Homeworld Remastered Collection - Test, Taktik & Strategie, PC
Es ist erstaunlich wie gut dieses Spieldesign gealtert ist. Als Kommandant manövriere ich mit Aufklärern, Fregatten und Zerstörern in großen Verbänden – inklusive Ernte, Bau, Forschung und explosiven Gefechten im All. Ich kann bewachen, verfolgen, tarnen, patrouillieren, reparieren oder feindliche Schiffe in Andockmanövern kapern. Homeworld katapultierte die am Boden verhaftete Echtzeit-Strategie 1999 spektakulär in die dritte Dimension. Das war kein Technologieblender, sondern anspruchvolle Taktik mit diversen Waffensystemen, gemischten Verbänden sowie zig Formationen. Und selbst heute übt das Manövrieren in räumlicher Tiefe nahezu frische Reize aus. Ganz einfach, weil kein anderes Spiel bisher an diese Qualität heran kam. Daran erkennt man natürlich auch, wie wenig Kapital und vor allem Kreativität seit etwa einem Jahrzehnt in die Entwicklung des Genres fließt.
Gänsehaut im Weltall
Ich fühle mich in der "alten" Kampagne des ersten Homeworld sofort wieder mittendrin, spiele bei aktivierter Pause mit Formationen, Verhaltensmustern und Zielrouten, während die Musik von Paul Ruskay nicht nur die dramatische
Spannung bei all den Überfällen und Hinterhalten antreibt: Der geniale Soundtrack sorgt mit seinen melancholischen Chören auch für diese sphärische Erhabenheit in den ruhigen Phasen des Aufbauens, des Sammelns und Abwägens. Man hat ihn neu abgemischt, dazu hochwertige Sprachaufnahmen mit den so wichtigen Originalsprechern aufgenommen. Das Ergebnis ist klasse! Allerdings wird komplett Englisch gesprochen, es gibt lediglich deutsche Texte in Menüs oder Untertiteln.Mittendrin im "alten" Spielgefühl
Warum bin ich so fasziniert von diesem Remake? Es gibt ja weder neue Raumschiffe noch Missionen - lediglich die Grundfarbe der eigenen Flotte lässt sich ändern. Die Benutzeroberfläche wurde komplett modernisiert, aber Einsteiger sollten dringend die Tutorials spielen, denn die räumliche Tiefe verlangt mehr als Lassomethode und Angriff. Trotz jederzeit möglicher Pause sollte man genau wissen, welche Manöver man einleitet. Aber spielerisch ändert sich nichts Wesentliches, was Missionen oder Ereignisse betrifft. Neu ist lediglich, dass die Jäger in der ersten Kampagne keinen Treibstoff mehr verbrauchen und damit quasi permanent einsatzbereit sind; und dass es beim Reparieren keinen Strahl aus der Distanz gibt wie bei der Ernte, sondern ein echtes Andocken, das auch länger dauert. Ersteres senkt, Letzteres erhöht aber nur gefühlt den Schwierigkeitsgrad. All das sind nur Nuancen, es bleibt beim alten Spielgefühl - hier wurde also nichts verwässert.
Die Space Opera für Taktiker
Letztlich kann man sich aber gegen alles wappnen und seinerseits die KI aushungern, denn sie schummelt nicht mit den Rohstoffen: Wer den Feind lockt und seine Schiffe aus guter Defensive immer wieder zerstört, trocknet auch Trägerschiffe aus - da kommen also nicht endlos Jäger. Vor allem im zweiten Teil kommt es in den XXL-Gefechten natürlich auf eine optimale Balance der eigenen Waffengattungen an. Man sollte genau wissen, welche Gruppe man in welchen Angriff schickt. Im ersten Homeworld entstehen übrigens auch nach Gefechten keine längeren Sammelphasen, wenn man unbedingt alles an Rohstoffen abgrasen will, bevor man in den nächsten Sektor springt. Wie in Homeworld 2 wird das durch eine Automatik beschleunigt, die bei Missionsende alles hortet.
Die eigenständig lauffähige Erweiterung der Barking Dog Studios aus dem Jahr 2000 ist nicht enthalten, weil laut Gearbox der Quellcode verloren ging.Selbst wenn es mal Trial&Error gibt: Das taktische Versuchen und Scheitern kann der Faszination nichts anhaben. Das liegt vor allem daran, dass man diese Kampagne nicht einfach als einen
strategischen Krieg, sondern auch als Space Opera erlebt. Hier fiebere ich mit, weil eine ebenso geheimnisvolle wie existenziell bedrohliche Geschichte erzählt wird. Die schwarzweißen Zwischensequenzen sind zwar filmisch nicht spektakulär, aber sie wurden für die Neuauflage angenehm geschärft und tragen die wesentlichen Elemente der Story neben all dem, was während der Missionen passiert. Man identifiziert sich deshalb mit seinem Mutterschiff, weil es mehr ist als eine schnöde Basis - es ist mit dem Gehirn einer Neuroforscherin verbunden, es sichert das Überleben von Hunderttausenden im Kälteschlaf. Außerdem wird man direkt über Funk angesprochen und auch dieses Feedback über gelungene Sprünge, nahende Feinde oder mysteriöse Artefakte trägt viel zur Atmosphäre bei. Man beschützt schließlich ein Volk, das auf seiner Odyssee durch das All von tragischen Zwischenfällen heimgesucht wird. Relic Entertainment hat die Echtzeit-Strategie damals nicht nur um anspruchsvolles Taktieren in der dritten Dimension, sondern auch um so gutes Storytelling bereichert, dass es selbst 2015 noch heraussticht.Hinzu kommt ein unheimlich markantes Artdesign, das verdammt coole Raumschiffe durchs All jagen lässt, deren Modelle ich am liebsten in XXL von LEGO nachbauen würde. Gearbox veredelt die beiden Klassiker technisch so gut, dass ich mich immer wieder dabei ertappe, wie ich pausiere und die Kamera langsam um die Jäger oder Fregatten herum drehe, bevor ich sie wieder losdüsen lasse. Es macht mir als Kenner der Originale einfach Spaß, die
verfeinerten Modelle anzuschauen. Dazu gehören aber auch die eleganten Flugmanöver: Man hat fast das Gefühl, dass man Insektenschwärme beobachtet, wenn man drei Verbände mit Jägern und Fregatten in die Schlacht schickt, die im Kollektiv wenden und dann im beschleunigten Sturzflug feuern. Ein Highlight sind auch die Kapermanöver: Versucht mal mit einer Fregatte einen flinken Jäger zu fangen - das ist wie eine schwere Hummel, die eine flinke Biene umschwirrt.Audiovisuelle Modernisierung
Vor allem das erste Homeworld profitiert technisch enorm davon, dass Gearbox dort die modernere Engine sowie etwas intuitivere Steuerung aus Homeworld 2 arbeiten lässt. Zwar erreichen die Raumschiffe selbst bei höchsten Details nicht die maximale Brillanz, die heute auf dem PC möglich wäre. Aber vor allem das partikelreichere Licht, die schärferen Konturen, die stimmungsvollen Schatten und vor allem viel mehr erkennbare Kleinigkeiten an den Raumschiffmodellen sorgen für eine sehr ansehnliche Kulisse, die bei voller Auslastung mit all den bunten Schweifen kleine Gemälde im All entstehen lässt.
Wer den grafischen Fortschritt selbst erleben will, kann das auf einen Klick im Hauptmenü tun: Die Kollektion enthält auch die ursprünglichen Versionen Homeworld (1999) sowie Homeworld 2 (2003) , die für aktuelle Betriebssysteme optimiert werden sollten - ein toller Service, denn die Klassiker sind schwer zu bekommen. Allerdings hatten wir beim Spielstart des ersten Teils des Öfteren Probleme mit Abstürzen. Und im Gegensatz zu der modernisierten Version läuft er auch nicht per se im Breitbildformat, sondern maximal in 1280x1024. Homeworld 2 zickte nicht so rum und lief umgehend ohne Probleme in 1920x1200. Schade, dass Gearbox hier nicht noch eine entsprechende Option für 16:9 & Co hinzugefügt hat – so muss man das manuell über Registry & Co einstellen.
Die Klassiker im Original spielen
Multiplayer aus einem Guss
Außerdem könnt ihr je nach Spielmodus viele Regeln anpassen: Die meisten Optionen habt ihr, wenn ihr das komplette Paket in Remastered spielt – nämlich vierzehn. Vom Rohstoffmultiplikator, der Einheitenbegrenzung und den Start-Ressourcen bis hin zu Beute, Forschung und Trägerschiffe. Besonders schön: Man kann zusätzlich zur Schwierigkeit auch die KI-Strategie von defensiv, normal über aggressiv bis dynamisch einstellen. Außerdem lassen sich Blitzangriffe auf fünf, zehn oder fünfzehn Minuten nach Start eindämmen, wenn man erstmal etwas aufbauen will. Last but not least: In Zukunft werden auch Mods unterstützt, so dass sich demnächst eine Community bilden kann.
Fazit
Ich habe mich riesig auf diese Homeworld Remastered Collection gefreut. Und Gearbox hat mich nicht enttäuscht: Schon in der ersten Kampagne war das mehr als ein nostalgisches Déjà-vu, das war Gänsehaut pur. Warum bin ich so fasziniert? Es gibt ja weder neue Raumschiffe noch Missionen. Aber das Spielgefühl und die futuristische Anziehungskraft wirken selbst sechzehn Jahre nach der Premiere. Ich führe nicht einfach steril Krieg, sondern fiebere mit, weil ich eine tragische Space Opera erlebe - hier trifft taktischer Anspruch auf episches Storytelling. Freut euch auf zwei audiovisuell vorbildlich modernisierte Klassiker, die zwar die Power aktueller Rechner nicht maximal ausreizen, aber immer wieder zum Zuhören und vor allem Zuschauen animieren: Wie oft drehe ich hier die Kamera um Fregatten oder Zerstörer, weil da Gemälde im Sternenlicht entstehen! Gearbox hat ja nicht nur die Auflösung hochgeschraubt, sondern wirklich sehr liebevoll poliert. Hinzu kommt nicht nur ein sehr starker Online-Modus, dazu Gefechte gegen diverse KI-Typen sowie Mod-Unterstützung, sondern auch die Aussicht auf Homeworld 3, wenn diese Sammlung erfolgreich ist. Besser kann man diese 30 Euro als Science-Fiction-Fan und Stratege gar nicht anlegen.
(Da es sich um eine Sammlung mehrerer Spiele handelt, geben wir keine Prozentwertung. Anm.d.Red.)
Einschätzung: ausgezeichnet