste
- Wegfindung nicht optimal
- insgesamt auf normalem Level zu leicht
- ... allerdings stimmt die Relation zwischen Einwohnern und beanspruchtem Gebiet nicht immer
- Freizeit-Anlagen nicht zahlreich genug und meist nur über Sonderbauwerke zu errichten
- Stadtviertel mit zu wenigen visuellen Unterscheidungs-Merkmalen
- kleinere Bugs